Hans Sachs - Publizist der Reformation


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Reformation
2.1. Nürnberg und die Reformation
2.2. Hans Sachs und die Reformation

3. Die Prosadialoge
3.1. Definition und historische Einordnung
3.2. Inhalt und Form
3.3. Nutzen
3.4. Die Prosadialoge des Hans Sachs

4. Ein gesprech vo den Scheinwercke der Gaystlichen/ vnd jren gelübdten/damit sy zuûerlesterung des blůts Christi vermaynen selig zůwerden
4.1. Hintergrund und Inhalt
4.1.1. Die Ursprungssituation
4.1.2. Der Verlauf des Dialogs
4.1.3. Die Personen
4.2. Deutungsversuche

5. Schlussbemerkungen

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Nürnbergs berühmtester Dichter, Hans Sachs (1494 – 1576), Schuster und Sohn eines aus Zwickau eingewanderten Schneidermeisters, hat neben seinen zahlreichen Meisterliedern, Spruchgedichten, den Fastnachtspielen und Dramen, deren Poetik in unserer Zeit gemeinhin nicht allzu hoch geschätzt wird, auch 7 Prosadialoge verfasst. Die vier bedeutenderen entstanden 1524 als sich Luthers Lehre in Nürnberg gerade Bahn gebrochen hatte.

Einen davon und zwar "Ein gesprech vō den Scheinwerckē der Gaystlichen/vnd jren gelübdten/damit sy zuûerlesterung des blůts Christi vermaynen selig zůwerden"[1] wird diese Hausarbeit genauer betrachten. Da dies aber nur im Rahmen zahlreicher äußerer und innerer Bedingungen der Zeit und des Autors Sinn ergeben kann, stehen vorweg einige Fakten und Erkenntnisse über die Reformation in Nürnberg, sowie das Verhältnis von Sachs zu dieser Neuerung. Alsdann wird man sich mit der Gattung des Prosadialogs, die in jener Zeit nicht zuletzt durch Sachs zu neuer Blüte kam, auseinandersetzen müssen, bevor man sich dem zu untersuchenden Dialog zuwendet.

2. Die Reformation

Luthers Thesenanschlag 1517 in Wittenberg hat nach und nach zahlreiche Ereignisse in der ganzen bekannten Welt losgetreten, ja die Welt verändert. Die unmittelbaren Auswirkungen, die Anfänge bekam auch die Reichsstadt Nürnberg zu spüren.

2.1. Nürnberg und die Reformation

Nürnberg war eine der größten Städte des damaligen deutschen Reiches. Sie wurde geführt von einem Stadtrat, der sich vorwiegend aus Mitgliedern der hochgestellten Familien zusammensetzte. Der Rat entschied über alle Belange der Stadt und war daran interessiert seinen Einfluss und den der Stadt auszubauen.

In der Stadt selbst galt der Einzelne nur wenig, aber es herrschte eine Art Urvertrauen zum Rat. Dieser Umstand bot später Anknüpfungspunkte in dem "protestantischen Dogma, das die völlige Sündhaftigkeit des Menschen lehrt und für seine Rettung Glauben und Vertrauen voraussetzt"[2].

Die Thesen Luthers erreichten Nürnberg durch Scheurl und wurden auch von einigen Augustinermönchen verbreitet.[3] Auch Luther selbst hatte Nürnberg bereits 1518 einmal besucht.

Zunächst konnte sich die neue Glaubenslehre nicht durchsetzen. Aber sie brach sich nach und nach Bahn. So genoss Lazarus Spengler, eine Anhänger Luthers, der allerdings widerrufen hatte, nach wie vor das Vertrauen des Rates und war später sogar beim Reichstag in Worms anwesend.[4] Hinzu kam, dass immer mehr humanistische Prediger, pro-lutherische Priester und Kirchenoberhäupter in die Stadt kamen und so den Boden für eine religiöse Bewegung in Nürnberg ebneten.[5] Es vollzog sich nach und nach ein allmählicher "Bruch mit der herkömmlichen Kirchlichkeit"[6].

