Die Prägung durch das Elternhaus als Risikofaktor oder Schutzfaktor bei der Entstehung von Jugendgewalt

Konsequenzen für die schulische Praxis


Bachelorarbeit, 2015

68 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der Abbildungen

1 Einleitung

2 Jugendgewalt
2.1 Begriffsbestimmung
2.2 Der Gewaltbegriff in Abgrenzung zur Aggression
2.3 Ein Blick in die Statistik
2.4 Adoleszenz als besondere Lebensphase
2.5 Formen von Jugendgewalt
2.6 Erklärungsansätze
2.7 Jugendgewalt und Geschlecht
2.8 Komorbide Verhaltensauffälligkeiten

3 Das Elternhaus als Risikofaktor bei der Entstehung von Jugendgewalt
3.1 Einordnung und Begriffsbestimmung von Risikofaktoren
3.2 Wesentliche elternbezogene Risikofaktoren bei der Entstehung von Jugendgewalt
3.2.1 Konflikte in elterlicher Beziehung
3.2.2 Trennung oder Scheidung der elterlichen Beziehung
3.2.3 Elterliches Erziehungsverhalten
3.2.4 Indirekte Viktimisierung durch Beobachtung familiärer Gewalt
3.2.5 Direkte Viktimisierung durch eigene Gewalterfahrungen
3.2.5.1 Physische Gewalterfahrungen
3.2.5.2 Psychische Gewalterfahrungen
3.3 Kumulative Zusammenhänge zwischen elternbezogenen Risikofaktoren bei der Entstehung von Jugendgewalt

4 Das Elternhaus als Schutzfaktor bei der Entstehung von Jugendgewalt
4.1 Einordnung und Begriffsbestimmung von Schutzfaktoren
4.2 Wesentliche 2elternbezogene Schutzfaktoren bei der Entstehung von Jugendgewalt
4.2.1 Autoritatives Erziehungsverhalten
4.2.2 Sichere Bindung
4.3 Kumulative Zusammenhänge zwischen elternbezogenen Schutzfaktoren bei der Entstehung von Jugendgewalt

5 Kleine qualitative Stichprobe anhand von drei Interviews
5.1 Vorstellung der Kinder- und Jugendhilfe des CJDs
5.2 Durchführung der Interviews
5.3 Auswertung- Interview 1
5.4 Auswertung- Interview 2
5.5 Auswertung- Interview 3
5.6 Zusammenfassende Erkenntnisse

6 Konsequenzen für die schulische Praxis
6.1 Die schulische Lernkultur
6.2 Die Gestaltung des Sozialklimas
6.3 Prozesse der Etikettierung und Stigmatisierung
6.4 Etablierung von Regeln
6.5 Kooperation mit außerschulischen Partnern

7 Fazit

8 Literaturverzeichnis

Verzeichnis der Abbildungen

Abbildung 1: Körperverletzung insgesamt

Abbildung 2: Körperverletzung insgesamt nach Altersstruktur

Abbildung 3: Körperverletzung- ausgewählte Straftaten nach Altersgruppe und Geschlecht

Abbildung 4: Kreislauf der indirekten Viktimisierung.

Abbildung 5: Gewalttäterraten nach erlebter elterlicher Gewalt in Kindheit und Jugend.

1 Einleitung

„Die Menschen werden als Prinzen und Prinzessinnen geboren, bis ihre Eltern sie in Frösche verwandeln“ (Nuber, 2010, S.52). Diese sehr defizitäre Sichtweise des elterlichen Einflusses auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen kann natürlich nicht ohne Weiteres stehengelassen werden. Doch was will dieses Zitat eigentlich genau ausdrücken?

Das Elternhaus, welches in jederlei Hinblick einen großen Einfluss auf Entwicklungsverläufe von Kindern und Jugendlichen ausübt, gerät genau aus diesem Grund, immer wieder in den Fokus. Hierbei stellt sich die Frage, wodurch Eltern einen günstigen und somit förderlichen Einfluss auf ihre Kinder haben und durch welche Verhaltensweisen sie ihren Kindern eher schaden.

Jugendgewalt dringt immer wieder durch die skandalöse Darstellung der Medien in das subjektive Bewusstsein vieler Menschen. Bei der Frage nach den Ursachen von Jugendgewalt oder möglichen Bedingungen, welche diese begünstigen, gerät immer häufiger das Elternhaus in den Fokus der Betrachtungen. Doch was genau trägt das Elternhaus zur Entstehung jugendlicher Gewalt bei?

Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag dazu leisten, den Einfluss, welchen das Elternhaus bei der Entstehung von Jugendgewalt haben kann, besser nachvollziehen zu können. Hierbei werden jedoch nicht nur risikofördernde Merkmale des Elternhauses betrachtet, sondern ebenso risikomildernde Einflüsse, welche das Elternhaus hierzu leisten kann.

Zunächst wird dabei das Phänomen der Jugendgewalt gezielt in den Blick genommen. Hierbei werden allgemein gültige Erklärungsansätze, statistische Daten, aber auch komorbide Verhaltensauffälligkeiten gewalttätig gewordener Jugendlicher betrachtet.

