[...] Bei den Forschungen um die Nachrichtenwerttheorie wurde in der Vergangenheit meist die Position der Medientreibenden, also der Journalisten beleuchtet. Ihre Selektionskriterien standen dabei im Vordergrund. Nur sehr wenige Forschungen beschäftigten sich hingegen mit der Position der Rezipienten und der Frage, inwieweit es Unterschiede in der Auffassung der Journalisten und der Rezipienten gibt. Haben also Leser, Hörer und Zuschauer eines Massenmediums dieselben Kriterien für die Relevanz einer Meldung oder eines Ereignisses oder gibt es Unterschiede zu den Auffassungen der Journalisten? Hierbei spielt die Unterscheidung zwischen Meldung und Ereignis eine wesentliche Rolle. Denn in aller Regel folgt ja die Meldung dem Ereignis, und es obliegt zunächst dem Journalisten, eine Meldung oder Sendung zu konzipieren. Und genau an diesem Punkt stellt sich erneut eine interessante Frage: Kann und will der Journalismus dem Rezipienten mit der Realität, die er durch das Medium vermittelt, eigentlich die faktische Realität („das, was wirklich geschah“) überhaupt näher bringen und wenn nicht, wo liegen die Unterschiede zwischen Medienrealität und der Wirklichkeit? Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit genau diesem Aspekt der Nachrichtenwertforschung: Dem Unterschied zwischen einer medial vermittelten Realität und einer faktischen Realität. Grundlage für die Arbeit ist eine Studie von Lang & Lang aus dem Jahr 19531. Die Forscher nahmen ein Ereignis von großem öffentlichen Interesse (den „MacArthur Day" in Chicago) zum Anlass, Unterschiede zwischen der unmittelbaren Wirklichkeit dieses Ereignisses und der Berichterstattung über das Ereignis erkennen. Wie spätere Ausführungen zeigen werden, gingen sie dabei zwar methodisch nicht immer einwandfrei vor, dennoch lassen sich greifbare Ergebnisse herausarbeiten. Zunächst soll im Folgenden die Studie näher beleuchtet werden. Im Blickpunkt stehen dabei historische Hintergründe, Erwartungen von Zuschauern und Unterschiede zwischen Fernseh- und faktischer Realität. In einem zweiten Schritt soll auf einer abstrakteren Ebene diskutiert werden, inwieweit eine Medienrealität die faktische Realität abzubilden überhaupt in der Lage ist und welche Rolle Selektionsentscheidungen der Journalisten in diesem Zusammenhang spielen. 1 Lang, Kurt & Gladys Engel Lang (1953): The unique perspective of television and its effect. In: American Sociological Review 18. sowie
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. MacArthur Day in Chicago
2.1 Hintergrundinformationen über das Ereignis und die Studie
2.2 Aufbau der Studie
2.3 Erwartungen im Vorfeld und ihre Erfüllung
2.4 Die Berichterstattung im Fernsehen
2.5 Zusammenfassung – Analyse
3. Berichterstattung und Realität
4. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Nachrichtenwerttheorie bietet ein breites Spektrum für Forschungsansätze. Prinzipiell steht die Frage im Vordergrund, welche Nachricht in einem Medium auftaucht, warum und in welcher Größe, in welchem Umfang und in welcher Aufmachung dies geschieht. Bei den Forschungen um die Nachrichtenwerttheorie wurde in der Vergangenheit meist die Position der Medientreibenden, also der Journalisten beleuchtet. Ihre Selektionskriterien standen dabei im Vordergrund. Nur sehr wenige Forschungen beschäftigten sich hingegen mit der Position der Rezipienten und der Frage, inwieweit es Unterschiede in der Auffassung der Journalisten und der Rezipienten gibt. Haben also Leser, Hörer und Zuschauer eines Massenmediums dieselben Kriterien für die Relevanz einer Meldung oder eines Ereignisses oder gibt es Unterschiede zu den Auffassungen der Journalisten?
Hierbei spielt die Unterscheidung zwischen Meldung und Ereignis eine wesentliche Rolle. Denn in aller Regel folgt ja die Meldung dem Ereignis, und es obliegt zunächst dem Journalisten, eine Meldung oder Sendung zu konzipieren. Und genau an diesem Punkt stellt sich erneut eine interessante Frage: Kann und will der Journalismus dem Rezipienten mit der Realität, die er durch das Medium vermittelt, eigentlich die faktische Realität („das, was wirklich geschah“) überhaupt näher bringen und wenn nicht, wo liegen die Unterschiede zwischen Medienrealität und der Wirklichkeit?
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit genau diesem Aspekt der Nachrichtenwertforschung: Dem Unterschied zwischen einer medial vermittelten Realität und einer faktischen Realität. Grundlage für die Arbeit ist eine Studie vonLang & Langaus dem Jahr 1953[1].
Die Forscher nahmen ein Ereignis von großem öffentlichen Interesse (den „MacArthur Day" in Chicago) zum Anlass, Unterschiede zwischen der unmittelbaren Wirklichkeit dieses Ereignisses und der Berichterstattung über das Ereignis erkennen. Wie spätere Ausführungen zeigen werden, gingen sie dabei zwar methodisch nicht immer einwandfrei vor, dennoch lassen sich greifbare Ergebnisse herausarbeiten.
