Textproduktion in Krisen- und Kriegszeiten


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

32 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Vorbemerkungen

2. Kriegsberichterstattung: Grundbegriffe

3. Kriegsberichterstattung im Ersten Weltkrieg

4. Kriegsberichterstattung im Zweiten Weltkrieg

5. Kriegsberichterstattung im Vietnam-Krieg

6. Kriegsberichterstattung im Golfkrieg 1991

7. Kriegsberichterstattung im Kosovo-Krieg

8. Kriegsberichterstattung im Golfkrieg 2003

9. Nachgedanken

10. Literatur

1. Vorbemerkungen

Kriegsberichterstattung ist durchaus keine Erfindung der Neuzeit. Wenn man es ganz genau nimmt, war schon der Läufer von Marathon ein Kriegsberichterstatter, auch wenn man in diesem Fall sicher nicht von der Berichterstattung im heutigen Sinne sprechen kann. Den Beginn der modernen Kriegsberichterstattung, den Beginn des auch in und mit den Medien geführten Krieges, setze ich beim Ersten Weltkrieg.

Die Literaturrecherche zu dieser Arbeit war auf den ersten Blick sehr ergiebig. Das Internet war für mich leider nicht die dankbare Quelle, die ich mir erhofft hatte. Die meisten Zeitungen und Zeitschriften verlangen auch Jahre nach den Konflikten noch Geld für ihre Artikel oder haben sie gar nicht mehr vorliegen. Einiges ist natürlich auch frei erhältlich. Darauf konnte ich mich also durchaus stützen.

Beim Versuch, die zahlreichen Quellen zu analysieren, ist mir allerdings aufgefallen, dass der größte Teil der Literatur sich mehr mit der Berichterstattung an sich und deren Schwierigkeiten beschäftigt als mit Originaltexten aus der jeweiligen Zeit. Trotz allem habe ich bei der Arbeit an den Texten Wert darauf gelegt, die Grundbegriffe und die textproduktionsrelevanten Elemente herauszustellen, obschon das ungeachtet der Menge an Material nicht immer einfach war.

Die vorliegende Arbeit umfasst die Grundbegriffe der Kriegsberichterstattung ebenso wie Zusammenfassungen der Pressearbeit während des Ersten und Zweiten Weltkrieges, des Vietnam-Krieges, der Golfkriege von 1991 und 2003 sowie des Kosovo-Krieges. Weiterhin habe ich mich mit journalistischen Grundsätzen wie Ethik (und deren Umsetzung) befasst.

Natürlich habe ich mir zu diesem Thema unabhängig zu der Arbeit an der Literatur auch meine eigenen Gedanken gemacht. Diese habe ich im Schlusskapitel zusammengefasst.

2. Kriegsberichterstattung: Grundbegriffe

2.1. Kriegsberichterstatter

Innerhalb der Auslandskorrespondenten nimmt der Kriegsberichterstatter eine Sonderrolle ein, schon weil sein Einsatz zeitlich auf die Dauer der kriegerischen Auseinandersetzung beschränkt ist. Leider fehlt vielen Kriegsberichterstattern das Fachwissen ihrer Kollegen, die schon seit längerer Zeit in der entsprechenden Region eingesetzt sind. Dieses fehlende Fachwissen sowie der tägliche Druck, Material zu liefern, begünstigen die Anfälligkeit für die Maßnahmen der indirekten Zensur (s.u.). Nach Foggensteiner gibt es drei Gruppen von Kriegsberichterstattern:

- Journalisten, die ihre Informationen aus Pressemitteilungen beziehen und ansonsten versuchen, auf gesellschaftlichen Ereignissen an wichtige militärische und politische Akteure heranzukommen.
- Reporter, die aus sicherer Entfernung und mit kalkuliertem Risiko am Kriegsschauplatz recherchieren. Sie wissen um die Sensationsgefahr und steuern ihr durch gründliche und vielseitige Berichte entgegen.
- Abenteurer in der direkten Frontberichterstattung, die kriegerische Auseinandersetzung als Sprungbrett nach oben innerhalb der Redaktion nutzen wollen. Nicht selten sind diese Journalisten fanatisch bei der Sache und liegen mit im Schützengraben.