Anschließend wird das Elternhaus gezielt in den Blick genommen. Hierbei werden zunächst elternbezogene Risikofaktoren betrachtet. Anschließend wird die andere Seite der elterlichen Prägung, durch die Betrachtung relevanter Schutzfaktoren beschrieben.

Im fünften Kapitel folgt die Auswertung dreier Interviews, in denen Jugendliche etwas über ihre Erfahrung mit Gewalt und der Rolle, die ihr Elternhaus diesbezüglich hat, berichten.

Abschließend folgt ein Blick auf mögliche Präventions- und Interventionsmaßnahmen, welche in der schulischen Praxis berücksichtigt werden sollten.

2 Jugendgewalt

Immer wieder wird das Phänomen der Jugendgewalt durch die mediale Berichterstattung von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Tritt ein neuer Fall an die Oberfläche wird die Allgemeinheit hellhörig und es werden Fragen nach den Ursachen gestellt (vgl. Sachs, 2006, S.11). In der Politik beginnen dann wieder Debatten darüber, welche Konsequenzen und Sanktionen die jugendlichen Gewalttäter aus ihrer Tat tragen sollen. Durch die Art und Weise der Darstellung in den Medien, fällt die Bildung eines negativ beladenen Urteils der Öffentlichkeit oftmals leicht (vgl. Van Bommel, 2013, S. 13). Die Süddeutsche Zeitung beispielsweise publizierte am 14. September 2009 einen Beitrag zur Jugendgewalt unter folgendem Titel: „Prügeln ohne Grenzen.“ Dabei scheint es doch so, als würden die öffentlichen Debatten und die dadurch ausgelösten Ängste in regelmäßigen Abständen seit den 1990er Jahren immer wiederkehren (vgl. Ecanius/ Eulenbach/ Fuchs& Wagenbach, 2011, S. 190). Doch ist es wirklich so, dass die Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen stetig wächst? Oder wird diese Wahrnehmung lediglich durch die Medien gefördert? Die statistischen Daten, welche genauer in einem der folgenden Kapitel dieser Arbeit betrachtet werden, sind hierzu nicht sehr aussagekräftig, da zum einen von einem sehr hohen Dunkelfeld der Jugendgewalt ausgegangen werden muss und zum anderen von einem Wandel in Bezug auf das Anzeigeverhalten von Gewaltdelikten durch die Bevölkerung (vgl. hierzu z.B. Strickelmann, 2014, S. 36). Dunkelfelduntersuchungen, welche bei Jugendgewalt eine tragende Rolle spielen, unterliegen bisher keiner Regelmäßigkeit, sowie es bei der Erhebung zum Hellfeld der Fall ist, welche in jährlichen Abständen durch die polizeiliche Kriminalstatistik erfasst wird.

Über allem wirft sich die Frage nach der Besonderheit von Jugendgewalt im Gegensatz zu Gewalt, welche von anderen Altersgruppen begangen wird, auf. Werden Gewalttaten wirklich so überproportional häufig von Jugendlichen im Vergleich zu anderen Altersgruppen begangen? Oder handelt es sich eigentlich doch nur um Einzelfälle, welche in der Gesellschaft zu Angst und Schrecken führen?

2.1 Begriffsbestimmung

Eine eindeutige Definition von Jugendgewalt ist selbst in der zahlreich erschienen Literatur, in welcher sich verschiedene Fachdisziplinen laufend mit dieser Problematik auseinandersetzen, nicht zu finden. Vielfach wird hier die Begrifflichkeit „dissoziales Verhalten“ verwendet, welche allerdings mehrere Verhaltensmuster (oppositionell, aggressiv, delinquent oder kriminell) zusammenfasst und deshalb nur sehr unscharf ist (vgl. Beelmann& Raabe, 2007, S.17).

Durch die öffentliche Brisanz um das Phänomen der Jugendgewalt, wird auch von einem durch die Medien produzierten Kunstbegriff gesprochen, welcher vor allem in den letzten Jahren präsent zu sein scheint (vgl. Streit 2010, S. 36 ).

Jugendgewalt wird oftmals synonym zum Begriff der Jugendkriminalität verwendet, was strafrechtlich betrachtet inkorrekt ist . Wird vom Begriff der Jugendkriminalität Gebrauch gemacht, sollte davon ausgegangen werden, dass der Jugendliche mit dem Gesetzt in Konflikt gekommen ist, folglich also in der Kriminalstatistik auftaucht. Kriminalität durch Jugendliche und auch durch Kinder, tritt jedoch zum Großteil in Form von Bagatelldelikten, wie beispielsweise Schwarzfahren oder Diebstählen, mit zumeist nur sehr geringem Sachschaden auf (vgl. Gugel, 2010, S. 158). Jugendgewalt im Sinne von Gewaltkriminalität, welche jährlich durch die polizeiliche Kriminalstatistik erfasst und somit strafrechtlich verfolgt wird, begeht lediglich eine kleinere Gruppe Jugendlicher (vgl. Gugel, 2010, S.158).

Welche Delikte tatsächlich unter Gewaltkriminalität subsumiert und somit von der polizeilichen Kriminalstatistik erfasst werden und welche nicht, wird im Folgenden herausgestellt. Hierbei wird sich zeigen, dass Jugendgewalt einem weiteren Verständnis von Gewalt entsprechen sollte, wie es tatsächlich durch die Statistik erfasst wird.

