Leseprobe
Inhalt
1. Globalisierung ein unscharfes Konzept
2. Die Akteure der Globalisierung
2.1. Die Rolle von IGOs im „Global Governance“
2.2. IGOs und die Säulen der Globalisierung
2.3. Diversität von IGOs in Zusammensetzung und Zielvorstellungen
3. Der Internationale Währungsfonds (IWF)
3.1. Gründungsmotive
3.2. Die Agenda des IWF
3.3. Strukturanpassungsprogramme (SAPs)
3.3.1. Konditionalität von SAPs
3.3.2. Die konkrete Auflagenpolitik von SAPs
4. Der IWF in der Kritik
4.1. Auswirkungen von SAPs auf die Programmländer
4.2. Die Ideologische Krise des IWF
4.3. Organisation des IWF
4.4. Reformbedürfnisse
5. IGOs, die Weichen der Globalisierung
6. Literaturverzeichnis
1. Globalisierung ein unscharfes Konzept
Als Ausgangspunkt dieser Ausarbeitung dient die Annahme, dass „Die Globalisierung“ weder als Prozess noch als Zustand hinreichend beschrieben werden kann. Grund dafür ist die schiere Komplexität und das Unvermögen eindeutige Grenzen oder gar Definitionen zu formulieren. Diese mangelnde Trennschärfe scheint jedoch den Kern der Globalisierungsidee zu kennzeichnen. Taylor, Watts und Johnston sprechen von einem „fließenden, flexiblen Konzept“ (TAYLOR 2002: 2), dass von der Vernetzung der Auslöser, Triebkräfte und Teilnehmern sowie der Ausweitung auf „nahezu alle Bereiche des modernen Lebens“ (TAYLOR 2002: 1) lebt. Um das Phänomen dennoch beschreiben zu können, müssen die einzelnen Bauteile gesondert analysiert werden. Zu diesem Zweck wird im Folgenden lediglich ein Aspekt herausgegriffen und näher ausgeführt. Ziel dieser Arbeit ist es einen Akteur der Globalisierung, sogenannte „Intergovernmental Organizations“ (IGOs) zu untersuchen und deren Beitrag zum Gesamtkonzept der Globalisierung zu beschreiben. Zu diesem Zweck sollen zunächst die Rolle und Bedeutung von IGOs im internationalen Kontext und deren Einflussbereiche beschrieben werden. Worin liegen beispielsweise die Existenzberechtigung und der Vorteil von IGOs und wie wichtig sind sie dadurch auf globaler Ebene? Im Fokus der Analyse steht der Internationale Währungsfond (IWF) als eine der wichtigsten zwischenstaatlichen Organisationen. In diesem Zusammenhang werden Fragen nach Gerechtigkeit und globaler Machtausübung behandelt. Wie valide ist beispielsweise die Agenda des IWF und wie hoch ist das Reformbedürfnis seiner Mittel und Strategien? Außerdem dient der IWF dazu, die grundlegenden Vorgehensweisen, Organisationsformen und vor allem Probleme vieler IGOs aufzuzeigen wobei an dieser Stelle bereits vorweggenommen werden muss, dass die exemplarische Funktion und somit eine Generalisierung der Charakteristika des IWF nur bedingt möglich ist.
2. Akteure der Globalisierung
Zunächst jedoch geht es in der Betrachtung wieder einen Schritt zurück, von der Ebene der zwischenstaatlichen Organisationen auf die Ebene der Akteure ganz allgemein. Es stellt sich die Frage, welche Teilnehmer am Globalisierungsgeschehen den größten Einfluss haben oder von den Auswirkungen des Geschehens besonders betroffen sind? Prinzipiell lassen sich so drei wichtige Akteure unterscheiden.
