Die letzte große Vorkriegskrise. Die Balkankriege 1912/13 und der Erste Weltkrieg


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

27 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung
1. Fragestellung und Vorgehensweise
2. Forschungsstand und Quellenlage

II. Die Balkankriege
1. Der erste Balkankrieg 1912
a) Ausgangslage auf dem Balkan
b) Verlauf des Ersten Balkankrieges
c) Verhalten der europäischen Großmächte
d) Ergebnisse des Ersten Balkankrieges
2. Der Zweite Balkankrieg 1913
a) Hintergründe und Auslöser des Zweiten Balkankrieges
b) Verlauf des zweiten Balkankrieges
c) Verhalten der europäischen Großmächte
d) Ergebnisse des Zweiten Balkankrieges
3. Die serbische Besetzung Albaniens im Herbst 1913

III. Folgen der Balkankriege
1. Zunehmende Austro-Serbische Antipathie
2. Aufrüstung der Großmächte
3. Die Julikrise 1914

IV. Fazit

V. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Auf dem Weg zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges geriet immer wieder die „Pulverfassregion“ Balkan in den Fokus. Das langsame Zerbrechen des Osmanischen Reiches brachte diverse Nationalismen, speziell in Serbien, hervor und hatte bedeutende Auswirkungen auf die angrenzenden Großmächte Russland und Österreich-Ungarn und mittelbar auch auf Deutschland. Nach dem, vor allem wirtschaftlichen, „Schweinekrieg“ zwischen Serbien und Österreich-Ungarn und der Bosnischen Annexionskrise verkörperten vor 100 Jahren die blutigen Balkankriege der Jahre 1912/13 die letzte große Krise in Europa vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, von manchem Autor gar direkt als „erste Phase des Ersten Weltkriegs“ betitelt[1]. Rund um die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Serben, Bulgaren, Griechen, Osmanen und Rumänen mischten hintergründig erneut die europäischen Großmächte mit. Sowohl Deutschland, als auch Russland, Österreich-Ungarn, Frankreich und England besaßen primäre bzw. sekundäre Interessen in der Region und intervenierten - „Balkanpolitik [war] in erster Linie Großmächtepolitik (…) um die Einflusssphären und Interessen“[2]. Dabei hätte inmitten der diversen komplexen und sich ständig verändernden bilateralen und multilateralen Verbindungen und Konfliktlinien bereits 1913 ein Kontinentalkrieg ausbrechen können[3], doch verschiedene Faktoren verhinderten diesen und verschafften Europa eine letzte trügerische Friedensphase bis zum Sommer 1914. Dennoch hinterließen die Balkankriege ihre politischen und diplomatischen Spuren, welche auch Einfluss auf die Entwicklung ein Jahr später nahmen.

1. Fragestellung und Vorgehensweise

In der vorliegenden Arbeit soll neben den Ursachen und Verläufen der beiden Balkankriege näher untersucht werden, welche Faktoren einen gesamteuropäischen Krieg rund um die Balkankriege verhinderten. Wie verhielten sich die europäischen Großmächte? Auch die Folgen der Ereignisse von 1912 und 1913 sollen herausgearbeitet werden. Welchen Einfluss hatten die Ergebnisse der Balkankriege auf die Julikrise?

Generell ist der Fokus dieser Arbeit hauptsächlich diplomatie-, politik- und machthistorisch, wenngleich durchaus auch wirtschafts- und sozialhistorische Faktoren beachtet werden. Vorgegangen wird dabei zu großen Teilen chronologisch, teilweise aber aufgrund der Komplexität und der diversen betroffenen Parteien auch nach Staaten strukturiert. Nach einer kurzen Bestandsaufnahme der Lage auf dem Balkan vor Kriegsausbruch 1912 werden in Kapitel II.1 Verlauf und Motive des Ersten Balkankrieges dargestellt, ergänzt durch eine Betrachtung des Verhaltens der Großmächte in dieser Krise bis hin zum Londoner Vertrag.

Ähnlich aufgebaut ist das folgende Kapitel II.2, mit Fokus auf dem Zweiten Balkankrieg des Jahres 1913 sowie den serbischen Einmarsch in Albanien, immer mit Blick auf Gründe für das Nicht-Ausbrechen eines Kontinentalkrieges.

In Kapitel III werden schließlich die Folgen der Balkankriege für das europäische Mächtesystem herausgearbeitet, welche bis in die Julikrise hineinwirkten. Ein abschließendes Fazit mit Beantwortung der Leitfragen und Zusammenfassung der Ergebnisse folgt in Kapitel IV.