Vereinfacht ausgedrückt könnte es sich bei dem Begriff Jugendgewalt also um eine Verknüpfung der beiden Begriffe Jugend und Gewalt handeln (vgl. Streit 2010, S. 36). Vergleichbar könnte hierzu die kurze, aber wenig ausdrucksstarke Begriffserklärung sein, dass es sich bei Jugendgewalt, um von Jugendlichen ausgeführte und ausgehende Gewalt handelt (vgl. Sachs 2006, S. 13). Was aber wird genau unter dem Begriff der Gewalt in Bezug auf Jugendliche verstanden? Bei der Betrachtung der einschlägigen Literatur fällt auf, dass definitorisch lediglich auf den Gewaltbegriff als solchen eingegangen wird, jedoch nicht ausdrücklich auf Jugendgewalt. Bevor der Gewaltbegriff näher bestimmt wird, sollte noch angemerkt werden, dass es sich bei Jugendgewalt lediglich um eine von zahlreichen Ausprägungen von Gewalt in unserer Gesellschaft handelt (vgl. Sachs/ Schmidt 2014, S. 7).

Da Jugendgewalt in der Öffentlichkeit ausschließlich als physische Gewalt wahrgenommen wird und dabei für unterschiedlichste Deliktarten Verwendung findet, ist es von Bedeutung darzulegen, dass der Gewaltbegriff in einen eng und einen weitgefassten Begriff subsumiert werden kann. Für diese Arbeit ist zum einen die direkte physische Gewalt von Bedeutung, welche einem engen Gewaltverständnis entspricht und zum anderen die psychische Gewalt, welche einem weiter gefassten Verständnis von Gewalt gleichkommt (vgl. Otger 2003, S. 36).

Die Begrifflichkeit Jugendgewalt bleibt somit ein Phänomen, welches sich definitorisch nicht eindeutig festlegen lässt.

Ähnlich verhält es sich auch um die beiden Begriffe der Gewalt und der Aggression, welche ebenfalls nicht immer eindeutig differenziert voneinander Verwendung finden.

2.2 Der Gewaltbegriff in Abgrenzung zur Aggression

Im alltäglichen Sprachgebrauch werden die Begriffe Gewalt und Aggression nur sehr unscharf voneinander getrennt. Gewalt kristallisiert sich hierbei jedoch immer mehr als übergeordneter Begriff heraus (vgl. Schubarth, 2008, S. 46). Das Problem hierbei ist, dass die beiden Begrifflichkeiten, je für sich, keiner konformen Definition unterliegen (vgl. Kilb, 2009, S. 17). Nicht einmal im juristischen Bereich oder der Wissenschaft bedient man sich einer einheitlichen begrifflichen Verwendung.

Etymologisch betrachtet ist zunächst festzuhalten, dass Aggression ein Lehnwort ist, welches auf das lateinische Wort agressio zurückzuführen ist, das zunächst einmal so viel bedeutet wie „Angriff“ (vgl. Jung, 2002, S. 47). Gewalt hingegen kann etymologisch betrachtet auf das indogermanische und althochdeutsche zurückgeführt werden und bedeutet „walten“, „Macht ausüben“ und „beherrschen“ (vgl. Streit, 2010, S. 26).

Beim näheren Auseinandersetzen mit den Phänomenen der Aggression und der Gewalt, ist festzustellen, dass diese aufgrund spezifischer Merkmale begriffsdefinitorisch voneinander unterschieden werden müssen. Gewalt, welche ein sehr breites Spektrum an Formen, wie physischer Gewalt, psychischer Gewalt (darunter verbale Gewalt) oder sogar struktureller Gewalt aufweist, wird immer wieder als „Aggression in ihrer extremen und sozial nicht akzeptablen Form“ betrachtet (Kilb, 2009, S. 18). Somit ist Gewalt als eine mögliche, jedoch nicht zwangsläufige Form von Aggression anzusehen. Stickelmann (2014) weist darauf hin, dass Aggression auf zwei Ebenen anzusehen ist, wobei die erste Ebene das Gefühl bzw. die Emotion ist und die zweite Ebene das (gewalttätige) Handeln. Offen bleibt, ob Emotionen in Handeln umschlagen oder aber im Verborgenen bleiben (vgl. Stickelmann, 2014, S.35).

Zu betrachten wäre hierbei, dass jegliche Ausübung von Gewalt, sei es physischer oder psychischer Art, immer ein Machtgefälle zwischen dem Opfer, welches dem Täter beispielsweise durch körperliche Stärke unterlegen ist, mit sich bringt (vgl. Schubarth, 2008, S. 45 f.). Hierbei werden verstärkt die Perspektive und das Gewalterleiden aufseiten des Opfers in den Blick genommen. Dieses intrinsische Gewaltmotiv spielt in Bezug auf Jugendgewalt und bei der Abgrenzung zum Aggressionsbegriff eine tragende Rolle, da es den Tätern meistens um Demonstration ihrer Stärke und Macht über dem Opfer geht (vgl. Sutterlüty, 2008, S. 65). In diesem Fall ist von einem physischen Gewaltverständnis auszugehen, da das Empfinden der Omnipotenz des Täters sehr eng an die körperliche Komponente von Gewalt angelehnt ist (vgl. Sutterlüty, 2008, S. 66). Dieses Machtgefälle zwischen Täter und Opfer, löst aufseiten des Täters ein gesteigertes Selbstwertgefühl und eine sinnbetäubende Selbstwahrnehmung aus (vgl. Sutterlüty, 2008, S. 66). Kilb (2011), weist hierbei auf eine Definition von Zimbardo& Gerrig (2003) hin, welche den Gewaltbegriff somit als ein extremeres, auf eine Verletzung anderer Personen zielendes Angriffsverhalten beschreiben, welches soziale Regeln außer Acht lässt (vgl. Kilb 2011, S. 19). Welche Faktoren ein solches Gewaltmotiv begünstigen, wird sich im Laufe dieser Arbeit herauskristallisieren.

