Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Inhaltsangaben
Inhaltsangabe Los pasos perdidos
Inhaltsangabe Homo faber
Mouche
Rosario
Ruth
Zusammenfassung
Bibliographie
Einleitung
Der franko-kubanische Schriftsteller Alejo Carpentier gehört zu den bedeutendsten Vertretern der Literatur Lateinamerikas des 20. Jahrhunderts. Sein Roman Los pasos perdidos [1] von 1953 ist eines seiner bekanntesten Werke und zudem eines der bedeutendsten Werke der lateinamerikanischen Literatur insgesamt.
Wie auch in seinem 1949 erschienenen Roman El reino de este mundo spielt das Konzept des „real maravilloso“, des „wunderbar Wirklichen“, eine große Rolle. Das „real maravilloso“ wird als Konzept verstanden, das zur Entstehung des „realismo mágico“, des „magischen Realismus“, beigetragen hat. Dieses Konzept hatte einen großen Einfluss auf die Entwicklung der lateinamerikanischen Literatur. Es beinhaltet die Idee, dass das „wunderbar Wirkliche“ überall um uns herum, in der Realität, vorhanden ist und passiert. Dieses interessante und bereits viel diskutierte Konzept soll aber nicht Gegenstand dieser Hausarbeit sein.
Ich möchte mich vielmehr auf die Figurenkonstellationen und Figurencharakterisierungen beziehen, genauer gesagt, auf die weiblichen Figuren des Romans. Das Ziel meiner Hausarbeit soll es sein, die besonderen Beziehungen der drei weiblichen Hauptfiguren zu dem männlichen Protagonisten herauszuarbeiten und zu interpretieren und somit zu untersuchen, welche Bedeutung die unterschiedlichen Frauentypen für den Protagonisten und dessen Entwicklung haben.
Des Weiteren möchte ich anhand eines direkten Vergleiches mit dem Werk Homo faber von Max Frisch, erschienen im Jahr 1957, zeigen, dass bestimmte Frauentypen auch in anderen Romanen der damaligen Zeit einen ähnlichen Einfluss auf den Werdegang und die Entscheidungen der männlichen Hauptfiguren haben. Hierbei werde ich Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Gestaltung der Charaktere und ihrer Bedeutung herausarbeiten.
Ich habe mich für einen Vergleich mit Homo faber [2] entschieden, da ich denke, dass die Werke einige deutliche Gemeinsamkeiten aufweisen, welche sie für eine Gegenüberstellung prädestinieren. Zum Beispiel brechen in beiden Werken die männlichen Protagonisten von New York aus nach Lateinamerika auf. In beiden Romanen gibt es drei Frauen, die die Leben der Protagonisten bestimmen und in beiden Fällen kann man von der Reise als Sinnsuche und der Suche nach sich selbst sprechen. Weitere Ähnlichkeiten werden im Laufe der Hausarbeit herausgestellt.
Um einen Ausgangspunkt für meine Arbeit zu schaffen, werde ich zunächst eine kurze Inhaltsangabe zu beiden Werken bereitstellen, um dann darauf aufbauend in die Bearbeitung der zuvor genannten Fragestellungen einzugehen.
Ferner habe ich den Kapiteln die Namen der Frauen aus LPP gegeben, da dies der Roman ist, den wir im Seminar besprochen haben und welcher somit mein Ausgangsroman für den hier aufgeführten Vergleich ist.
Inhaltsangaben
Inhaltsangabe Los pasos perdidos
Der namenlose Protagonist ist Musikwissenschaftler und Komponist und arbeitet in einem Filmstudio. Er ist mit der Schauspielerin Ruth verheiratet. Seit fast fünf Jahren spielt sie in demselben Stück. Anfangs war die Rolle als Sprungbrett gedacht, doch nun kommt sie nicht mehr von der „Teufelsinsel“ hinunter. Die Tagesabläufe – genau genommen die Leben – der beiden lassen sich nicht mit einander vereinbaren, jeder hat seinen eigenen Rhythmus. Die einzige Konstante ist, dass sie jeden Sonntagmorgen mit einander schlafen. Dies geschieht aber eher aus Pflichtgefühl, als aus Liebe. Eines Tages muss Ruth mit der Theatergruppe für einige Zeit auf Tournee gehen, während der Protagonist am Anfang eines drei-wöchigen Urlaubs steht und nicht weiß, was er mit seiner Zeit anfangen soll. Er trifft seinen früheren Kurator und Lehrer, welcher ihm einen Job anbietet. Er soll nach Venezuela fahren und dort bei den Indios nach alten Musikinstrumenten suchen und diese mitbringen. Der Protagonist hat eine Geliebte namens Mouche, welche ihr Geld mit der Erstellung von Horoskopen verdient. Als er ihr von dem Auftrag erzählt, ist sie begeistert. Dass der Protagonist die Reise nicht antreten möchte und darüber hinaus nicht das Geld besitzt, die Reise für Mouche zu finanzieren, interessiert sie nicht. Sie schlägt vor, so lange zu reisen, bis das Geld erschöpft ist. Niemand müsse erfahren, dass sie nicht die geplante Route nehmen und im Anschluss könne ein befreundeter Maler Fälschungen von den gesuchten Instrumenten anfertigen, die man im Institut abgeben könne. Nach anfänglichem Zögern stimmt der Protagonist zu.
