Der Empirismus. Vertreter, Theorie und die Auswirkungen auf die moderne Forschung


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2014

47 Seiten, Note: 1,7

Alexander von Hohenberg (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Forschungsfragen

1 Einführung

2 Historisches und Entwicklung des Empirismus
2.1 Aufklärung – Hintergründe
2.2 Entstehung des Empirismus
2.3 Denkströmungen der Zeit
2.3.1 Rationalismus
2.3.2 Skeptizismus
2.3.3 Materialismus
2.4 Entwicklung des Empirismus
2.4.1 Britischer Empirismus/Sensualismus
2.4.1.1 Merkmale des Britischen Empirismus
2.4.1.2 Britischer Pre-Empirismus (ca. 1600 – 1680 n. Chr.)
2.4.1.3 Hauptzeit des Britischen Empirismus (ca. 1680 – 1770 n. Chr.)
2.4.2 Logischer Empirismus/Neopositivismus
2.4.3 Konstruktiver Empirismus

3 Die Vertreter des klassischen Empirismus
3.1 John Locke
3.1.1 Leben
3.1.2 Hauptwerk
3.1.3 Die gesellschaftliche Auswirkung von Lockes Werken
3.2 David Hume
3.2.1 Leben
3.2.2 Werke
3.3 Thomas Hobbes
3.3.1 Leben
3.2.2 Werk

4 Wesentliche Bausteine der empirischen Erkenntnistheorie
4.1 Alle Erkenntnis muss auf Erfahrungen zurückgeführt werden
4.2 Annahme einer vom Wahrnehmenden unabhängigen materiellen Wirklichkeit
4.3 Alle Begriffe und Konventionen sind relativ
4.3.1 Der Begriff der Wahrheit
4.3.2 Der Begriff des Wissens

5 Probleme des Ideensystems
5.1 Das Induktionsproblem
5.2 Lösungsvorschläge zum Induktionsproblem

6 Empirismus in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen
6.1 Überblick über Empirismus in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen
Empirismus in der Betriebswirtschaftslehre
6.2.1 Kultur und interkulturelle Geschäftsbeziehungen
6.2.2 Exportzahlen in der genaueren Betrachtung
6.3 Empirismus in den Naturwissenschaften am Beispiel der Medizin
6.4 Empirismus in den Sozialwissenschaften
6.4.1 Stichprobenziehung von Ehepaaren
6.4.2 Simulieren oder Fragen?

7 Zusammenfassung und kritische Würdigung

8 Literaturverzeichnis

Bücher und Fachzeitschriften

Internetquellen

Forschungsfragen

Im Rahmen dieser Arbeit soll der Empirismus, als eine der wichtigsten Denkströmungen der Neuzeit, näher beleuchtet werden. Dabei gilt es nicht nur die Entstehungsgeschichte und die wichtigsten Vertreter jener Zeit zu nennen. In dieser Arbeit sollen vor allem die Interdependenzen der verschiedenen Vertreter hervorgehoben werden und eine Einordnung in die Gedankengänge jener Zeit erfolgen. Dazu sollen auch konträre und ergänzende Strömungen kurz angeschnitten und beleuchtet werden. Welche Vertreter gab es und was haben Sie mit Ihrem individuellen Schaffen am Gesamtkonzept des Empirismus beigetragen?

Das weitere Ziel dieser Arbeit besteht in der genauen Darstellung der einzelnen Elemente des Empirismus. Es gilt hierbei, das komplette Gedankengut und die einzelnen Theorien der verschiedenen Vertreter verständlich zu machen. Die Theorien sollen auf Nachvollziehbarkeit hin überprüft und in einigen Punkten kritisch beleuchtet werden, um so eine vollständige Vorstellung des „Kerns der empirischen Forschungslehre“ zu erhalten. Was macht also die empirische Denkweise aus und welche Sicht der Dinge haben die Vertreter des Empirismus?

Um die verschiedenen Strömungen jener Zeit voneinander abzugrenzen soll in der vorliegenden Arbeit auch auf die spezifischen Unterschiede der diversen Formen des Empirismus eingegangen werden. Es haben sich örtliche wie auch zeitliche Differenzen in der Interpretation der empirischen Lehre ergeben, welche es genauer zu erörtern gilt. Wo liegen also die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Denkweisen jener Zeit?

