Gibt es eine deutsche Sprachpflege? Diskussion des Begriffs der Sprachkultur, der Sprachverfallsthese und des Sprachpurismus


Essay, 2012

4 Seiten, Note: 2,3

Anonym


Leseprobe

TU Dresden Institut für Germanistik Professur für Angewandte Linguistik und Fachsprachenforschung

Gibt es eine deutsche Sprachpflege und wenn ja, welche Ziele verfolgt sie?

Diskussion des Begriffs der Sprachkultur, der Sprachverfallsthese, der Sprachpflege und des Sprachpurismus.

Sprechen wir alle bald „Denglisch“? Wird es die deutsche Sprache irgendwann nicht mehr geben? Auf diese und ähnliche Fragestellungen stößt man zuerst, wenn man beginnt sich mit dem Thema der Sprachpflege auseinanderzusetzen. Mit diesen und anderen Fragen möchte ich mich im Folgenden beschäftigen. Des Weiteren möchte ich auf die Begriff Sprachkultur und Sprachpurismus eingehen. Zu Beginn werde ich versuchen eine Erklärung zum Begriff der Sprachpflege und dessen Geschichte zu geben.

Eine Sprache zu pflegen heißt, sie gewissermaßen zu lenken. Sprachpflege heißt, bewusst auf die Entwicklung der Sprache oder eines bestimmten Dialekts Einfluss zu nehmen. Sie hat das Ziel, den Sprachgebrauch zu verbessern und die sprachliche Kompetenz der Sprecher zu steigern. Es ist ein Begriff, der in Deutschland sehr umstritten ist, doch es gibt ihn bereits seit dem 17. Jahrhundert. Damals gründeten sich Sprachgesellschaften und beschäftigten sich organisiert mit der Pflege der Sprache, vor allem aber auch damit, die deutsche Sprache von ausländischen Einflüssen zu befreien. Die erste deutsche Sprachgesellschaft war die „Fruchtbringende Gesellschaft“, gegründet 1617 von Ludwig von Anhalt (bestand bis 1680) und orientierte sich an der italienischen „Academia della Crusca“. Der 1644 gegründete „Pegnesische Blumenorden“ besteht als einzige barocke Sprach- und Literaturgesellschaft noch heute. In diesen Gesellschaften waren die meisten Mitglieder Fürsten und Adlige. Lange Zeit später wurde der „Allgemeine deutsche Sprachverein“ gegründet (hielt bis 1943). 1947 kam es dann zur Gründung der „Gesellschaft für deutsche Sprache“ (GfdS) in Lüneburg. Die GfdS sieht ihre Aufgabe darin, das Bewusstsein für die deutschen Sprache zu vertiefen und sie im globalen Rahmen weiter voranzubringen. Das Ziel ist, die Sprachentwicklung zu beobachten, sowie Empfehlungen zum allgemeinen Gebrauch von Sprache zu geben. Eine weitere wichtige Aufgabe der Gesellschaft für deutsche Sprache ist das „Unwort des Jahres“ zu ernennen, dabei geht es um die Sensibilisierung für die Sprache, man will auf verletzende oder unangemessene Wörter aufmerksam machen. In der heutigen Zeit geht es der Sprachpflege meist um das umgangssprachliche „Denglisch“, also der Einfluss der englischen Sprache auf unsere. Wobei man dazu sagen muss, dass es zum Ende des 19. Jahrhunderts ein ähnliches Diskussionsthema gab, damals war es der Einfluss des Französischen auf das Deutsche. Weitere Themen sind die Rechtschreibreform und das Aussterben der Mundarten.

