Der Bonner Einzelhandel im Beta-Test. Gelingt die Digitalisierung 2.0?


Projektarbeit, 2015

47 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Die zunehmende Digitalisierung des Einzelhandels (Dennis Beutelt)
1.1 Hinleitung zum Problem (Dennis Beutelt)
1.2 Hypothesen (Alexander Krawinkel)
1.3 Innovationsplattform Einzelhandel (Christoph Eisele)

2 Theoretische Grundlagen der Digitalisierung
2.1 Single-/Multi- und Cross-Channeling (Dennis Beutelt)
2.2 Online-Handel und weitere Trends (Alexander Krawinkel)
2.3 Der Aufstieg der Neuen Medien (Christoph Eisele)

3 Projektzeitplan

4 Methodik der Forschung
4.1 Bestandsaufnahme (Christoph Eisele)
4.2 Netzrecherche & Online-Ranking (Alexander Krawinkel)
4.3 Fragebogen (Dennis Beutelt)
4.4 Kartierung (Christoph Eisele)

5 Die Digitalisierung des Bonner Einzelhandels
5.1 Bestandsaufnahme (Christoph Eisele)
5.2 Online-Ranking (Alexander Krawinkel)
5.2.1 Gesamt Bonn
5.2.2 Inhabergeführte Geschäfte vs. Ketten
5.2.3 „Innere“ City vs. „Äußere City“
5.2.4 Nach Kategorie
5.3 Kartierung (Christoph Eisele)
5.4 Online-Befragung (Dennis Beutelt)

6 Muss der Bonner Einzelhandel digitaler werden? (A. Krawinkel)

7 Fazit / Handlungsempfehlungen
7.1 Handlungsempfehlungen (Alexander Krawinkel)
7.2 Fazit (Dennis Beutelt)

8 Literatur

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Entwicklung vom Single- hin zum Multi-/Omni-Channeling

Abbildung 2: "Channel-Hopping" als Herausforderung für den Handel

Abbildung 3: Ausschnitt Bonner Innenstadt

Abbildung 4: Vergebene Punkte für die einzelnen Variablen

Abbildung 5: Verteilung der Geschäfte der Bonner Innenstadt

Abbildung 6: Durchschnittliche Ergebnisse der Unter-Rankings

Abbildung 7: Durchschnittlich erzielten Werte der Bonner Geschäfte

Abbildung 8: Unterkategorien inhabergeführte Geschäfte vs. Ketten

Abbildung 9: Inhabergeführte Geschäfte vs. Ketten nach Variablen

Abbildung 10: 1a Lagen der Bonner Innenstadt

Abbildung 11: Unter-Rankings - Innere vs. Äußere City

Abbildung 12: Innere vs. Äußere City - nach Variablen

Abbildung 13: Durchschnittlich erreichten Punkte nach Kategorien

Abbildung 14: Auszug aus der Tabelle mit Beschriftung

Abbildung 15: Karte Klassisches Internet

Abbildung 16: Karte Neue Medien

Abbildung 17: Karte E-Commerce

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Projektzeitplan

Tabelle 2: Erreichten Werte innerhalb der Kategorien [in %]

Tabelle 3: Klassisches Internet Innenstadt

Tabelle 4: Neue Medien Innenstadt

Tabelle 5: Tabelle 5: E-Commerce Innenstadt

1 Die zunehmende Digitalisierung des Einzelhandels (Dennis Beutelt)

Einheimische ebenso wie Menschen, die die Bundesstadt Bonn von außerhalb besuchen, bezeichnen die Stadt mitunter trotz der offiziellen Einwohnerzahl von zirka 320.000 als „Bundesdorf“ (BÜNDER 2013: o.S.). Die Zeit Bonns als Bundeshauptstadt ist mittlerweile schon einige Jahre vorbei und die politische Bedeutung der Stadt ist zweifellos geringer als noch vor 15 Jahren, als die wichtigsten politischen Entscheidungen in Deutschland am Rhein getroffen wurden.

Auf den zweiten Blick sieht man aber, dass Bonn nicht zuletzt durch das Berlin/Bonn-Gesetz besonders im Vergleich mit anderen westdeutschen Großstädten nicht schlecht da steht. Auf den Bundestag folgte die UN und auch große Arbeitgeber wie die Deutsche Post bzw. DHL und die Deutsche Telekom haben ihren Hauptsitz nach wie vor in der Stadt und sind wirtschaftlich von großer Bedeutung für die Kommune. Trotz der relativ geringen Entfernung zur Millionenstadt Köln hat Bonn durchaus eine überregionale Bedeutung. Einerseits als Ziel von Berufspendlern, andererseits ist Bonn aber auch das Ziel der Bevölkerung im Umland, die für die Versorgung mit Konsumgütern oder der Freizeitgestaltung nach Bonn kommt (BONN 2015: o.S.).

