Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Vorstellung des Werkes
3. Figurenkonstellation
4. Personenkonfiguration
5. Akzeptanz der doctrine classique
6. Gattungsmerkmale der Komödie
7. Aktionsdreieck
8. Bezug zur gesellschaftlichen und historischen Realität
9. Schlussbetrachtung
10. Literaturverzeichnis
Anhang
1. Einführung
In der vorliegenden Arbeit wird Molières Komödie ››Le Tartuffe ou l’Imposteur‹‹ analysiert. Zunächst wird ein Überblick über die Handlung und die Figuren erstellt. Hierfür dienen eine Figurenkonstellation und eine Personenkonfiguration. Des Weiteren wird geprüft, inwieweit Molière die damals geltenden Regelwerke akzeptierte. Außerdem wird das Werk hinsichtlich der Gattungsmerkmale einer Komödie untersucht. Anschließend wird der Ablauf des Geschehens mithilfe eines Aktionsdreiecks näher betrachtet. Da dieses Drama zur Zeit der Veröffentlichung sehr umstritten war, wird auch der Bezug zur gesellschaftlichen und historischen Realität im 17. Jahrhundert näher erläutert.
2. Vorstellung des Werkes
Die Komödie Le Tartuffe ou l’Imposteur, die von dem französischen Dramatiker Molière verfasst wurde, schildert das Leben einer bürgerlichen Familie im 17. Jahrhundert, welches durch den Betrüger Tartuffe durcheinandergebracht wird. Der leichtgläubige Hausherr Orgon befolgt alle Ratschläge des vermeintlich frommen Tartuffe, den die anderen Hausbewohner sogleich als Heuchler entlarven. Die Handlung spitzt sich zu bis Orgon seinen Sohn Damis enterbt, um seinen Besitz Tartuffe zu überschreiben. Schließlich gelingt es Elmire, den Betrüger zu überlisten und Orgon erkennt die Wahrheit. Nachdem Tartuffe als gesuchter Verbrecher verhaftet wird, versöhnt sich die Familie wieder.
Aufgrund der Gesellschaftskritik, die Molière durch das Werk zum Ausdruck brachte, wurden die ersten zwei Fassungen verboten.
Die überarbeitete dritte Fassung wurde am 5. Februar 1669 freigegeben und in Paris öffentlich erstaufgeführt. Nach den fünf Jahren der Zensur, in denen das Drama privat vorgelesen und aufgeführt wurde, waren die ersten Aufführungen sehr gut besucht.
3. Figurenkonstellation
Aus der Figurenkonstellation wird ersichtlich, dass Elmire, Damis, Mariane, Dorine und Cléante die Gegenspieler des Tartuffe sind. Besonders der temperamentvolle Sohn Damis, der möglicherweise eifersüchtig ist, verabscheut Tartuffe. M Orgon und Mme Pernelle verehren Tartuffe, von ihm wird diese Einstellung allerdings in Wahrheit nicht erwidert. Des Weiteren ist erkennbar, dass Tartuffe scheinbar erotische Ziele verfolgt. So sieht es zunächst aus, als wolle er Mariane heiraten, dann jedoch versucht er, die Frau des Orgon, Elmire, zu verführen.[1]
Orgon behandelt seine Kinder, Mariane und Damis, diktatorisch. Auf seinen Beschluss hin soll seine Tochter, die eigentlich eine Liebesbeziehung zu Valère hat, Tartuffe heiraten. Auch der Zofe Dorine gegenüber verhält er sich machthaberisch, indem er ihr mit Schlägen droht.[2] Zu Dorine haben ansonsten alle ein eher freundschaftliches Verhältnis.
Der König, zu dem Orgon eine positive Einstellung hat, steht in der Figurenkonstellation über allen. Die Rettung durch den verehrten König, hier durch die Verhaftung des Tartuffe, ist in Molières Komödien oft gegeben, weil der Autor besagtem die Freigebung seines Stückes zu verdanken hatte.[3]
4. Personenkonfiguration
Der Protagonist ist der Definition nach derjenige, der die Handlung vorantreibt. Tartuffe erfüllt dieses Kriterium: Sein Erscheinen bei Orgon bringt die Ereignisse ins Rollen und das Geständnis an Elmire löst schließlich die Enterbung und die Schenkung aus.[4]
Die Übersicht über die Auftritte der handelnden Figuren zeigt, dass Tartuffe erst im dritten Aufzug zum ersten Mal auftritt.