Laut Foggensteiner sollten alle drei Gruppen zumindest versuchen, objektiv zu arbeiten, auch wenn das nicht immer nur in ihren Händen liegt.[1]

2.2. Wahrheit

Wahrheit ist nicht nur das erste Opfer des Krieges, sie wird auch mit jeder kriegerischen Auseinandersetzung relativer. Berichten Journalisten aus Kriegsberichten nun ihre Wahrheit, die Wahrheit der Zensoren oder die echte Wahrheit?

Mit jedem Krieg wird die Beantwortung dieser Frage auch für die Berichterstatter schwieriger, denn längst ist nicht mehr alles wahr, was man sehen kann.

Meiner Meinung nach kommt man der Wahrheit in Krisengebieten am Nächsten, wenn man sich nicht nur auf die genehmigten Bilder verlässt, sondern die Möglichkeit hat, mit Betroffenen auf allen Seiten frei zu sprechen.

2.3. Ethik

Unter Ethik versteht man laut Richter alle Werthaltungen und durch Werthaltungen verursachte Verhaltensweisen, die in ihren Auswirkungen zentrale Normen des Kommunikationssystems betreffen. Der Journalismus baut auf gesellschaftlichen Werten wie Freiheit, Frieden und Sicherheit auf, das bedeutet, dass für einen Berufsethos des Journalisten diese Werte strukturell umgesetzt werden müssen. Für dieses Problem gibt es noch keine eindeutigen Lösungen.[2]

Setzt man Ethik mit Moral gleich, so handelt es sich um mitmenschliches Verhalten, das unter bestimmten Grundsätzen stattfindet.[3]

2.4. Werte

Werte sind Orientierungsgesichtspunkte; institutionalisierte Eckwerte, die für das soziale Zusammenleben präferiert werden.[4]

Journalistische Werte sind symbolische Gesichtspunkte, die bestimmte publizistische Zustände oder Ereignisse erwarten lassen.[5]

2.5. Normen

Journalisten sind Normen unterworfen.

Normen sind Erwartungen, die an das Verhalten der Mitmenschen gestellt werden und sich an Werten orientieren.[6]

Journalistische Normen sind Entscheidungsprämissen, die in sozialer Übereinkunft getroffen werden. Sie steuern und regulieren publizistische Probleme und gelten auch dann noch, wenn gegen sie verstoßen wurde.

Innerhalb der Publizistik versteht man unter Werten und Normen soziale Elemente.[7]

2.6. Propaganda

Propaganda nennt man die bewusste Manipulation der öffentlichen Meinung zu einem bestimmten Zweck mit medialen Mitteln. Vom Flugblatt bis zum Fernsehbericht ist alles (auch mittels Zensur) auf die Ziele des Propagandisten ausgerichtet. Oft wird Propaganda eingesetzt, um für einen geplanten Krieg in Stimmung zu bringen oder die abflauende Stimmung an der Heimatfront zu heben.

2.7. Zensur

Stefan Hartwig unterscheidet zwischen den Maßnahmen der direkten oder negativen Zensur und den Maßnahmen der indirekten oder positiven Zensur. Bei beiden Formen kommt es zunächst zu Wechselwirkungen zwischen der Berichterstattung und der eigenen bzw. gegnerischen Bevölkerung. Die Maßnahmen der positiven und der negativen Zensur bedingen sich gegenseitig. So begünstigt die Verknappung von Informationen (direkte Zensur) die kritiklose Übernahme von militärischem Material (indirekte Zensur), weil die TV-Stationen heute unter dem Druck stehen, möglichst schnell möglichst viel Material zu senden.

Die Maßnahmen der direkten Zensur bestehen aus der

- Kontrolle und Selektion des Bild- und Tonmaterials
- Verhängung von Drehverboten an bestimmten Orten
- Beschlagnahme von Datenmaterial
- bewussten Verzögerung der Datenübermittlung durch das Militär, um dem Material die Aktualität zu nehmen
- Beschränkung der Bewegungsfreiheit von Journalisten
- Zurückhaltung von Informationen.
Die subtilere Art der Zensur, die indirekte, bedient sich folgender Maßnahmen:
- Bereitstellung professionellen und quantitativ ausreichenden Materials durch das Militär
- Pressekonferenzen und Militärbriefings, bei denen bestimmte Themenkomplexe von vornherein ausgeklammert werden und Umfang sowie die Art der Fragen durch Bereitstellung von Film- und Kartenmaterial beeinflusst werden können
- Manipulation von Drehorten durch Schaffung von Kulissen, bevorzugt moderne Waffensysteme oder Soldaten in Alltagssituationen (z.B. beim Essen)
- Schaffung von Freund-Feind-Schemata durch eine stereotype Reduktion sozialer Komplexität
- Personalisierung der eigenen Seite durch die Propagierung vorteilhafter Aspekte militärischer oder politischer Verantwortlicher
- Bereitstellung von human-interest-Elementen wie z.B. Interviews mit Soldaten und/oder deren Angehörigen
- Militärisierung der Medien durch Schaffung einer Hierarchie innerhalb der Journalistenriege, u.a. über die Bevorzugung Einzelner
- Vorbereitungslehrgänge durch das Militär
- Falsche Angaben
- Schaffung von Pseudoereignissen[8]