Für viele ist dann die Bonner Innenstadt das Ziel, in der wohl alles für den periodischen und aperiodischen Bedarf zu finden ist. Trotz des Vorhandenseins der großen Einzelhandelsketten, wie man sie überall in den europäischen Städten findet, hat die Bonner Innenstadt wohl einen eigenen Charakter bewahren können (IHK BONN 2011: 8f.). Es gibt wenige Leerstände und die Fußgängerzonen sind meist gut besucht. Doch könnte es sein, dass der Eindruck täuscht?

Das Seminar „ ktuelle Probleme der Bonner Innenstadt“ im Sommersemester 2015 unter Leitung von Prof. Manfred Nutz und Prof. Claus-Christian Wiegandt wurde auf Bitten einiger Akteure in der Bonner Innenstadt ins Leben gerufen, um trotz des offensichtlich guten Zustands des Innenstadtbereiches etwaige Probleme zu identifizieren und gegebenenfalls Lösungsvorschläge für diese Probleme zu entwickeln. Im Laufe der vorbereitenden Seminartermine bildeten sich unter den Masterstudenten Kleingruppen, in denen eigene Fragestellungen entwickelt, Methoden ausgewählt und Projektzeitpläne für die Bearbeitung erstellt wurden.

Der vorliegende Text mit dem Titel „Der Bonner Einzelhandel im Beta-Test. Gelingt die Digitalisierung 2.0?“ ist der Projektbericht des Forschungsprojektes von Dennis Beutelt, Christoph Eisele und Alexander Krawinkel, welcher die Online-Präsenz der Bonner Einzelhändler untersucht hat.

1.1 Hinleitung zum Problem (Dennis Beutelt)

Für die Autoren dieses Berichtes war nach einigem Überlegen in verschiedene Richtungen klar, dass für das Forschungsprojekt eine Fragestellung zum Einzelhandel in der Bonner Innenstadt am meisten Sinn ergeben würde. Natürlich hat die Bonner City weit mehr Funktionen als den Handel; schließlich kommen viele Menschen auch für Freizeitgestaltung (besonders auch in den Abendstunden), Bildung, Kultur oder für Behördengänge in die Innenstadt. Es ist aber wohl unbestritten, dass der Einzelhandel in den Innenstädten die meisten Menschen anlockt, die größte Fläche beansprucht und wirtschaftlich von sehr großer Bedeutung ist. Die Geschäfte machen insgesamt betrachtet einen Großteil der In- nenstädte aus.

Es sollte also eine Fragestellung werden, die sich um den Einzelhandel in der Bonner Innenstadt dreht. Dazu stellte sich zunächst die Frage, welchen persönlichen Bezug wir zur Bonner Innenstadt haben. Ist die Bonner Innenstadt für uns die erste Adresse, wenn es um die Versorgung mit den Gütern des periodischen und aperiodischen Bedarfs geht? Selbst derjenige in der Gruppe, der in der Bonner In- nenstadt wohnt, gab an dass er beispielsweise den Kauf von Schuhen oder Kleidung lieber im Inter- net tätigt, da es bequemer und günstiger als bei den stationären Händlern in seiner erweiterten Nachbarschaft ist. Mit diesem Kaufverhalten ist er sicher nicht allein, da der Internethandel nach wie vor jedes Jahr wächst. Laut Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (BEVH 2014) hat der Online-Handel mittlerweile einen Umfang von mehr als 40 Milliarden Euro, was 2014 einem Anteil am gesamten Einzelhandel in Deutschland von immerhin 11,1% entsprach. Für die Generation der „Digital Natives“, die mit dem Internet aufgewachsen sind und dieses häufig als unverzichtbar be- trachten, ist es selbstverständlich geworden, auch alltägliche Besorgungen im Internet zu erledigen. Anschaffungen werden online geplant, da man von zuhause aus Informationen einholen, Preise ver- gleichen und unabhängig von der Tages- oder Nachtzeit, Werk-, Wochenend- oder Feiertagen die Ware komfortabel bestellen und bezahlen kann.