Zur Abrundung des historischen Bildes des Empirismus und um einen Bogen in die Gegenwart und die Relevanz des Empirismus am heutigen Tage zu spannen, sollen Teildisziplinen der heutigen Forschung näher beleuchtet werden. Inwiefern haben uns empirische Forschungsideen aus jener Zeit zu der empirischen Wissenschaft geleitet, die wir heutzutage in so gut wie allen Bereichen der modernen Forschung vorfinden?

1 Einführung

Seit Menschengedenken versucht der Mensch im Rahmen von Forschung sein Wissen zu erweitern. Doch während man noch vor wenigen hundert Jahren dazu neigte, Phänomene und beobachtbare, aber unerklärliche Erscheinungen mit übernatürlichen Kräften, Gottgegebenheit oder anderen mystischen Zaubern zu erklären, ist dies heutzutage undenkbar. Die heutige Forschung unterliegt strengen Richtlinien, um als seriös zu gelten. Davon abweichende Forschung ist teilweise gar verboten, da unethisch oder findet in der vorherrschenden Wissenschaft keinen Zuspruch. Man könnte auch sagen: Jede Theorie, die nicht logisch nachvollziehbar, beobachtbar oder anderweitig messbar ist, gilt als quasi frei erfunden und somit praktisch wert- und haltlos. Zu Recht, denn eine Behauptung ohne Begründung mag zwar Teil einer Theorie sein, sie wird jedoch von einem aufgeklärten Menschen unserer Zeit kaum anerkannt werden.

Doch woher kommt unsere Aufgeklärtheit eigentlich? Wie schaffte die Menschheit den Sprung vom hörigen Leibeigenen im Feudalsystem zum vernetzten Büroalltag in der Neuzeit?

Einen ganz entscheidenden Beitrag zu dieser Entwicklung leisteten die Philosophen des Empirismus. Sie stellten die Informationsgewinnung und das Wissen ihrer Zeit in Frage und suchten nach neuen Wegen, um offene Fragen zu beantworten. Dabei bedienten sie sich ihrer fünf Sinne und ihres logischen Verstandes, was auch heutzutage noch die schärfste Waffe der Wissenschaft ist. Natürlich sind die Forschungsmethoden komplexer und die Mittel fortschrittlicher geworden, aber damals wurde der Grundstein für eine neuartige, aufgeklärte Denkweise gelegt, welche sich über die Jahrhunderte lediglich weiterentwickelte und uns schließlich an den Punkt brachte, an dem wir gerade sind. In dieser Arbeit sollen die Gedankengänge der Philosophen jener Zeit sowie ihr Verständnis des eigenen Daseins und der eigenen Umwelt vorgestellt und näher beleuchtet werden. Weiterhin gilt es die Probleme des Ideensystems des Empirismus zu erforschen und eine Überleitung zur praktischen Anwendung in den verschiedenen Wissenschaften herzustellen.

2 Historisches und Entwicklung des Empirismus

Der Empirismus wird dem Zeitalter der Aufklärung zugeschrieben. Dies soll aber nicht bedeuten, dass es davor und danach keine empiristischen Denkweisen gegeben hat und gibt. Zu dieser Zeit war der Empirismus der Antrieb und das Leitprinzip der Philosophen. Erste Ansätze findet man bereits in der Antike bei Plato, welcher in seinem Werk „Theätet“ bereits Erkenntnistheorien beschreibt. Einige Vertreter sehen die Anfänge des Empirismus der Neuzeit bereits Mitte des 13. Jahrhunderts in den Arbeiten von Roger Bacon.[1] Im 20. Jahrhundert, geprägt durch den Empiriokritizismus, entwickelte sich um den Wiener Kreis[2], vor allem um Moritz Schlick und seinen Nachfolgern, der logische Empirismus, der sich auf die mathematische Logik stützt.[3]

2.1 Aufklärung – Hintergründe

Verglichen mit anderen Epochen, Denkrichtungen und geistigen Strömungen, welche zuvor herrschten oder erst danach entstanden sind, hebt sich die Aufklärung deutlich ab, in Hinblick auf das Denken, den Bemühungen neues Wissen zu erwerben und so Unklarheiten zu beseitigen und dem Kampf gegen Vorurteile. Die Erkenntnisse, die zur Zeit der Aufklärung entstanden sind, sind auch heute noch von Bedeutung und werden debattiert.