Als Grundlage der Sprachpflege dient die wissenschaftliche Sprachkritik. Sprachkritik untersucht und beurteilt sprachliche Ausdrucksmittel „einerseits als Kritik am konkreten Sprachgebrauch oder als Bewertung von Sprachnormen“[1].Sie beschreibt die Sprache nicht nur, sondern bewertet sie also auch. Beim Nachdenken über dieses Thema ist der Begriff Sprachwandel nicht außer Acht zulassen. Sprache ist immer und stetig im Wandel. Sie passt sich an aktuelle geltende Kommunikationsbedürfnisse an. Für den Verwender der deutschen Sprache lässt der aktuelle Sprachwandel den Anblick erscheinen, die Sprache verfällt. Der Vorsitzende der Gesellschaft für deutsche Sprache, Rudolf Hoberg sagt jedoch dazu: „Klagen über Sprachverfall gibt es seit den alten Ägyptern und den alten Griechen, vor allem von der älteren Generation.“[2]Auch heute sind es meist die älteren Menschen, die sagen, früher sei alles besser gewesen; damit wird allerdings meist nicht nur der Bereich der Sprache gemeint, sondern ebenso Themen wie Kunst, Familie oder Moral. Ich bin der Meinung, dass etwas, nur weil es sich verändert, nicht gleich verfällt. Sprache passt sich an und grade die jungen Menschen der heutigen Zeit werden schon so früh an Handys und Computer gewöhnt, dass sie mit SMS und E-Mails groß werden. Und grade die Themen „simsen“ und „twittern“ gelten gerne als Paradebeispiel, wenn es um das Verfallen der Sprache geht. Laut Umfrageergebnissen der Gesellschaft für deutsche Sprache zur Einstellung der Deutschen zum Sprachverfall sind 65% der Deutschen der Meinung, die deutsche Sprache verkommt immer mehr. Als Gründe dafür geben die Befragten an, dass heute weniger gelesen wird als früher, der Einfluss anderer Sprachen auf das Deutsche nehme stark zu, eine schlechte Ausdrucksweise in SMS und E-Mails sowie Fernsehen, Zeitung und Internet. Weitere Gründe sind Eltern und Schule, die heutzutage weniger Wert darauf legen, den Kindern die Sprache richtig beizubringen. Bei den Aussagen über unsere Sprache überwiegen die negativen Aspekte, dazu zählen die Kritik an der Rechtschreibreform, das breite Spektrum an Abkürzungen, mangelndes grammatikalisches Wissen, der größer werdende Einfluss ausländischer Sprachen und eine schlechte Ausdrucksweise im Vergleich von vor 20 Jahren. Als positiv sehen die Befragten den größer werdenden Wortschatz der heutigen Zeit. Weiterhin stimmen viele zu, dass mehr gelesen und geschrieben wird, vor allem durch die Arbeit an Computern und es wird gesagt, dass das Deutsche heute vielseitiger und lebendiger ist als früher. Christoph Waitz, der Kultur- und medienpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion ist der Meinung, dem offensichtlichen Sprachverfall muss Einhalt geboten werden. Seiner Meinung nach zeigen Begriffe wie „chatten“ und „simsen“ deutlich, wie unsere Sprache verschludert und dass, wenn es so weitergeht, „bald keine allgemeinverständliche deutsche Sprache“[3]mehr vorhanden sein wird. Waitz appelliert an erster Stelle an die Eliten, die aufgrund ihrer Selbstverpflichtung ihrer Verantwortung gerecht werden sollten. Jedoch auch jeder andere solle mehr Wert auf eine korrekte und verständliche Ausdrucksform legen. Sprachpurismus, bzw. Sprachreinigung unternimmt den Versuch, die Sprache von fremdsprachlichen Begriffen und Entlehnungen zu befreien, was bedeutet, die Sprache soll möglichst „rein“ erhalten bleiben. Dies soll meist durch mehr oder weniger passende Übersetzungen oder Wortneubildungen geschehen. Die erste Gesellschaft, die sich aktiv mit der Eindeutschung fremdsprachlicher Begriffe beschäftigte, war die „Fruchtbringende Gesellschaft“. Zu der damaligen Zeit führte man zum Beispiel den Begriff „Abstand“ für „Distanz“ ein, „Augenblick“ für „Moment“ oder auch „Leidenschaft“ anstatt „Passion“. Man merkt, dass viele dieser Bezeichnungen heute in der einen so wie in der anderen Form noch existieren und je nach Region und Bildungsstand verschieden verbreitet sind. Des Weiteren kann man, beim Betrachten der englischen Sprache feststellen, dass es sogar dort eine Vielzahl von deutschen Begriffen gibt, wie zum Beispiel „Kindergarten“, „Bratwurst“ oder „Rucksack“. Zum dem Thema Kurznachrichten und E-Mail gibt es jedoch auch ganz andere Meinungen, sowie zum Beispiel die vom Direktor des Instituts für Deutsche Sprache, Prof. Ludwig Eichinger. Er erinnert an die frühere Vermutung, dass immer weniger Menschen schreiben werden, doch „in Wirklichkeit schreiben durch den Computer wesentlich mehr Menschen“[4]. Kurznachrichten und E-Mails passen einfach zur heutigen Kommunikationssituation, so Eichinger. Viele der Deutschen glauben, unsere Sprache sei vom Verfall bedroht, jedoch denke ich nicht das dies der Fall ist. Denn nur weil heute auch andere umfangreiche Möglichkeiten der Kommunikation nutzbar sind und immer mehr an Bedeutung gewinnen, heißt es nicht, dass Menschen nicht mehr in der Lage sind, sich angemessen schriftlich und mündlich je nach Situation austauschen. Der Begriff Sprachverfall im Allgemeinen bezeichnet die Befürchtung, dass Sprachen im Laufe der Zeit durch ihre ständigen Veränderungen ihre ursprünglichen Merkmale verlieren und es, im schlimmsten Falle zum Aussterben der Sprache kommt. Gründe dafür können sein, dass Nicht- Muttersprachler die Sprache nicht korrekt beherrschen und sie dadurch nicht pflegen können, was negative Auswirkungen auf die Entwicklung der Sprache haben könnte. Ebenfalls haben die Medien, wie Radio, Fernsehen und Internet keinen guten Ruf in Bezug auf die Verwendung der deutschen Sprache, sie verwenden zu viele Anglizismen und drücken sich meist umgangssprachlich aus. Die heutige Sprachwissenschaft weist den Sprachverfall jedoch meistens zurück, denn sie sagt, dass Sprache nicht verfällt, dass sie lediglich arbeitet und in Bewegung ist, dass es keine reine Sprache gibt, sondern lediglich die Vorstellung einer reinen Sprache. Sprache war seit ihrem Beginn stets in Bewegung und hat sich immer an ihre Benutzer angepasst und weiterentwickelt. Das Deutsche ist schon immer eine Mischsprache, ob es um das Lateinische, das Englische oder das Französische geht. Viele Versuche, Fremdwörter zu übersetzen sind in den meisten Fällen fehlgeschlagen. Aktuelle Beispiele dafür sind zum Beispiel „Klapprechner“ anstelle von „Laptop“ oder „Datenprojektor“ anstelle von „Beamer“. Ein weiterer Begriff, den ich erläutern möchte, ist der der Sprachkultur, der sich auch als eine Art der Sprachlenkung definieren lässt. Sprachkultur entstammt der russischen und tschechischen Sprachwissenschaft des 20. Jahrhunderts, es geht um das Bestreben zur Verbesserung des Sprachgebrauchs auf der linguistischen Ebene. Es soll dabei beurteilt werden, was bei der Verwendung von Sprache richtig, angemessen und verständlich ist. Aber ist es denn wirklich nötig, mit allen Mitteln zu versuchen die Sprache zu lenken. Sprache verändert sich genauso wie sich die Kultur verändert. Sie passt sich an durch die Benutzung der Sprecher und sie ist lebendig und sollte offen gegenüber fremden Einflüssen sein. Denn es gab diese Einflüsse schon immer und es wird sie immer geben, denn das Englische wird in vielen Bereichen immer wichtiger. Es ist jedoch wie man sieht oft so, dass der Einfluss von fremden Sprachen ein ganz normaler Vorgang ist, jedoch die Sprachbenutzer oft denken, man sollte diese Einflüsse verhindern. Noch im Jahre 1880 hatte der Duden einen Wortschatz von 27.000 Wörtern, im Jahr 2005 waren es 125.000 und jedes Jahr kommen rund 1000 Wörter neu hinzu. Und bei diesen Zahlen kann man wohl kaum vom Verfall reden. Also ist die Ausgangsfrage, ob es Sprachpflege in Deutschland überhaupt gibt sicher mit ja zu beantworten. Ob es jedoch richtig ist, die deutsche Sprache von fremden Einflüssen schützen zu wollen und bestimmte Sprachnormen zu bestimmen, ist teilweise fragwürdig. Ich denke Sprache kann man nicht in eine bestimmte Richtung lenken, denn es ist so ein komplexer Gegenstand, der jeden Einzelnen betrifft und durch jeden Verwender individuell geprägt und genutzt. Und im Enddefekt ist jeder selbst dafür verantwortlich, wie er sich ausdrückt und wie er Sprache für sich nutzt.

