Einleitung
„Ich glaube, dass ein Leben im Westen für mich das Ende meiner schriftstellerischen Arbeit bedeuten würde. Der erste Grund: Ich bin schon zu lange in diesem Land – seit 1953. Meine Kenntnisse – von der Sprache bis hin zur gesellschaftlichen Struktur – sind spezialisiert auf die DDR. Die westdeutsche Sprache kann ich nur nachäffen wie ich den Blues der Amerikaner nachäffe.“1 Diese Worte, die Wolf Biermann kurz vor seiner Ausbürgerung aus der DDR im Jahr 1976 in einem Interview mit Günter Wallraff äußerte, wirken wie eine treffende Zusammenfassung der Rezeption und der öffentlichen Wahrnehmung des Dichters und Liedermachers. Seine Popularität, die er schon seit den 60er Jahren und spätestens seit seinem Verbot durch das 11. Plenum des Zentralkomitees der SED im Jahre 1965 genießt, ist untrennbar mit seiner Rolle als oppositioneller Dichter in der DDR verbunden. Seine Wallraff gegenüber geäußerte Befürchtung, im Westen Deutschlands nicht mehr schreiben zu können, macht auch Biermanns thematische Fixierung auf die Auseinandersetzung mit dem DDR-Sozialismus deutlich. Bis zu seiner Ausbürgerung hatten seine Lieder und Gedichte fast ausschließlich seine eigene Situation als verbotener Dichter, die politische Auseinandersetzung mit der SED und seine Vorstellungen von einem fortschrittlichen und demokratischen Sozialismus zum Thema. Seine Kritik am stalinistisch geprägten realexistierenden Sozialismus in der DDR bewirkte, dass Biermanns Werk bis zu seiner Ausbürgerung in der Bundesrepublik weitgehend positiv aufgenommen wurde. Dabei wurden nicht nur seine poetischen Qualitäten von der Kritik gewürdigt, auch seine politischen Überzeugungen wurden in erster Linie als Opposition gegen das DDR-Regime bewertet. Dass Wolf Biermann jedoch trotz aller Kritik überzeugter Kommunist war, dass er ungeachtet aller Probleme die DDR für den besseren Teil Deutschlands hielt und, wie das Walraff-Interview zeigt, die Absicht hatte, in der DDR zu bleiben und sich dort weiterhin zu engagieren, wurde vergleichsweise selten berücksichtigt. Seine kommunistischen und antikapitalistischen Überzeugungen wurden, beispielsweise im Vergleich zu linken Autoren in der BRD, weniger in den Mittelpunkt der Kritik gerückt, da er sich in erster Linie gegen das Regime in der DDR und weniger gegen die Verhältnisse in der BRD wandte. [...}
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Grundlagen zu Werk und Person
- Politische und private Einflüsse: Wichtige biographische Daten
- Sozialismus und Demokratie: Biermanns politische Vorstellungen in der DDR
- Schattenbilder in der Höhle des Gemüts: Das Private und das Politische in Biermanns Lyrik
- Zwischen DDR und BRD: Erste Orientierungsversuche nach der Ausbürgerung
- Die Ankunft in der westlichen Gesellschaft und die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus
- Das neue Politikverständnis
- Die Auseinandersetzung mit der kommunistischen Ideologie
- Das Verhältnis von Liebe und Politik nach dem Verlust der Utopie
- Zwischenbilanz nach zehn Jahren in der Bundesrepublik
- Die Wiedervereinigung Deutschlands und das Ende des Ost-West-Konflikts
- Die direkte Einmischung in politische Diskurse: Wolf Biermann als Essayist
- Neue Hoffnung auf einen demokratischen Sozialismus: Die Politik Michael Gorbatschows
- Das Ende der DDR und die Wiedervereinigung
- Die Politische Neuorientierung nach dem Ende der DDR
- Wolf Biermann als Dichter und Publizist in der Berliner Republik
- Der neue thematische Schwerpunkt: Die jüdische Kultur und der Holocaust
- Gegenwart und Geschichtsbild: Die späten Lieder und Gedichte zum Thema Berlin
- Vom Klassenkampf zum Kampf der Kulturen: Biermanns politische Entwicklung bis zur Gegenwart
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit untersucht die Entwicklung des Werks Wolf Biermanns seit 1980, fokussiert auf die Veränderungen, die durch die Ausbürgerung aus der DDR, die Wiedervereinigung Deutschlands und den Wandel der politischen Landschaft entstanden sind. Sie analysiert, wie diese Ereignisse Biermanns politische und künstlerische Positionierung beeinflusst haben und wie sich seine Themenschwerpunkte im Laufe der Jahre entwickelt haben.
- Biermanns politische Entwicklung im Kontext der DDR und seiner Ausbürgerung
- Die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus und dem Sozialismus nach der Ausbürgerung
- Die Rolle von Biermanns Werk in der Wiedervereinigung und der politischen Neuorientierung nach dem Ende der DDR
- Die Entwicklung der thematischen Schwerpunkte in Biermanns Werk nach der Wende, insbesondere die Auseinandersetzung mit der jüdischen Kultur und dem Holocaust
- Der Wandel von Biermanns politischer Positionierung vom Klassenkampf zum Kampf der Kulturen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die These auf, dass Biermanns Werk durch die Ausbürgerung und die Wiedervereinigung Deutschlands tiefgreifende Wandlungen erfahren hat.
Kapitel 2 untersucht Biermanns Biografie und seine politischen und privaten Einflüsse. Es beleuchtet seine politische Haltung in der DDR sowie das Verhältnis von Politik und Privatem in seiner Lyrik.
Kapitel 3 betrachtet die Auswirkungen der Ausbürgerung auf Biermanns Werk. Es analysiert sein neues Politikverständnis, die Auseinandersetzung mit der kommunistischen Ideologie und das Verhältnis von Liebe und Politik.
Kapitel 4 untersucht Biermanns Positionierung in der Zeit der Wiedervereinigung und das Ende des Ost-West-Konflikts. Es analysiert seine Rolle als Essayist und seine Reaktion auf die Politik Gorbatschows.
Kapitel 5 analysiert Biermanns Werk in der Berliner Republik, insbesondere seine Auseinandersetzung mit der jüdischen Kultur und dem Holocaust.
Schlüsselwörter
Wolf Biermann, DDR, Ausbürgerung, Kommunismus, Sozialismus, Wiedervereinigung, politische Entwicklung, politische Positionierung, jüdische Kultur, Holocaust, Klassenkampf, Kampf der Kulturen, Lyrik, Essayistik.
- Quote paper
- Markus Busche (Author), 2004, Wandlungen im Werk Wolf Biermanns seit 1980, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30557