Der stationäre Einzelhandel steht der aus Kundensicht erfreulichen Entwicklung des Internethandels etwas ratlos gegenüber und beklagt allerorten Umsatzrückgänge und die starke Konkurrenz aus dem Internet, die auf ihre Umsätze drückt (HANDELSBLATT 2014: o.S.). Oft wird auch ein „Beratungs- Klau“ durch die Kunden beobachtet, die sich im Geschäft vor Ort informieren (lassen), Ware an- oder ausprobieren, Preisschilder fotografieren und letztlich von zuhause aus im meist preisgünstigeren Internethandel einkaufen.

Doch welche Lösungsansätze hat der stationäre Einzelhandel in der Bonner Innenstadt, um auch für die Generation der „Digital Natives“ attraktiv zu sein? Das Projekt möchte der Frage nachgehen, wie präsent der Einzelhandel in der Bonner Innenstadt im Internet ist. Die Verbreitung des Internet als Massenmedium (erschwingliche DSL-Flatrates) kann man in Deutschland etwa ab 2000 ansetzen.

Smartphones sind spätestens seit 2007 mit der Einführung des Apple iPhone (auch wenn dies längst nicht das erste seiner Art war) weit verbreitet und auch Social Media (Facebook-Gründung 2004, Twitter-Gründung 2006) sind längst alltäglich geworden. Gerritt HEINEMANN (2011: 25) schrieb: „Der erste Online-Händler, Amazon, wude 2010 gerade einmal 15 Jahre alt. Die derzeit noch deutlich jüngeren Digital Natives, die mit diesem Angebot aufgewachsen sind, werden zunehmend diejenigen Händler abstrafen, die das Online-Zeitalter unverständlicherweise bis dato ignorieren“.

Der Titel „Der Bonner Einzelhandel im Beta-Test. Gelingt die Digitalisierung 2.0?“ stellt klar, dass die utoren dieses Berichtes die „Digitalisierung 1.0“, also das Vorhandensein von Internetauftritten bei den Einzelhändlern, als selbstverständlich betrachten. Kostenlos erhältliche Software zum Erstellen eines eigenen Internetauftrittes ist schließlich im Vergleich zur Anfangszeit des Internet im Deutsch- land der 1990er Jahre heutzutage mit einem geringen einmaligen Aufwand und überschaubaren lau- fenden Kosten für Betrieb und Pflege verbunden. Geht der Handel aber den nächsten Schritt und wird der digitalen Realität gerecht, dass praktisch jeder Haushalt des werberelevanten Bevölkerungs- anteils über Breitband-Internet verfügt und die meisten Menschen auch ein Smartphone besitzen, das jederzeit und überall den Zugriff auf das Internet erlaubt? Wir sind der Meinung, dass der statio- näre Handel in Zukunft auch online erreichbar sein muss. Dies bedeutet konkret den Aufbau von Online-Shops oder zumindest Online-Schaufenstern sowie die Nutzung von Social Media, um mit den Kunden in Kontakt zu treten. Das Projekt ist also eine Art digitale Bestandsaufnahme des Einzelhan- dels in der Bonner Innenstadt.

1.2 Hypothesen (Alexander Krawinkel)

In unseren Ausarbeitungen möchten wir verschiedene Hypothesen aufgreifen und bearbeiten. Zu- nächst einmal gehen wir auf Grund aktueller Trends und Statistiken, welche in Kapitel 2 näher erläu- tert werden davon aus, dass der stationäre Einzelhandel in Bonn zwar digitalisiert ist, aber erhebli- cher Nachholbedarf im Bereich der Neuen Medien und des E-Commerce besteht. Daher lautet die erste Hypothese:

1) Der Bonner Einzelhandel muss digitaler werden.

Weiterhin möchten wir eine Unterscheidung des stationären Einzelhandels nach Vertriebsketten und inhabergeführten Einzelhandelsgeschäften vornehmen. Hier gehen wir davon aus, dass die Ketten fortschrittlicher agieren und insgesamt digitaler aufgestellt sind als die inhabergeführten Einzelhandelsgeschäfte. Die zweite These lautet daher:

2) Vertriebsketten sind fortschrittlicher als inhabergeführte Geschäfte.