Die Aufklärungsphilosophie dauerte fast 100 Jahre und nahm ihren Anfang in England (enlightenment) mit der Hinrichtung des Königs Karl I. durch das Parlament und den Revolutionen von 1641/1642 und 1688/1689. Diese Ereignisse bereiteten den Weg für eine neue rationale Denkweise. Diese gelangte dann nach Frankreich (lumieres), wurde aber durch den politischen und sozialen Druck der Regierungsform der Bourbonen gedämpft. Von Frankreich ausgehend, prägt sie bald das gesamte europäische Geistesleben.[4]

„Charakteristisch für das Denken der Aufklärung sind:

- die Orientierung an der Vorstellung einer dem vernünftigen Denken zugänglichen Wahrheit und
- die Anbindung der Möglichkeiten, diese Wahrheit(en) zu erkennen, an einen historischen Prozess, zu dessen Verlauf und Gelingen der Mensch selbst, als Individuum und Gattungswesen, in erheblichen Maße beitragen kann.“[5]

Die Erfindung des Buchdruckes von Gutenberg verbreitete sich schnell und führte zu Zeiten der Aufklärung zu einer großen und weiten Verbreitung der damaligen Ideen.

Das Buch wurde zum Massenmedium und führte zu einer globalen Ausbreitung der Schriftkultur. Immer mehr Menschen lernten lesen, somit konnte der aufklärerische Gedanke und das Wissen der Zeit in die breite Bevölkerung gebracht werden.[6]

Die Aufklärung wurde von zwei, von Natur aus gegensätzlichen, philosophischen Strömungen geprägt – dem Empirismus und dem Rationalismus.

2.2 Entstehung des Empirismus

Dass die beiden Strömungen Empirismus und Rationalismus gleichzeitig in der Aufklärung ihre große Zeit hatten, kann dadurch erklärt werden, dass sie beide Antworten auf die gleiche Frage stellen: Was ist der Ursprung der menschlichen Erkenntnis? (Was ist die richtige Methode um dieser Erkenntnis zu gewinnen?) Sie geben jedoch unterschiedliche Antworten:

„Angesichts des Skeptizismus setzten die Rationalisten auf die Vernunft. […] Der Empirismus steht somit in einer doppelten Frontstellung: gegen den Rationalismus und gegen den Skeptizismus. Er stellt sozusagen die Reaktion des gesunden Menschenverstandes auf die unerfüllbaren Wissensansprüche der Rationalisten ebenso wie auf die skeptische Verzweiflung an der Möglichkeit von Wahrheit und Gewissheit dar.“[7]

2.3 Denkströmungen der Zeit

Bereits in der Renaissance, im Humanismus und in der Reformation sind die Anfänge der Aufklärung zu finden, welche sich später in den philosophischen Strömungen des Empirismus, Rationalismus, Skeptizismus und Materialismus entfalten. Da der Schwerpunkt dieser Arbeit der Empirismus ist, werden die anderen Denkrichtungen nur kurz vorgestellt.[8]

2.3.1 Rationalismus

Die Gegenposition zum Empirismus ist der Rationalismus, dessen zentraler Aspekt ist, dass alle Erkenntnis auf Verstand und Vernunft beruht, wohingegen beim Empirismus alle Erkenntnis aus der Erfahrung stammt. [9]

Grundgedanke des Rationalismus ist, dass es Vernunftwahrheiten gibt, die nicht die Erfahrung als Grundlage haben und bedeutender sind als Erkenntnisse, die aus Erfahrung entstanden sind. Außerdem, dass der Aufbau der Wirklichkeit durch alleiniges Nachdenken erkennbar ist. Als Vorbild reiner Vernunftserkenntnis gelten Logik, Mathematik und Naturwissenschaften. Erkenntnis wird mittels deduktiver Verfahren abgeleitet.

Hauptvertreter war René Descartes (*31.03.1596; †11.02.1650) mit seiner Theorie über die angeborene Idee und der Theorie des erkenntniskritischen Rückganges auf das Subjekt. „Cogito, ergo sum!“ (lat.: Ich denke, also bin ich.) Descartes Werke hatten nicht nur Einfluss auf andere Vertreter des Rationalismus wie Gottfried Wilhelm Leibniz, sondern auch auf Vertreter der empiristischen Strömung wie John Locke.

