Leseprobe
I Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Erste Topik: Das topographische Modell
2.1 Das Unbewusste/ Das Vorbewusste/ Das Bewusste
3 Zweite Topik: Das Strukturmodell
3.1 Das ES
3.2 Das ÜBER-ICH
3.3 Das ICH
4 Zusammenfassung
II Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die folgende Arbeit behandelt die Metapsychologie Freuds, gestützt auf seine zwei topischen Modelle der Psyche. Diese werden auf Parallelen hin untersucht und es wird der Frage nachgegangen werden, wie psychische Vorgänge beschrieben werden.
Zu Beginn ist es von Nöten, den Begriff der Metapsychologie näher darzulegen, um anschließend auf die einzelnen Theorien näher einzugehen.
Die Metapsychologie ist für Freud eine theoretische Psychologie. Die Grundstruktur veröffentlicht er 1895 in seinem Werk „Entwurf einer Psychologie“.[1] Sie umfasst die Gesamtheit der Theorien Freuds und bietet drei Perspektiven, um „ einen psychischen Vorgang nach seinen dynamischen, topischen und ökonomischen Beziehungen zu beschreiben."[2] Wies erklärt die Beziehungen wie folgt:
„Der dynamische Gesichtspunkt bezieht sich auf die in einem Konflikt wirksamen psychologischen Kräfte (etwa in Trieben oder Affekten), wobei der ökonomische Aspekt mit den Kräften unmittelbar in Zusammenhang steht und auf die damit verbundene psychoenergetische Bilanz Bezug nimmt.“[3]
Der Begriff Topik beschreibt die Möglichkeit psychische Vorgänge zu lokalisieren und greifbar zu machen, wobei sie nichts mit der Anatomie in dem Sinne zu tun hat, sondern nach Freud, „sich auf Regionen des seelischen Apparats, wo immer sie im Körper gelegen sein mögen und nicht auf anatomische Örtlichkeiten“ beziehe.[4] Daher bezeichnet er die Topik auch als psychische und nicht fälschlicherweise als anatomische Topik. Das erste topographische Modell aus dem Jahr um 1915 unterscheidet drei Systeme: das Unbewusste, das Vorbewusste und das Bewusste. Nach jahrelangen therapeutischen Erfahrungen jedoch überdenkt Freud sein Modell und formuliert im Jahre 1923 das Strukturmodell, die zweite Topik, auch psychischer Apparat genannt. Mit Hilfe dieses „Instrument(s), welches den Seelenleistungen dient“[5], soll die Selbsterhaltung Beachtung finden, sowie die triebbedingten Bedürfnisse gleichermaßen befriedigt werden. Im folgenden wird die erste Topik Freuds behandelt, gefolgt von seiner zweiten Topik, in welcher auch die Funktionen der Instanz Ich beleuchtet werden. Zentrale Gemeinsamkeiten werden im Zuge der Arbeit aufgedeckt und abschließend im letzten Abschnitt in der Zusammenfassung erläutert.
2 Erste Topik: Das topographische Modell
In der ersten Topik geht es vor allem darum, psychische Vorgänge zu erfassen und ihren Grad an Bewusstseinsfähigkeit zu ermitteln[6]. Hierfür ist es erforderlich den sogenannten „psychischen Apparat“ näher zu veranschaulichen, dient jener nämlich dazu, die in der Einleitung thematisierten Regionen des Seelischen zu erfassen, so Freud, „eine Topographie des Geistes zu konzipieren, die den unterschiedlichen Strukturen der Psyche Rechnung trägt“[7]. Daher auch die Bezeichnung „topographisches Modell“.
Die Grundstruktur des psychischen Apparates stellt Freud erstmalig in seinem Werk „Die Traumdeutung“ im Jahr 1900 vor.
Die folgende Abbildung stellt die Struktur des psychischen Apparates dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 Der psychische Apparat [8]
2.1 Das Unbewusste/ Das Vorbewusste/ Das Bewusste
Wie der Abbildung 1 zu entnehmen ist, schreibt Freud den psychischen Vorgängen drei Hauptqualitäten zu. Das Unbewusste, das Vorbewusste, sowie das Bewusste. Das Unterscheiden von bewussten und unbewussten psychischen Vorgängen ist der Grundbaustein, um das Seelenleben verstehen und in die Wissenschaft einordnen zu können. Diese Einteilung der Psyche in eine „tiefe“ und übergeordnete Struktur führt, so Wies, zum Begriff der „Tiefenpsychologie“[9]. Unter Unbewusst versteht er Inhalte, die einmal bewusst waren, aber im Laufe der Zeit abgewehrt wurden und ins Unterbewusstsein gelangt sind. Nach Freud ist das Unbewusste „das eigentlich reale Psychische“[10]. Es sei eine „regelmäßige und unvermeidliche Phase in den Vorgängen, die unsere psychische Tätigkeit begründen“[11].