Ein weiterer Fokus dieser Arbeit soll darauf liegen, ob die Geschäfte der Innenstadt, welche zentraler liegen, digitalisierter sind als Geschäfte, die sich am Rand der Innenstadt befinden. In diesem Falle vermuten wir, dass die Geschäfte der „inneren“ City digitaler agieren als jene der „äußeren“ City. Von daher lautet unsere dritte Hypothese:

3) Die Geschäfte der „inneren“ City sind digitalisierter als Geschäfte der „äußeren“ City.

1.3 Innovationsplattform Einzelhandel (Christoph Eisele)

Um neben einer Literaturrecherche einen ersten Überblick über das Thema zu erhalten und erste Überprüfungen hinsichtlich der Hypothesen vorzunehmen, wurde am 8. Juni die Innovationsplatt- form Einzelhandel 2015 für den Austausch mit Experten genutzt. Das Event stand unter dem Motto „„Digitale Revolution“ - Ansatzpunkte für den Bonner Einzelhandel zur Einbindung innovativer digita- ler Kommunikation?“. Im Folgenden sollen nun die Beiträge kurz erläutert und die für uns wichtigen Thesen herausgestellt werden. Die Begrüßung durch Dr. Ziegenhagen (Wirtschaftsförderung Bonn) zeigte in Kurzform die aktuellen Trends auf und mit Zitaten wie „Handel ist Wandel“ oder „Trends sind globalisiert“ und steckte den Rahmen der Veranstaltung. Weiterführend wurde das Problem der unterschiedlich schnell verlaufenden Entwicklung angesprochen. Während der Einzelhandel sich in 60 Jahren vom „Tante Emma-Läden“ zu Shopping Centern entwickelt hat, verläuft die Entwicklung in der IT-Branche sehr viel schneller. Ziel sei es, nun diese Entwicklungen zusammen zu führen und aneinander zu koppeln.

Ein für uns sehr interessantes Thema war in diesem Zusammenhang der Vortrag von Roman Heim- bold mit dem Titel „Wuppertal-Effekt - Zukunftskonzept für den lokalen Einzelhandel“. Die Idee die- ses Konzeptes ist es, die Verbindung zwischen Einzelhandel und IT über einen verknüpften Online- Marktplatz mit dem stationären Einzelhandel herzustellen. Also eine moderne Form des Single-, Mul- ti- und Cross-Channelings herzustellen, welche vor allem kundenfreundlich gestaltet sein soll. In Form eines Online-Schaufensters wird der Kunde direkt mit den wichtigsten Informationen versorgt. Dieses zeigt ein Bild des Verkäufers, die Adresse, Telefonnummer und Öffnungszeiten, sowie Informationen über Aktionen und Veranstaltungen. Ähnliche Kriterien haben wir bei unserer Netzrecherche (siehe Kapitel 4.2) verwendet.

Das Thema „Social Media nalytics - Was denken meine Kunden über mich?“ war zumindest für einen Teilbereich unser Forschung sehr interessant. Die hier geladenen Experten von gmc² stellten die für den Einzelhandel entscheidenden Neuen Medien vor und welche Herausforderungen in Zu- kunft mit Facebook, Youtube und Twitter auf den Einzelhandel zukommen. Schwerpunkt des Vortra- ges war ein Informatik- und Mathematik-lastiger Bericht über die Möglichkeiten des Datensammelns aus den Sozialen Medien. Für unsere Arbeit konnten wir den Mehrwert daraus ziehen, welche sozia- len Medien gerade im Einzelhandel besonders wichtig sind und wie diese strukturiert sind. Dies war neben unserer Literaturrecherche ausschlaggebend für eine Fokussierung auf Facebook und Twitter im Forschungsteil.

Abgeschlossen wurde der Tag mit einem Workshop bei dem in Form eines World Café über die Vorträge diskutiert wurde unter dem Motto: „Gibt es Handlungsansätze in den Themenstellungen?“ Hier wurde die Möglichkeit genutzt, noch einmal über die Vorträge zu diskutieren und hilfreiche Kontakte zu Experten des Bonner Einzelhandels herzustellen.

2 Theoretische Grundlagen der Digitalisierung

Neben dem Besuch der Innovationsplattform Einzelhandel haben wir auch die relevante Literatur nach aktuellen Entwicklungen und Trends hinsichtlich unseres Themas durchsucht. Diese wird folgend in drei verschiedenen Kapiteln vorgestellt. Zunächst wird die Entwicklung des Vertriebes von Single- zu Multi- und Cross-Channeling Lösungen vorgestellt, welche heutzutage eine immer wichtigere Rolle spielen. Weiterhin wird auf den Online-Handel und weitere aktuelle technische und kulturelle Trends eingegangen. Zuletzt wird der noch junge Aufstieg der sozialen Medien erläutert und analysiert, welche Folgen dies für den Einzelhandel hat.

