Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die religiosen Motive Schwedens
2.1. Gustav II. Adolf als Retter des Protestantismus
2.2. Wie viel religiose Motivation steckte tatsdchlich in der schwedischen Intervention ?
3. Die politischen Motive Schwedens
3.1. Fuhrte Schweden einen Defensivkrieg?
3.2. Das „Dominium maris Baltici"
4. Die ideologischen Motive Schwedens
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
7. Quellenverzeichnis
8. Anhang
1. Einleitung
Bernhard Maier erklart in einem Artikel aus der Lexikonreihe „Religion in Geschichte und Gegenwart“, dass die Bezeichnung „Religionskrieg“ mit den Auseinandersetzungen zwischen europaischen Christen im 16. und 17. Jhd. entstanden ist. Dennoch kann der Begriff auch allgemein auf alle Konflikte mit einem religiosen Hintergrund ubertragen werden, was der Grund dafur ist, dass es zu Uberschneidungen mit anderen Kriegstypen kommt. Wie groB die religiosen Einflusse namlich genau sein mussen, um beispielsweise einen Religions- von einem Hegemonialkrieg zu unterscheiden, kann nicht allgemeingultig bestimmt werden und daher bleibt der Begriff unscharf.[1] Wenn selbst Lexika, die ja von kurzen, aber trotzdem genauen Beitragen leben, nur eine grobe Skizze des Begriffs liefern konnen, muss zunachst ein MaBstab aufgestellt werden, anhand dessen untersucht werden kann, ob die Bezeichnung „Religionskrieg“ fur einen bestimmten Konflikt sinnvoll ist. Da der DreiBigjahrige Krieg besonders durch die Vielzahl seiner Akteure auffallt, ist es mein Vorschlag, die Motive der Kriegsparteien zum Eintritt in den Konflikt gesondert zu betrachten und abzuwagen, ob diese fur eine konfessionelle Interpretation des Krieges sprechen oder nicht. Der Eintritt Schwedens 1630 sorgte fur eine weitere Internationalisierung des DreiBigjahrigen Krieges und die Absichten Konig Gustav II. Adolfs sorgen noch in der heutigen Forschung fur Diskussionen, weshalb sich die gewahlte Herangehensweise hier besonders anbietet. Meine Vermutung ist, dass nicht religiose, sondern ideologiebedingte expansionistische Motive ausschlaggebend fur Gustav Adolfs Intervention in den DreiBigjahrigen Krieg waren, was gegen die Bezeichnung „Religionskrieg“ fur diesen Konflikt spricht. Anhand von drei Themenbereichen soll diese These naher untersucht werden. Im ersten Kapitel dieser Arbeit wird die Stilisierung Gustav Adolfs zum Glaubensretter dargestellt, wobei auch ein zeitgenossisches Flugblatt vorgestellt werden soll. Ob Gustav Adolf jedoch tatsachlich religiose Motive leiteten, wird anschlieBend thematisiert. Nachdem dies geklart ist, soll die Suche nach den schwedischen Motiven auf dem politischen Feld fortgefuhrt werden. In den zugehorigen Abschnitten wird besonders der Frage nachzugehen sein, ob es sich bei der schwedischen Intervention um einen Defensiv- oder Angriffskrieg handelte. Da die Familie der Wasa, zu der auch Gustav Adolf gehorte, den Gotizismus in Schweden etablierte, soll zum Abschluss geklart werden, ob diese Ideologie und der schwedische Kriegseintritt miteinander in Verbindung gebracht werden konnen.