Dies lässt sich anhand von Molières Vorwort erklären:
[…] j’ai mis tout l’art et et tous les soins qu’il m’a été possible pour bien distnguer le personnage de l’hypocrite d’avec celui du vrai dévot. […] J’ai employé pour cela deux actes entiers à préparer la venue de mon scélérat.[5]
Die Antagonisten sind diejenigen, die die Absichten des Protagonisten zu vereiteln versuchen: Elmire, Cléante, Damis, Mariane, Valère und Dorine. Sie alle möchten Orgon zur Vernunft bringen und ihn von Tartuffes Scheinheiligkeit überzeugen.
Auch der Hausherr Orgon spielt eine vorantreibende Rolle, obwohl er wie eine Marionette Tartuffes handelt.[6] Seinen Entscheidungen müssen sich alle anderen beugen, ähnlich wie denen des Königs.
Als konkomitante Figuren treten Mariane und ihre Zofe Dorine auf. Traditionell war es üblich, dass eine Dame immer zusammen mit ihrer Vertrauten auftrat. Während Mariane dazu neigt, sich dem Willen ihres Vaters zu beugen, schreckt Dorine nicht davor zurück, auf den Herren Orgon einzureden.[7] Grundsätzlich fällt auf, dass die Personen, die ein vertrauensvolles Verhältnis zueinander haben, häufig konkomitant auftreten.[8]
Mariane und Tartuffe treten im Verlauf des Stücks fast immer abwechselnd auf. Auch Dorine und Tartuffe können als alternierende Figuren bezeichnet werden. Dies lässt sich damit begründen, dass Mariane und Dorine aufgrund der geplanten Hochzeit bedeutende Gegenspieler des Betrügers sind.[9]
Zudem treten der kluge Schwager Cléante und der intrigante Tartuffe besonders häufig alternierend auf. Molière lässt sie lediglich im vierten Akt in der ersten Szene aneinandergeraten und macht so deutlich, dass die beiden die größten Gegenspieler sind. Die Absichten des Tartuffe wirken im Hinblick auf den tugendhaften Cléante besonders hinterlistig.
5. Akzeptanz der doctrine classique
Während der Klassik richteten sich die Autoren nach den Regeln der doctrine classique. [10]
In Le Tartuffe hängen alle Nebenhandlungen von den Entscheidungen des Hausherren Orgon ab. Zur gespielten Zeit werden keine genauen Angaben gemacht, es ist aber davon auszugehen, dass sich die Handlung innerhalb eines Sonnenumlaufs abspielt. Zudem gibt es keine unterschiedlichen Handlungsorte; alles spielt sich ausschließlich im Hause des Orgon ab. Alles in allem hält Molière diese Regeln penibel ein.
Da Molières Geschichte über den Betrüger sehr zeitlos ist und noch heute passieren könnte, wird sie als glaubwürdig erachtet.[11]
Molière zielt mit seiner Komödie darauf ab, die Menschen mit der Scheinheiligkeit und der Heuchelei der vermeintlich Frommen zu schockieren. Des Weiteren passt das Betragen der Zofe Dorine nicht zur Wohlanständigkeit, die von der damaligen Gesellschaft verlangt wurde.[12] Diese Vorgabe wird somit von dem Werk nicht beachtet.[13]
[...]
[1] Vgl. MOLIERE: Le Tartuffe ou l’Imposteur. Comédie en cinq actes. Übersetzt und herausgegeben von Hartmut Köhler. Stuttgart 1986, Akt 3, Szene 3.
[2] Vgl. MOLIERE (1986), Akt 2, Szene 2.
[3] Vgl. MOLIERE (1986), Akt 5, Szene 7.
[4] siehe Abbildung 3: Personenkonfiguration und Abbildung 1: Figurenkonstellation.
[5] MOLIERE (1986), S.6.
[6] Nur bis Akt 4, Szene 6.
[7] Vgl. MOLIERE (1986), Akt 2, Szene 2.
[8] z.B. Mariane und Valère oder Cléante und Elmire
[9] siehe Abbildung 3: Personenkonfiguration.
[10] Laut der règle des trois unités sollte ein Drama nur eine Haupthandlung haben, von der die Nebenhandlungen abhingen (unité d’action), zeitlich innerhalb eines Sonnenumlaufs ablaufen (unité de temps) und nicht den Ort der Handlung wechseln (unité de lieu).
[11] Entsprechend der Glaubwürdigkeit (vraisemblance) sollte ein Drama möglichst eine Nachahmung (mimesis) der Wirklichkeit sein.
[12] Siehe Abschnitt 5.
[13] Die Wohlanständigkeit (bienséance) besagt, dass das Stück den Moralvorstellungen der Gesellschaft entsprechen sollte.