2.3.2 Skeptizismus

Im Zentrum dieser philosophischen Richtung steht der Zweifel beziehungsweise die Skepsis zum Prinzip des Denkens. Die absolute Skepsis schließt die Möglichkeit einer immer gültigen, beweisbaren Erkenntnismöglichkeit von Wahrheit und Wirklichkeit aus. Der Skeptizismus ist eine Denkrichtung, die es bereits in der Antike gab und auch heute noch gibt. Zur Entstehungszeit der wichtigsten Entwürfe des Empirismus beschäftigen sich vor allem die Philosophen Immanuel Kant und David Hume mit dem Konzept Skeptizismus.[10] (David Hume wurde später einer der wichtigsten Vertreter der Erkenntnistheorie.)

2.3.3 Materialismus

Materialismus bezeichnet ein Gedankengebäude, in welchem alle Vorgänge und Phänomene und deren Existenz, Geschichte, Inhalt und Zweck letztendlich unweigerlich und nicht vom Ideellem (Gefühle, Seele, Gott, etc.), sondern vom Materiellen abhängen. René Descartes zählt zu den Vertretern des Materialismus im 17. Jahrhundert, da er in seinen Arbeiten von zwei eigenständigen Substanzen ohne Zusammenhang ausging – der materiellen und der geistigen Substanz.[11]

2.4 Entwicklung des Empirismus

Nachfolgend werden die in der Historie bedeutsamsten Formen des Empirismus im Zeitablauf vorgestellt, eingeordnet, sowie abschließend miteinander verglichen. Der Ursprung des Empirismus liegt in der Antike, in welcher bereits Aristoteles den klassischen Empirismus begründete. Im 17. Jahrhundert und 18. Jahrhundert erlebte diese Art der Weltanschauung in Form des britischen Empirismus durch Francis Bacon, Thomas Hobbes, John Locke und David Hume in Großbritannien ihren Höhepunkt. Eine Weiterentwicklung erfuhr die empiristische Philosophie in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts vor allem in Mitteleuropa durch den Wiener Kreis um Moritz Schlick und Rudolf Carnap. Die jüngste und modernste Spielart des Empirismus, den konstruktiven Empirismus begründete schließlich Bas van Fraasen im Jahr 1980 mit seinem Werk „The Scientific Image“.

Bevor nun mit der Vorstellung der verschiedenen Formen des Empirismus begonnen wird, soll die grundlegende empiristische Philosophie einleitend noch einmal kurz definiert werden.

Sucht man nach den Anfängen, dem philosophischen Ursprung des Empirismus, liegt dieser zweifelsohne in der Antike. Hier beschäftigte sich vor allem Aristoteles, der seinen Sinnen vertraute, sowie Epikur von Samos mit dem Empirismus, der Entwicklung der klassischen formalen Logik, sowie der Erkenntnis und wissenschaftlich-philosophischen Verfahren durch Induktion.

2.4.1 Britischer Empirismus/Sensualismus

Durch dieses Vorgehen bezeichnete beispielsweise Immanuel Kant Aristoteles als „ersten Empirist“. Jedoch handelte es sich bei Aristoteles noch um nur wenig reflektierte und nicht gerade konsequente methodisch-empiristische Verfahren. Dies änderte sich im Zeitalter des britischen Empirismus und Sensualismus im 17. und 18. Jahrhundert, als die Philosophie der Empirie aufbauend auf Aristoteles Gedankengängen durch große britische Denker und Philosophen seine Blütezeit erfuhr. Als einzige Erfahrung ist im Allgemeinen nur die Sinneserfahrung anzusehen. Daher ist ein Empirismus immer auch ein Sensualismus.[12]

2.4.1.1 Merkmale des Britischen Empirismus

Die speziellen Merkmale des britischen Empirismus sind in den Besonderheiten des abgetrennten Englands (Inselempirismus) der damaligen Zeit, in der Tatsachen- und Erfahrungswelt, in der konsequenten Abkehr von der Metaphysik und damit der Zuwendung zum menschlichen Geist, damit dem Ende der Ontologie, sowie dem Mensch als Maß aller Dinge zu sehen.