2. Die religiosen Motive Schwedens
2.1. Gustav II. Adolf als Retter des Protestantismus
Nachdem der Krieg in Bohmen mit der Schlacht am WeiBen Berg vom 8. November 1620 zugunsten der kaiserlich-katholischen Truppen entschieden worden war, haben sich nach Paul Munch die schlimmsten Befurchtungen der dortigen protestantischen Stande bewahrheitet. Der habsburgische Kaiser Ferdinand II. veranlasste eine umfassende Rekatholisierung, die von zahlreichen Hinrichtungen und Enteignungen begleitet wurde. Im Anschluss an diesen Sieg des Reichsoberhauptes weitete sich der Krieg in die westlichen Gebiete des Alten Reiches aus und schon 1622 wurde das calvinistische Zentrum Heidelberg eingenommen. Zwar veranlasste das Vordringen der Ligatruppen Danemark zum Eingriff in den Krieg, letztlich wurde aber auch Konig Christian IV. von der katholischen Seite geschlagen und trat 1629 mit dem Lubecker Frieden vorerst aus dem Konflikt aus.[2] Gerhard Schormann zufolge befand sich der Kaiser mit diesem Erfolg auf dem Zenit seiner Macht und nutze dies, um am 6. Marz desselben Jahres das Restitutionsedikt zu erlassen. Die dort enthaltene Forderung einer Ruckkehr zu den Besitzverhaltnissen von 1552 beinhaltete massive Umstrukturierungen im Alten Reich. Dies bedeutete fur die Protestanten nicht nur den Verlust von Erzbistumern wie Bremen oder Magdeburg, sondern auch von insgesamt uber funfhundert Klostern.[3]
Diese kurzen Vorbetrachtungen scheinen auf den ersten Blick wenig mit dem Eingreifen Schwedens zu tun zu haben, sind aber erforderlich, um die Situation der protestantischen Krafte im Reich nachvollziehen zu konnen und damit eine mogliche Interpretation fur die Motive Gustav Adolfs in Betracht zu ziehen. Insgesamt wurde deutlich, dass die kaiserlich- katholische Seite alle Konflikte letztlich fur sich entscheiden und in nur wenigen Jahren weite Teile der protestantischen Gebiete unter ihre Kontrolle bringen konnte. Hellmuth Zschoch fugt an, dass im Alten Reich kein Gegner mehr vorhanden war, der dem Kaiser militarisch ebenburtig gewesen ware. Daher schien die Lage fur den deutschen Protestantismus derart ausweglos, dass die letzte Hoffnung in der Hilfe einer durch Gott unterstutzten Macht bestand. Jene Unterstutzung sahen viele Glaubige in dem schwedischen Konig Gustav II. Adolf, der lutherischen Glaubens war. In ebendieser Notsituation trat er in den Krieg ein. [4]
Um die Reaktion der protestantischen Medien auf dieses Ereignis zu veranschaulichen, sollen im Folgenden ausgewahlte Elemente des Flugblattes „Aufstand der christlichen Kirchen Anno 1630“[5] vorgestellt werden. Zschoch erklart, dass der Druck die Landung Gustav Adolfs 1630 auf Usedom illustriert. Das im Hintergrund befindliche Gotteshaus symbolisiert dabei die protestantische Kirche. Wahrend sie im Kern noch unversehrt ist, haben ihre Stutzen, die fur die protestantischen Territorien im Alten Reich stehen, schon erheblichen Schaden genommen. Verantwortlich dafur ist die als siebenkopfiger Drache dargestellte papstliche Kirche. Gegenwehr erhalt diese jedoch von einem Lowen, der ihr von einem Schiff aus bewaffnet entgegentritt. Das hier verwendete Motiv des Lowen fand vor allem durch eine Flugschrift des Autors Paracelsus Verbreitung, die inhaltlich zwar auf einen Text aus dem spaten 15. Jahrhundert zuruckging, um 1630 aber vielfach gedruckt wurde. Dort wird vorausgesagt, „daB [...] ein gelber Low von Mitternacht kommen wird, der wird den Adler nachfolgen, und mit der Zeit ubertreffen“.[6] Der Druck ubertragt dieses Bild nun auf den schwedischen Konig und will die Botschaft vermitteln, dass ebendieser als Kampfer fur den protestantischen Glauben gegen Kaiser und Papst vorgehen wird.[7]
Es ware aber ein Trugschluss zu glauben, dass Flugblatter wie dieses ein Einzelfall waren. So bezeichnet Carlos Gilly den DreiBigjahrigen Krieg sogar als „breakthrough of modern propaganda“[8], da in diesem tausende von politischen Flugschriften verbreitet wurden. [9] In besonderem Umfang fallt dies bei Gustav Adolf auf, der nach Zschoch nicht nur zu Beginn und im weiteren Verlauf der schwedischen Intervention, sondern sogar noch nach seinem Tod 1632 von der protestantischen Publizistik glorifiziert wurde.[10] Wenn nun die Aussagen der Flugschriften der Wahrheit entsprachen, wurde die Rolle Schwedens im DreiBigjahrigen Krieg eindeutig fur eine religiose Interpretation des Konflikts sprechen. Im Folgenden soll deshalb gepruft werden, ob dieser Erklarungsansatz seinen Gegenargumenten standhalten kann.