2.8. Linguizid

Schon zu Friedenszeiten ist die Sprache des Militärs verharmlosend. Schon Viktor Klemperer stellte in seiner LTI fest, dass die nationalsozialistischen Phrasen so oft und solange wiederholt wurden, dass sie schließlich von fast allen benutzt worden, ohne dass sich jemand ernsthaft Gedanken darüber gemacht hätte. Geht es allerdings um Kriege, treibt die Sprache des Militärs Blüten. Es handelt sich um eine Aneinanderreihung von Euphemismen und Metaphern, die leider sehr oft unkritisch von Journalisten übernommen wird und so in den allgemeinen Sprachgebrauch gelangen.

So wurden im Golfkrieg 1991 im Sprachgebrauch der US-Armee aus Särgen und Leichensäcken „menschliche Überreste-Kästen“ bzw. „-Taschen“; Atomreaktoren wurden „lahmgelegt“ oder „auf Jahre hinaus unschädlich“ gemacht, wobei keine „nennenswerte“ Radioaktivität austrat; Chemiewaffen- und Biologische Kampfstoff-Fabriken wurden „ausgeschaltet“ oder ebenfalls „unschädlich“ gemacht; tote Menschen waren „ausgeschaltet“ oder „neutralisiert“ worden oder wurden schlicht zu „Kollateralschäden“ erklärt; anzugreifende menschliche Ziele wurden zu „weichen“ Zielen; Städte wurden „ausradiert“; militärische Einheiten „ausgeschaltet“ und Luftangriffe wurden zu „Bombenteppichen“ und „Feuerzauber“ verklärt.[9] Einer der absurdesten Begriffe ist wohl der des „friendly fire“, also des freundlichen Feuers, der den versehentlichen Beschuss eigener oder alliierter Truppen bezeichnet.

2.9. Echtzeit-Krieg

Andere Bezeichnung für den letzten Golfkrieg von 2003. Durch die rasante Entwicklung der Möglichkeiten zur Nachrichtenübermittlung sowie durch neueste Zielerfassung der US-Streitkräfte und eine erfolgreiche Zusammenarbeit beider, war es möglich, den Krieg praktisch live zu übertragen. Die Zielerfassung und –vernichtung lagen nicht mehr – wie 1991 im 2. Golfkrieg oder auch 1999 im Kosovokrieg – Stunden, sondern bestenfalls noch Minuten auseinander, weil auch Kamerapositionen der Journalisten zur Zielerfassung genutzt werden konnten. Außerdem konnten durch Ortung der Reporter über ein Ortungssystem die Truppenpositionen der jeweiligen Einheit, in der sie eingebettet waren, bestimmt werden.[10]

3. Kriegsberichterstattung im Ersten Weltkrieg

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, stellt der Erste Weltkrieg (1914-1918) für mich den Beginn der modernen Kriegsberichterstattung, wie wir sie heute kennen, dar. Ebenso markiert er den Zeitpunkt der Geburt der modernen mediengeprägten Kommunikationsgesellschaft.[11] In diesem Punkt sind sich auch viele der Autoren einig, die sich mit Kriegsberichterstattung und deren Geschichte beschäftigt haben.[12]

Der Krieg an sich ist immer schon eine Zeit der Intensivierung, Ausdehnung und auch Steuerung von Kommunikation gewesen. Vor der Erfindung der ersten Druckmaschinen wurden Neuigkeiten durch Gerüchte und Botschaften verbreitet. Mit dem Aufkommen der Zeitungen und Zeitschriften, später auch des Telefons und Telegramms, wurden die Möglichkeiten zur Verbreitung von Nachrichten vielfältiger und schneller. Auch die Auswahlmöglichkeiten für die Rezipienten wurden vielfältiger, sie waren nicht mehr auf einzelne Quellen angewiesen, sondern konnten sich in mehreren Zeitungen informieren und sich ein eigenes Bild von der Situation machen.