[...]


[1]Bußmann, Hadomud, „Lexikon der Sprachwissenschaft“, Stuttgart, Kröner 2008, S.653

[2]Tanja Dückers, http://www.zeit.de/online/2008/25/sprachverfall-irrtum/seite-1 (13.1.2012)

[3]http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/umfrage-deutsche-fuerchten-sprachverfall/1825076.html(3.2.2012)

[4]http://www.welt.de/print-welt/article559222/Kein_Sprachverfall_SMS_sind_positiv.html (3.2.2012)

Ende der Leseprobe aus 4 Seiten

Details

Titel
Gibt es eine deutsche Sprachpflege? Diskussion des Begriffs der Sprachkultur, der Sprachverfallsthese und des Sprachpurismus
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Soziolinguistik
Note
2,3
Jahr
2012
Seiten
4
Katalognummer
V304177
ISBN (eBook)
9783668051157
ISBN (Buch)
9783668051164
Dateigröße
372 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
gibt, sprachpflege, diskussion, begriffs, sprachkultur, sprachverfallsthese, sprachpurismus
Arbeit zitieren
Anonym, 2012, Gibt es eine deutsche Sprachpflege? Diskussion des Begriffs der Sprachkultur, der Sprachverfallsthese und des Sprachpurismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/304177

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