Den Zustand vor der Bewusstmachung nennt er Verdrängung und sagt daher: „Unseren Begriff des Unbewussten gewinnen wir also aus der Lehre von der Verdrängung“[12]. Die Verdrängung ist für Freud ein zentraler Aspekt des Unbewussten. Er unterscheidet zudem unter bewusstseinsfähiges Unbewusstes und endgültig Unbewusstes:
„Wir sehen aber, daß wir zweierlei Unbewußtes haben, das latente, doch bewußtseinsfähige, und das Verdrängte, an sich und ohne weiteres nicht bewußtseinsfähige“[13].
Mit latent bewusstseinfähig ist hier der Raum des sogenannten Vorbewussten gemeint. Aus dem Raum des Unbewussten versuchen immer mehr Triebe durch das Vorbewusste ins Bewusstsein vorzurücken. Jene Triebe, die das Vorbewusste nicht akzeptiert beziehungsweise zurückweist, sei „das Verdrängte“[14].
Es ist festzuhalten, dass das Unbewusste überwiegend aus diesem Verdrängten besteht, welches Freud als dynamisch unbewusst charakterisiert und auch auf diesen beschränkt. Für jene Charakterisierung des dynamischen liefert Gekle folgende Erklärung. Augrund dessen, dass verdrängte Triebbedürfnisse niemals vollständig gelöscht, sondern durch Verdrängung lediglich stark unterdrückt werden können, suchen sie sich Ersatzbefriedigungen und tauchen demzufolge immer wieder in neuer Form auf[15].
Wie kommt Freud zu solchen Differenzierungen, wie der Unterscheidung zwischen bewusst und unbewusst? Das „Experiment der posthypnotischen Suggestion“ ist für Freud der Beweis dafür, dass es das Unbewusste gibt[16]. Dabei geht es um eine Handlung, welche ein zuvor Hypnotisierter nach dem Aufwachen durchführt, ohne sich daran zu erinnern, dass er um jene Handlung während der Hypnose gebeten wurde. Er schreibt „dass der Vorsatz im Geiste jener Person in latenter Form oder unbewußt vorhanden war, bis der gegebene Moment kam, in dem er dann bewußt geworden ist“. Dieses Phänomen führt dazu, dass Freud zwischen unbewusst und bewusst unterscheidet und ein Unbewusstes hinzuzieht, welches „wirksam“ werden kann[17].
Das Vorbewusste kann also, anders als das Unbewusste, jederzeit Inhalte ins Bewusstsein rufen, sie zugänglich machen. Psychische und seelische Vorgänge von denen der Mensch nichts bemerkt, zu denen er sich jedoch jederzeit Zugang verschaffen könnte. Allerdings kann nur das bewusst gemacht werden, was bereits einmal eine bewusste Wahrnehmung gewesen ist[18]. Nach Wies kann das Vorbewusste als problemlösender Vermittler gesehen werden[19]. Es entscheidet welche Inhalte, Reize, Bedürfnisse in den Raum des Bewussten gelangen. Bewusst sind alle diejenigen seelischen Vorgänge, über die sich der Mensch im Klaren ist und bewusst miterlebt, zu denen er immer bewusst freien Zugang hat. Freud definiert folgendermaßen:
„Von vornherein bw, sind alle Wahrnehmungen, die von außen herankommen (Sinneswahrnehmungen), und von innen her, was wir Empfindungen und Gefühle heißen“[20].
Die Aufmerksamkeit ist ein zentrales Element des Bewusstseins. Es gibt sowohl schwach bewusste Inhalte, als auch stark bewusste. Wie schwach oder wie stark sie sind, hängt von der Intensität der Aufmerksamkeit ab, welche das Bewusstsein ihnen schenkt. Wird die Aufmerksamkeit entzogen fließen jene Inhalte wieder zurück in das Vorbewusste[21].
3 Zweite Topik: Das Strukturmodell
Freud überdenkt nach einigen Jahren seine erste Topik der metapsychologischen Theorie und entwickelt, wie bereits zu Beginn der Arbeit angeschnitten, das sogenannte Strukturmodell. Nicht nur um den bestehenden psychischen Konflikt, in welchem sich die einzelnen Instanzen befinden, erfassen und erklären zu können, sondern vor allem auch um das Phänomen der Angst, sowie weitere psychische Merkmale mit in die Theorie einfließen lassen zu können. Dabei spielen Gefühle, wie Schuld und Gewissen, die bisher keine Beachtung fanden, eine bedeutsame Rolle. Auch wenn es durchaus Parallelen gibt zwischen den beiden Modellen, ersetzen lassen sie sich nicht, wie Wies bestätigt[22].
Anknüpfend werden die drei Instanzen des Strukturmodells nun näher dargelegt.
3.1 Das ES
Die Bezeichnung Es, welches als das unberührte Individuum von Umwelt und äußeren Bedingungen gesehen werden kann, das sich vollkommen auf seine Triebe und Wünsche konzentriert, stammt ursprünglich aus dem Werk „Das Buch vom Es“, geschrieben von einem deutschen Arzt namens Georg Groddeck[23]. Bei folgendem Zitat hat sich Freud vermutlich ebenfalls von Groddeck inspirieren lassen:
„Ein Individuum ist nun für uns ein psychisches Es, unerkannt und unbewusst, diesem sitzt das Ich oberflächlich auf (...) etwa so, wie die Keimscheibe dem Ei aufsitzt“[24].
