Neue Ergebnisse der Entwicklungspsychologie und Gehirnforschung zu Kleinkindern


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

14 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung: Trauma aus früher Kindheit?

2. Entwicklungspsychologie und Gehirnforschung zu Kleinkindern
2.1 Die Entwicklung des Nervensystems
2.2 Die Rolle der Umwelt bei der Gehirnentwicklung
2.2.1 Beispiel: Augeninfektionen bei Neugeborenen
2.2.2 Emotionale Kontaktaufnahme mit der Umwelt
2.3 Individuelle Entwicklungsphasen bestimmen wann das Kind welche Fähigkeiten erlernt
2.4 Wie funktionieren Lernprozesse bei Kleinkindern?
2.4.1 Wie ein Kind sprechen lernt
2.4.2 „Automatisierung“ als Schlüssel für erfolgreiche Lernprozesse

3. Zusammenfassung und Ausblick: Konsequenzen für die Förderung von Kleinkindern

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung: Trauma aus früher Kindheit?

Autismus, Schizophrenie, Hyperaktivität, Depressionen, Emotionsstörungen - diese Krankheiten wurden früher mit negativen Erfahrungen in der Kindheit und einem schlechten, nachlässigem Elternhaus begründet. Doch wie Hirnforscher inzwischen beweisen konnten, liegt der wahre Grund für das Auftreten dieser Krankheiten viel tiefer. Lange Zeit wurde angenommen, dass die Gene allein bestimmen, wie intelligent ein Kind ist und wie ausgeprägt sein Gehirn ist. Doch wenn der Säugling auf die Welt kommt sind seine Hirnfunktionen nur in Ansätzen vorhanden. Die Wissenschaft hat bewiesen, dass die Umwelt, das Elternhaus, die Geschwister und die Vielfalt der Umgebung maßgeblich daran teil haben, wie sich das Gehirn des Babys ausbildet. Es ist also nicht genetisch vorbestimmt, welches Kind besonders lernfähig wird und welches später einmal Schwierigkeiten in der Schule haben wird. Die Erfahrungen in früher Kindheit haben Auswirkungen bis ins Erwachsenenalter und somit auch auf unsere Gesellschaft. Dieses neue neurobiologische Wissen über die Entwicklung des Gehirns von Neugeborenen, bringt Fakten und Theorien hervor, die das schlechte Abschneiden bei internationalen Leistungsnachweisen, wie bei PISA-2000 begründen könnten. Frühkindliche Bildung wurde in Deutschland lange Zeit vernachlässigt. „’Früher hieß es, je älter das Kind, desto mehr wird in dieses Kind investiert, heute ist es umgekehrt.’ Diese Erkenntnis hat sich in Deutschland, wo die Kindergärten kostenpflichtig und das Studium gebührenfrei sind, noch nicht durchgesetzt.“ (Goebel, Berliner Zeitung vom 14.01.2003, S.13). Diese neuen Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie und Gehirnforschung möchte ich im folgenden darstellen und vertiefen, und mich mit der Frage auseinandersetzen, welche Mechanismen im Nervennetz Wissensanhäufung überhaupt möglich machen und unterstützen. Erst dann kann darüber diskutiert werden, wie es um die Bildungs- und Erziehungsprozesse in unserer Gesellschaft steht.

2. Entwicklungspsychologie und Gehirnforschung zu Kleinkindern

„Die Gene allein entscheiden nicht über Begabung und Persönlichkeitsmerkmale.“ (Thimm 2003) – das besagt der neueste Stand der Wissenschaft zur Gehirnentwicklung in jungen Jahren. Der genetische Determinismus, wie er lange Zeit vorherrschte, ist also vollkommen überbewertet. Nach neuesten Erkenntnissen ist bewiesen, dass die Gene den Ablauf der neuronalen Entwicklung nur programmieren. Begabungen und Persönlichkeit entwickeln sich durch andere Faktoren, aber nicht über genetische Eigenschaften. Denn unsere genetischen Anlagen unterscheiden sich kaum von denen der Steinzeitmenschen. Trotzdem möchte ich behaupten, wir verfügen über weit mehr geistige Fähigkeiten und können abstraktere Denkvorgänge ziehen als unsere Vorfahren. Eins steht fest, unsere Gene sind der Ursprung, doch welche kognitiven Fähigkeiten wir daraus schöpfen, und wie sich unser Ich-Bewusstsein bildet, ist abhängig von den Signalen der Umwelt, die die Entstehung des Nervensystems prägen und koordinieren. (nach Singer 2002, S. 44ff)

2.1 Die Entwicklung des Nervensystems

„Das Geheimnis des Lernens und Erinnerns steckt in der Art und Weise, wie Milliarden von Neuronen miteinander verknüpft sind.“ (Mechsner 2004, S. 174) – Um diesem Geheimnis ein wenig näher zu kommen, will ich erst einmal das Gehirn näher betrachten, welches in der Wissenschaft als der am höchsten und am kompliziertesten organisierte Bereich von Lebewesen betrachtet wird. Die Entwicklung unseres komplexen Nervensystems beginnt schon beim Fötus im Mutterleib. Die Hirnnervenzellen bilden sich in erstaunlich kurzer Zeit, bis zu 580.000 Stück pro Minute. Das bedeutet, bei der Geburt besitzt das Baby rund 120 Milliarden Neuronen. Doch lediglich die Grund-Funktionen für das Leben, wie Atmung, Verdauung und Stoffwechsel sind vollkommen ausgebildet. Wenn das Neugeborene den Mutterleib verlassen hat, ist die Kapazität seines Gehirn erst in Ansätzen vorhanden. (nach Thimm 2003).