Zunächst soll im Folgenden die Studie näher beleuchtet werden. Im Blickpunkt stehen dabei historische Hintergründe, Erwartungen von Zuschauern und Unterschiede zwischen Fernseh- und faktischer Realität.
In einem zweiten Schritt soll auf einer abstrakteren Ebene diskutiert werden, inwieweit eine Medienrealität die faktische Realität abzubilden überhaupt in der Lage ist und welche Rolle Selektionsentscheidungen der Journalisten in diesem Zusammenhang spielen.
2. MacArthur Day in Chicago
2.1 Hintergrundinformationen über das Ereignis und die Studie
Der sogenannte „MacArthur Day“ in Chicago steht für ein Ereignis, welches große Beachtung in der damaligen Fernsehberichterstattung fand. General Douglas MacArthur war ein hochrangiger General der amerikanischen Armee im Zweiten Weltkrieg, stationiert vor allem im Fernen Osten. Dort fungierte er unter anderen auch als Kommandeur der Truppe der Vereinten Nationen.[2]
Am 10. April 1951 wurde MacArthur durch US-Präsident Harry Truman vom Dienst suspendiert, nachdem er öffentlich das Bestreben Trumans kritisiert hatte, den Krieg in Korea soweit wie möglich einzuschränken.[3]MacArthur verließ den Fernen Osten und feierte seine Wiederkehr in die Heimat mit mehreren Paraden durch amerikanische Großstädte (unter anderem Washington, New York und Chicago). In der Bevölkerung galt er teilweise als Kriegsheld, gleichzeitig stellte er auch die politische Gegenposition zu Truman dar, der in manchen Kreisen beschuldigt wurde, dem Kommunismus nicht energisch genug entgegenzutreten. Kurz gesagt, die Heimkehr des Generals und die Paraden, die ihm zu Ehren veranstaltet wurden, bargen ein erhöhtes politisches Diskussionspotential.
Dies ist einer der Gründe, warum sein „homecoming“[4]so viel beachtet wurde. Ein anderer Grund, warum das öffentliche Interesse im Vergleich zu Paraden früherer „Heimkehrer“ noch größer war, ist die Tatsache, dass das Fernsehen erst in den 50er Jahren weit verbreitet wurde und dass damit das Ereignis einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.
Lang & Langhatten eigentlich vor, eine Studie über das Verhalten innerhalb einer großen Menschenmenge („crowd behaviour“) zu erstellen[5]und nahmen die Parade in Chicago zum Anlass, eine solche Studie durchzuführen. Aus eher zufälligen Gründen verfolgte ein Teil des Forschungsteams jedoch auch die Berichterstattung im Fernsehen – der Vergleich zwischen Fernseh- und faktischer Realität wurde also erst kurzfristig in die Untersuchung einbezogen.
2.2 Aufbau der Studie
Grob gesagt wolltenLang & LangUnterschiede zwischen medial vermittelter Wirklichkeit (d.h. der Fernsehberichterstattung) und der Wirklichkeit des Ereignisses selbst herausfinden. Sie gingen davon aus, Unterschiede zu finden, wollten sich jedoch nicht auf eine Hypothese festlegen: „The study was (...) en effort to „explore“ rather than test specific propositions.“[6]
Zu diesem Zweck wurden 31 Beobachter abgestellt, die die Aufgabe hatten, die Menge während der Parade zu beobachten. Diese Beobachter wechselten teilweise auch ihre Positionen, so dass rund 43 verschiedene Perspektiven des Events untersucht wurden. Die sogenannten „observers“ hatten zum einen die Aufgabe, die Menschen zu beobachten, ihre Gespräche zu verfolgen und ihre Meinungen zu dokumentieren, auf der anderen Seite sollten sie auch ihre eigenen „subjective feelings“[7]zu Protokoll bringen.
Zwei weitere Mitglieder des Forschungsteams beobachteten die Berichterstattung im Fernsehen.
(Die Qualität der Untersuchung in Bezug auf Durchführung und Systematik kann durchaus angezweifelt werden. Nur zwei Forscher beobachteten das Geschehen im Fernsehen. Da sie aller Wahrscheinlichkeit nicht über eine Videoaufzeichnung verfügten, mussten sie das Geschehen – ähnlich wie die Beobachter der Parade selbst – „live“ verfolgen, was als mögliche Fehlerquelle angesehen werden kann.)
[...]
[1]Lang, Kurt & Gladys Engel Lang (1953): The unique perspective of television and its effect. In: American Sociological Review 18. sowie Lang, Kurt, & Glady Engel Lang (1968): Politics and Television: MacArthur Day in Chicago. Chicago.
[2]Vgl. Homepage der US-Army: http://www.army.mil/cmh-pg/books/cg&csa/macarthur-d.htm, vom 31.07.2002
[3]Vgl. Homepage der US-Kongress-Bibliothek (library of congress): http://memory.loc.gov/ammem/today/jan05.html vom 31.07.2002
[4]Lang & Lang (1968), S.37
[5]ebd.
[6]ebd. S. 39
[7]ebd. S. 40
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