Mikrosporidien bei Immunsuppression. Infektionszyklus Epidemiologie und Diagnose


Bachelorarbeit, 2014

29 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit soll einen umfassenden Überblick über die Biologie und Infektionszyklus, sowie die Übertragung, Epidemiologie, klinischen Symptomen, Diagnoseverfahren und Behandlungsmöglichkeiten der Mikrosporidien, bei HIV- und Transplantationspatienten, geben.

Parasitäre Erkrankungen sind Ursachen für die Ausbreitung von Krankheiten und den Anstieg von Sterblichkeitsraten weltweit, ungeachtet vom Gesundheitszustand der Patienten. Immunkompetente, Menschen mit funktionsfähigem Immunsystem und Patienten mit supprimiertem bzw. komprimiertem Immunsystem, sind Risikogruppen für den Erwerb parasitärer Erkrankungen.

Das Immunsystem spielt bei der Bekämpfung des Parasiten eine zentrale Rolle. Menschen mit einem supprimierten bzw. komprimierten Immunsystem sind oft unfähig die Infektion zu bekämpfen. Im Grunde ist die Schwere der Erkrankung vom Grad des Immundefizits abhängig. Mit dem Wiederaufbau des Immunsystems oder dem Absetzten immunsupprimierender Therapien würde sich der Krankheitsverlauf nicht von dem eines Immunkompetenten Patienten unterscheiden (Stark et al. 2009).

Die Zahl der Patienten mit supprimiertem Immunsystem, alleine mit 14.000 Neuinfektionen pro Tag durch die Infektion mit dem HIV-Virus, steigt jedes Jahr an. Wobei diese Erkrankung hauptsächlich in Entwicklungsländern auftritt. Aber auch durch Transplantationen steigt die Zahl stetig in Industrieländern an, aufgrund von etwa einer Millionen Transplantationen pro Jahr und deren Einsatz aggressiver Therapien zur Immunsuppression (Stark et al. 2009).

Mikrosporidien sind eukaryotische, obligate intrazelluläre Parasiten, die als Protozoen beschrieben werden. In jüngeren Studien stellte sich ein engerer Zusammenhang bzw. eine engere Verwandtschaft zu den Pilzen heraus. Der Stamm der Mikrosporidien umfasst rund 140 Gattungen mit mehr als 1200 Arten. Sie können praktisch in allen Invertebraten und Vertebraten nachgewiesen werden (Barbosa, Rodrigues, Pina-Vaz 2009; Moretto, Khan, Weiss 2012; Didier, Weiss 2006).

Während des neunzehnten Jahrhunderts wurden die ersten Mikrosporidien in Seidenraupen durch Luis Pasteur gefunden. Der Erreger der so genannten „pébrine“- Erkrankung, wurde von Nägeli als Nosema bombycis benannt, bei der die Raupe unter anderem keine Seide mehr produzieren kann (Keeling, Fast 2002; Moretto, Khan, Weiss 2012). Nosema bombycis wurde anfänglich zu der Gruppe der Schizomyceten zugeordnet. Doch 1882 erstellte Balbiani eine neue Gruppe für Nosema bombycis, genannt Microsporidia. Diese Namensgebung ist heutzutage immer noch aktuell. 1922 wurde die erste Mikrosporidieninfektion, ausgelöst durch Encephalitozoon cuniculi, im Hasen nachgewiesen. Diese Art ist dafür bekannt ein großes Spektrum von Säugetieren zu infizieren (Keeling, Fast 2002). 1959 wurde der erste bekannte Fall einer Mikrosporidieninfektion beim Menschen bekannt. Dies war jedoch eine Seltenheit und erst durch die AIDS-Pandemie in den 1980ern stieg die Verbreitung der Mikrosporidien stark an. Ihnen wurde eine humanpathogene Bedeutung als opportunistischer Krankheitserreger zugeschrieben. Seitdem wird eine Infektion mit Mikrosporidien weltweit beobachtet. Die Krankheit tritt hauptsächlich in HIV-Patienten, aber immer häufiger auch in anderen Gruppen, wie zum Beispiel in Transplantationspatienten (Immunsupprimierte), Kindern, Reisenden, Kontaktlinsenträgern und älteren Personen auf (Keeling, Fast 2002; Sokolova et al. 2011).

Bisher wurden 14 Arten identifiziert, die Menschen bzw. Mensch und Tier infizieren können. Diese können verschiedene Gewebe befallen und können zu einer langen Liste von Erkrankungen führen, wie zum Beispiel chronische Diarrhö, Lungenentzündungen, Leber- und Nierenentzündung (Keeling, Fast 2002; Galván et al. 2011; Stark et al. 2009).