2. Forschungsstand und Quellenlage

Längere Zeit wurden die Balkankriege in der Forschung zum Ersten Weltkrieg ausgeblendet und stiefmütterlich behandelt, lag der Fokus vor allem auf der Deutschen Kriegsschuld und ihrer Weltpolitik. Die bedeutendsten Standardwerke zu den Balkankriegen erschienen vor ca. 15 Jahren. Neuere Forschungsliteratur zum Thema ist wieder eher selten, könnte aber durch die aktuelle Renaissance des Ersten Weltkrieges als Forschungsthema in naher Zukunft ebenfalls wieder zunehmen.

Eines der Standardwerke ist das im Jahre 2000 im anglosächsischen Sprachraum verlegte „The Balkan Wars 1912/13 – Prelude to the First World War“ von Richard C. Hall. Halls Werk beschäftigt sich primär und detailliert mit den Handlungen der aktiven Kriegsparteien auf dem Balkan und den allgemeinen Kriegsverläufen, aber weniger mit dem Verhalten der europäischen Großmächte.

Ein ausführliches deutschsprachiges Standardwerk stellt Katrin Boeckhs 1996 abgeschlossene Promotionsschrift „ Von den Balkankriegen zum Ersten Weltkrieg: Kleinstaatenpolitik und ethnische Selbstbestimmung auf dem Balkan“ dar, welche sich besonders durch die Auswertung von Quellen aus dem slawischen Sprachraum auszeichnet. Auch geht Boeckh näher auf das Verhalten der Großmächte ein als Hall.

Aktueller als die beiden Hauptarbeiten ist Karl Adams 2009 erschienene Dissertation „Großbritanniens Balkandilemma – Die britische Balkanpolitik von der bosnischen Krise bis zu den Balkankriegen 1908 – 1913“. Adam konzentriert sich dabei besonders auf die Annäherung Großbritanniens an Russland, weg vom Osmanischen Reich. Hierfür wertete er große Mengen an Archivmaterial, Aktenmaterial, Quellen und Literatur aus, vor allem zur britischen, aber auch zur Politik der anderen Großmächte. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Person Sir Edward Grey und dessen Schriftverkehr, welcher für das Thema dieser Arbeit aber eher weniger bedeutend ist.

Für die Positionen Deutschlands und Österreich-Ungarns wurde unter anderem auf Gregor Schöllgens 2000 erschienenes Werk „Imperialismus und Gleichgewicht: Deutschland, England und die orientalische Frage 1871-1914“ zurückgegriffen. Schöllgen konnte dabei, ähnlich wie Adam, diverses Archivmaterial auswerten und zum Teil zitierbar in seine Arbeit übernehmen. Noch weitaus detaillierter ist Holger Afflerbachs 900-Seiten-Opus „Der Dreibund. Europäische Großmacht- und Allianzpolitik vor dem Ersten Weltkrieg“, erschienen ebenfalls 2000 in Wien, in welchem er, basierend auf diversen Archivquellen in Bonn und Wien, die gesamte Geschichte des Bündnisses von 1881 bis 1915 untersucht und dabei in späteren Kapiteln auch auf die Balkankriege und die Julikrise aus Sicht des Zweibundes eingeht.

II. Die Balkankriege

(The Balkan Peninsula 1912 – 1913, in: Paul Robert Magocsi: Historical Atlas of Central Europe. Washington 2002, in: http://academic.evergreen.edu/g/grossmaz/Balkans1913.jpg (Abgerufen am 26.9.2013))

1. Der erste Balkankrieg 1912

a) Ausgangslage auf dem Balkan

Seit dem frühen 19. Jahrhundert gewannen nationalistische Konzepte und Bewegungen auf dem Balkan an Bedeutung - zunächst auf intellektuell-kultureller, später auch auf politischer Basis[4]. Serben, Griechen, Montenegriner und Bulgaren suchten über die Jahrzehnte die Emanzipation vom Osmanischen Reich[5] und dachten dabei auch immer wieder über eine mögliche christlich-orthodoxe Allianz nach. Diese nahm nach der Bosnischen Annexionskrise und dem italienisch-osmanischen Krieg 1912, vom russischen Schutzpatron vorangetrieben, in Form eines Militärbündnisses, dem "Balkanbund", schließlich Gestalt an[6]. Gemeinsam wollte man den Rückzug des geschwächten Osmanischen Reiches aus Europa vorantreiben (inklusive geheimer Pläne für einen Angriffskrieg[7] ), aber auch, bestärkt von Russland, eine anti-österreichische Allianz bilden[8]. Dabei einigten sich Serbien und Bulgarien auch in strittigen Fragen rund um Gebiete in Thrakien, dem Kosovo und Makedonien[9], letzteres sehr zum Missfallen einiger radikal-nationalistischer Elemente in Serbien, wie dem Anführer der Radikalen Volkspartei und späteren Premierminister, Nikola Pasic, welcher im März 1912 schrieb: „ We conceded too much, (...) abandoned some Serbian areas which we should never have dared to abandon even if we were left without an agreement[10]. So litt der Balkanbund in der Folge auch unter den mächtigen Eigeninteressen seiner Mitglieder.