Mit der Entwicklung der Massenmedien und dem steigenden Bedürfnis nach Information wurden die Medien allerdings auch zu einem Instrument, das Regierungen nutzen konnten, um die öffentliche Meinung zu manipulieren. So war der Erste Weltkrieg der erste Krieg, der nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch in den Medien geführt wurde. Es gab hier bereits eine Beeinflussung von Information und Kommunikation mit Zensur und Propaganda durch alle kriegführenden Regierungen. In Großbritannien und Frankreich wurden erstmals Propagandaeinrichtungen „zur geistigen Kriegsführung“[13] geschaffen. Die Zensur und die Presselenkung wurden zwar noch starr und restriktiv gehandhabt, erfüllten aber ihren Zweck.[14] Eine der wichtigsten Aufgaben der Propagandaapparate war die sogenannte „Gräuelpropaganda“.[15] Dazu gehörte u.a. die Produktion von Bildern und Berichten vom unmenschlichen und hässlichen Deutschen. Die Geschichten hatten meistens einen wahren Kern, waren aber zum größten Teil maßlos übertrieben. So gab es z. B. eine Geschichte über deutsche Soldaten, die ein belgisches Kind verspeist haben sollten. Diese Geschichte und ähnliche sollten die Bevölkerungen und Armeen der alliierten Staaten in Kriegsstimmung bringen und auf Kampf und Durchhalten programmieren. Zeitungen verbreiteten die Bilder und Stories meist, ohne sie nachzurecherchieren oder zu hinterfragen.[16]

[...]


[1] Richter, Simone: Journalisten zwischen den Fronten. Kriegsberichterstat-

tung am Beispiel Jugoslawien. Westdeutscher Verlag,

Opladen/Wiesbaden, 1999, S. 33ff.

[2] Richter: Ebda., S. 73.

[3] Richter: Ebda., S. 74.

[4] Richter: Ebda., S. 74.

[5] Richter: Ebda., S. 74.

[6] Richter: Ebda., S. 74.

[7] Richter: Ebda., S. 74.

[8] Hartwig, Stefan: Konflikt und Kommunikation. Berichterstattung, Medienar beit und Propaganda in internationalen Konflikten vom Krimkrieg bis zum Kosovo. LIT Verlag, Münster/Hamburg/London, 1999, S. 7ff.

[9] Schlaga, Rüdiger: Die Wahrheit als erstes Kriegsopfer. Die Rolle der Medien im Golfkrieg. In: Stein, Georg: Nachgedanken zum Golfkrieg. Palmyra Verlag, Heidelberg, 1991, S. 236ff.

[10] Tilgner, Ulrich: Der inszenierte Krieg. Täuschung und Wahrheit beim Sturz Saddam Husseins. Rowohlt Verlag, Berlin, 2003, S. 62f.

[11] Quandt / Schichtel: Der Erste Weltkrieg als Kommunikationsereignis. Reihe Medien – Kommunikation – Geschichte, Fachjournalistik Justus-Liebig-Universität Gießen, 1993; S. 6.

[12] U.a. Quandt / Schichtel: Ebda.; Dominikowski, Thomas: ‘Massen’medien und ‘Mas- sen’krieg – Historische Annäherungen an eine unfriedliche Symbiose. In: Martin Löf felholz (Hrsg.): Krieg als Medienereignis – Grundlagen und Perspektiven der Krisenkommunikation. Westdeutscher Verlag, Opladen, 1993; S. 34.

[13] Dominikowski: Ebda. und S. 40.

[14] Dominikowski: Ebda.

[15] Dominikowski: Ebda., S. 40.

[16] Dominikowski: Ebda.

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Textproduktion in Krisen- und Kriegszeiten
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Institut für Deutsche Philologie)
Veranstaltung
Textproduktion
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
32
Katalognummer
V30380
ISBN (eBook)
9783638316514
Dateigröße
951 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Textproduktion, Krisen-, Kriegszeiten, Textproduktion
Arbeit zitieren
Juliane Weuffen (Autor:in), 2004, Textproduktion in Krisen- und Kriegszeiten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30380

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