Gottfrieds von Strassburg Versroman 'Tristan' ist wohl unbestritten eines der bedeutendsten Werke der mittelalterlichen Dichtung. Indirekte Hinweise auf Gottfrieds Vorlage von Thomas, die um 1155 bis ca. 1190 datiert wird, lassen uns den 'Tristan' zwischen 1200 und 1220 einordnen1. Die vorliegende Hausarbeit wird sich mit Gottfrieds Auftreten als literarisches Ich2 in seinem Versroman beschäftigen. Dabei werde ich untersuchen, welche Funktionen Gottfrieds Erzählerkommentare erfüllen und inwieweit ein Zusammenhang zwischen den größeren Kommentaren als literarisches Ich und dem Handlungsgefüge besteht. Um die Hausarbeit in einem vernünftigen Rahmen zu halten, werde ich mich bei der Beschäftigung mit dem Originaltext an jene Stellen halten, an denen das literarische Ich auch explizit in Form von "ich" oder auch "mich" bzw. in Abwandlungen von "wir" vorkommt (letztere Stellen sind noch einmal gesondert zu betrachten), wohlwissend, dass zu einer ausführlichen Erzählerbetrachtung auch rhetorische Fragen, Gedankenreferate u.ä. gehören. Ich halte die Stellen, an denen der Erzähler/Autor explizit als "Ich" auftritt für die, die am eindrucksvollsten den Einfluss des Autors auf ein Publikum bezeugen und großen Anteil an der Rezeption des Textes haben, vor allem eingedenk dessen, dass sie "allgemein bei den mittelhochdeutschen Epikern sehr viel häufiger als in ihren altfranzösischen Vorlagen [vorkommen], wie wir auch im Vergleich von Thomas und Gottfried gesehen haben, und in den meisten Fällen ihr
Eigentum"3 sind. Gottfrieds vielinterpretierte Exkurse im 'Tristan' werde ich im Rahmen des oben
genannten Ansatzes behandeln und dabei auch auf ihre Stellung innerhalb des Romans eingehen.
1 Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Begr. von Wolfgang Stammler fortgef. von Karl Langosch. Hg. v. Kurt Ruh zusammen mit Gundolf Keil, Werner Schröder, Burghart Wachinger, Franz – Josef Worstbrock. Bd. 3. 2., völlig neu bearbeitete Auflage. Berlin, New York: De Gruyter 1981. S. 160 2 Ich verwende diesen Begriff um der Erzähler-Autor-Problematik und der Zuordnung des Ichs zu einem der beiden aus dem Wege zu gehen. 3 Clausen, Ilse: Der Erzähler in Gottfrieds Tristan. Phil. Diss. masch. Kiel: Dissertationsdruck Schön 1970, S. 204
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Vorkenntnisse
- 2.1. Was wissen wir über Gottfried von Straßburg?
- 2.2. Autorenschaft im Mittelalter
- 3. Das literarische Ich – Funktionen und Verhältnis zur Handlungsebene
- 3.1. Die Erzählsituation im 'Tristan'
- 3.2. Auftritte des literarischen Ichs und ihre Funktion
- a) Quellenberufungen
- b) Ankündigungen und rhetorische Überleitungen
- c) Rückbezüge und Zusammenfassungen
- d) Understatements und Vermutungsformeln
- e) Die Betonung der Wahrheit
- f) Erklärungen und Erläuterungen
- g) Bezüge zum eigenen Schaffen Gottfrieds
- h) Funktion der Symbiose Gottfrieds mit dem Publikum zum \"wir\"
- i) Erzählerische Funktion der Exkurse
- Prolog (V. 1-242)
- Literaturexkurs (V. 4555 - 5011)
- Buẞpredigt (V. 12180 - 12361)
- 3.3. Verhältnis zwischen Auftreten des literarischen Ichs und der Handlungsebene
- 4. Schlussbemerkungen
- 5. Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert das Auftreten von Gottfried von Straßburg als literarisches Ich in seinem Versroman 'Tristan'. Sie untersucht die Funktionen der Erzählerkommentare und beleuchtet, inwieweit ein Zusammenhang zwischen den größeren Kommentaren und dem Handlungsgefüge des Romans besteht.
- Funktionen von Gottfrieds Erzählerkommentaren im 'Tristan'
- Zusammenhang zwischen Erzählerkommentaren und dem Handlungsgefüge
- Rolle des literarischen Ichs in der mittelalterlichen Dichtung
- Untersuchung des Verhältnisses zwischen Autor und Publikum
- Bedeutung von Exkursen für die Gestaltung des Romans
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Fokus der Arbeit auf die Analyse von Gottfrieds Auftritt als literarisches Ich im 'Tristan' dar. Das zweite Kapitel beleuchtet Vorkenntnisse über Gottfried von Straßburg und die mittelalterliche Autorenschaft, die für die Interpretation der Erzählerbemerkungen wichtig sind. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit den Funktionen und dem Verhältnis des literarischen Ichs zur Handlungsebene im 'Tristan'. Es betrachtet verschiedene Auftritte des literarischen Ichs und deren Funktion im Roman. Darüber hinaus wird das Verhältnis zwischen dem Auftreten des literarischen Ichs und der Handlungsebene analysiert. Das Kapitel beleuchtet unter anderem die Rolle von Exkursen und deren Bedeutung für die Gestaltung des Romans.
Schlüsselwörter
Gottfried von Straßburg, Tristan, literarisches Ich, Erzählerkommentare, mittelalterliche Dichtung, Versroman, Erzählsituation, Autorenschaft, Exkurse, Handlungsgefüge, Publikum, Rezeption.
- Arbeit zitieren
- Sabine Heinichen (Autor:in), 2003, Gottfried von Straßburg: Tristan - Eine Analyse zum Auftreten des Erzählers als literarisches Ich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30511