Dennoch geschah die Mobilisierung der Armeen des Balkanbundes mit großer Euphorie, voller Vorfreude auf einen nahenden Krieg gegen das verhasste und durch den Tripoliskrieg geschwächte Osmanische Reich, welche balkaninterne Streitigkeiten vorerst in den Hintergrund rücken ließen[11].

b) Verlauf des Ersten Balkankrieges

Infolge diverser Grenzkonfrontationen - und scharmützel begann der Erste Balkankrieg am 8. Oktober 1912 mit einem Angriff montenegrinischer Truppen auf osmanische Stellungen, formal bestätigt am 16. Oktober durch eine osmanische Kriegserklärung an den Balkanbund und dessen gleiche Reaktion einen Tag später[12]. Die „jahrhundertealte geschichtliche Abrechnung zwischen Serben und Türken [trat] in die letzte Phase“[13]. Als ein zentrales Schlachtfeld entpuppte sich schnell die Grenzregion Thrakien[14], wo schlecht vorbereitete und ausgerüstete osmanische Truppen unter demoralisierenden, schweren anhaltenden Regenfällen bereits am 24. Oktober eine frühe Niederlage gegen Bulgarien in der Schlacht um Lozengrad erlitten und den Rückzug antraten[15]. Trotz eingetroffener Verstärkung folgte kurz darauf eine weitere osmanische Niederlage gegen gut gerüstete bulgarische Truppen in der über 200 000 Soldaten umfassenden Schlacht von Lüleburgaz in Ostthrakien[16]. Erst gut 30 Kilometer westlich vor Konstantinopel verlangsamte sich der bulgarische Vormarsch, auch aufgrund einer ausbrechenden Choleraepidemie. Ein offizielles osmanisches Ersuchen eines Waffenstillstandes wurde von Zar Ferdinand abgelehnt[17], erst nach einer militärischen Niederlage bei Catalca zogen sich die bulgarischen Truppen zurück und stoppten ihren Sturm auf Konstantinopel[18]. Dennoch verblieb Bulgarien mit bedeutenden Gebietseroberungen als großer Gewinner des Thrakien-Feldzuges[19].

[...]


[1] Richard C. Hall: The Balkan Wars 1912-1913: Prelude to the First World War (Warfare and History), London 2000, S. 132.

[2] Karl Adam: Großbritanniens Balkandilemma – Die britische Balkanpolitik von der bosnischen Krise bis zu den Balkankriegen 1908 – 1913, Hamburg 2009, S. 18.

[3] Vgl. Adam, a.a.O., S. 9.

[4] Vgl. Hall, a.a.O., S. 1.

[5] Vgl. Holger Afflerbach : Der Dreibund. Europäische Großmacht- und Allianzpolitik vor dem Ersten Weltkrieg, Wien 2002, S. 721.

[6] Vgl. Hall, a.a.O., S. 9 ; Adam, a.a.O., S. 127

[7] Vgl. Katrin Boeckh: Von den Balkankriegen zum Ersten Weltkrieg: Kleinstaatenpolitik und ethnische Selbstbestimmung auf dem Balkan, München 1996, S. 26.

[8] Vgl. Hall, a.a.O., S. 9ff. ; Boeckh, a.a.O., S. 26 ; Adam, a.a.O., S. 127 ; Afflerbach, a.a.O., S. 723.

[9] Vgl. Hall, a.a.O., S. 11f.

[10] Zitiert nach Hall, a.a.O., S. 12.

[11] Vgl. Hall, a.a.O., S.14.

[12] Vgl. Hall, a.a.O., S. 15 ; Boeckh, a.a.O., S. 33f. ; Afflerbach, a.a.O., S. 723.

[13] Boeckh, a.a.O., S. 34.

[14] Vgl. Hall, a.a.O. S. 22.

[15] Vgl. Ebd. S. 26f.

[16] Vgl. Hall, a.a.O., S. 28ff.

[17] Vgl. Hall, a.a.O., S. 34 ; Afflerbach, a.a.O., S. 726.

[18] Vgl. Hall, a.a.O., S. 36f.

[19] Vgl. Ebd., S. 43f.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Die letzte große Vorkriegskrise. Die Balkankriege 1912/13 und der Erste Weltkrieg
Hochschule
Universität Potsdam  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Vom Panthersprung nach Sarajevo. Die Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
27
Katalognummer
V303408
ISBN (eBook)
9783668018235
ISBN (Buch)
9783668018242
Dateigröße
553 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Balkankriege, Erster Weltkrieg, 1. Weltkrieg, Deutschland, Kaiserreich, Großbritannien, British Empire, Serbien, Sarajevo, Bulgarien, Rumänien, Österreich-Ungarn
Arbeit zitieren
Jean Mikhail (Autor:in), 2013, Die letzte große Vorkriegskrise. Die Balkankriege 1912/13 und der Erste Weltkrieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/303408

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