Der Rat, der zahlreichen Interessen und Überlegungen bezüglich seiner eigenen Machtstellung und dem Erhalt der blühenden Stadt (durch Handel, Handwerk etc.) verpflichtet war, konnte sich zunächst noch zu keiner offiziellen Entscheidung für oder gegen das Neue durchringen. Stattdessen versuchte man einen Spagat zwischen "der Anerkennung der Diskussionswürdigkeit der Theologie Luthers (…) [und] ihrer Verurteilung als Ketzertum"[7]. Dieser Spagat zeigte sich u. a. in nicht konsequent durchgeführten Auflagen für das Beschlagnahmen von pro-lutherischen Büchern.[8]

Das Wormser Edikt von 1521, das Luthers Lehre und ihre Verbreitung endgültig und vollständig verbot und unter Strafe stellte, wurde zwar veröffentlicht, aber nicht oder nur halbherzig durchgesetzt.[9] Nachdem es 1523 für undurchführbar erklärt wurde, konnte der Rat schließlich mehr und mehr offen zu seiner pro-lutherischen Haltung stehen.

Nun konnte auch Hans Sachs mit seiner Sicht der Dinge an die Öffentlichkeit treten.

2.2. Hans Sachs und die Reformation

Sachs war um 1520 kein Unbekannter mehr. Er hatte bereits zahlreiche Meisterlieder, auch religiösen, vor allem marienverehrenden Inhalts, geschrieben. 1520 kam Sachs mit der Reformation in Berührung und pausierte mit seinen Publikationen bis 1523 zum Erscheinen von "Die Wittenbergisch Nachtigall". Über die drei Jahre währende schöpferische Pause, ihren Grund und die Frage, was Sachs in dieser Zeit umtrieb, existieren verschiedene Forschermeinungen. Sicher aber ist das Studium evangelischer Schriften und lutherischer Texte, vor allem auch die Bibelübersetzungen.[10]

Der neue Glauben und seine Grundsätze fielen beim Handwerkerdichter auf fruchtbaren Boden. Viele Inhalte müssen sich damit gedeckt haben, wie Sachs Nürnberg, die Welt sah bzw. in Zukunft sehen wollte.

Zentrale Punkte der neuen Lehre, wie z. B. die Aufwertung des Laientums hatte er bereits früher schon verarbeitet, in seinen Meisterliedern. Darüber hinaus fokussierte Sachs schon vor der Reformation Themen wie Bußbereitschaft, die Sündhaftigkeit des Leibes und Gottvertrauen. Allerdings lag da noch Maria, die Mutter Gottes im Blickpunkt, während nun der Fokus auf Christus umgelenkt oder umgedeutet wurde. Somit ist das "Eintreten für den evangelischen Glauben nicht als Bruch, sondern als Fortsetzung einer stadtbürgerlich-literarischen Tradition"[11] zu sehen. Der Weg dorthin wurde geebnet durch Widersprüche, mit denen der alte Glaube behaftet war sowie die Emanzipation des Rates von der geistlichen Politik.[12]

Theiß meint dazu:

Die lutherische Glaubensreformation erhielt bei Sachs deshalb eine so zentrale Bedeutung als Maßstab der Obrigkeit, weil einerseits das Wort Gottes den Anspruch absoluter Wahrheit erhob und seine getreuliche Befolgung Voraussetzung dafür war, das Seelenheil für sich zu erringen. Andererseits betrachtete Sachs die Reformation als Beginn der schon im 15. Jahrhundert dringend geforderten Reformierung von Kirche, Reichsregierung und Wirtschaft.[13]

Die neue Glaubenslehre wurde Grundlage seines Wirkens. Trotzdem übernahm er nicht alle Eckpfeiler von Luthers Lehre (so z.B. beschäftigt er sich nicht mit der Trennung von weltlicher und geistlicher Gewalt). Auf dem Hintergrund seiner Welt und seines "Bewältigungsversuchs erfahrener Wirklichkeit"[14] übernimmt er Luthers Lehre nur dort in sein Sachssches Weltbild, wo sie sich mit seinen bisherigen Vorstellungen deckt und sich im Sinne seines didaktischen Wirkens umsetzen lässt.[15]

Fortan leitet er aber die ihm wichtigen bürgerlichen Tugenden vom Hintergrund der neuen christlichen Lehre her. Diese Tugenden, denen er als Vertreter seines, des bürgerlichen, Standes verpflichtet und von denen er gleichsam auch "beseelt" ist, sind "Friede, Ordnung, Vorsichtigkeit, Ehrbarkeit und Vernunft"[16].

Diese werden wir auch in seinen Dialogen wieder finden.