Abbildung 1 zeigt, wie das Nervensystem eines Kleinkindes im Vergleich zu dem eines Erwachsenen aussieht. Beim Erwachsenen ist das neuronale Netz bereits gefestigt und ausgewählte Synapsen haben sich verstärkt und ausgebildet, um die elektrischen Impulse von außen weiterzuleiten. Die Nervenzellen beim Neugeborenen sind mit viel mehr Synapsen verbunden, die elektrische Signale in alle Richtungen weitergeben. Sobald dras Baby auf der Welt ist, ist er ständigen Einflüssen seines Umfeldes ausgesetzt. Die Sinnesorgane empfangen fortwährend Impulse, die die Nervenleitungen weitergeben. Auch wenn der kleine Mensch noch nicht in der Lage ist, irgendetwas zu begreifen und seine Umwelt vollständig zu erfassen, enthält jedes Signal von außen Informationen, durch die sich neue Neuronenverbindungen bilden. Es findet neben der elektrischen Impulsgebung der Neuronen, auch eine sogenannte „chemische Kommunikation“ in Gehirn statt. Chemische Botenstoffe dienen ebenso als Überbringer von Informationen und verknüpfen, wie Nervenbahnen, die Neuronen im Gehirn (nach Eccles 2000, S.224 ff).

Abbildung 1 (aus DER SPIEGEL 43/2003: Jeden Tag ein neues Universum. S.198-210) Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Ausbildung des neuronalen Netzes hängt also hauptsächlich von den Reizen ab, die auf das Kind einwirken und von den Erfahrungen, die es macht. Impulse von Außen bauen das Hirn, ähnlich einem Straßennetz auf. Je häufiger ein Reiz auftritt, desto stärker bilden sich die Verbindung aus, die für seine Übermittlung benutzt werden. Das bedeutet, wiederkehrende Einflüsse stärken die Synapsen, schwächere Einflüsse lassen die Nervenbahnen verkümmern. Es vollzieht sich eine stetige Veränderung der neuronalen Verschaltungen ab dem 2. Lebensjahr bis in die Pubertät hinein. John C. Eccles, Nobelpreisträger für Medizin, formulierte diesen Vorgang, der an einen „Darwinistischen Ausleseprozesses“ erinnert, wie folgt: „Im Gegensatz zu dem allgemein verbreiteten Glauben an eine statische Struktur müssen wir uns das Gehirn auf der Mikroebene strukturell plastisch vorstellen, wobei einige Synapsen reif, andere in der Entwicklung und wieder andere im Abbau sind.“ (Eccles 2000, S. 238)

Bestimmte Bereiche des Gehirns bilden sich aufgrund dieses beständigen Umbaus der Synapsen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, bis zur Pubertät aus. Nach diesem Prinzip ist die Struktur des Nervensystems angelegt.

2.2 Die Rolle der Umwelt bei der Gehirnentwicklung

Umweltstimulanz, Aktivität und Erfahrungen spielen also eine große Rolle in der frühkindlichen Entwicklung. Diese Eindrücke von Außen beeinflussen, wie sich die genetische Information des Einzelnen entwickeln kann. Das Gehirn ist flexibel und passt sich seiner Umwelt an. In den ersten Jahren erhält das Kind die meisten Eindrücke aus seinem familiären Umfeld, von den Eltern und Geschwistern. Doch Forscher warnen auch vor Reizüberflutung, wie zum Beispiel durch Überhäufung mit Spielzeug oder zu frühes Fernsehen. Das Gehirn kann Impulse erst richtig aufnehmen und verarbeiten, wenn es die entsprechenden Synapsen wiederholt benutzt und somit verstärkt. Die Informationen dürfen zwar vielfältig sein, um die Hirnstruktur besonders auszubauen, aber das Kind nicht überfordern. Übermäßige Reize von außen können beim Baby zu Stress und Verwirrung führen. Es kann sich dann kein eindeutiges Nervennetz bilden. Dementsprechend benötigt das Hirn in den verschiedenen Entwicklungsphasen, unterschiedliche Informationen aus seiner Umwelt, um seine Entwicklung zu optimieren. Insgesamt enden diese optimalen Lernphasen jedoch sehr früh. Ein Beispiel für diesen erfahrungsabhängigen Entwicklungs- und Selektionsprozess, die Konsequenzen einer Augeninfektion bei Neugeborenen, hat Singer beschrieben.

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Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Neue Ergebnisse der Entwicklungspsychologie und Gehirnforschung zu Kleinkindern
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Soziologie)
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
14
Katalognummer
V30529
ISBN (eBook)
9783638317757
Dateigröße
696 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Neue, Ergebnisse, Entwicklungspsychologie, Gehirnforschung, Kleinkindern, Hauptseminar
Arbeit zitieren
Nina Werner (Autor:in), 2004, Neue Ergebnisse der Entwicklungspsychologie und Gehirnforschung zu Kleinkindern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30529

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