Bezüglich des Aggressionsbegriffs in Korrelation mit Jugendgewalt, sollte noch auf das diagnostische und statistische Manual Psychischer Störungen (DSM-IV-TR) hingewiesen werden, welches zwei Erscheinungsformen aggressiven Verhaltens im Kindes- und Jugendalter klassifiziert (vgl. Petermann& Petermann, 2008, S.277). Die erste Erscheinungsform aggressiven Verhaltens, ist die Störung des Sozialverhaltens (SSV) und die zweite Form die Störung mit oppositionellem Trotzverhalten (SOT). Die beiden Störungsbilder unterschieden sich hinsichtlich ihrer gezeigten Verhaltensmuster (vgl. Scheithauer& Petermann, 2002, S.189f.). Bezüglich dieser Arbeit und dem Phänomen der Jugendgewalt, ist die Störung des Sozialverhaltens (SSV) relevant. Bei der Störung des Sozialverhaltens, handelt es sich nach der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10: F91) um ein beständiges Verhaltensmuster, durch welches elementare Rechte anderer Menschen verletzt werden (vgl. Baving, 2008, S.296 f.). Darunter fallen unter anderem physische und verbale Aggressionen. Die ICD 10 und die DSM-IV-TR differenzieren hierbei zwischen dem Beginn in der Kindheit und dem Beginn in der Adoleszenz, da sich das Störungsbild hierbei hinsichtlich Symptomatik, Entwicklungsverlauf und Prognose unterscheidet (vgl. Baving, 2008, S. 298). Hierbei wäre darauf hinzuweisen, dass die Symptomatik einer Störung des Sozialverhaltens in der Adoleszenz bis hin zu schweren aggressiven Handlungen wie Raub, Vergewaltigung oder gar Totschlag reichen kann (vgl. Baving, 2008, S.299). Risikofaktoren, welche eine Störung des Sozialverhaltens begünstigen, decken sich zu einem großen Teil mit solchen Risikofaktoren, welche bei der Entstehung von Jugendgewalt von tragender Bedeutung sind. Im Laufe dieser Arbeit, werden einige der zentralen elternbezogenen Risikofaktoren aufgeführt und näher erläutert.

Im Folgenden wird der Blick aber zunächst auf ausgewählte und für das Phänomen der Jugendgewalt relevante Daten gelenkt.

2.3 Ein Blick in die Statistik

Die subjektive Wahrnehmung der Bevölkerung darüber, dass Jugendgewalt seit Jahren konstant ansteigt, ist beachtlich. Baier (2011) verweist hierzu auf eine bevölkerungsrepräsentative Umfrage aus dem Jahr 2010, bei welcher 48% der Bevölkerung der Überzeugung unterliegen, Jugendgewalt wäre in den letzten zehn Jahren angestiegen (vgl. Baier, 2011, S. 35). Quellen, welche zur Einschätzung der Reichweite von Jugendgewalt verwendet werden können, sind zum einen die polizeiliche Kriminalstatistik, bei welcher es sich um eine Tatverdächtigenstatistik handelt, die das Hellfeld abbildet und zum anderen Befragungen von Opfern und Studien zu selbstberichteter Gewalt, welche wiederum auf Dunkelfelduntersuchungen beruhen.

Beim näheren Betrachten der polizeilichen Kriminalstatistik ergeben sich hinsichtlich der Erfassung jugendlicher Gewalt einige Aspekte, welche einer näheren Erklärung bedürfen. Zum einen sollten unter dem Phänomen der Jugendgewalt nicht sämtliche Delikte subsumiert werden, sondern gezielt zwischen einzelnen Straftatengruppen differenziert werden. Zum anderen ist Jugendgewalt nicht per se mit jedem Delikt der Gewaltkriminalität in Verbindung zu bringen, da unter Gewaltkriminalität auch Delikte wie Mord und Totschlag oder Körperverletzung mit Todesfolge subsumiert werden, leichte vorsätzliche Körperverletzung jedoch nicht zu dieser Gruppe gehört. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die Körperverletzungsdelikte insgesamt nach Altersstruktur:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Körperverletzung insgesamt nach Altersstruktur

Quelle: Eigene Darstellung; vgl. Polizeiliche Kriminalstatistik. Bundesrepublik Deutschland. Jahrbuch 2013, (2014), Tabelle 20, S.150.

