Der Rolle des Geistes der Tiere wurde in der frühneuzeitlichen Philosophie ein großer Stellenwert zugesprochen.
Die Meinung anerkannter Philosophen wie Michel de Montaigne, René Descartes und David Hume bewegt sich von Montaignes Kritik der Verächter der Tiervernunft über Descartes Ablehnung eines tierischen Geistes zu Humes Verteidigung einer naturalistischen Betrachtungsweise unseres Geistes als einem tierlichen Geist.
Die anthropologische Differenz fragt nach dem Verhältnis zwischen menschlichem Lebens und dem Geist des Tieres.
Das Interesse an der Unterscheidung zwischen Mensch und Tier ist also nicht nur philosophisch, sondern vor allem anthropologisch begründet.
Das philosophisch-anthropologische Interesse am Tier ist eines humaner Selbstverständigung; und ein Schwergewicht innerhalb dieser Selbstverständigung bildet die Philosophie des Geistes.
Dabei ist zwischen der konsequenten Unterscheidung zwischen Mensch und Tier und der Annahme, dass auch der Mensch nur ein Tier ist, zu differenzieren.
Doch sind eben jene Charakteristika wie die menschliche Sprache, das Vermögen der Kommunikation, das Aufbauen einer Existenz oder etwa die Vernunft nicht auch ebenso einfach zu widerlegen? Die Philosophie des Geistes ist der Schlüssel zur anthropologischen Differenz.
Es sind vor allem die kognitiven Fähigkeiten des Menschen, welche die größte Divergenz zulassen und die immer wieder in philosophischen und anthropologischen Forschungsansätzen aufgegriffen werden.
Im Folgenden soll untersucht werden, inwiefern sich die unterschiedlichen philosophischen Ansätze unterscheiden und begründen lassen und welche anthropologische Weltanschauung besonders in der Frühen Neuzeit vertreten war.
Am Beispiel der bereits genannten Philosophen Montaigne und Descartes soll jene Differenzierung sichtbar gemacht und verglichen werden.
Diesen Diskurs verschärfte auch Miguel de Cervantes Saavedras Novelle „Das Kolloquium der beiden Hunde“ von 1613.
Die analytischen Erkenntnisse, welche im ersten Teil primär durch Markus Wilds Studie zur anthropologischen Differenz in der Frühen Neuzeit am Beispiel der drei Philosophen Montaigne, Descartes und Hume gewonnen werden, sollen daher in einem zweiten Teil anschließend anhand Cervantes’ beispielhafter Erzählung ausgewertet und beurteilt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I. Anthropologische Differenzierungsmethoden im Kontext der Frühen Neuzeit
- 1. Philosophische Strategien unter Rückbezug auf die Historie
- 1.1 Differentialismus und Assimilationismus
- 1.2 Historischer Zugang – Der aristotelische Hintergrund
- 2. Tendenzen einer anthropologischen Differenz am Beispiel der Philosophen Montaigne und Descartes
- 2.1 Michel de Montaigne – Das Tier als vernünftiges Wesen
- 2.2 René Descartes - Das Tier als Maschine
- II. Die Mensch-Tier-Divergenz im Kontext von Miguel de Cervantes Saavedras,,Das Kolloquium der beiden Hunde“
- 1. Miguel de Cervantes Saavedras exemplarische Novellen
- 1.1 Die Novelle Cervantes' als Exempel
- 1.3 Das Kolloquium der beiden Hunde
- 2. Die Frage nach der anthropologischen Differenz in Cervantes „Das Kolloquium der beiden Hunde“
- 2.1 Selbstreflexion des tierischen Sprachvermögens durch die beiden Hunde Cipión und Berganza
- 2.2 Der Vernunftbegriff in Kohärenz mit dem Sprachvermögen
- 2.3 Cervantes' Novelle im Rückbezug auf Montaignes Philosoph
- Zusammenfassung und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der anthropologischen Differenz in der Frühen Neuzeit und untersucht, wie die Mensch-Tier-Divergenz von Philosophen wie Montaigne, Descartes und Hume betrachtet wurde. Dabei werden unterschiedliche philosophische Strategien der Differenzierung zwischen Mensch und Tier analysiert und anhand des Beispiels von Miguel de Cervantes Saavedras „Das Kolloquium der beiden Hunde“ untersucht.
- Die anthropologische Differenz in der Frühen Neuzeit
- Philosophische Strategien des Differentialismus und Assimilationismus
- Das Tier als vernünftiges Wesen (Montaigne) vs. das Tier als Maschine (Descartes)
- Die Selbstreflexion des tierischen Sprachvermögens und die Frage nach der Vernunft bei Tieren in Cervantes' Novelle
- Die Verbindung von Sprache und Geist in der anthropologischen Differenzierung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die zentrale Fragestellung der Arbeit dar: Wie lässt sich die anthropologische Differenz in der Frühen Neuzeit erklären? Dabei werden die unterschiedlichen Perspektiven von Philosophen wie Montaigne, Descartes und Hume auf den Geist der Tiere vorgestellt und die Bedeutung der Sprache und der Vernunft in dieser Debatte beleuchtet.
Das erste Kapitel analysiert die philosophischen Strategien des Differentialismus und des Assimilationismus, um die unterschiedlichen Ansätze zur anthropologischen Differenzierung zu verdeutlichen. Der Fokus liegt dabei auf dem aristotelischen Hintergrund und den Entwicklungen der frühen Neuzeit. Im Anschluss werden die Positionen von Montaigne und Descartes hinsichtlich des tierischen Geistes näher betrachtet und die Bedeutung der Sprache und Vernunft in diesem Zusammenhang diskutiert.
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit der Mensch-Tier-Divergenz im Kontext von Cervantes' „Das Kolloquium der beiden Hunde“. Dabei werden die beiden Hunde Cipión und Berganza, ihre Fähigkeit zur Selbstreflexion über ihr tierisches Sprachvermögen sowie die Darstellung des Vernunftbegriffs in der Novelle analysiert. Cervantes' Ansatz wird im Kontext von Montaignes Tierphilosophie betrachtet, um die Frage nach der anthropologischen Differenz in der Frühen Neuzeit weiter zu erforschen.
Schlüsselwörter
Anthropologische Differenz, Frühe Neuzeit, Philosophie des Geistes, Mensch-Tier-Divergenz, Differentialismus, Assimilationismus, Montaigne, Descartes, Cervantes, „Das Kolloquium der beiden Hunde“, Sprache, Vernunft, tierisches Sprachvermögen.
- Arbeit zitieren
- Lisa Lindner (Autor:in), 2014, Haben Tiere einen Geist? Anthropologische Differenzen in der Frühen Neuzeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/302895