Enterocytozoon bieneusi wurde erstmals im Jahr 1985 in einem AIDS-Patienten nachgewiesen (Zhang et al. 2011). Enterocytozoon bieneusi und die Encephalitozoon Arten, Encephalitozoon cuniculi, Encephalitozoon hellem und Encephalitozoon intestinalis sind die am häufigsten auftretenden Arten. Dabei wurden bis heute Enterocytozoon bieneusi und Encephalitozoon intestinalis am meisten im Menschen nachgewiesen, speziell in AIDS-Patienten mit einer CD4+ T-Zell-Zahl unter 100 Zellen pro mm3 (Ojuromi et al. 2012). Diese Erreger besitzen die Fähigkeit sich im Körper auszubreiten und können somit verschiedene Gewebe infizieren, wie Auge, Lunge, Niere und das zentrale Nervensystem. Dabei scheinen Darmerkrankungen mit chronischer Diarrhö, starkem Gewichtsverlust und Mangelerscheinungen die vorherrschenden Symptome zu sein (Galván et al. 2011; Sokolova et al. 2011).

2. Die Mikrosporidienspore

Das infektiöse Stadium der Mikrosporidien ist eine kleine einzellige Spore. Die Größe der Spore kann bei E. bieneusi 1μm und bei Bacllidium filiferum 40μm betragen. Die Form kann kugelförmig, oval, stäbchen- oder halbmondförmig sein, wobei die häufigste Sporenform oval ist. In diesem Stadium kann die Spore unter dem Mikroskop erkannt und differenziert werden.

Die Spore ist die einzige lebensfähige Form außerhalb der Wirtszelle (Keeling, Fast 2002). Sie wird von zwei starren äußeren Wänden umgeben. Die Exospore besteht aus einer elektronendichten, proteinhaltigen Schicht, während die Endospore sich aus alpha-chitin und Proteinen zusammensetzt, die zur oberen Spitze hin dünner wird (Keeling, Fast, 2002; Moretto, Khan, Weiss, 2012; Didier, Weiss 2006). Die Zellwände bieten der Spore Schutz vor Umwelteinflüssen und erlaubt somit dem Organismus langanhaltend in der Umwelt zu überleben, was die Übertragung zwischen den Wirten erleichtert (Moretto, Khan, Weiss 2012).

Im Inneren der Spore liegt im Cytoplasma ein Kern vor, der als ein so genannter Monokaryon oder Diplokaryon bezeichnet wird. Zudem befindet sich im anterioren Bereich der Spore eine Anker-Platte („anchoring Disk“). Des Weiteren befinden sich im Cytoplasma ein lamellarer Polarplast, der einen atypischen Golgi-Apparat beinhaltet und polare Vesikel, die als reduzierte Mitochondrien erscheinen, und als Mitosomen bezeichnet werden. Die Spore besitzt außerdem ein endoplasmatisches Retikulum (ER), Ribosomen, eine posteriore Vakuole, die möglicherweise auch als Peroxisomen funktioniert und ein gewickelten Polfaden (Didier, Weiss 2006).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1. Schema einer Mikrosporidienspore zeigt die Hauptstrukturen. (Keeling, Fast 2002)

Für die Infektion einer Wirtszelle sind hauptsächlich drei Strukturen verantwortlich: der Polfaden, der Polarplast und die posteriore Vakuole. Der Polarplast ist eine große Organisation aus Membranen und befindet sich im anterioren Teil der Spore.

Er ist im anterioren Teil eine hoch organisierte, eng gestapelte Membran. Dieser Bereich wird lamellarer Polarplast genannt. Zum posterioren Teil hin existiert eine lockere Organisation, der so genannte vesikulare Polarplast (Keeling, Fast 2002).