Zu erkennen ist hierbei zunächst einmal, dass die Gruppe der unter 21-Jährigen einen Anteil von insgesamt 21,6 % an allen Deliktformen, welche unter Körperverletzung subsumiert werden, ausmachen, wobei die Altersgruppe der Jugendlichen mit 9,2 % noch unter der Gruppe der Heranwachsenden mit 10,0 % liegt. Da auch unter Körperverletzung nicht alle Delikte eine Relevanz für das Phänomen der Jugendwalt haben, wird mit der folgenden Abbildung deutlich, auf welche Bereiche sich die Jugendgewalt bezogen auf die Deliktform der Körperverletzung verteilt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Körperverletzung nach Altersstruktur

Quelle: Eigene Darstellung; vgl. Polizeiliche Kriminalstatistik. Bundesrepublik Deutschland.

Jahrbuch 2013, (2014), Tabelle 20, S. 150.

Die Abbildung zeigt, dass bei gefährlicher und schwerer Körperverletzung zwei von fünf Tatverdächtigen Minderjährige oder Heranwachsende sind, was einen Prozentsatz von insgesamt 40,2% ausmacht. Im Vergleich hierzu lagen die Zahlen laut polizeilicher Kriminalstatistik für das Jahr 2011 bei 43,8% und für das Jahr 2012 bei 43,0% und sind somit seit drei Jahren rückläufig (vgl. polizeiliche Kriminalstatistik, 2014, S. 150). Dennoch liegt der Anteil der gefährlichen und schweren Körperverletzung knapp doppelt so hoch wie bei vorsätzlich leichter Körperverletzung mit insgesamt 20,4 %. Diesbezüglich weist die polizeiliche Kriminalstatistik daraufhin, dass gefährliche und schwere Körperverletzung bereits dann vorliegt, wenn es sich um eine von mehreren Tätern durchgeführte Tat, also um eine Gruppentat handelt, welche in den Altersgruppen der unter 21- Jährigen (s. oben) stark verbreitet ist (vgl. polizeiliche Kriminalstatistik, 2014, S. 150). Hierzu wäre auf eine bundesweite repräsentative Dunkelfeldbefragung aus dem Jahr 2007/ 2008 hinzuweisen, bei welcher insgesamt 44.610 Schülerinnen und Schüler, welche durchschnittlich 15,3 Jahre alt waren, befragt wurden, wie häufig sie in den letzten zwölf Monaten, welche Art von Delikten begangen haben (vgl. Baier, 2011, S. 42). Bezüglich der Erkenntnisse, welche sich aus Abbildung 2 ergeben, bringt die Dunkelfeldbefragung interessante Erkenntnisse. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Angaben der polizeilichen Kriminalstatistik (hierbei wurde sich auf die PKS aus dem Jahr 2006/ 2007 bezogen) unter den Angaben der Dunkelfeldbefragung liegen (vgl. Baier, 2011, S. 43). Das Dunkelfeld ist bei Delikten wie gefährlicher und schwerer Körperverletzung allerdings sehr viel kleiner als bei vorsätzlich leichter Körperverletzung.

Die polizeiliche Kriminalstatistik ist demnach nur sehr begrenzt aussagekräftig, da kleinere Delikte wie vorsätzlich leichte Körperverletzung deutlich seltener zur Anzeige gebracht werden als schwere Körperverletzungen (vgl. Baier, 2011, S. 44). Dieses Ergebnis bestätigt die These, dass es nicht zwangsweise die erhöhte Gewaltbereitschaft Jugendlicher ist, sondern die erhöhte Erfassungstendenz schwerwiegender Delikte, welche wiederum auf eine erhöhte Anzeigebereitschaft der Bevölkerung zurückzuführen ist, die eine Erklärung für diese Diskrepanzen sein könnte. Fernerhin könnte die Bevölkerung durch die oftmals „skandalisierende“ Berichterstattung der Medien, eine erhöhte Sensibilität gegenüber jugendlichen Gewalttaten entwickelt haben.

Demnach kann die subjektiv wahrgenommene Brutalisierung jugendlicher Gewalt, nicht zweifelsfrei bestätigt werden. Fernerhin existieren Dunkelfeldstudien bisweilen nur beschränkt auf einzelne Städte oder Schulgewalt und unterliegen zudem keiner Regelmäßigkeit. Infolgedessen bleibt ungewiss, ob die kriminalstatistischen Daten die Wirklichkeit widerspiegeln oder ob es sich hierbei nur um eine Verschiebung der Grenze zwischen Hell- und Dunkelfeld handelt.

2.4 Adoleszenz als besondere Lebensphase

Jugend(-alter), Pubertät und Adoleszenz werden als Ausdrücke synonym zueinander verwendet. Etymologisch betrachtet leitet sich das Wort Adoleszenz vom lateinischen Begriff adolescere ab und kann so mit „heranreifen“ oder auch „aufwachsen“ übersetzt werden. Pubertät lehnt sich an den ebenfalls lateinischen Begriff pubertas an und kann mit „Geschlechtsreife“ übersetzt werden.

Grob eingeordnet wird diese Phase zwischen dem Ende der Kindheit und Beginn des Erwachsenenalters und somit ungefähr zwischen dem zehnten und zwanzigsten Lebensjahr (vgl. Grob& Jaschinski, 2003, S. 12). Im strafrechtlichen Sinn unterliegt Jugend folgenden, wie auch für alle anderen Altersgruppen geltenden, Strukturen:

- Kinder, < 14 Jahren
- Jugendliche, 14<18 Jahren
- Heranwachsende, 18<21 Jahren und
- Erwachsene ab 21 Jahren.