In Lateinamerika angelangt werden sie Zeugen einer Schießerei, woraufhin im Hotel verkündet wird, dass die Revolution ausgebrochen sei. Er betrinkt sich und fällt ermattet ins Bett. Als Mouche ihn weckt erzählt sie ihm, dass die Revolution beendet sei, dass aber eine Ausgangssperre verhängt worden sei. Eine kanadische Malerin lädt beide in ihr Haus in Los Altos ein und Mouche willigt eigenmächtig ein. Dort geht er in eine Taverne, in der ein Indio Harfe spielt. Er beschließt daraufhin doch in den Urwald zu fahren und seinen eigentlichen Auftrag zu erledigen.
Am Morgen des 11. Juni beginnt die Reise mit dem Bus. Nach einigen Stunden Fahrt sehen sie eine junge Frau, die zusammengesunken auf einer Steinbrücke sitzt. Sie geben ihr zu essen und zu trinken. Die Frau, Rosario, fährt ein Stück in dem Bus mit und der Protagonist entwickelt Interesse an ihr. Mouche hingegen wird immer mehr zu einer Last. In Puerto Asunción teilt er Mouche mit, dass er die Beziehung beenden möchte. Als die Gruppe weiter reisen will, bezahlt er einen Arzt, welcher sich um die an Malaria erkrankte Mouche kümmern soll und lässt sie zurück.
Am Fuß eines Felsens machen sie halt. Die neuen Geräusche und Eindrücke ängstigen den Protagonisten und er sucht Schutz bei Rosario. Am zweiten Tag verschwindet der Grieche Yannes, der sich allein auf die Suche nach Diamanten macht. Die Gruppe gerät in einen heftigen Sturm, den aber alle überleben. Unbeschadet gelangen sie in ein Indio-Dorf. Der Protagonist findet die Musikinstrumente und sieht seine Aufgabe als erfüllt an. Mit großem Interesse beobachtet der Protagonist die Lebensweise der Indios. Anschließend ziehen sie weiter.
Der Protagonist und Rosario kommen sich näher. Er erfährt von dem Adelantado (Pionier), dass dieser im Urwald eine Stadt, Santa Monica de los Venados, gegründet hat und fährt mit Rosario dort hin. Abgeschieden von der Zivilisation sieht er eine Möglichkeit ein erfülltes Leben zu führen. Er hat sogar neue Ideen für Kompositionen, allerdings geht ihm das Papier aus. Zudem trifft er auf Unverständnis für seine Arbeit, die im Urwald keinen Nutzen hat. Als er etwas später von einem Suchtrupp gefunden wird, fliegt er zurück in die USA, um sich von Ruth scheiden zu lassen und versichert, wieder nach Santa Monica de los Venados zurück zu kommen. In den USA erwarten ihn Ruth und viele Journalisten, die sich für seinen Reisebericht interessieren. Es sieht zunächst so aus, als ob er seine Geschichte für viel Geld verkaufen könne. Als dann aber Mouches Version der Reise ans Licht kommt, verliert er die Sympathien der Öffentlichkeit. Seine finanzielle Situation ist schlecht und die Rückreise verzögert sich. Als er schließlich zurückreisen kann, erfährt er von Yannes, dass Rosario nun mit Marcos, dem Sohn des Adelantado, zusammen ist und ein Kind erwartet. Zudem kann er aufgrund des starken Regens und des sehr hohen Wasserspiegels die Zeichen nicht finden, welche den Eingang nach Santa Monica de los Venados markieren.
