Südsudan ist der jüngste Staat der Welt: Im Januar 2011 stimmten 98,83 % der befragten Bevölkerung für eine Sezession und damit für die Abspaltung vom Rumpfstaat – der Republik Sudan. Die Unabhängigkeit wurde am 9. Juli 2011 erklärt und die internationale Anerkennung erfolgte direkt im Anschluss: am 14. Juli 2011 wurde die Republik Südsudan Mitglied der Vereinten Nationen. Der Weg dorthin war jedoch gepflastert von jahrelangen Bürgerkriegen, Gräueltaten und andauernden besorgniserregenden humanitären Umständen.
Der damalige Vizepräsident Südsudans, Riek Machar machte darauf in seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen am Tag der Aufnahme in die UN aufmerksam: „That struggle cost our people millions of lives and untold suffering. Their sacrifices will not be forgotten.“ So machte sich schnell in der internationalen Gemeinschaft (insbesondere angetrieben von den USA) und auch in der Wissenschaft die Hoffnung breit, dass in der Region – und damit sind auch die angrenzenden Subsahara-Staaten gemeint – endlich langfristig Ruhe und Frieden einkehren könnten.
Die Realität sah jedoch schnell ganz anders aus: Grenzkonflikte (u.a. mit dem Sudan), Rebellionen, Korruption und Nepotismus prägten den neuen Staat von Beginn an und führten hin zu einem Mitte Dezember 2013 begonnenen und bis heute andauernden blutigen Bürgerkrieg zwischen den Anhängern des Präsidenten Salva Kiir Mayardit und dem von ihm entlassenen ehemaligen Vizepräsidenten Riek Machar.
Laut Human Rights Watch besteht die Gefahr, dass dieser Bürgerkrieg in einem ähnlich grauenvollen Genozid enden könnte wie der Bürgerkrieg in Ruanda 1994. Mitte Juni 2014 warnten UNO-Experten außerdem vor einer schweren Hungersnot: „50.000 Kinder drohen bis zum Jahresende an Hunger zu sterben, wenn sie keine Hilfe bekommen.“ Im Juli bezeichnete der UNO-Sicherheitsrat die Nahrungsmittelkrise als ‚die schlimmste der Welt‘.
Zu den zugleich komplexen und diffusen Hintergründen dieser Konfliktmelange soll im Folgenden eingegangen werden; es besteht in jedem Fall die Gefahr eines lang andauernden Bürgerkriegs, der durch die transnationalen Aktivitäten vieler Beteiligter die gesamte Region weiter zerrütten könnte. Ziel dieser Arbeit soll es sein, ein vielschichtiges Bild der Zerfahrenheit und Komplexität des Konflikts zu erarbeiten und weniger auf einzelne sehr simplifizierende Aspekte einzugehen, da all diese Faktoren Hand in Hand gehen und nicht singulär von einander losgelöst betrachtet werden können.
Inhaltsverzeichnis
- A Die Republik Südsudan - Geboren ins Chaos?
- B Theoretischer Rahmen
- I. Sezession als rechtliches und politisches Phänomen
- II. Staatliche Souveränität und fragile Staatlichkeit
- C Statebuilding im Südsudan - ein hoffnungsloses Unterfangen?
- I. Die Geschichte des Sudan - ein Überblick
- I. 1 Über die Kolonialzeit hin zur Unabhängigkeit
- 1. 2 Ein langer Weg: Von den sudanesischen Bürgerkriegen hin zur Sezession des Südsudans
- II. Nach der Sezession zum, failed state'? Der Südsudan nach der Unabhängigkeit
- II. 1 Von ethnischer Diversität zu nationaler Identität?
- II. 2 Der Staatsapparat und die Dominanz der SPLM / A
- II. 3 Grenzkonflikte
- II. 4 Nichtstaatliche Akteure, Terrorismus und Probleme bei der Abrüstung
- II. 5 Aktuelle Situation: Der südsudanesiche Bürgerkrieg
- II. 6 Zusammenfassung und kurzer Ausblick
- I. Die Geschichte des Sudan - ein Überblick
- D Fazit und die Bedeutung des Falles Südsudan für die Sezessions- und Failed States - Debatte
- E Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Sezession des Südsudans im Kontext des Sudan-Konflikts und untersucht, inwieweit der junge Staat als Beispiel für "failed statehood" dienen kann. Dabei wird der Fokus auf die Frage gelegt, ob die Sezession, die auf dem Selbstbestimmungsrecht der Völker basierte, tatsächlich zu einer stabilen und friedlichen Entwicklung geführt hat.
- Das Selbstbestimmungsrecht der Völker und das Recht auf Sezession
- Die Herausforderungen des State- und Nationbuildings im Südsudan
- Die Ursachen und Folgen des Bürgerkriegs im Südsudan
- Die Rolle internationaler Akteure im Kontext der Sezession und des Statebuildings
- Die Problematik fragiler Staatlichkeit am Beispiel des Südsudan
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel A liefert eine einführende Darstellung des Südsudan als jüngstem Staat der Welt und beleuchtet die historischen Hintergründe der Sezession. Es werden die Herausforderungen und Konflikte aufgezeigt, die den Staat seit seiner Gründung begleiten. Kapitel B legt den theoretischen Rahmen der Arbeit fest, indem es die Sezession als rechtliches und politisches Phänomen sowie die Konzepte von Staatlichkeit und fragiler Staatlichkeit beleuchtet. Kapitel C befasst sich mit der Geschichte des Sudan und der Entstehung des Südsudans. Es werden die Gründe für die Sezession und die Schwierigkeiten des Statebuildings im Südsudan untersucht. Kapitel D bietet ein Fazit und diskutiert die Bedeutung des Falles Südsudan für die Debatte um Sezession und "failed states".
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen Sezession, Statebuilding, "failed statehood", Selbstbestimmungsrecht der Völker, fragile Staatlichkeit, Bürgerkrieg, Sudan, Südsudan, internationale Beziehungen, Konfliktforschung, humanitäre Hilfe.
- Quote paper
- Sebastian Kuschel (Author), 2014, Selbstbestimmt ins Chaos? Die Sezession der Republik Südsudan, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/304497