Das Loslösen vom Elternhaus und die Entwicklung einer eigenständigen Persönlichkeit und Identität gehören zu den essenziellen Aufgaben, welche es im Jugendalter zu bewältigen gibt (vgl. Hurrelmann& Quenzel, 2012, S. 27). Ein besonders bedeutsamer Punkt, auf welchen, besonders in Hinblick auf Jugendgewalt, hingewiesen werden sollte ist, dass Jugendliche einem Entwicklungsdruck ausgesetzt sind, da sie mit der alltäglichen Ungewissheit leben, ob sie die zu bewältigenden Lebensziele erreichen können oder nicht (vgl. Hurrelmann& Quenzel, 2012, S. 77). Sollte diese Entwicklung nicht geradlinig gelingen, kann dies negative Auswirkungen auf das Selbstwirksamkeitskonzept der Jugendlichen und somit auf den weiteren Lebenslauf haben (vgl. Hurrelmann& Quenzel, 2012, S. 79).

Kein weiterer Lebensabschnitt geht somit mit solch multiplen psychisches als auch physischen Umbrüchen einher (vgl. Ayan, 2011, S. 75). Zu den Auswirkungen, welche psychische Veränderungen in der Adoleszenz mit sich bringen können, gehören beispielsweise Selbstzweifel und Unabhängigkeitsgefühle, welche sich auch in Gewalt, Delinquenz oder Aggression äußern können, aber auch durch Rückzug des Jugendlichen (vgl. Grob& Jaschinski, 2003, S.17). Sowohl im alltags- als auch im wissenschaftlichen Diskurs wird eine sehr defizitäre Sichtweise auf die Adoleszenz und somit das Jugendalter im Allgemeinen projiziert. Diese Sichtweisen lassen sich nicht ausschließlich auf mediale Berichterstattung von Jugendgewalt reduzieren. An dieser Stelle wäre darauf hinzuweisen, dass Erfahrungen mit Risikolagen als üblich für diese Lebensphase angesehen werden können (vgl. Liebsch, 2012, S. 178). Der ausschlaggebende Aspekt ist hierbei, der hohe Grad an Abhängigkeit des Risikoverhaltens in der Jugendphase, von der sozialen Ausgangslage sowie den biografischen Einflüssen des Jugendlichen (vgl. Liebsch, 2012, S. 178). Hierbei kann, aber muss nicht zwangsläufig, von einer Manifestierung des Risikoverhaltens ausgegangen werden.

Die Lebensphase der Adoleszenz sollte somit keineswegs nur von dieser einen, sehr defizitären Sicht aus, betrachtet werden. Vielmehr zeichnet sich die Adoleszenz durch einen sehr ambivalenten Charakter aus, welcher oftmals von gegensätzlichen Charakteristika geprägt ist (vgl. Griese, 2014, S. 25).

2.5 Formen von Jugendgewalt

Gewalt kann und sollte nicht auf die physische Erscheinungsform reduziert werden. Seit jeher diskutieren die wissenschaftlich beteiligten Fachgebiete den Gewaltbegriff kontrovers. In der Fachliteratur unterscheidet man weitestgehend übereinstimmend vier Dimensionen der Gewalt. Die erste Form, welche in der öffentlichen Wahrnehmung oftmals mit dem Phänomen der Jugendgewalt assoziiert wird, ist die physische Gewalt. Physische Gewalt verfolgt immer Schäden, welche in Form von Verletzungen bis hin zur Tötung anderer Personen ausgetragen werden kann (vgl. Imbusch, 2002, S. 38). Sie wird immer offensichtlich ausgeübt und ist aufseiten des Täters beabsichtigt (vgl. Imbusch, 2002, S.38). Eine zweite Erscheinungsform von Gewalt, welche nicht außer Acht gelassen werden sollte, ist die psychische Gewalt, welche sich im Gegensatz zur physischen Gewalt nicht offensichtlich feststellen lässt. Des Weiteren wird von der Erscheinungsform der institutionellen Gewalt gesprochen, welche in Bezug auf institutionelle Abhängigkeiten, aber auch Verhältnisse der Unterwerfung zu betrachten ist (vgl. Imbusch, 2002, S. 39). Eine vierte Form, die an dieser Stelle zu nennen wäre, ist die strukturelle Gewalt, welche sich auf die ungleiche Verteilung von Lebenschancen innerhalb systemischer Strukturen bezieht (vgl. Imbusch, 2002, S.39). Da die Form der institutionellen Gewalt sowie der strukturellen Gewalt für diese Arbeit keine Rolle spielt, wird sich im Weiteren ausschließlich und insbesondere auf Typen der physischen Gewalt als auch der psychischen Gewalt beschränkt, welche in der Fachliteratur unter personaler Gewalt subsumiert werden.

Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, ist physische Gewalt eine sichtbare und somit eine eindeutige Form von Gewalt. Physische Gewalt ist zudem stark anhängig vom Kontext, in dem sie ausgetragen wird (vgl. Ecarius et al., 2011, S. 191). Vandalismus kann als eine Erscheinung physischer Gewalt verstanden werden, auch wenn sie sich ausschließlich gegen Gegenstände anderer Institutionen oder Mitglieder wendet (vgl. Ecarius et al., 2011, S.191). Wie die direkte Ausführung körperlicher Gewalt, kann auch die Ankündigung oder Drohung von Gewalt der physischen Gewalt zugeordnet werden. Hierbei liegt zwar keine direkte Schädigung aufseiten den Opfers vor, jedoch reicht hier schon die vorstellbare Gewalthandlung aus, um diese definitorisch dort zuzuordnen (vgl. Ecarius et al., 2011, S.191).

Psychische Gewalt, welche in Form von verbalen Erniedrigungen, Beschimpfungen, Beleidigungen oder auch Diskriminierungen auftritt, kann aus Perspektive des Opfers als mindestens genauso schädigend wahrgenommen werden wie physische Gewalt. Welche Auswirkungen psychische Gewalt aufseiten des Opfers haben kann, lässt sich nicht immer einschätzen, da sie durch Mechanismen der Abwehr oder der Unterbindung durch das Opfer beeinflusst werden kann (vgl. Imbusch, 2002, S. 38). Eine unter Jugendlichen stark verbreitete Form psychischer Gewalt, ist das Cybermobbing, auch Cyberbullying genannt. Mithilfe von Kommunikationsmedien (z.B. Handys, Foren, Chats oder anderen Communities) werden andere Personen (zumeist Jugendliche) öffentlich vorgeführt, beleidigt und schikaniert (vgl. Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend, 2011). Hierbei werden beispielsweise private Fotos oder Filme im Unwissen des Opfers in sozialen Netzwerken verbreitet. Dazu gehören ebenso Belästigungen und Beleidigungen, welche in öffentlichen Chaträumen oder Foren von einer ganzen Gruppe gegen ein Opfer gerichtet werden können. Diffamierungen spielen sich somit nicht nur zwischen Täter, Opfer und dem näheren sozialen Umfeld ab, sondern gelangen somit an die Öffentlichkeit. Hierbei liegt auch der entscheidende Unterschied zum Mobbing, bei welchem sich die Opfer den ausgesetzten Erniedrigungen der Täter teilweise entziehen können (vgl. Bundesministerium für Familien, Frauen, Senioren und Jugend, 2011).

Eine Mischform der physischen und der psychischen Gewalt, welche immer größere Verbreitung unter Jugendlichen findet, ist das Happy Slapping. Die Begrifflichkeit, welche ihren Ursprung im Englischen hat, bedeutet übersetzt in etwa „lustiges Schlagen“. Beim Happy Slapping sucht sich zumeist eine Gruppe von Jugendlichen ein zufällig anwesendes Opfer, um an diesem körperliche Gewalt auszuüben. Einer der Mittäter filmt die verübte Gewalttat, um diese hinterher im Internet zu verbreiten und das Opfer somit herab zu würdigen (vgl. Sachs& Schmidt, 2014, S.105).

Demnach versteht man unter personaler Gewalt, jede vollendete als auch angedrohte Handlung, die das unmittelbare Ziel verfolgt, anderen Personen physisch oder psychisch Schaden zu zufügen (vgl. Melzer, Schubarth & Ehninger, 2011, S. 44).

2.6 Erklärungsansätze

Menschliche Handlungen unterliegen prinzipiell keiner einfachen Ursächlichkeit. Vielmehr kann man von einem Geflecht vieler zusammenwirkender Komponenten sprechen. Aus diesem Grund gibt es auch keinen allgemeingültigen Ansatz, welcher das Phänomen der Jugendgewalt in seiner ganzen Komplexität erklären könnte. In Wissenschaft und Forschung haben sich einige theoretische Erklärungsansätze herausgebildet, welche sowohl für Aggression als auch für Gewalt herangezogen werden können. Prinzipiell wird hierbei zwischen psychologischen, soziologischen und integrativen Erklärungsansätzen differenziert (vgl. Melzer et al., 2011, S. 55). In den folgenden Ausführungen wird sich auf psychologische und soziologische Ansätze beschränkt.

Soziologie und Psychologie bedienen sich hierbei unterschiedlicher Begriffssysteme. Hierbei hat sich der Begriff der Aggression bzw. der Aggressionsforschung in der Psychologie etabliert und in der Soziologie spricht man von abweichendem Verhalten, aber auch immer häufiger findet der Gewaltbegriff selber Verwendung (vgl. Melzer et al., 2011, S.55).