Inhaltsangabe Homo faber
Walter Faber ist 49 Jahre alt, Ingenieur und arbeitet als Entwicklungshelfer für die UNESCO. Als er von New York über Houston nach Caracas fliegt, muss das Flugzeug in Tamaulipas notlanden. Während sie dort auf Rettung warten, erfährt er, dass ein Mitpassagier, Herbert, der Bruder seines früheren Studienkollegen und guten Freundes Joachim ist. Weiterhin erfährt er, dass Joachim nach dem Studium Fabers frühere Freundin Hanna, eine Halbjüdin, welche ein Kind von Faber erwartete, geheiratet hat, die Ehe aber wieder geschieden wurde. Nun ist Herbert auf dem Weg zu Joachim, welcher Leiter eine Tabakplantage in Guatemala ist und Faber entschließt sich kurzerhand, ihn dorthin zu begleiten. Als sie nach einem beschwerlichen Weg endlich auf der Plantage ankommen, finden sie Joachim erhängt in seiner Hütte. Während Herbert auf der Plantage bleibt, fliegt Faber weiter nach Caracas und anschließend wieder zurück nach New York. Dort will er sich endgültig von seiner Freundin Ivy trennen. Um so schnell wie möglich von ihr weg zu kommen bucht er eine Schiffsreise nach Paris, wo er an einem Kongress teilnimmt. Auf dem Schiff lernt er die junge Elisabeth Piper, von ihm Sabeth genannt, kennen und macht ihr einen Heiratsantrag, dann trennen sich ihre Wege. In Paris treffen sie sich wiederund starten gemeinsam eine Reise nach Griechenland zu Sabeths Mutter. Auf der Reise, während welcher die beiden sich auch körperlich näher kommen, erfährt er, dass die junge Frau seine Tochter ist und Hanna demzufolge die Schwangerschaft damals nicht wie abgesprochen unterbrochen hat.In der Nähe von Korinth wird Sabeth von einer Schlange gebissen, stürzt und bleibt bewusstlos liegen. So schnell wie möglich bringt Faber sie nach Athen in ein Krankenhaus, doch leider zu spät. Hier treffen nun auch Faber und Hanna aufeinander und müssen sich mit ihrer gemeinsamen Vergangenheit und Gegenwart auseinandersetzen.
Im zweiten Teil seines Berichtes erzählt Faber von seinem kurzen Aufenthalt in New York, von der Beendigung seines Auftrages in Caracas und seinem Zwischenstopp in Havanna. Er ist glücklich in Havanna. Er lernt die schöne Seite des Lebens kennen, bewundert die Menschen dort und schwört dem, bisher von ihm gelebten, „American Way of Life“ ab. Anschließend unterrichtet er das Unternehmen in Düsseldorf über die Zustände auf der Tabakplantage und kehrt dann in das Athener Krankenhaus zurück, wo ihm aufgrund seiner ständig wiederkehrenden Magenschmerzen eine unumgängliche Operation bevorsteht, deren Ausgang ungewiss ist. Vermutlich aber stirbt er, denn seine Tagebuchaufzeichnungen brechen symbolhafterweise an dieser Stelle ab.
Wie in der Einleitung bereits erwähnt, gibt es diverse Gemeinsamkeiten zwischen den Romanen. Beide Protagonisten befinden sich in einer Krise, beide Reisen werden als Flucht vor einer unerträglichen Situation dargestellt. Sowohl bei LPP als auch bei HF kann man von der Bildung einer personalen Identität vor dem Hintergrund einer problematischen Ausgangslage sprechen – bei LPP unter anderem die Zerrissenheit des Protagonisten zwischen Europa und Amerika.
Gemeinsam ist den beiden Romanen fernerhin, dass sie das Verständnis von der Frau als Mutter sehr stark thematisieren und beide dies als Bedrohung und/oder Schwäche darstellen. Der Protagonist in LPP ist eine Zeit lang sehr verstört und unsicher, als er nicht sicher ist, ob seine Frau Ruth schwanger ist. Er möchte kein Kind mit ihr und hofft, sich freikaufen zu können. Bei HF sehen wir, dass Faber Hanna anfangs, aufgrund ihrer Schwangerschaft, nur aus Pflichtgefühl heraus einen Antrag macht, aber im Grunde ist er froh, als sie sich darauf einigen, eine Schwangerschaftsunterbrechung durchzuführen. Darüber hinaus finden wir bei HF immer wieder Bilder, die mit Schwangerschaft und Weiblichkeit zu tun haben und eindeutig als etwas Negatives bewertet werden, zum Beispiel die stillenden Mütter im Urwald, die „weibischen“ Männer, welche eine Art Milch trinken sowie der Schweiß der Männer, welcher symbolisch für den „Schleim“ und das „Glitschige“ bei der Geburt zu sehen ist.
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[1] Im Folgenden LPP genannt. Zitierte Ausgabe: Carpentier, Alejo (2011): Die Romane. Berlin: Suhrkamp Verlag (Seite 89 bis 323)
[2] Im Folgenden HF genannt. Zitierte Ausgabe: Frisch, Max (1977): Homo faber. Ein Bericht. Frankfurt am Main: Suhrkamp Taschenbuch Verlag