Multiple-Streams. An idea whose time has come?


Hausarbeit, 2015

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Der Multiple-Streams-Ansatz
2.1 Policy-Cycle und Garbage-Can als Basis des Multiple-Streams-Ansatzes
2.2 Der Multiple-Streams-Ansatz

3. Kritik und Anwendungsmöglichkeiten

4. Multiple-Streams – An idea whose time has come

5. Literaturverzeichnis

6. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Der Multiple-Streams-Ansatz wurde 1984 erstmals von John Kingdon ausgearbeitet und ist seit den Neunzigern von großer Bedeutung im wissenschaftlichen Diskurs. Der MSA wird in der Literatur als vielversprechendes Werkzeug zur Untersuchung von politischen Zeitfenstern (vgl. Böcher, Töller 2012: 180ff.; Nill 2002: 10ff; Zahariadis 2007: 65ff.; Herweg 2013: 322ff.) beschrieben. Auch verschiedene Indices der Zitierhäufigkeit (SSCI, SCI) zeigen die große Relevanz der Theorie von Kingdons, welche seit 1990 durchgehend höhere Werte aufweist, als andere relevante Autoren wie Sabatier und Baumgartner, die mit dem Advocacy Coalition Framework oder dem Punctuated-Equilibrium-Ansatzes ebenfalls von großer Bedeutung sind (vgl. Herweg 2013: 323).

Diese Arbeit hat als Ziel, den Ansatz Kingdons näher zu beleuchten, Kritikpunkte aufzugreifen und Weiterentwicklungen des Ansatzes zu untersuchen, um schließlich ein Bild dieses theoretischen Rahmens zu zeichnen, welches es ermöglicht den potentiellen Erkenntnismehrwert des Ansatzes besser einschätzen zu können. Hierfür soll zunächst der ursprüngliche Multiple-Streams-Ansatz dargestellt und und auf Weiterentwicklungen eingegangen werden um den aktuellen Stand der Theorie zu begreifen. Insbesondere Zahariadis leistete substantielle Beiträge um die Theorie auf europäische Regierungssysteme anzupassen.

2. Der Multiple-Streams-Ansatz

2.1 Policy-Cycle und Garbage-Can als Basis des Multiple-Streams-Ansatzes

Die Basis für den Multiple-Streams-Ansatz (MSA) bietet der einflussreichste Orientierungsrahmen in der Politikfeldanalyse, der Policy-Cycle (PC), welcher erstmals von Harold Dwight Lasswell (1956) formuliert wurde. Dieses Phasenmodell soll Auskunft darüber geben, wie sich politische Prozesse sinnvoll untersuchen und analysieren lassen (vgl. Blum; Schubert 2011: 104). Der PC ist ein heuristisches Modell, man versucht also mit begrenztem Wissen, mithilfe von Schlussfolgerungen und Annahmen, Aussagen über das System zu treffen, um zwar keine optimale, jedoch eine hilfreiche Erkenntnis für behandelte Probleme zu erlangen (vgl. ebd.: 104). Der PC ermöglicht es

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Policy-Cycle Quelle: Eigene Darstellung

zielgerichtete, systematische Einsichten über einzelne politische Prozesse zu gewinnen und an einem idealtypischen Phasenmodell zu messen, wobei sich diese Stadien in der politischen Praxis nicht klar voneinander abtrennen lassen, vielmehr kommt es zu Überlappungen oder dem Wegfall einzelner Phasen (vgl. ebd.: 104). Zu Beginn des Zyklus steht in der Regel ein spezifisches, politisches Problem oder Defizit (1). Politische oder gesellschaftliche Akteure suchen dann ihren jeweiligen Interessen entsprechend das Problem zu thematisieren und auf die politische Agenda zu setzen (2). Um das Problem zu lösen müssen konkrete Policies formuliert werden (3). Ob diese dann auch umgesetzt werden, hängt von politischen Entscheidungen und der Implementierung ab (4) (vgl. ebd.: 105). Im MSA sind vor allem die Phasen Problemdefinition, Agenda-Setting und Politikformulierung im Zentrum der Analyse.

Was Kingdons Modell von anderen abhebt, ist jedoch nicht die Frage nach den Einflussfaktoren auf den Agenda-Status eines Themas, sondern die Suche nach den Prozessen, die zu einer Änderung der Agenda führen (vgl. Herweg 2013: 324). Hierzu bedient Kingdon sich einiger fundamentaler Elemente des Garbage-Can Modells von Cohen, March und Olsen (1972), welches versucht Entscheidungsverhalten
von
Organisationen zu erklären. Das
Modell
beschreibt
Entscheidungssituationen
als
„Mülleimer“,
in
dem Probleme,
Lösungen
und Entscheider
mehr
oder
weniger
zufällig
aufeinander
treffen. Ähnlich wie in einem Papierkorb treffen die Blätter, also die Akteure, Entscheidungsgelegenheiten, Probleme und Lösungen, eher zufällig aber nicht völlig regungslos aufeinander. An dieser Stelle spricht man von einer organisierten Anarchie (vgl. Bogumil; Schmid 2001: 48). Entscheidend ist nicht die sachliche Erfordernis einer Problemlösung, sondern der Kontext des Entscheidungsprozesses, also welche Entscheidungsgelegenheiten mit welchen Problemen, Lösungen und Akteuren zusammentreffen. Die Konzeptualisierung des (politischen) Systems als organisierte Anarchie (i), das Denken in verschiedenen Strömen und die Abhängigkeit von Policy-Outcomes von der Verbindung der Ströme (iii), stellen die Basis von Kingdons Annahmen über den politischen Entscheidungsprozess dar und werden im Multiple-Streams Ansatz weiterentwickelt (vgl. Herweg 2013: 324).