Den offensichtlichsten Akteur bilden die Nationalstaaten, sie sind fixe Orte der Globalisierung, sie beherbergen die Orte an denen internationale Organisationen oder international tätige Firmen beheimatet sind. Des Weiteren markieren sie die Grenzen über welche der globale Handel läuft und bestimmen die Rahmenbedingungen innerhalb dieser Grenzen. Das garantiert den Nationalstaaten einerseits ein hohes Maß an regulierender und vor allem regierender Gewalt, der Staat repräsentiert im Normalfall die volle Legislative, Exekutive und Judikative eines Landes, wenn auch nicht immer in dieser klaren Trennung. Andererseits endet dessen Einflussbereich und so auch dessen direkte Machtausübung an den jeweiligen Landesgrenzen. Der spanische Soziologe Manuell Castells bezeichnet sie daher als „spaces of places“, fixe Orte die durch ihre feste Verankerung im Raum charakterisiert sind. Somit ist der Nationalstaat einerseits ein wichtiger Regulator, andererseits ein unflexibler, räumlich gebundener Akteur innerhalb der Globalisierung.
Das Gegenteil ist bei transnationalen Unternehmen der Fall. Sie sind in ihrer Rolle als Akteur durch eine vergleichsweise geringe regulative Funktion, gleichzeitig aber durch eine hohe globale Flexibilität gekennzeichnet. Wo Nationalstaaten räumlich fixiert sind, können „transnational companies“ (TNCs) auf globaler Ebene agieren. Castell bezeichnet sie daher als „spaces of flows“, als Orte der Verbindung und Vernetzung im Raum. TNCs sind weltweit flexibel, sie sind in der Lage globale Wertschöpfungsketten zu spannen und die regionalen Vorteile zu nutzen um beispielsweise Handelshemmnisse zu umgehen. In den jeweiligen Ländern sind sie wiederum an die dortigen Gesetze und Auflagen gebunden, die durch die jeweiligen Nationalstaaten diktiert werden. TNCs müssen sich in der Regel der regulierenden Macht der Nationalstaaten unterordnen. Zusammengefasst sind die Verbindungen und Netzwerke transnationaler Unternehmen also auf die Nationalstaaten als fixe Orte angewiesen um ihre Niederlassungen und Knotenpunkte zu errichten. Gleichzeitig sind Staaten und Städte auf die ansässigen Unternehmen und deren Beitrag zur Volkswirtschaft des Landes angewiesen. Folglich besteht ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen den „spaces of flows“ und den „spaces of places“, die untrennbar miteinander verwoben sind.
An diesem Punkt kommen nun die IGOs ins Spiel. In ihrer Rolle als interstaatliche Organisationen verbinden sie die Vorteile beider bereits benannten Akteure. Ähnlich wie ein TNCs sind IGOs zwar durch den Standort ihres Headquarters in einem Staat beheimatet, ihr Einflussbereich erstreckt sich jedoch über alle Mitgliedstaaten. Im Falle der United Nations Organization (UNO) mit ihren aktuell 193 Mitgliedsstaaten (UN.ORG) beispielsweise kann dieser Einflussbereich ohne weiteres als weltweit bezeichnet werden. Gleichzeitig besitzen IGOs eine ähnlich hohe regulierende Funktion wie Nationalstaaten, die aus ihrer Gründung und Zusammensetzung resultiert. Generell ist eine solche zwischenstaatliche Organisation ein völkerrechtlicher Zusammenschluss von zwei oder mehr souveränen Staaten die gemeinsam ein völkerrechtliches Subjekt im Range einer Nation bilden (ERMRICH 2002: 59). Aus diesem Grund sind die ihnen betrauten Aufgaben von nationaler und transnationaler Tragweite, wodurch IGOs als regierendes Organ angesehen werden können. So besitzt die Europäische Union (EU) beispielsweise eine Legislative ähnlich einem Nationalstaat. Ein Großteil der in Deutschland verabschiedeten Gesetze beispielsweise wird mittlerweile vom Europaparlament bestimmt. Ein Beispiel für eine exekutiv arbeitende IGO ist die Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation Interpol, und auf judikativer Ebene wäre der Internationale Gerichtshof (ICC) zu nennen. Außerdem verwalten zwischenstaatliche Organisationen einen Großteil des Kapitals weltweit und die Kreditvergabe von IGOs wie dem IWF oder der Weltbank sind bei weitem größer ist als die von Nationalstaaten was dazu führte, dass der Trend hin zu multilateralen Schulden seit den neunziger Jahren kontinuierlich gestiegen ist (ERMRICH 2002: 59) Genau diese Kombination aus regierender Macht, Kapitalstärke und Flexibilität machen IGOs wohl zum wichtigsten Akteur im Globalisierungsgeschehen.