Der Polfaden ist ein spezialisiertes Organell für die Invasion in die Wirtszelle und kann eine Länge von 50μm-500μm besitzen. Sie ist mit der Anker-Platte verbunden und wickelt sich helikal um das gesamte Cytoplasma der Spore (Keeling, Fast 2002; Moretto, Khan, Weiss 2012; Didier, Weiss 2006). Der Polfaden besteht aus einer Membran und glykolisierten Proteinen. Während der Invasion in eine Wirtszelle dient der Polfaden als eine Brücke, die die Spore mit der Wirtszelle verbindet (Keeling, Fast 2002; Moretto, Khan, Weiss 2012). Die Glykosylierung ist wahrscheinlich für den Aufbau und für die Funktion sehr wichtig. Durch Studien wurde gezeigt, dass sich Kohlenhydrat-Rückstände an intakten Polfäden befinden, z.B. Concanavalin A, welches an den Polfäden von verschiedenen Mikrosporidien bindet. Der biochemische Beweis wird dadurch erbracht, dass der Großteil der Proteine des Polfaden (PTP1) O- verknüpfte Mannosylierungen besitzen (Moretto, Khan, Weiss 2012). Der Polfaden besitzt eine Fläche von 0,1-0,2 μm2 und ist 50-500 μm lang. Er endet an der posterioren Vakuole, wobei man nicht weiß, ob das Filament in die Vakuole eintritt oder diese nur berührt (Keeling, Fast 2002).

Anfangs wurde angenommen, dass Mikrosporidien, die ersten Eukaryoten darstellen. Aufgrund des Fehlens von typischen Mitochondrien, des Golgi-Apparates und der Peroxisomen, sowie dem Vorhandensein kleiner Ribosomen, ähnlich der Prokaryoten. Heutzutage gelten Mikrosporidien als höchst differenzierte, gut angepasste und spezialisierte Parasiten, die verwandt oder zugehörig mit den Pilzen sind (Moretto, Khan, Weiss 2012).

Durch vergleichende Genomanalysen konnte beobachtet werden, dass Mikrosporidien unter den Eukaryoten das kleinste Genom besitzen, welches aus Genreduktion und Genverdichtung entstanden ist (Didier, Weiss 2006). Die Genomgröße variiert von 2,3 bis zu 19,5 Mb, wobei die Genomgröße von E. intestinalis 2,3 Mb, E. hellem 2,5 Mb und E. cuniculi 2,9 Mb die kleinsten identifizierten Genome unter den Eukaryoten sind.

Mikrosporidien sind wahrscheinlich diploid. Sie besitzen nur wenige Introns, die Gendichte ist hoch und die Proteine sind kürzer als die entsprechenden Hefe-Gene (Moretto, Khan, Weiss 2012). Evolutionär bedingt haben Mikrosporidien viele Gene für metabolische und regulatorische Vorgänge verloren, um eine Abhängigkeit von der Wirtszelle zu erreichen (Moretto, Khan, Weiss 2012). Die Gene die im Zusammenhang mit dem Transport von Energiequellen und Metaboliten sind dabei nicht verloren gegangen, was wahrscheinlich eine Konsequenz der Wirtszellabhängigkeit ist.

Durch die Identifikation von über einem Dutzend Genen, die für Mitochondrien abgeleitete Proteine kodieren, wird bewiesen, dass die Mikrosporidien sich von Ahnen entwickelten, die Mitochondrien besaßen. Phylogenetische Analysen von multiplen Gensequenzen unterstützen weiterhin eine Beziehung zwischen den Mikrosporidien und den Pilzen, speziell zu dem Stamm der Askomyzeten und Basidiomyceten (Didier, Weiss 2006).

3. Infektionszyklus

Die Keimung der Spore ist eine Serie subzellularer Ereignisse, die in einer Kaskade schneller Abfolgen und unter kompletter Änderung des Cytoplasmas ablaufen. Der Ablauf ist bisher aber noch nicht völlig verstanden und erforscht. Für das Auslösen der Keimung können verschiedene Ursachen verantwortlich sein und dies ist zudem auch abhängig von der jeweiligen Art. Ursachen könnten zum Beispiel pH-Wert Änderungen, Anwesenheit verschiedener Kationen oder Anionen, hyperosmotische Bedingungen oder Dehydrierung gefolgt von Rehydrierung sein (Keeling, Fast 2002).

Die Keimung beginnt mit der Änderung des osmotischen Drucks und dem damit verbundenen Anschwellen der posterioren Vakuole und des Polarplasten. Der Polfaden wird schnell freigesetzt und kann somit in Kontakt mit der Wirtszelle treten (Keeling, Fast 2002; Moretto, Khan, Weiss 2012; Didier, Weiss 2006). Wie genau der Wassertransport in die Zelle abläuft ist nicht ganz klar. Der Wassertransport kann unter anderem durch Aquaporine über das Sporoplasma stattfinden. Bei der Keimung von Nosema algerae sinkt zum Beispiel die Konzentration von Trehalose, einem Glukose- Glukose Disaccharid. Trehalose ist überall in der Natur vorhanden und ist der Hauptkohlenhydratspeicher in Mikrosporidiensporen und Pilzsporen. Es wird angenommen, dass Trehalose in Glukose-Monomere zerlegt wird und somit die Anzahl löslicher Moleküle in der Zelle erhöht. Demzufolge steigt der Einstrom des Wassers und somit der osmotischen Druck in der Zelle.