2.2 Der Multiple-Streams-Ansatz

„Why do some subjects become prominent on the policy agenda and others do not, and why are some alternatives for choice […] seriously considered while others are neglected?“ (Herweg 2013 zit. In: Kingdon 1984: 3) Dies ist die fundamentale Frage, die Kingdons Ansatz zugrunde liegt. Die Phasen der Problemdefinition, des Agenda-Setting und der Politikformulierung stehen hiermit im Vordergrund des Erkenntnisinteresses. Kingdon betrachtet das Regierungssystem als eine in sich konflikthafte Organisation und zieht deshalb aus der Organisationswissenschaft, im näheren dem Garbage-Can Model, die Annahme der organisierten Anarchie (i). Organisationen sind durch Zuständigkeiten, Regeln, Verfahren und zeitliche Prozessabläufe charakterisiert, die man auf das politische System übertragen kann, so der Gedanke Kingdons (vgl. Rüb 2009: 349f.). Drei Merkmale sind hier von besonderer Bedeutung: problematische Präferenzen (Problematic Preferences), unklare Technologien (Unclear Technology) und wechselnde Teilnehmer (Fluid Participation). Präferenzen sind dann problematisch, wenn sie sich erst in der Interaktion herausbilden. Die Definition des Problems und der Ziele sind oft unklar. Zahariadis führt als Beispiel Situationen an, in denen unter Zeitdruck entschieden werden muss, ohne vorher die eigenen Präferenzen auszubilden und zu formulieren (vgl. Zahariadis 2007: 67). Mit unklaren Technologien ist gemeint, dass Teilnehmer einer organisierten Anarchie zwar über ihre eigenen Verpflichtungen umfassend Bescheid wissen, aber nur rudimentäres Wissen darüber besitzen, wie sich ihr Teilbereich ins größere, organisatorische Beziehungsgeflecht einfügt (vgl. Herweg 2013: 325). Mit wechselnden Teilnehmern ist gemeint, dass Akteure und ihre Meinungen sich während des politischen Entscheidungsprozesses verändern können und sich der Teilnehmerkreis hinsichtlich der investierten Zeit und dem eingebrachten Engagement unterscheidet (vgl. ebd.: 325). Dieses bunte Gemisch an Handlungsabläufen kann von den Regeln der Organisation nicht kontrolliert werden, sie schafft nur den Rahmen. Kingdon fasst die Annahme der organisierten Anarchie passend zusammen: „It [the model] is structured in the same sense that a river is fluid, but its banks usually restrict its movement. The process cannot flow just anywhere. “ (ebd. zit. In: Kingdon 1995: 223) Diese Denkweise hat den Vorteil, dass sie Staat und Regierung als Träger eines Gemeinwohls entmystifiziert und als einheitlich handelnde Akteure entzaubert und stattdessen als konfligierende Einheit beschreibt, in der Machtkämpfe toben. Der Staat ist zerrissen und unkoordiniert, seine organisationale Einheit muss in konflikthaften Prozessen immer wieder neu hergestellt werden, um Entscheidungen treffen zu können (vgl. Rüb 2009: 350).

Das Denken in Strömen (ii), ist der zweite Aspekt den Kingdon aus dem Garbage-Can-Modell übernommen hat. Er unterstellt Regierungen eine prozesshafte Struktur, die sich permanent auflöst und neu zusammensetzt. Das Bild der Ströme soll verdeutlichen, dass es sich um zeitlich ausgedehnte Prozesse handelt, die auch in unterschiedlichen Geschwindigkeiten fließen können, da mal mehr, mal weniger Zeit zur Verfügung steht, Zeit aber immer eine knappe Ressource bleibt (vgl. ebd. 2009: 350). Darüber hinaus sind Organisationen nie regel- und strukturlos, verfügen aber über variable Strukturen, welche immer im Fluss sind. Verantwortliche über- oder unterschreiten ihre Kompetenzen und Zuständigkeiten sind ungenau definiert (vgl. ebd. 2009: 351). Schließlich sind Organisationen mit der Logik der Unbestimmtheit konfrontiert. Über bestimmte Sachverhalte, Probleme und deren Lösungen kann man unterschiedlicher Ansicht sein, und Organisationen müssen sich damit beschäftigen diese Mehrdeutigkeiten und Ambivalenzen in Eindeutigkeiten zu transformieren, was immer mit Konflikten und Machtspielen verbunden ist (vgl. ebd. 2009: 351). Der MSA ist ein Kontingenz-Modell des politischen Entscheidens. „Kontingenz ist all das, was ist und zugleich auch anders möglich sein kann. Und alles ist anders möglich, weil nichts einen notwendigen Existenzgrund hat und auch alles anders begründet werden kann“ (Rüb 2009: 352). Diese ständige Bewegung, Ungewissheit, das Zerreißen, Aufeinanderprallen und neu Zusammenfügen, verschiedener Ideen und Akteure, spiegeln das Bild der Ströme wieder und geben Kindons Konzept seinen Namen – Multiple Streams.

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Multiple-Streams. An idea whose time has come?
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Institut für Politische Wissenschaft)
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
17
Katalognummer
V306342
ISBN (eBook)
9783668048317
ISBN (Buch)
9783668048324
Dateigröße
1152 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Multiple-Streams-Ansatz, Multiple Streams, John Kingdon, Kingdon, Advocacy Coalition Framework, Zahariadis, Sabatier, Politikfeldanalyse, Policy-Cycle, Analyse, Garbage-Can
Arbeit zitieren
Stefan Raß (Autor:in), 2015, Multiple-Streams. An idea whose time has come?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/306342

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