2.1 Single-/Multi- und Cross-Channeling (Dennis Beutelt)

Um die Probleme und Chancen, mit denen sich der Einzelhandel konfrontiert sieht, verstehen zu können, ist eine Betrachtung der modernen Vertriebswege vonnöten. Die einschlägige Literatur (etwa HADERLEIN 2013) unterscheidet hier zwischen verschiedenen Kanälen (daher der englische Begriff des „Channeling“), die hier in Kürze erklärt werden sollen.

Das Konzept des Single-Channeling, sofern man es denn als solches bezeichnen kann, ist wohl der älteste Vertriebsweg. Bis weit ins zwanzigste Jahrhundert hinein war es der einzige Vertriebskanal, der dem Handel für seine Zwecke zur Verfügung stand. Bespielhaft sei hier der „Tante-Emma- Laden“ genannt, in dem der stationäre Einzelhändler in seiner jeweiligen Lokalität mit seinen Kunden „ins Geschäft“ kam. Hier kam der Kunde tatsächlich ins Geschäft, um die vom Einzelhändler beschaff- ten Waren zu begutachten und dann zum Zwecke der eigenen Bedarfsdeckung zu kaufen. HADERLEIN (2013: 19) spricht hier von der traditionellsten Form des Einzelhandels, „geprägt durch den angesich- tigen Kundenkontakt und ein multisensuelles Produkterlebnis vor Ort“. Neben dieser Form des Sin- gle-Channeling entwickelte sich im 20. Jahrhundert der Versandhandel, der seine Waren üblicher- weise in Katalogen bewarb. Der Kunde konnte die Waren dann telefonisch oder per Post bestellen und bekam sie per Post geliefert. Der Versandhandel unterschied sich zwar deutlich vom stationären Einzelhandel, doch er war (und ist) ebenso auf den einen Vertriebskanal beschränkt. Als Beispiele wären hier etwa Otto oder Quelle zu nennen. Beim modernen Internetversandhandel (etwa der „In- ternet-Riese“ amazon) handelt es sich meist ebenso um Single-Channel-Retailer, sofern sie nicht zu- sätzlich Filialen betreiben.

Multi-Channeling verband erstmals verschiedene Vertriebskanäle; oder zumindest setzten Einzel- händler erstmals auf mehrere voneinander unabhängige Vertriebskanäle zugleich. „Multi-Channeling markiert den ersten Paradigmenwechsel mit dem Aufkommen des Internets Mitte der 1990er- Jahre.[͙΁ Multikanal-Handel [͙΁ umfasst Vertriebskanäle, die nicht zwingend strategisch als ge- schlossenes Ganzes installiert sind. Sie existierten als unabhängige Einheiten.“ (EBD.: 19). Es sei vor- gekommen, dass verschiedene Vertriebskanäle innerhalb eines Unternehmens konkurriert hätten.

Das für das Forschungsprojekt wichtigste Konzept ist das Cross-Channeling. „Mit dem Paradigma des Cross-Channeling werden die jeweiligen Kanäle strategisch bewusst zusammengedacht. [͙΁ Kunden hüpfen im Transaktionsprozess von Kanal zu Kanal, lassen sich qua Bilderstrecken in Printmedien inspirieren, vergleichen Preise im Internet und tätigen den bschluss am Point of Sale.“ (EBD.: 19).

HADERLEIN erweitert die Liste sogar noch um den Begriff des Omni-Channeling, das er als Erweiterung des Multi-Channeling versteht. Diese Erweiterung umfasst demnach etwa die Nutzung von sozialen Medien, um die Kundeninteraktion und -bindung zu erhöhen. Die Vertriebskanäle sind demnach noch mehr als im Multi-Channeling mit einander verflochten. Abbildung 1 zeigt die zeitliche Abfolge der bereits erläuterten Channel-Konzepte.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Entwicklung vom Single- hin zum Multi-/Omni-Channeling. Quelle: HADERLEIN 2012: 20.