2.4.1.2 Britischer Pre-Empirismus (ca. 1600 – 1680 n. Chr.)

Noch bevor der eigentliche britische Empirismus durch John Locke begründet wurde, gab es in der englischen Philosophie bereits Gedankengut und veröffentlichte Werke, die sich ausschweifend mit dem späteren Empirismus beschäftigten. Geprägt wurde dieser „Pre-Empirismus“ im Besonderen durch die beiden Philosophen Francis Bacon und Thomas Hobbes, die allerdings beide keine „reinen Empiristen“ waren, jedoch durch ihre unzeitgemäße Betonung der Wichtigkeit von Erfahrung für die weitere Entwicklung des Empirismus eine tragende Rolle spielten . Beide Philosophen vertreten die Wichtigkeit von Erfahrungsdaten und systematischem Experimentieren, sowie die Bedeutung von Sinnesempfindungen, jedoch halten beide Philosophen genauso an rationalistischem Gedankengut fest.

2.4.1.3 Hauptzeit des Britischen Empirismus (ca. 1680 – 1770 n. Chr.)

Erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts durch die Veröffentlichung des Werkes des englischen Philosophen John Lockes (An Essay concerning Humane Understanding , 1690) wird der Empirismus zu einer selbstständigen philosophischen Disziplin erhoben. John Locke versucht darin die Fragen zu klären, woher die menschlichen Gedanken und Vorstellungen kommen, sowie, ob der Mensch seinen Sinnen vertrauen kann. Locke, der als Vater der Erkenntnistheorie in die Geschichte eingeht, präsentiert in seinem „Versuch über den menschlichen Verstand“ einen völlig neuen Ansatz indem er behauptete: „Alles, was wir wissen, wissen wir aus der Sinneswahrnehmung. Bei der Geburt sei der Mensch ein unbeschriebenes Blatt, das im Laufe des Lebens durch Erfahrungen mit der Außenwelt und Selbstwahrnehmung "beschrieben" werde“.[13]

Dies geschieht zum einen durch von außen kommende Wahrnehmungserlebnisse (sensations) und zum anderen durch innere Selbstbeobachtung (reflection).[14] Daher schließt Locke das „Angeborensein“ von Ideen komplett aus, da nach seiner Erkenntnistheorie alle Ideen durch äußere Eindrücke und Reflektion über diese zustande kommen. Locke folgert daraus, dass auch „die Idee von Gott nicht angeboren“ ist.[15]

Von der Vernunftserkenntnis ausgehend, dass es unmöglich ist, dass sich durch reinen Zufall „Vernünftiges“ entwickeln könnte, implizierte Locke die Bedingung, dass Gott existieren muss.[16]

Mit der Entwicklung der Erkenntnistheorie verwurzelte Locke den Empirismus als Philosophie, die alle Erkenntnisse aus der Sinneserfahrung, der Beobachtung und dem Experiment ableitet und auch bedeutende Einflussnahme auf die Entwicklung der modernen Naturwissenschaften hatte.

Auch der schottische Philosoph David Hume, ein weiterer bedeutender Empirist, der an Lockes Erkenntnistheorie ansetzte, verneint von vornherein die Möglichkeit einer Erkenntnis. Seine Theorie beruht auf den Prinzipien der Assoziation, wobei ähnliche Vorstellungen miteinander verknüpft werden. Hume radikalisierte den Ansatz Lockes mit dem Ziel den Empirismus von allen nicht empiristischen Einflüssen zu befreien. David Hume steht daher für die Form des radikalen britischen Empirismus und des Sensualismus, da für ihn die Sinneserfahrung der entscheidende Aspekt war. Seine Empirismus-These geht von einem ursprünglichen Polytheismus und höheren Mächten aus, wobei dieser Polytheismus mehr Aberglaube als Wissen über die Zusammenhänge der Dinge sei, und erst die Philosophen zur Erkenntnis eines Geistes oder einer höchsten Intelligenz als Erstursache von allem kommen würden.[17]

Als strenger Empirist lehnt David Hume die Religion als „Unkenntnis zur Mutter der Frömmigkeit“ ab und verdammt die Metaphysik mit den Worten: „Greifen wir irgendeinen Band heraus, etwa über Gotteslehrer oder Schulmetaphysik, so sollten wir fragen: Enthält er irgendeinen abstrakten Gedankengang über Größe oder Zahl? Nein. Enthält er irgendeinen auf Erfahrung gestützten Gedankengang über Tatsachen oder Dasein? Nein. Nun, so werft ihn ins Feuer, denn er kann nichts als Blendwerk und Täuschung enthalten.“[18]

Eine weitere empiristische Theorie des britischen Empirismus stammt von Berkeley. Dieser geht ebenfalls von der empirisch geprägten Hauptthese aus, dass Erkenntnis nur aus der gegebenen sinnlichen Erfahrung gewonnen werden kann. Allerdings geht Berkeley vom unmittelbaren Mitwirken Gottes als Ursache der sinnlichen Erfahrung aus. Damit unterscheidet sich seine Empirismus-These erheblich von allen anderen.