2.1. Die Rolle von IGOs im „Global Governance“
Aus dem eben geschilderten Machtpotential und dem Vorteil gegenüber anderen Akteuren der Globalisierung wird die Aufgabe, das globale Geschehen zu regulieren heutzutage größtenteils von IGOs bewältigt. Vor allem seit Ende des zweiten Weltkriegs erfolgte eine Umorientierung von staatlicher hin zu zwischenstaatlicher Regulation mit dem Ergebnis, dass internationale Organisationen aus dem „Global Governance“ aktuell nicht mehr wegzudenken sind. Für diese Entwicklung werden grundsätzlich zwei Faktoren verantwortlich gemacht. (1) „Märkte regulieren sich selbst oft nur unzureichend“ (STIEGLITZ 2002: 256) und noch vor fünfzig Jahren oblag es dem Staat etwaige Konjunkturschwankungen auszugleichen und regulierend in den Markt einzugreifen. Mit zunehmender Vernetzung einzelner Märkte hin zu einem „globalen Markt“ und der Internationalisierung des Kapitals, sind einzelne Staaten dazu nur noch bedingt in der Lage. Folglich wurde diese Aufgabe zu großen Teilen von IGOs übernommen. (2) Ein weiterer Schritt auf dem Weg von staatlicher Führung hin zum „Global Governance“ wurde durch geopolitische Veränderungen herbeigeführt. Besonders die Loslösung ehemaliger Kolonien von ihren jeweiligen Kolonialmächten hat das Spektrum der Teilnehmer an der Globalisierung beträchtlich erhöht. Selbiges gilt für den Zusammenbruch und die Aufspaltung vieler sozialistischer Regime ab 1989 (ROBERTS 1995: 145). Beide Faktoren bedingten die sukzessive Bedeutungssteigerung von IGOs im globalen Kontext und eine Regulation „von oben“, also eine Regulation auf überstaatlicher Ebene (ROBERTS 1995: 145).
2.2. Die Säulen der Globalisierung
Geht man nun davon aus, dass IGOs den Prozess der Globalisierung moderieren um die globale Stabilität zu wahren (STIEGLITZ 2002: 24), so müssten alle Bereiche, die globales Handeln erfordern durch IGOs reguliert werden. Bei weltweit lediglich 250 IGOs scheint diese Forderung jedoch weitgegriffen und utopisch. Wie bereits beschrieben handelt es sich bei der Globalisierung außerdem und ein unscharfes, schwer zu fassendes Konzept. Dennoch stellt sich Frage, wie stabilisiert man ein System, das weder klar eingegrenzt noch klar definiert werden kann? Wonach also streben IGOs wenn sie von globaler Stabilität reden? Grundlegend geht man von der Annahme aus, dass eine stabile Welt auf stabilen Säulen stehen muss. Eben diese Säulen bilden die Betätigungsfelder einzelner IGOs. So wird die weltweite politische Sicherheit beispielsweise von IGOs wie den Vereinten Nationen (UNO) gewährleistet. Die wirtschaftliche Stabilität wird von internationalen Finanzinstitutionen wie der Weltbank oder dem IWF überwacht (STIEGLITZ 2002: 257). Weitere Organisationen wie die Welthandelsorganisation (engl. WTO) regulieren die Rahmenbedingungen des globalen Handels. Doch auch die weltweite Gesundheitsversorgung zählt zu den Voraussetzungen für eine globale Stabilität. Die WHO kämpft für die Eindämmung und Ausrottung von Krankheiten wie AIDS oder dem Pockenvirus sowie die medizinische Aufklärung. Eng damit verbunden ist auch die Verbreitung von Wissen als „globales öffentliches Gut“ (STIEGLITZ 2002: 257) mit dem Grundgedanken die Erkenntnisse aus Forschung und Entwicklung einiger weniger für die gesamte Menschheit zur Verfügung zu stellen. Eine weitere Säule, die durch globales Handeln gestützt werden muss, ist die Umweltproblematik, besonders im Hinblick auf den Klimawandel. Wenn die Handlungen einzelner Nationen oder Unternehmen Auswirkungen für alle haben, müssen zwischenstaatliche Organisationen und internationale Verträge die Teilnehmer schützen, die unverschuldet ebene diesen Auswirkungen ausgesetzt werden. (STIEGLITZ 2002: 257). Der globale Klimawandel ist hierfür das beste Beispiel; maßgeblich vorangetrieben durch produktive Nationen und Konzerne, sind die Auswirkungen weltweit zu beobachten und besonders in jenen Teilen der Erde von verheerendem Ausmaß, deren Beitrag zum Klimawandel oft nur gering ist.