HADERLEIN (2012: 22) nennt als Innovationen des Multi-Channeling unter anderem folgende Aspekte:

- Home Delivery: Ist ein Produkt im Geschäft nicht verfügbar, wird es aus einer anderen Filiale (einer Kette) zur Ansicht beschafft oder gleich zum Kunden nach Hause geliefert
- Click & Collect: Online-Bestellungen können im Laden angesehen, aus- oder anprobiert und gekauft werden
- Smarte Verkaufshilfen: Elektronische Helfer, etwa Tablet-PCs, ermöglichen im Geschäft das Stöbern im Sortiment und erlauben einen Überblick (oder eine Online-Bestellung) über verfügbare Artikel, die gerade nicht im Laden vor Ort greifbar sind.

Da die Kunden heutzutage in großer Zahl jederzeit mit einem Smartphone online sind, ist es ihnen prinzipiell jederzeit und überall möglich, sich über Konsumgüter zu informieren oder gleich online einzukaufen. Die Grenzen zwischen den Vertriebskanälen verwischen also zunehmend, da der Handel versuchen muss, eine Verfügbarkeit und Präsenz rund um die Uhr zu gewährleisten. Immer mehr „springen“ die Kunden beim Kauf von Produkten zwischen den Kanälen, wie Abbildung 2 zeigt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: "Channel-Hopping" als Herausforderung für den Handel. Quelle: HADERLEIN 2012: 28

Es ist also zu erwarten, dass der Einzelhandel auf diese veränderten Verhaltensmuster seiner Kunden reagieren muss, um sie weiterhin an sich zu binden und konkurrenzfähig zu bleiben. Das Projekt soll über die Reaktion des Bonner Einzelhandels auf die in kurzer Zeit entstandenen neuen Bedingungen Aufschluss geben.

2.2 Online-Handel und weitere Trends (Alexander Krawinkel)

Betrachtet man die heutigen Umsätze aus der E-Commerce Branche wird klar, dass diese immer bedeutsamer wird. Im Jahr 2014 betrug der Umsatz des Online-Handels in Deutschland 43 Mrd. €. 2015 wird ein Wachstum um 23% auf 53 Mrd. € prognostiziert und auch im Jahr 2016 soll der OnlineHandel noch einmal um 22% auf 65 Mrd. € anwachsen. Weiterhin ist interessant, dass der OnlineHandel inzwischen einen Anteil am gesamten Einzelhandel von über zehn Prozent verzeichnen kann. Bedingt durch das starke Wachstum wird dieser Anteil in den nächsten Jahren vermutlich auch ansteigen. Es zeigt sich also, dass der Online-Handel den ohnehin durch eine große Dynamik geprägten Einzelhandel sehr verändert hat und die Online-Plattformen immer mehr im Wettbewerb mit dem klassischen stationären Einzelhandel stehen (PRIESSNITZ 2015: 8f.).

Gleichzeitig klagt vor allem der stationäre Handel über die neue Online-Konkurrenz, welche zu Um- satzverlusten führt. Die allgemeine Stimmung innerhalb des Einzelhandels ist dabei immer mehr „on- line gewinnt und offline verliert“ (PRIESSNITZ 2015: 8f.). Dabei ist allgemein unumstritten, dass die Entwicklungen zu einem starken Wandel führen. Insbesondere der inhabergeführte Facheinzelhandel warnt davor, dass eine zunehmende Digitalisierung dazu führen wird, dass viele Geschäfte mittel- bis langfristig schließen müssen. Dies würde wiederum zu einer Verödung der Klein- und Mittelstädte führen und auch die Innenstädte der Großstädte wären langfristig bedroht. Allerdings war die Han- delsbranche schon immer stetigen Veränderungsprozessen ausgesetzt und daher stellt sich die Frage, wie die einzelnen Branchen sich in Zukunft entwickeln und reagieren werden (HEIERMANN 2014: 18). Vor allem der inhabergeführte Facheinzelhandel steht hier besonders unter Druck.