Diese metaphorische Darstellung von Freud lässt sich gut mit folgender Sichtweise Groddecks verknüpfen, welche Freud selbst in seinem Werk „Das Ich und das Es“ zusammenfassend darstellt.
Er schreibt:
„ […], dass das, was wir unser Ich heissen, sich im Leben wesentlich passiv verhält, dass wir nach seinem Ausdruck „gelebt“ werden von unbekannten, unbeherrschbaren Mächten“[25].
Bekannt ist das Es ins Besondere dafür, dass es dem Lustprinzip folgt und, wie die Zitate vorab verdeutlicht haben, die fundamentalste Schicht ist, bereits vom ersten Lebensjahr an vorhanden. Es wertet nicht, kennt weder Regeln noch Werte noch Moral. Es will lediglich Triebbefriedigung erleben und äußert Wünsche und Bedürfnisse. Die gewünschten Triebbefriedigungen des Es richten sich immer auf ein bestimmtes Objekt. Sei es eine Gruppe von Menschen, ein Einzelner oder das Subjekt selbst. Nach Mentzos ist das Es ein „völlig unorganisiertes primäres Triebenergiereservoir“[26]. Und auch Freud schreibt über jene Instanz: „Von den Trieben her erfüllt es sich mit Energie, aber es hat keine Organisation, […]“[27].
Betrachtet man die drei genannten Qualitäten aus der ersten Topik, so wird ersichtlich, dass das Unbewusste und das Es quasi zusammengehören, sprich, das Unbewusste ist die „allein herrschende Qualität im Es“[28].
[...]
[1] Bernd Nitzschke (Hrsg.): Die Psychoanalyse Sigmund Freuds. Konzepte und Begriffe, VS Verlag, Wiesbaden 2011, S 40.
[2] Sigmund Freud: Das Unbewusste (1915) , in: Gesammelte Werke 1890-1939, S 856.
[3] Gerald Wies: Hierarchien in Gehirn, Geist und Verhalten. Ein Prinzip neuraler und mentaler Funktion. Springer Verlag, Wien 2009, S 65.
[4] Sigmund Freud: Das Unbewusste (1915) , in: Gesammelte Werke 1890-1939, S 12.
[5] Sigmund Freud: Die Traumdeutung, Franz Deutike, Leipzig und Wien 1911, S 358.
[6] Gerald Wies: Hierarchien in Gehirn, Geist und Verhalten. Ein Prinzip neuraler und mentaler Funktion. Springer Verlag, Wien 2009, S 66.
[7] Ebd., S 68.
[8] Ebd.
[9] Ebd., S 69.
[10] Sigmund Freud: Die Traumdeutung, Franz Deutike, Leipzig und Wien 1911, S 408.
[11] Sigmund Freud: Einige Bemerkungen über den Begriff des Unbewussten in der Psychoanalyse, in: Kleine Schriften II, URL: http://gutenberg.spiegel.de/buch/kleine-schriften-ii-7122/27
[12] Sigmund Freud: Das Ich und das Es. Bayer Lothar (Hrsg), Reclam, Stuttgart 2013, S 3.
[13] Ebd., S 9.
[14] Gerald Wies: Hierarchien in Gehirn, Geist und Verhalten. Ein Prinzip neuraler und mentaler Funktion. Springer Verlag, Wien 2009, S 70.
[15] Hanna Gekle: Wunsch und Wirklichkeit. Suhrkamp, 1986, S 192.
[16] Sigmund Freud: Einige Bemerkungen über den Begriff des Unbewussten in der Psychoanalyse, in: Kleine Schriften II, URL: http://gutenberg.spiegel.de/buch/kleine-schriften-ii-7122/27.
[17] Ebd.
[18] Sigmund Freud: Das Ich und das Es. Bayer Lothar (Hrsg), Reclam, Stuttgart 2013, S 16.
[19] Gerald Wies: Hierarchien in Gehirn, Geist und Verhalten. Ein Prinzip neuraler und mentaler Funktion. Springer Verlag, Wien 2009, S 70.
[20] Sigmund Freud: Das Ich und das Es. Bayer Lothar (Hrsg), Reclam, Stuttgart 2013, S 15.
[21] Gerald Wies: Hierarchien in Gehirn, Geist und Verhalten. Ein Prinzip neuraler und mentaler Funktion. Springer Verlag, Wien 2009, S 71.
[22] Ebd.
[23] Sigmund Freud: Das Ich und das Es. Bayer Lothar (Hrsg), Reclam, Stuttgart 2013, S 21.
[24] Ebd., S 21.
[25] Ebd., S 20f.
[26] Stavros Mentzos: Neurotische Konfliktverarbeitung. Einführung in die psychoanalytische Neurosenlehre unter Berücksichtigung neuer Perspektiven (17. Aufl.). Fischer- Verlag, Frankfurt am Main 2001, S 120f.
[27] J. Laplanche; J.-B. Pontalis: Das Vokabular der Psychoanalyse. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1972, S 149.
[28] Sigmund Freud:Abriß der Psychoanalyse. Reclam, Stuttgart 2010, S 58.