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die globale Stabilität aus all jenen Bereichen besteht, deren Wirkung und Auswirkung nicht an Ländergrenzen Halt macht (STIEGLITZ 2002: 257). Dazu zählen neben Umwelt- und Rohstoffproblemen, Krankheiten und Wissen ebenso wie wirtschaftliche und politische Faktoren. Denn selbst räumlich begrenzte politische Unruhen können schnell über die Landesgrenzen schwappen und zu größeren Konflikten heranwachsen. Deutlich wird dieser Umstand auch bei wirtschaftlichen Krisen, die mit der Insolvenz einzelner Unternehmen oder Branchen beginnen und sich zu ganzen Weltwirtschaftskrisen ausweiten können. In einer vernetzten Welt mit freiem Handel und ineinander verwobenen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen können sich negative Auswirkungen auf denselben Wegen ebenso leicht verbreiten wie positive. Aus diesem Grund ist die regulative Funktion von IGOs essentiell um die Säulen der globalen Stabilität zu stützen und das System Globalisierung aufrecht zu erhalten.
2.3. Diversität von IGOs in Zusammensetzung und Zielvorstellungen
Die machtvolle Position, die IGOs durch ihre Organisationsform innehaben wurde nicht nur dazu genutzt globale Stabilität zu gewährleisten. Neben Organisationen wie der UNO oder der Weltbank ist ein Großteil von IGOs aus unterschiedlichsten Motiven gegründet worden. Zwar sind Organisationen wie die EU durchaus an Stabilität und dem Wohlergehen ihrer Mitgliedstaaten interessiert, im Gegensatz zur UNO, die nahezu alle Nationen der Erde vertritt, ist die Aufnahme in der EU aber nur wenigen gestattet. Im Falle der EU ist der entscheidende Faktor die geographische Nähe auf dem europäischen Kontinent. Auf ähnliche Weise bauen auch das „North American Free Trade Agreement“ (NAFTA) oder die Arabische Liga auf die Verstärkung nachbarschaftlicher Beziehungen unter ihren Mitgliedstaaten. Diese Art von Zusammenschlüssen ermöglicht eine Reduzierung von Handelsbarrieren und anderen wirtschaftlichen Hemmnissen untereinander. Dadurch erhält die Region, die durch den Zusammenschluss abgedeckt wird global gesehen einen Vorteil gegenüber allen anderen Nationen, die nicht Teil eben dieser Organisation sind. Aus diesem Grund sind IGOs ähnlich der EU nahezu jedem Kontinent zu finden. Das unterscheidet solche IGOs grundlegend von Organisationen wie der „Organization of Petrol Exporting Countries“ (OPEC), deren Mitgliedstaaten vereinzelt über den ganzen Globus verstreut sind und für die räumliche Nähe keine Rolle spielt. Das entscheidende Ausschlusskriterium ist hier nicht räumlicher Natur sondern hängt maßgeblich von der Art der Rohstoffvorkommen des Landes ab. Erst die Grünung der OPEC hat die erdölexportierende Nation befähigt den Ölpreis und die Fördermengen zu kontrollieren und ihre Stellung gegenüber den erdölimportierenden Nationen gestärkt. Auch der „British Commomwealth“ beispielsweise baut nicht auf räumliche Nähe sondern besteht aus historisch-kulturellen Gründen. Anstatt seine Mitglieder durch Handelsabkommen oder Friedenverträge zu binden steht die interkulturelle Kommunikation im Vordergrund.
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