2.2. Wie viel religiose Motivation steckte tatsachlich in der schwedischen Intervention?
Christoph Kampmann fuhrt an, dass Gustav Adolf streng nach den Grundsatzen des Luthertums lebte und schon deshalb an der Lage der Protestanten im Alten Reich interessiert war. Scheint dieses Bild eines religiosen Herrschers zunachst in die Richtung zu drangen, die hier eigentlich widerlegt werden soll, kann es doch auch als Gegenargument verwendet werden. Wie bereits erwahnt wurde, deutete schon die Rekatholisierung in Bohmen auf eine ernsthafte Bedrohung des Protestantismus im Alten Reich hin. Deshalb fragt sich Johannes Burkhardt, warum Gustav Adolf, wenn er tatsachlich von einer tiefgreifenden Solidaritat zu seinen deutschen Glaubensbrudern beeinflusst wurde, nicht schon fruher in den DreiBigjahrigen Krieg eingriff.[11] Die Teilnahme Schwedens wurde laut Kampmann sogar schon 1624 thematisiert und besonders auswartige protestantische Kronen wie England erhofften sich auch ein Eingreifen Schwedens im Verbund mit Danemark. Letztlich lehnte Gustav Adolf dies aber ab und entschied sich 1625 stattdessen fur einen Krieg gegen Polen. Kampmann sieht den Grund hierfur besonders in dem starken Misstrauen gegenuber dem 12 Konkurrenten Danemark, mit welchem man keinesfalls gemeinsam habe kampfen wollen.[12] Aufgrund dessen kann geschlussfolgert werden, dass fur Gustav Adolf bei dieser Entscheidung die Ungunst gegenuber dem danischen Rivalen ausschlaggebender war als ein Gefuhl der Verbundenheit zu den deutschen Protestanten.
Schweden griff letztlich erst im Sommer 1630 in den DreiBigjahrigen Krieg ein. Flugblatter wie das vorgestellte erzeugen schnell den Eindruck, dass die skandinavische Macht sogleich Unterstutzung bei den protestantischen Kraften im Reich fand. Kampmann erklart aber, dass genau das Gegenteil der Fall war. Trotz ihrer bedrohlichen Lage schlugen sowohl Brandenburg als auch Sachsen ein Bundnis mit Schweden zunachst aus, da die Kurfursten beider Territorien sowohl vor der Aufgabe ihrer reichstreuen Position als auch vor einer weiteren Ausdehnung des Krieges zuruckschreckten.[13] Die Legende vom Schwedenkonig, der im Interesse aller Protestanten im Reich eingriff, wurde nach Frank Liemandt dagegen vor allem durch Gustav Adolf selbst initiiert. Hierfur brachte er die Druckmedien in weiten Teilen des Reiches unter seine Kontrolle, so dass die Propaganda der Gegenseite bis 1634 nahezu keine Verbreitung mehr fand.[14] Will man die Intervention Gustav Adolfs also trotz des späten Zeitpunktes auf die Solidarität zu den protestantischen Ständen zurückführen, so scheint diese Ansicht besonders durch die ablehnende Haltung Brandenburgs und Sachsens fragwürdig. Wären die Interessen seiner deutschen Glaubensbrüder tatsächlich entscheidend gewesen, hätte sich Gustav Adolf an den Forderungen der großen protestantischen Mächte im Reich orientiert und sich aus dem Krieg herausgehalten, anstatt zu einer weiteren Eskalation beizutragen.
[...]
[1] Vgl. Maier, Art. Religionskriege, S.334f.
[2] Vgl. Munch, Jahrhundert, S.148-150.
[3] Vgl. Schormann, Krieg, S.41f.
[4] Vgl. Zschoch, GroBe, S.25-27.
[5] Siehe Anhang 1.
[6] Paracelsus, Propheceyung.
[7] Vgl. Zschoch, GroBe, S.27 sowie S.29f.
[8] Gilly, Midnight, S.47.
[9] Vgl. Ebenda, S.48.
[10] Vgl. Zschoch, GroBe, S.49.
[11] Vgl. Burkhardt, Der schwedische Krieg, S.98.
[12] Vgl. Kampmann, Europa, S.56 sowie S.71.
[13] Vgl. Ebenda, S.75.
[14] 14 Vgl. Liemandt, Reaktion, S.42.