3. Die Prosadialoge

3.1. Definition und historische Einordnung

Der Dialog als solcher ist durch die Wechselrede zwischen mindestens zwei Personen charakterisiert. Die Disputation definiert sich als "Gespräch zweier gleichberechtigter Partner zur Diskussion und möglichen Lösung eines Problems"[17].

Der Dialog wurde seit der Antike (Plato, Cicero, Lukian) meist zur Wissensvermittlung verwendet und war nie zur Aufführung bestimmt. Im europäischen Mittelalter galt er als selbstständige Form zur Beschreibung und Verarbeitung der realen Welt. Besonders bekannt war er im Klosterschul- und Universitätsbetrieb.

Das Genre wurde durch Ulrich von Hutten (1488 – 1523) neu etabliert, zu einer Zeit da man Mittel zur Erörterung und Bloßlegung aktueller Fragen benötigte. Diese Möglichkeiten, die der Dialog innehatte, machte man sich auch bei den Reformationsdialogen zunutze.[18]

3.2. Inhalt und Form

In den Reformationsdialogen wurde die "Volksdiskussion (…) von den Dichtern eingefangen, verarbeitet, gerichtet und gelenkt"[19]. Es wurden erstmals Probleme erörtert, die den gemeinen Mann betrafen und beschäftigten bzw. auch ihn beschäftigten sollten. Die Probleme bezogen sich auf konkrete Fragen des Alltags: Wie steht es um mein Seelenheil? Wie kann ich es erlangen? Was nützt der Ablasshandel? Was steht wirklich in der Bibel?

[...]


[1] Ich folge der Orthographie der Titelillustration der dritten Ausgabe aus dem Jahre 1524. Vgl. Seufert 1974, S.75

[2] Hans Sachs. Die Wittenbergisch nachtigall. Spruchgedicht, vier Reformationsdialoge und das Meisterlied 'Das walt got'. Hg. von Gerald H. Seufert. Stuttgart: Reclam 1984, S. 164

[3] vgl. Reicke, Dr. Emil: Geschichte der Reichsstadt Nürnberg von dem ersten urkundlichen Nachweis ihres Bestehens bis zu ihrem Übergang an das Königreich Bayern (1806). Reprint der Ausgabe von 1896. Neustadt an der Aisch: Verlag für Kunstreproduktionen Christoph Schmidt, 1983, S. 784

[4] vgl. Reicke 1983, S. 792

[5] vgl. Pfeiffer, Gerhard: Entscheidung zur Reformation. In: Nürnberg – Geschichte einer europäischen Stadt. Unveränderter Nachdruck. München: Beck 1982, S. 149

[6] Pfeiffer 1982, S. 149

[7] Pfeiffer 1982, S. 152

[8] vgl. Reicke 1983, S. 794

[9] vgl. Reicke 1983, S. 795

[10] vgl. Arnold, Martin: Handwerker als theologische Schriftsteller. Studien zu Flugschriften der frühen Reformation (1523 – 1525). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1990, S. 61 ff.

[11] Müller, Maria E.: Bürgerliche Emanzipation und protestantische Ethik. Zu den gesellschaftlichen und literarischen Voraussetzungen von Sachs' reformatorischem Engagement. In: Hans Sachs. Studien zur frühbürgerlichen Literatur im 16. Jahrhundert. Hg. von Joachim Bumke, Thomas Cramer, Gert Kaiser und Horst Wenzel. Bern / FAM / Las Vegas:1978, S. 28

[12] vgl. Müller 1978, S. 26 f.

[13] Theiß, Winfried: Der Bürger und die Politik. Zu den zeitkritischen Dichtungen des Hans Sachs. In: Hans Sachs und Nürnberg. Zum 400. Todestag. Nürnberger Forschungen Bd. 19. Nürnberg: Selbstverlag des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 1976, S. 91

[14] Müller 1978, S. 13

[15] vgl. Müller 1978, S.13

[16] Theiß 1976, S. 103

[17] Bentzinger 1988, S. 16

[18] vgl. Bentzinger 1988, S. 15 f.

[19] Bentzinger 1988, S. 18

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Hans Sachs - Publizist der Reformation
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (INsitut für germanistische Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Hans Sachs
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
20
Katalognummer
V30510
ISBN (eBook)
9783638317603
Dateigröße
474 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hans, Sachs, Publizist, Reformation, Hans, Sachs
Arbeit zitieren
Sabine Heinichen (Autor:in), 2003, Hans Sachs - Publizist der Reformation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30510

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