Octavio Paz wurde nicht selten wegen seiner einstigen Abkehr vom sozialistischen Mainstream als neo-liberaler Opportunist abgestempelt. Die Arbeitsfrage ist daher, wie Octavio Paz, als ein Schriftsteller mit einem ursprünglich sozialistischen Hintergrund, auf diesen nach Meinung der Öffentlichkeit marxistisch orientierten Aufstand, reagierte?
Es war ein Urknall, als 1989 die gefallene Mauer die DDR unter sich begrub und sich viele der kommunistischen Satellitenstaaten in den Folgemonaten von der Sowjetunion lossagten, bevor diese sich selbst auflöste. Selten konnten Geschichtsschreiber so nah an den Geschehnissen und zeitlich exakt den Beginn einer neuen, weltweit einschneidenden Epoche festmachen, wie in den Jahren von 1989-91. Der Untergang der Sowjetunion, so sehr er sich angekündigt hatte und so viele ihn herbeigesehnt hatten, kam schlagartig und vollzog sich rapide. Plötzlich stand die Welt ohne Kalten Krieg im Nacken da und die kapitalistischen Systeme des Westens konnten sich als Sieger rühmen.
Im nicht ganz so fernen Mexiko hatte man sich schon spätestens seit den 70er-Jahren dem Freien Markt verschrieben und wollte sich ab dem 1. Januar 1994 durch das Freihandelsabkommen NAFTA weiter in Richtung Erste Welt mausern (vgl. KERKELING 2003: 105f). Doch als am selben Tag in Chiapas, dem südwestlich gelegenen und ärmsten Bundesstaat Mexikos, der bewaffnete Aufstand der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung zur Besetzung mehrerer Gemeinden führte, sahen sich große Teile der mexikanischen Politik und Gesellschaft plötzlich von ihrer Flucht nach vorn abgelenkt und von der chiapanekischen Guerilla bedroht. Schnell wurde diese vornehmlich aus indigenen Kleinbauern bestehende Bewegung von der Linken, die seit Jahren an ihrer Desillusionierung zu knabbern hatte, für sich eingenommen. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums sah man alte Gespenster aus kommunistischen Zeiten aufkommen und begrüßte die harten Vergeltungsschläge der mexikanischen Armee gegen die Aufständischen.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- Einleitung
- Octavio Paz und der lange Weg zur Demokratie
- Chiapas, Octavio Paz und die Intellektuellen
- Der zapatistische Aufstand in Chiapas
- Octavio Paz’ Bewertung der Ereignisse
- Paz’ Kritik an den Intellektuellen Mexikos
- Evolution und Evaluation
- Die Entwicklung des Konflikts nach 1996
- Octavio Paz’ Standpunkt heute betrachtet
- Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Diese Arbeit befasst sich mit der Reaktion des mexikanischen Literaten Octavio Paz auf den zapatistischen Aufstand in Chiapas von 1994. Im Zentrum steht die Frage, wie Paz, als ein Schriftsteller mit einem ursprünglich sozialistischen Hintergrund, diesen nach Meinung der Öffentlichkeit marxistisch orientierten Aufstand bewertete. Die Arbeit zeichnet den ideologischen Wandel Paz' nach und analysiert seine kritischen Positionen zum Chiapas-Konflikt im Kontext seiner liberal-demokratischen Überzeugungen.
- Der zapatistische Aufstand in Chiapas: Entstehung, Ziele, Entwicklung des Konflikts
- Octavio Paz' Positionierung: Analyse seiner Kritik an der zapatistischen Bewegung und den mexikanischen Intellektuellen
- Demokratie und Freiheit: Paz' Vision einer stabilen und funktionsfähigen Demokratie in Mexiko
- Die Rolle der Intellektuellen: Paz' scharfe Kritik an der unreflektierten Glorifizierung des zapatistischen Aufstands durch die mexikanische Intellektuellen-Szene
- Die Rolle des Staates: Paz' Forderungen nach einem intervenierenden Staat, der die Wirtschaft reguliert und soziale Ungleichheit bekämpft.
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Das erste Kapitel beleuchtet die Entstehung des Chiapas-Konflikts im Kontext der globalen Veränderungen der 1990er Jahre und der Einigung auf das Freihandelsabkommen NAFTA. Es stellt Octavio Paz und seine frühe, sozialistische Orientierung vor und führt seine Abkehr von der kommunistischen Ideologie im Laufe seines Lebens aus. Die Arbeit konzentriert sich anschließend auf die Reaktion Paz' auf die zapatistische Bewegung, in der er die indigenen Aufständischen für den Rückfall in ein kommunistisches Denken kritisiert.
Das zweite Kapitel erläutert die Entstehung und Entwicklung des zapatistischen Aufstands in Chiapas. Die Arbeit thematisiert die soziale Missstände in der Region und die lange Geschichte der indigenen Bevölkerung im Kampf um Land und Rechte. Die Forderungen der Zapatisten nach Autonomie, Landreform und sozialer Gerechtigkeit werden im Detail dargestellt.
Im dritten Kapitel werden Paz' Ansichten zum Chiapas-Konflikt eingehend analysiert. Die Arbeit beleuchtet seine Kritik an der Waffengewalt der Guerilleros und seine Skepsis gegenüber dem zapatistischen Führungsstil. Es werden Paz' Lösungsvorschläge für den Konflikt, wie den Aufbau einer stabilen Demokratie in Mexiko, beleuchtet und seine Kritik an der unreflektierten Unterstützung des zapatistischen Aufstands durch die mexikanischen Intellektuellen im Detail dargestellt.
Das vierte Kapitel zeichnet die weitere Entwicklung des Konflikts nach dem Tod von Octavio Paz nach. Die Arbeit untersucht, inwieweit Paz' Einschätzungen zum zapatistischen Aufstand im Licht späterer Entwicklungen Bestand haben. Es wird eine kritische Analyse von Paz' Positionierungen vorgenommen und die Frage beleuchtet, ob seine Vision einer demokratischen Entwicklung Mexikos im Kontext der sozialen und politischen Prozesse in Chiapas realistisch war.
Schlüsselwörter (Keywords)
Der Text befasst sich mit zentralen Themen wie dem Chiapas-Konflikt, der mexikanischen Demokratie, der Rolle der Intellektuellen, der zapatistischen Bewegung, der indigenen Bevölkerung, dem Sozialismus, dem Liberalismus und dem Wandel der politischen und gesellschaftlichen Strukturen in Mexiko. Darüber hinaus werden wichtige Konzepte wie die Identitätsbildung, der Freihandel, die Rolle der Medien, die Bedeutung der Kultur und der Einfluss von politischen Ideologien auf die Entwicklung von Gesellschaften behandelt.
- Arbeit zitieren
- Alexander Bauerkämper (Autor:in), 2009, Octavio Paz und der Chiapas-Konflikt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/306224