Betrachtet man weitere aktuelle Trends der Digitalisierung wird ersichtlich, warum diese eine zu- nehmende Bedeutung erlangt. Ein Beispiel hierfür ist die stetige Zunahme an Smartphones und ein rasantes Wachstum des mobilen Internetverkehrs, also jenen Internet-Aktivitäten, welche über Smartphones oder Tablets erfolgen. So suchen immer mehr Deutsche mit ihrem Smartphone oder Tablet nach Angeboten im Internet und wickeln damit auch Onlineeinkäufe und Bezahlungen ab. Nach HOFMANN (2015: 10f.) ist die „ npassung von Onlineshops für mobile Geräte für Händler 2015 absolute Pflicht.“ uch die zunehmende Einführung von Online-Payment, wie bspw. durch Apple oder Paypal wird auf den stationären Handel und den Online-Handel erhebliche Auswirkungen haben. Weiterhin werden die Erlebnisse im Netz immer vielfältiger. Internet-Nutzer erwarten heute mehr denn je ein einzigartiges, emotionales und interaktives Shopping-Erlebnis, was sich z.B. in Aug- mented-Reality-Lösungen oder Edutainment äußert (KREMMING 2014: 10f.). Genauso wird das vorhin erwähnte Cross-Channeling eine zunehmende und unverzichtbare Rolle innerhalb des Einzelhandels einnehmen. Zuletzt stehen den Händlern natürlich auch völlig neue Daten über die Kunden zur Ver- fügung. Durch das enorme Datenwachstum und die heutigen Big-Data Lösungen wird das personali- sierte Marketing immer mehr an Bedeutung gewinnen. So wird es den Händlern möglich sein, immer individuellere und auf den einzelnen Kunden zugeschnittene Werbung und Marketingstrategien anzuwenden (MARKL et al. 2013: 39f.).

2.3 Der Aufstieg der Neuen Medien (Christoph Eisele)

Nachdem im Kapitel zuvor die Relevanz und Tendenz des Umsatzes im Online Handel herausgestellt wurde, gilt es nun die Neuen Medien zu betrachten. Diese spielen, wie die Statistiken in diesem Kapi- tel zeigen, eine immer entscheidendere Rolle im Zusammenhang mit der Online-Präsenz und den sozialen Netzwerken. Dass die Trends zur Nutzung von Sozialen Medien wie Facebook und Twitter immer weiter steigen zeigt zum einen der Börsenbericht von Facebook über die offiziellen Facebook- Nutzerzahlen 2015, zum anderen weitere Studien des SocialMedia Institute (SMI) oder von bitkom, dem Digitalverband in Deutschland.

Auf allfacebook.de lassen sich regelmäßig aktuelle Zahlen rund um Facebook finden, von dieser Seite stammen im Folgenden die Werte aus dem 4. Quartal 2014. Diese beziffern aktuell 1,39 Mrd. aktive Facebook Nutzer, wovon etwa 301 Millionen aus Europa kommen (vgl. ROTH 2015, o. S.). Entschei- dend bei diesen Zahlen ist, dass es sich um aktive Nutzer handelt und nicht um die registrierten, also Nutzer die regelmäßig (mind. einmal pro Monat) online gewesen sind. Täglich online sind in Europa dann nur noch zwei Drittel der Aktiven Nutzer (217 Millionen) und damit 23 Millionen mehr als im Jahr 2014 (vgl. ebd.). Ein laut Facebook noch in den Anfängen steckender Trend, ist die mobile Nut- zung der Sozialen Medien auf Smartphones oder Tablets. Alleine hier stiegen die Benutzerzahlen in den letzten Zwei Jahren um fast 50 Prozent auf 1,1 Mrd. Nutzer weltweit (vgl. ebd.). Andere Statisti- ken der bitkom aus dem Jahr 2013 zeigen, dass vier von fünf Internetnutzern in Deutschland in min- destens einem sozialen Netzwerk angemeldet sind. Betrachtet man die jüngeren Generationen (14- 29 Jahre) dann steigt dieser Wert sogar auf 90 Prozent (vgl. ARNS 2013, o. S.). Interessant ist vor allem die Entwicklung der älteren Generationen im Bezug auf Facebook und die Nutzung digitaler Medien. So steigt dieser Wert von 2011 mit „46 Prozent der über 50-jährigen Internetnutzer“ (ARNS 2013, o. S.) auf 55 Prozent im Jahr 2013. Eine andere Studie von bitkom hat die Nutzung von Social Media im Kontext mit Unternehmen untersucht und zeigt ähnliche Trends auf, wie das Nutzerverhalten. Mitt- lerweile nutzen in Deutschland 70 Prozent der Unternehmen Soziale Netzwerke für interne oder ex- terne Kommunikation. Unabhängig von der Größe des Unternehmens haben viele das Potenzial von Social Media, die Dialogmöglichkeiten und Reichweite der Netzwerke, für sich entdeckt (vgl. ARNS 2015, o. S.). Spitzenreiter sind die Dienstleistungsunternehmen mit 84 Prozent, „Im Handel nutzen rund sieben von zehn Unternehmen (73 Prozent) soziale Netzwerke“ (ARNS 2015, o. S.). Vor allem die neuen Service- und Support-Kanäle sind für Kunden laut Studie eine gern gesehene Ergänzung (ARNS 2015, o. S.).

