Der Deutsche Orden. Absicht und Funktion der Chronik des Preußenlandes des Peter von Dusburg


Essay, 2015

6 Seiten


Leseprobe

In diesem Essay werde ich mich mit dem wissenschaftlichen Diskurs über die Absicht und Funktion der Chronica Terre Prussie[1] des Peter von Dusburg auseinandersetzen. Dreh- und Angelpunkt meiner Untersuchung ist die Einleitung[2] zu der Übersetzung des Quellentextes von Klaus Scholz und Dieter Wojtecki, die ich aus diesem Grund sehr ausführlich zusammenfassen und kritisieren werde. Ob und inwiefern die These dieser beiden Autoren bzw. deren Interpretation der Chronik plausibel ist und einer kritischen Analyse standzuhalten vermag, wird im Folgenden zu überprüfen sein. Den Inhalt der Quelle selbst setze ich als bekannt voraus, da ich aufgrund der gebotenen Kürze meiner Ausarbeitung auf eine Zusammenfassung verzichten muss.

Dusburg stellt sich im Widmungsbrief[3] seiner Chronik namentlich vor und gibt sich als Priesterbruder des Deutschen Ordens zu erkennen. Abgesehen davon gibt es in der gesamten Überlieferung des Ordens keinen einzigen Anhaltspunkt auf eine Person dieses Namens, wenngleich es Spekulationen gab, ihn mit bezeugten Ordenspriestern desselben Vornamens zu identifizieren[4]. Ähnlich ist die Informationslage bezüglich der Entstehung und den Zusammenhängen der Abfassung der Chronik, die dem Widmungsbrief zufolge dem Hochmeister Werner von Ursel 1326 zugeeignet und zur Begutachtung vorgelegt wurde. Scholz und Wojtecki schließen daraus die offizielle Beauftragung Dusburgs zur Abfassung und den 'amtlichen' Charakter des Werks. Es ergebe sich zudem die Notwendigkeit, die Chronik und deren Funktion, Wert und Wirkung im Kontext der Ordenspolitik der 1320er Jahre zu deuten: „Der Schlüssel zum Verständnis des Werks liegt offensichtlich in der vom Hochmeister Werner von Ursel verfolgten Politik.“[5]

Der Auftrag zur Abfassung koinzidiere nämlich mit einer politischen Lage, in der sich der Orden in Livland wie in Preußen unter erheblichen Druck gesetzt und zu militärischer Gegenwehr genötigt sah[6].

Im Folgenden ziehen die Autoren vorläufig in Erwägung, die Chronik könnte in einer doppelten Funktion in Auftrag gegeben worden sein, wobei beide möglichen Aspekte im Hinblick auf ihre Richtigkeit näher überprüft werden müssten: Als erste Funktion könnte Dusburg eine Wirkung nach innen – mit Bezug auf den Orden selbst – bezweckt haben, um ihn mittels Erinnerung an den Geist seiner Frühzeit und die erfolgreichen Kämpfe der Vergangenheit innerlich aufzurüsten . Diese These relativieren und entkräften Scholz/Wojtecki im weiteren Verlauf jedoch rigoros und nachdrücklich. Es sei nicht zu belegen, dass Dusburg sich direkt und einzig an seine Mitbrüder wende, auch sei nicht nachweisbar, dass die Chronik in den Konventen zu Lesungen benutzt wurde. Erstens spreche die schmale Überlieferung der Chronik gegen eine solche Verwendung in den einzelnen Ordenskonventen, und zweitens sei die sehr bald erfolgte Übertragung ins Deutsche durch Nikolaus von Jeroschin so zu deuten, dass damit eine weitere, bis dato nicht zuteil gewordene breitere Verbreitung – auch innerhalb des Ordens – bezweckt wurde. Demnach sei das breite Ordenspublikum als Adressat auszuschließen[7].

Die zweite Funktion und das wesentliche Motiv zur Abfassung sei vielmehr die Absicht, durch eine in dieser Form aufbereitete Darstellung der Ordensgeschichte vor bestimmten Adressaten die Vergangenheit und Gegenwart des Ordens zu rechtfertigen. Die polnisch-litauische Gegnerschaft und die damit verbundene Papstferne ließe demnach vermuten, dass es dem Deutschen Orden nach hundert Jahren Herrschaft im Preußenland „um die Sicherung seiner Existenz mit Hilfe der Wiedergewinnung des Papsttums als entscheidender Stütze“[8] ging. In der Chronik wird dann auch die besondere Rolle des Papsttums bei der Herrschaftsbildung suggeriert und die Initiative Kaiser Friedrichs II. hintangesetzt[9] ; die Goldbulle von Rimini wird bemerkenswerterweise überhaupt nicht erwähnt, stattdessen aber die Legitimierung des Ordens in Preußen durch Konrad von Masowien hervorgehoben[10]. Die Charakterisierung des Ordens als neue Makkabäer-Streitmacht und Werkzeug Gottes gegen das Heidentum sei demnach als Aufrüttelung potentieller Helfer und gezielt berechneter Hilferuf an die christliche Welt zur Unterstützung zu verstehen. Die Existenzlegitimation sowie die ungebrochene Notwendigkeit des Heidenkampfes wird mit Hilfe des beschworenen Kreuzzugsgeistes nachdrücklich propagiert[11]. Dusburgs Ordensstandpunkt kenne kein Bedauern mit dem Gegner und Toleranz aus dem Glauben, er lasse keinen Raum für Skrupel bez. Mord und Verschleppung; es dominiere ein starrer Kreuzzugsgeist. Die Chronik sei demnach mitnichten „eine Art von Erbauungsbuch[12] (hier wird Max Toeppen zitiert), wie sie in Vergangenheit gedeutet wurde, sondern „ganz und gar Kriegsgeschichte und atmet kriegerischen Geist“[13].

[...]


[1] Peter von Dusburg, Chronik des Preußenlandes, in: Petri de Dusburg Chronica Terre Prussie / Peter von Dusburg, Chronik des Preußenlandes (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 25), übers. und erläutert von Klaus Scholz und Dieter Wojtecki, Darmstadt 1984.

[2] Ebd., S. 1-23.

[3] Ebd., S. 27.

[4] Ebd., S. 7.

[5] Ebd., S. 8.

[6] Ebd, S. 8f.

[7] Scholz/Wojtecki 1984, a.a.O., S. 9f.

[8] Ebd., S. 10.

[9] Ebd.

[10] Ebd., S. 12f.

[11] Ebd., S. 11.

[12] Ebd., S. 13.

[13] Ebd., S. 13f.

Ende der Leseprobe aus 6 Seiten

Details

Titel
Der Deutsche Orden. Absicht und Funktion der Chronik des Preußenlandes des Peter von Dusburg
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Geschichtswissenschaft)
Veranstaltung
Seminar
Autor
Jahr
2015
Seiten
6
Katalognummer
V305111
ISBN (eBook)
9783668030923
Dateigröße
374 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Der Deutsche Orden, Peter von Dusburg, Chronica Terre Prussie, Preußen, Chronik des Preußenlandes
Arbeit zitieren
Frederik A. Behrens (Autor:in), 2015, Der Deutsche Orden. Absicht und Funktion der Chronik des Preußenlandes des Peter von Dusburg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/305111

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