2.4.2 Logischer Empirismus/Neopositivismus

Im 20. Jahrhundert wurde der Empirismus in radikalisierter Weise von den Philosophen des Wiener Kreises und der Berliner „Gesellschaft für empirische Psychologie“ um Hans Reichenbach wieder aufgenommen und zum logischen Empirismus weiterentwickelt. Der logische Empirismus verbreitete sich zunächst vor allem im deutschsprachigen Raum, sowie in Skandinavien. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten emigrierten fast alle logischen Empiristen, von denen viele jüdischer Herkunft waren, in die Vereinigten Staaten von Amerika, wo der logische Empirismus schnell eine dominante Stellung in der Wissenschaft erlangte. Ebenso löste sich der Wiener Kreis auf, nachdem Moritz Schlick 1936 ermordet wurde. Erst nach Ende des 2. Weltkriegs kehrte der logische Empirismus in den deutschsprachigen Raum zurück.

Als bedeutsamste logische Empiristen des Wiener Kreises sind Moritz Schlick, Otto Neurath und Rudolf Carnap anzusehen. Der logische Empirismus führt die empiristischen Traditionen des britischen Empirismus fort, wobei besonders Einflüsse des Positivismus auf die Entwicklung des logischen Empirismus einwirkten.

Die Grundtheorie des logischen Empirismus besagt, dass Erkenntnis nur durch Erfahrung gewonnen werden kann und beinhaltet neben der empiristischen Idee Bestandteile des Materialismus, sowie des Szientismus. Der materialistische Einfluss des logischen Empirismus führt alle Erscheinungen der Erde auf die Materie zurück. Die Materie wird den Menschen beschreiben, wobei geistige und übernatürliche Elemente komplett ausgeklammert werden, da sie durch die elementaren Bestandteile des logischen Empirismus, das Experiment und die Naturwissenschaften nicht bewiesen und verifiziert werden können. Der Szientismus bekräftigt die dargelegte empiristische Einstellung, da die Wahrheitsfindung allein den Naturwissenschaften zugeschrieben wird und Themenkomplexe wie Religion und Metaphysik als sinnlos beziehungsweise „babig“[19] bezeichnet werden.

Dieses moralische Anliegen der logischen Empiristen im Kampf gegen die traditionsreiche Metaphysik und normative Ethik, kommt sehr deutlich zum Vorschein, wenn Rudolf Carnap von einem Kampf „gegen Aberglaube, Theologie, Metaphysik, traditionelle Moral usw. spricht“.[20]

Logische Empiristen stellen eine ganze Bandbreite an Anforderungen an zulässige Theorien:

Demnach müssen Theorien den Gesetzen der Logik entsprechen und allgemein gültige Aussagen über einen Realitätsbereich beinhalten. Die klassische Logik wird um die Aussagen- und Prädikatenlogik erweitert. Außerdem dürfen sie nur wertfreie Aussagen enthalten, an der Wirklichkeit überprüfbar, sowie verifizierbar sein. Die Prinzipien der Theorien müssen exakt analysiert werden, sowie gewisse Methoden und die wissenschaftliche Sprache berücksichtigen. Außerdem werden Logik und Erfahrung als die einzigen Erkenntnisquellen akzeptiert, daher sind nur logisch-analytische Sätze und empirische Erfahrungstatsachen wissenschaftlich sinn- und wertvoll.[21]

An dieser Stelle sei jedoch angemerkt, dass der logische Empirismus ebenso wie der britische Empirismus keine gemeinsame Lehre hervorgebracht hat und keine gemeinsame philosophische Bewegung bildete. Natürlich gab es eine weit geteilte Grundhaltung unter sämtlichen großen Philosophen und Denkern jener Zeiten, die den Empirismus mit ihren Werken und Veröffentlichungen beeinflussten. Dennoch ist es historisch zutreffender, beim logischen Empirismus von einer philosophischen Bewegung und nicht von einer einheitlichen philosophischen oder wissenschaftstheoretischen Position zu sprechen.[22] Dafür beeinflussten einfach zu viele Philosophen die jeweilige Position mit zwar grundsätzlich einheitlichen, jedoch im Detail sehr weit divergierenden Ansichten.

2.4.3 Konstruktiver Empirismus

Der Empirismus hat auch in der heutigen Zeit, beziehungsweise in der jüngeren Vergangenheit, weiterhin Bedeutung. Die Grundgedanken der empiristischen Idee wurden in der Zeit des britischen und logischen Empirismus geprägt, jedoch ist diese Philosophie kontinuierlich weiterentwickelt worden. Diese Entwicklung endete mit dem konstruktiven Empirismus. Der konstruktive Empirismus ist eine moderne weitergeführte Art des logischen Empirismus. Begründet wurde der konstruktive Empirismus von dem niederländischen Wissenschaftstheoretiker Bas van Fraassen in seinem Werk (The Scientific Image 1980).[23]

Konstruktiv meint in diesem Sinne, dass die Wissenschaft nicht das Ziel verfolgt die Wahrheit zu entdecken, sondern sie eine Konstruktion ist um die empirische Adäquatheit sicherzustellen. „Wissenschaft zielt darauf ab, uns Theorien zu liefern, die empirisch adäquat sind. Theorie zu akzeptieren beinhaltet den Glauben, dass sie empirisch adäquat ist.“[24]

Empirisch adäquat meint: „Eine Theorie ist empirisch adäquat genau dann, wenn das, was sie über die beobachtbaren Dinge in der Welt sagt, wahr ist – genau dann wenn sie „die Phänomene schützt.“ Dies tut sie nach van Fraassen dann, wenn sich alle beobachtbaren Phänomene mit der Theorie vereinbaren lassen. „I use the adjective „constructive“ to indicate my view that scientific activity is one of construction rather than discovery: construction of models that must be adequate to the phenomena, and not discovery of truth concerning the unobservable.“[25]

Konstruktive Empiristen glauben nicht an die theoretischen Begriffe einer Theorie, sondern nur an Beobachtungen, die mit dem bloßen Auge möglich sind.

Über allem steht jedoch die empirische Adäquatheit jeder Theorie. Theorien werden nicht akzeptiert weil an deren Wahrheit, sondern an deren empirische Adäquatheit, geglaubt wird.

Nachdem nun die begrifflichen Definitionen des konstruktiven Empirismus von van Fraassen erläutert wurden, kann die Materie des konstruktiven Empirismus im Detail beleuchtet werden.

Bas van Fraassen definiert die Hauptthese seines konstruktiven Empirismus folgendermaßen: „Sciences aims to give us theories which are empirically adequate; and acceptance of a theory involves as belief only that it is empirically adequate. This is the statement of the anti-realist I advocate; I shall call it constructive empiricism.”[26]

3 Die Vertreter des klassischen Empirismus

Die nun folgenden Abschnitte beschäftigen sich mit den drei wichtigsten Vertretern des Empirismus. Dabei wird für jeden der drei Vertreter kurz ein Blick auf das Leben, ihre Werke und die Wirkungen genau jener geworfen.

3.1 John Locke

*Wrington 29.08.1632; †Oates 28.10.1704

„Der beste Weg, die Wahrheit zu finden, besteht darin, die Dinge daraufhin zu prüfen, wie sie wirklich sind, nicht aber zu schließen, sie seien so, wie wir uns einbilden oder wie wir es uns vorstellen von anderen gelernt zu haben.“[27]

3.1.1 Leben

John Locke wurde in Wrington als Sohn einer wohlhabenden Familie im Jahre 1632 geboren. Lockes Kindheit und Erziehung im Elternhaus war geprägt durch Kirche und Religion und der puritanischen Bewegung, die sich für die strikte Trennung von Staat und Kirche einsetzte.[28] Locke begann 1646 seine humanistische Ausbildung an der damals sehr angesehenen Westminster School in London. Später studierte er am Christ-Church-College in Oxford Philosophie, Medizin und Naturwissenschaften. Zentralpunkt seines Studiums waren die Schriften Aristoteles.[29]

Er unterhielt sich stets in führenden Gelehrtenkreisen und war sowohl in der Politik als auch in der Verwaltung tätig und wurde in die „Royal Society“ aufgenommen. Eine Aufnahme in die Royal Society kann als Auszeichnung für außerordentliche wissenschaftliche Leistung angesehen werden, da die Teilnehmerzahl der Royal Society stark limitiert ist.[30] Im Jahre 1667 übernahm er die Stelle als Arzt und Sekretär beim Earl of Shaftesbury (späterer Lordkanzler), wodurch er einen tiefen Einblick in die damaligen politischen Intrigen bekam.[31] Als der katholische Karl II. an die Macht gelangte, gingen Locke und der Earl, beide Protestanten, nach Frankreich und Holland und kehrten erst nach dem Regierungsantritt von Wilhelm von Oranien nach England zurück.[32]

[...]


[1] Vgl. Gawlick, 2005, S. 11-14

[2] Wiener Kreis ist eine der wichtigsten philosophischen Diskussionsrunde. Die Publikation „Wissenschaftliche Weltauffassung. Der Wiener Kreis“ (1929) wurden die Grundzüge des konsequenten Empirismus publiziert.

[3] Vgl. Brockhaus Enzyklopädie Online – Empirismus

[4] Vgl. Brockhaus Enzyklopädie Online – Aufklärung (Geistes- und Kulturgeschichte)

[5] Brockhaus Enzyklopädie Online – Aufklärung (Geistes- und Kulturgeschichte), Absatz 2

[6] Vgl. Vellusig, 2000, S. 7f.

[7] Gawlick, 2005, S. 11f.

[8] Vgl. Brockhaus Enzyklopädie Online – Aufklärung (Geistes- und Kulturgeschichte)

[9] Vgl. Brockhaus Enzyklopädie Online – Rationalismus (Philosophie)

[10] Vgl. Brockhaus Enzyklopädie Online – Skeptizismus

[11] Vgl. Brockhaus Enzyklopädie Online – Materialismus

[12] Vgl. Die Grosse Bertelsmann Lexikothek – Bertelsmann Lexikon Band 4, S. 232

[13] Wissens-Center Online

[14] J. Bennett, Locke, Berkeley, Hume, Oxford 1971

[15] Locke, 1995 [1690], S. 44

[16] Schwarz, 2012, S. 49

[17] Hume, 1757, S. 142

[18] Hume, 1973, S. 193

[19] Wortkreation von Rudolf Carnap

[20] Carnap, 1934, S. 258

[21] PsychoPhilo.at

[22] Siegetsleitner, 2010, S. 10

[23] Van Fraassen 1980, The Scientific Image

[24] Van Fraassen, 1980, S. 11

[25] Van Fraassen, 1980, S. 12

[26] Van Fraassen, 1980, S. 12

[27] Locke, 2006, S. 184

[28] Historische Anmerkung: Im Jahre 1534 führte die Gründung der Anglikanischen Kirche von Heinrich VIII zur Trennung Englands von der römisch-katholischen Kirche. Nach dessen Tode unternahm seine Tochter, Königin Maria I, den Versuch die Bürger Englands wieder zu Katholiken zu machen – der Versuch scheiterte jedoch. Dies war mit ein Grund dafür, dass in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die puritanische Strömung extremen Zuwachs fand, da das Volk der Meinung war, die „neue“ anglikanische Staatskirche habe sich nicht genug von der katholischen Kirche getrennt. (Vgl. hierzu Held, 2006, S. 28)

[29] Vgl. Held, Susann, 2006, S. 28f.

[30] Vgl. Brockhaus Enzyklopädie Online – Royal Society

[31] Vgl. Die Brockhaus Enzyklopädie Online – John Locke

[32] Vgl. Held, 2006, S. 30-35

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Details

Titel
Der Empirismus. Vertreter, Theorie und die Auswirkungen auf die moderne Forschung
Hochschule
Privatuniversität Schloss Seeburg  (Betriebswirtschaftslehre)
Note
1,7
Autor
Jahr
2014
Seiten
47
Katalognummer
V302982
ISBN (eBook)
9783668016361
ISBN (Buch)
9783668016378
Dateigröße
545 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Empirismus, Vetreter, Theorie, Rationalismus, Skeptizismus, Materialismus, Britischer Empirismus, Sensualismus, Logischer Empirismus, Neopositivismus, Konstruktiver Empirismus, klassischer Empirismus, John, Locke, David, Hume, Thomas, Hobbes, Erkenntnis, Wahrheit, Wissen, Lösungsvorschläge, Induktionsproblem
Arbeit zitieren
Alexander von Hohenberg (Autor:in), 2014, Der Empirismus. Vertreter, Theorie und die Auswirkungen auf die moderne Forschung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/302982

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