Versucht man nun diese Nutzerstatistiken für Twitter zu finden, gestaltet sich dies sehr kompliziert.

Je nach Erhebungsmethode schwanken hier die Daten zwischen 284 Millionen Nutzern (vgl. BUGGISCH 2015, o. S.) und bis zu 302 Millionen Nutzer weltweit (vgl. STATISTA 2015, o. S.). Die Problematik mit diesen Zahlen ist, dass sich Twitter selbst nicht dazu äußert, wie viele Menschen ihren Dienst in An- spruch nehmen. Ein weiteres Problem ist, dass jeder Twitter einsehen kann ohne sich zu registrieren und so wird die Zahl der Nutzer weit höher geschätzt als die Statistiken zeigen (vgl. BUGGISCH 2015, o. S.). Es muss also unterschieden werden zwischen aktiven Nutzern, welche selber etwas tweeten (Bei- trag online verfassen) und passiven Nutzern, die sich lediglich die Beiträge anderer angucken. Als realistischer Wert an Twitter Nutzern, welcher in verschiedenen Statistiken auftaucht, wird mit etwa

40 Millionen Nutzern (Gesamt) in Deutschland pro Monat gerechnet (vgl. STATISTA 2015a, o. S.). Da- niel Rehn bezieht sich in seinem Blog „Digitales & Reales“ ebenfalls auf diese Werte und kritisiert ebenfalls, dass Unternehmen wie Twitter oder Instagram lediglich die Zahlen der weltweiten Month- ly Acitve Users (MAU´s) veröffentlichen (vgl. REHN 2015, o. S.). Er bezieht sich in seinen Berichten vor allem auf die wohl größte Studie zum Thema Digitale Welt, welche jährlich von „We are Social Singa- pur“ über SlideShare veröffentlicht wird, also eine der aktuell größten Onlineplattformen mit 60 Mil- lionen Besuchern im Monat (vgl. SlideShare 2015, o. S.). Da auch diese Veröffentlichung keine abso- luten Zahlen hervorbringt, wird in dem Bericht versucht verschiedene Statistiken zu verbinden. Das Ergebnis sind 5,66 Millionen aktive Twitter Nutzer in Deutschland im Dezember 2014 (vgl. REHN 2015, o. S.). Twitter wäre damit auf Platz Zwei hinter Facebook mit 28,64 Millionen aktiven Nutzern. Der Vollständigkeit halber werden in der Statistik noch die Messenger und Chat Programme aufgeführt, welche ebenfalls zu Facebook gehören. Hier belegen Whats App mit 21 Millionen und der Facebook Messenger mit 12 Millionen Nutzern die oberen Plätze.

Doch nicht nur die ständig steigenden Nutzerzahlen und somit die steigende Zahl der Rezipienten sind für Einzelhändler potenziell interessant. Dorothea HEYMANN-REDER schrieb zu den Stärken des Social Media Marketing: „Social Media Marketing ist in einer Hinsicht unschlagbar: In dem Aspekt der Many-to-Many-Kommunikation. Anders als mit traditionellen Werbemitteln sind nicht Sie allein es, der Ihre Botschaft streut, sondern die Gespräche der Community: Man redet über Sie, und Sie reden mit.“ (HEYMANN-REDER 2011: 30). Das heißt also, dass die Einzelhändler von neuen Möglichkeiten der Kommunikation mit ihren Kunden enorm profitieren könnten, wenn sie denn bereit wären, diese auch zu nutzen und sich auf die vergleichsweise schnelllebige Online-Welt einzulassen.

Ende der Leseprobe aus 47 Seiten

Details

Titel
Der Bonner Einzelhandel im Beta-Test. Gelingt die Digitalisierung 2.0?
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Geographie)
Autoren
Jahr
2015
Seiten
47
Katalognummer
V305495
ISBN (eBook)
9783668034686
ISBN (Buch)
9783668034693
Dateigröße
2362 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
E-Commerce, Digitalisierung, Digital, Cross-Channeling, Multi-Channeling, Bonn, Inhabergeführt, Vertriebsketten
Arbeit zitieren
Alexander Krawinkel (Autor:in)Dennis Beutelt (Autor:in)Christoph Eisele (Autor:in), 2015, Der Bonner Einzelhandel im Beta-Test. Gelingt die Digitalisierung 2.0?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/305495

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