Psychologische Erklärungsansätze setzen bei der Betrachtungsweise den Schwerpunkt auf das Individuum. Der erste psychologische Erklärungsansatz, welcher an dieser Stelle genannt werden sollte, ist die Triebtheorie, deren bekannteste Vertreter Sigmund Freud und Konrad Lorenz sind. Die Triebtheorie geht von einem angeborenen Aggressionstrieb aus, welcher dazu dient, innere Spannungen zu verringern (vgl. Ecarius et al., 2011, S. 182). Hierbei suchen sich sowohl Menschen als auch Tiere bewusst Reize, welche ihnen helfen, die innere Spannung abzubauen, damit sich diese nicht weiter aufbaut und es zu noch gravierenderen Aggressionsschüben kommt. Konrad Lorenz ergänzte diese Theorie um 1963, indem er feststellte, dass beispielsweise Sport oder beruflicher Konkurrenzkampf wichtige Faktoren beim Abbau eines solchen Aggressionsstaus seien (vgl. Ecarius et al., 2011, S.182). Des Weiteren sollte die Frustrations- Aggressionstheorie genannt werden, welche unter andrem durch John S. Dollard begründet wurde. Ausgangspunkt dieser Theorie ist eine Frustration, welche das Individuum so massiv beeinträchtigt, dass diese in Aggression umschlägt, welche sich wiederum in Gewalttaten äußern kann (vgl. Sachs, 2006, S.18). Hierbei muss es jedoch nicht zwanghaft zu einer Gewalttat gegen den Aggressor selber oder anderen Personen kommen, denn die Aggression kann auch im Verborgenen bleiben und sich somit lediglich in der Phantasie des Individuums abspielen (vgl. Sachs, 2006, S. 18). Da diese Theorie auf zahlreichen Experimenten basiert, in denen die Schlüssigkeit bestätigt wurde, könnte bezogen auf Jugendgewalt geschlussfolgert werden, dass Jugendliche, aber auch Kinder möglichst wenigen Aggressionen ausgesetzt sein sollten. Aus pädagogischer Sicht und in Bezug auf die Institution Schule, lässt sich hierbei eine Schwachstelle dieser Theorie erkennen. Hierbei müsste es so sein, dass Kinder und Jugendliche keinerlei schulische Misserfolge in Form schlechter Noten mehr machen dürfen, da dies eine Frustration zur Folge hätte, welche sich wiederum in einer Aggression äußern könnte. Da dies nur sehr begrenzt möglich ist, wäre an dieser Stelle darauf aufmerksam zu machen, dass sowohl Kinder als auch Jugendliche möglichst präventiv und somit frühzeitig einen angemessenen Umgang mit Frustration erlernen sollten (vgl. Melzer et al., 2011, S. 59). Der dritte und letzte psychologische Erklärungsansatz, ist auf Albert Banduras Lernen am Modell zurückzuführen. Hierbei wird zunächst einmal zwischen Lernen am Erfolg bzw. Misserfolg differenziert. Lernen am Erfolg wäre folglich, Nachahmung durch Beobachtung von Verhaltensweisen wichtiger Vorbilder, wie beispielsweise den Eltern oder Personen aus dem näheren Bekannten- und Verwandtenkreis. Entscheidend ist hierbei jedoch, dass mit dem gezeigten Verhalten, beispielsweise einer gewalttätigen Handlung, etwas aufseiten des Aggressors erreicht wird (vgl. Melzer et al., 2011, S. 59). Schon gelegentliche Erfolge, welche in Form eines Lobs auf das gezeigte aggressive Verhalten entstehen können, lösen positiv verstärkende Effekte aus (vgl. Melzer et al., 2011, S. 60). Beständigkeit aggressiven Verhaltens, erklärt diese Theorie folglich durch die positiven Konsequenzen aufseiten des Aggressors (vgl. Melzer et al., 2011, S.60). Bleiben positive Konsequenzen aus, sinkt die Wahrscheinlich einer Wiederholung und es kann somit als Lernen am Misserfolg bezeichnet werden. Demgemäß wird gewalttätiges Verhalten von Kindern durch Beobachten nachgeahmt und wirkt vor allem dann verstärkend, wenn hierdurch Macht ausgestrahlt wird und die Beziehung zum Modell positiv ist (vgl. Ecarius et al., 2011, S.182). Lernen am Modell wird somit eine große Bedeutung in Bezug zu jugendlichem Gewaltverhalten beigemessen, weil es zusätzlich einen Rahmen für konstruktiv positive Verhaltensweisen bietet.

Stellvertretend für die soziologischen Erklärungsansätze, welche die Auslöser für Gewalt in den gesellschaftsstrukturellen Bedingungen suchen, werden im Folgenden grob die Desintegrationstheorie nach Wilhelm Heitmeyer und die Etikettierungstheorie (Labeling Approach) aufgeführt. Zu nennen wären an dieser Stelle ebenso die Anomietheorie nach Emile Durkheim, der sozioökologische Ansatz nach Uri Bronfenbrenner, welcher im dritten Kapitel kurz aufgegriffen wird sowie die Subkulturtheorie.

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Ende der Leseprobe aus 68 Seiten

Details

Titel
Die Prägung durch das Elternhaus als Risikofaktor oder Schutzfaktor bei der Entstehung von Jugendgewalt
Untertitel
Konsequenzen für die schulische Praxis
Hochschule
Technische Universität Dortmund  (Fakultät Rehabilitationswissenschaften)
Veranstaltung
Lehrgebiet emotionale und soziale Entwicklung in Rehabilitation und Pädagogik
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
68
Katalognummer
V305606
ISBN (eBook)
9783668034907
ISBN (Buch)
9783668034914
Dateigröße
4670 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
prägung, elternhaus, risikofaktor, schutzfaktor, entstehung, jugendgewalt, konsequenzen, praxis
Arbeit zitieren
Isabella Dyba (Autor:in), 2015, Die Prägung durch das Elternhaus als Risikofaktor oder Schutzfaktor bei der Entstehung von Jugendgewalt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/305606

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