Für die Keimung der Spore sind verschiedene Faktoren beteiligt, folglich kann Trehalose nicht alleine dafür verantwortlich sein. Andere Mikrosporidienarten, die mit Nosema verwandt sind, ändern das Trehaloselevel nicht. Zudem könnte es nur einen Schritt bei der Keimung ausmachen. Es wird angenommen, dass die Kalziumkonzentration eine Rolle spielt, sowie das Protein Calmodulin (Keeling, Fast 2002). Welche Ursache genau für die Erhöhung des osmotischen Druck verantwortlich ist, ist nicht vollständig geklärt. Aber er ist verantwortlich für alle nachfolgenden Ereignisse. Die Ankerplatte wird zerrissen und der Polfaden wird freigesetzt. Der Polfaden wird umgestülpt und die mit Granula dicht besetzte Außenseite kehrt sich zur Innenseite. Der Polfaden durchbohrt die Membran, der sich in der Nähe der Wirtszelle befindet und innerhalb von wenigen Sekunden wird das gesamte Sporoplasma mit dem Kern in die Wirtszelle injiziert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2. Umstülpung des Polfadens während der Keimung. (Keeling, Fast 2002)

(A) Untätige Spore mit Polfaden (schwarz), Kern (grau), Polarplast und posteriore Vakuole
(B) Polarplast und posteriore Vakuole schwellen an, die Ankerplatte bricht und der Polfaden beginnt mit der Freisetzung und Umstülpung
(C) Polfaden wird weiterhin freigesetzt
(D) Wenn der Polfaden vollständig freigesetzt ist wird das Sporoplasma in den Polfaden gepresst
(E) Das Sporoplasma wandert durch den Polfaden
(F) Das Sporoplasma ist vollständig durch den Polfaden gewandert und wird von einem neuen Membran umgeben und gebunden.

Der Parasit befindet sich direkt im Cytoplasma der Zelle. Er bildet jedoch dort keine Art phagozytische Vakuole aus, wie es bei anderen intrazellulären Parasiten der Fall ist. Gelegentlich wird der Parasit von einer Membran, die so genannte parasitophore Vakuole, umgeben. Dies geschieht oft im frühen Infektionsstadium (Keeling, Fast 2002). Der Parasit verbindet sich sofort mit der Wirtszelle und veranlasst diese zu signifikanten Veränderungen. Die Zelle organisiert sich neu, sodass der Parasit oft von Zellorganellen, wie dem endoplasmatischen Retikulum, dem Kern und Mitochondrien umgeben ist. In einigen Fällen interagiert der Parasit mit dem Kern, welches sich durch vergrößerte Poren äußert. Es besteht die Möglichkeit, dass der Kern selber infiziert wird. Die Zelle wird in ihrer Form und Größe verändert und die herbeigeführte Veränderung wird Xenoma genannt (Keeling, Fast 2002). Dadurch werden die eigenen Entwicklungen und das Wachstum des Parasiten unterstützt. Die Wirtszelle wird dazu gebracht sich mehreren Kernteilungen zu unterziehen. Während der Sporenbildung in der Wirtszelle ist eine Verdickung der Plasmamembran zu erkennen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Mikrosporidien bei Immunsuppression. Infektionszyklus Epidemiologie und Diagnose
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf  (Parasitologie)
Note
2,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
29
Katalognummer
V303605
ISBN (eBook)
9783668033962
ISBN (Buch)
9783668033979
Dateigröße
848 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Biologie, Parasitologie, Mikrosporidien, Mikrosporidien bei Immunsuppression, parasitäre Erkrankungen, Mikrosporidien und HIV, Darmparasiten, Übertragung der Mikrosporidien, Behandlung parasitärer Erkrankungen, Zoonose, Encephalitozoon, Albendazol, Fumagillin, Enterocytozoon bieneusi, Darmerkrankungen, Immunsupression
Arbeit zitieren
Mario Günscht (Autor:in), 2014, Mikrosporidien bei Immunsuppression. Infektionszyklus Epidemiologie und Diagnose, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/303605

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Mikrosporidien bei Immunsuppression. Infektionszyklus Epidemiologie und Diagnose



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden