In den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts erlebte die Volkskunde in Deutschland eine äußerst fruchtbare Kontroverse: Hans Moser und Karl- S. Kramer waren bei ihrer Arbeit an der bayerischen Landesstelle für Volkskunde in München neue Wege in der historischen Quellenarbeit gegangen und hatten sich damit Kritik von Seiten Bausingers eingeholt. Mit dem Ziel „...ein Grundgerüst der historischen Volkskultur heraus(zu)arbeiten...“ hatten Moser und Kramer 45 Ortsarchive aus Ober- und Niederbayern und der Oberpfalz mit ihren Beständen an Rechnungen und Protokollen ausgewertet. Ohne eine vorherige Definition des Interesses auf einzelne Aspekte wurden somit sämtliche – auch scheinbar unwichtige- Informationen des Zeitraums 1500-1800 gesammelt. Die daraus hervorgegangenen Arbeiten Mosers und Kramers- zu nennen ist besonders Kramers historisch-archivalische Methode in der Volkskunde von 1968- brachten die Diskussion bezüglich des Methodenverständnisses des Faches in Gang. Besonders scharf fiel die Kritik von Seiten Bausingers aus. Die „vermeintliche Voraussetzungslosigkeit der Darstellung“ widerspräche der Grundaufgabe des Wissenschaftlers, aus der Menge der Quellen auszuwählen und sich auf bestimmte Themenbereiche zu konzentrieren. Ebenso warnte Bausinger davor, ideologisch belastete Begriffe wie z.B. Gemeinschaft für die Beschreibung historischer Gesellschaften zu übernehmen. Auf jeden Fall hat diese neue Methodik dazu beigetragen, den romantischen Glauben an eine statische Volkskultur durch eine Erforschung des Wandels und der kulturellen Praxis abzulösen. Durch die Erweiterung des Quellenmaterials auf bis dato lediglich in der Heimatgeschichtsschreibung verwendete Dokumente löste sich die Volkskunde des Weiteren „…von den germanistischen Traditionen des Faches“. Inzwischen ist die Arbeit mit Archivalien in der Volkskunde essentielle Grundlage zur Klärung gesellschaftsimmanenter Fragen. Es lassen sich dadurch sowohl Aussagen über Belange breiter Bevölkerungsschichten treffen wie auch subjektkonzentrierte Untersuchungen stützen- wegbereitend diesbezüglich das Werk Der Käse und die Würmer von Carlo Ginzburg (1976), in dem anhand von Inquisitionsakten das Leben eines Müllers um 1500 rekonstruiert wurde.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Geschichte des Archivwesens
- Archive in Deutschland
- Das Bundesarchiv
- Archive der Länder, speziell Bayerns
- Das Stadtarchiv Würzburg
- Das Staatsarchiv Würzburg
- Zur Nutzung von Archiven
- Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit dem Archivwesen in Deutschland und dient als praktische Einführung in die Arbeit mit Archivalien, insbesondere im Hinblick auf volkskundlich relevante Themen. Der Fokus liegt auf der Geschichte des Archivwesens, der Hierarchie von Archiven in Deutschland sowie auf den Zuständigkeiten und Archivaliengruppen.
- Die historische Entwicklung des Archivwesens von den Anfängen bis zur französischen Revolution
- Die Bedeutung des Archivwesens für die Volkskunde
- Die Systematik und Organisation von Archiven in Deutschland
- Die Rolle des Bundesarchivs und der Archive der Länder
- Die praktische Nutzung von Archiven für wissenschaftliche Zwecke
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung stellt die Kontroverse um die historische Quellenarbeit in der Volkskunde in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts dar und erläutert die Bedeutung von Archivarbeit für die Erforschung von Gesellschaften.
- Das Kapitel „Geschichte des Archivwesens“ beleuchtet die Entwicklung des Archivwesens von den Anfängen im Vorderen Orient bis zur französischen Revolution. Es werden die wichtigsten Etappen und die Entwicklung von verschiedenen Archivtypen (Auswahlarchive, Kanzleiarchive, Behördenarchive) beschrieben.
- Das Kapitel „Archive in Deutschland“ behandelt die Hierarchie von Archiven in Deutschland, die unterschiedlichen Aufgabenbereiche des Bundesarchivs und der Archive der Länder sowie die Besonderheiten der Archive in Bayern.
- Die Kapitel „Das Stadtarchiv Würzburg“ und „Das Staatsarchiv Würzburg“ stellen zwei spezifische Archive in Würzburg vor und beleuchten deren Geschichte, Sammlungsschwerpunkte und Bedeutung.
- Das Kapitel „Zur Nutzung von Archiven“ widmet sich den Möglichkeiten und Herausforderungen der Nutzung von Archiven für wissenschaftliche Zwecke.
Schlüsselwörter
Archivwesen, Volkskunde, historische Quellenarbeit, Archivsystematik, Deutschland, Bundesarchiv, Landesarchive, Stadtarchive, Staatsarchive, Archivaliengruppen, wissenschaftliche Nutzung.
- Arbeit zitieren
- Jennifer Ruwe (Autor:in), 2004, Archive in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30299