Zu den brisantesten und umstrittensten Themen des heutigen Völkerrechts gehört die Frage nach dem adäquaten Schutz für ethnische, religiöse und sprachliche Minderheiten. Die Gründe dafür sind in der jüngeren Vergangenheit angesiedelt: Einerseits entstanden nach dem Kollaps der UdSSR zahlreiche neue Staaten in Osteuropa, in denen häufig mehrere Völker, Ethnien und Religionen nebeneinander existieren. Andererseits schufen weltweite Migrationen aufgrund des Nord-/Süd- bzw. Ost-/West-Gefälles „neue Minderheiten“.
Auf welche Weise können nun Minderheiten am effektivsten geschützt werden? Denn so unumstritten deren Schutzwürdigkeit ist – über das „Wie?“ wird heftig debattiert. Die Grundsatzfrage, die sich wie ein roter Faden durch die Diskussionen zieht, lautet: Sind Individualrechte zum Schutz von Minderheiten ausreichend, d.h. genügt es, Minderheitenangehörige als Einzelpersonen zu schützen? Oder sollen Minderheiten per se als Träger von Minderheitenrechten anerkannt werden? Seit dem Aufkommen des modernen Minderheitenschutzes nach dem 1. Weltkrieg wurden diese Fragen je nach Zeitgeist immer anders, bis heute aber nicht befriedigend beantwortet.
Ziel dieser Arbeit ist die Klärung der Frage, welche Art von Rechten am erfolgsversprechendsten für die Sicherung der Existenz und der besonderen Charakteristika von Minderheiten erscheint. Zunächst wird es nötig sein, eine Abgrenzung von Individual- und Kollektivrechten vorzunehmen. In einem nächsten Schritt soll erläutert werden, was überhaupt unter „Minderheit“ als potenziellem Träger von Rechten zu verstehen ist. Anschließend werden mögliche Reaktionen auf die Existenz von Minderheiten aufgezeigt. Eine Rückblende auf den universalen völkerrechtlichen Minderheitenschutz des vergangenen Jahrhunderts wird folgen, danach eine Auflistung der Gründe für die Anerkennung von Kollektivrechten. Am Ende steht ein Resümee.
Inhaltsverzeichnis
- EINFÜHRUNG
- KONZEPTION VON INDIVIDUAL-, GRUPPEN- UND KOLLEKTIVRECHTEN
- INDIVIDUALRECHTE
- GRUPPENRECHTE
- KOLLEKTIVRECHTE
- Arten von kollektiven Rechten
- Vorläufer von kollektiven Rechten
- Subjekte von kollektiven Rechten
- Grenzen von kollektiven Rechten
- Gruppenrechte und Menschenrechte
- WAS IST EINE MINDERHEIT?
- MÖGLICHE REAKTIONEN AUF MINDERHEITEN
- GESCHICHTE DER ANERKENNUNG VON KOLLEKTIVRECHTEN AUF VÖLKERRECHTLICHER EBENE
- VOR DEM 1. WELTKRIEG
- ZWISCHEN 1. UND 2. WELTKRIEG
- NACH DEM 2. WELTKRIEG
- ICCPR
- Die Minderheitendeklaration
- PLÄDOYER FÜR KOLLEKTIVE RECHTE
- RESÜMEE
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Frage des Schutzes von Minderheiten im Völkerrecht und analysiert die unterschiedlichen Ansätze des Individual- und Kollektivrechtsschutzes. Ziel ist es, die Vor- und Nachteile der beiden Konzepte zu beleuchten und zu untersuchen, welche Form des Rechtsschutzes am effektivsten zur Sicherung der Existenz und der Besonderheiten von Minderheiten beitragen kann.
- Abgrenzung von Individual-, Gruppen- und Kollektivrechten
- Definition und Charakterisierung von „Minderheit“
- Mögliche Reaktionen auf die Existenz von Minderheiten
- Historische Entwicklung des Minderheitenschutzes im Völkerrecht
- Argumente für die Anerkennung von Kollektivrechten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Aktualität der Debatte um Minderheitenschutz im Kontext von globalen Migrationen und der Entstehung neuer Staaten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Die Autorin stellt die zentrale Frage, ob Individualrechte zum Schutz von Minderheiten ausreichen oder ob Kollektivrechte notwendig sind.
Kapitel 2 widmet sich der Abgrenzung von Individual-, Gruppen- und Kollektivrechten. Es wird erklärt, dass Individualrechte auf die Rechte des Einzelnen fokussieren, während Kollektivrechte Rechte für die Gruppe als solche in Anspruch nehmen. Die Autorin beleuchtet die Rolle von Gruppenrechten, die als Summe der Individualrechte der Gruppenmitglieder angesehen werden können.
Kapitel 3 definiert den Begriff „Minderheit“ als potenziellen Träger von Rechten. Es werden verschiedene Kriterien und Merkmale von Minderheiten diskutiert.
Kapitel 4 analysiert mögliche Reaktionen auf die Existenz von Minderheiten. Diese reichen von Assimilation und Integration bis hin zu Konflikten und Diskriminierung.
Kapitel 5 gibt einen historischen Überblick über die Entwicklung des Minderheitenschutzes im Völkerrecht. Die Autorin betrachtet die Entwicklung von der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg bis hin zur Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und der Anerkennung von Kollektivrechten in internationalen Dokumenten wie der Minderheitendeklaration.
Kapitel 6 plädiert für die Anerkennung von Kollektivrechten und argumentiert für die Notwendigkeit einer stärkeren Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse und Interessen von Minderheiten.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit zentralen Begriffen wie Minderheitenrechte, Individualrechte, Kollektivrechte, Gruppenrechte, Diskriminierung, Selbstbestimmung, Assimilation, Integration, Minderheitenpolitik, Völkerrecht, Menschenrechte, und ICCPR.
- Quote paper
- MMag. M.A. Gisela Spreitzhofer (Author), 2002, Individuelle versus kollektive Minderheitenrechte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30618