Ein Vergleich magisch-realistischer Erzählverfahren in "Hundejahre" von Günter Grass und Gabriel García Márquez "Cien años de soledad"

Auf der Suche nach einer wunderbaren Wirklichkeit


Seminararbeit, 2010

27 Seiten, Note: 1,0

Alexander Bauerkämper (Autor:in)


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Der ‚magische Realismus’ und ‚lo real maravilloso americano‘

3 Zum magisch-realistischen Erzählen in Cien años de soledad
3.1 Zeit und Geschichte: Weltkonzeptionen in Macondo
3.2 Magischer Alltag und alltägliche Magie
3.3 Zwischenwelt Macondo: ein Fazit

4 Die Hundejahre von Günter Grass: ein magisch-realistischer Roman?
4.1 Individuum und Kollektiv im Zeichen der ‚historischen Wahrheit‘
4.2 Phantastik, Mythologie und Märchen in Hundejahre

5 Schlussbemerkung

6 Bibliographie

1 Einleitung

Das zwanzigste Jahrhundert ist ein Jahrhundert der Pluralität, der Auflösung jeglicher Totalität und Konstanz. Denn total sind nur noch Kriege, totalitär die Regimes und die einzige Konstanz scheint noch im Wachstum des Verfalls zu bestehen. Doch dieses Jahrhundert ist auch ein Jahrhundert großartiger Schaffensprozesse, eine Zeit, die geprägt ist von Experimentierfreude und Aufbruch. Insbesondere ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigten sich im Zuge dieser weltweiten soziopolitischen Entwicklungen auch ihre vielfältigen Effekte auf die globale literarische Landschaft. Diese hatte sich unter anderem geographisch in Richtung sogenannter peripherer Gegenden ausgedehnt und sich in qualitativer Hinsicht stark ausdifferenziert. So ist es der Wissenschaft nur noch schwer möglich, umfassende literarische Strömungen festzumachen. Das sinnvollste Kriterium für eine einheitliche Beschreibung der Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts bleibt bis heute wohl ihre Uneinheitlichkeit und Vielseitigkeit.

Zunächst noch still und schleichend entwickelten sich so in den Ländern der südlichen Hemisphäre emanzipierte, innovative literarische Identitäten. Insbesondere die Literatur Lateinamerikas erlebte bald einen ‚Boom‘ und wurde schlagartig in das Interesse der Weltöffentlichkeit gerückt. Zu einer der zentralsten Persönlichkeiten unter den zahlreichen lateinamerikanischen Erfolgsautoren wurde der Kolumbianer Gabriel García Márquez, der mit seinem ‚Opus magnum‘ Cien años de soledad (1967) den lateinamerikanischen magisch-realistischen Roman perfektionierte.

Die Schreibweise des sogenannten ‚magischen Realismus‘ entwickelte sich in Lateinamerika und war für den ‚Boom‘ der dortigen Literatur von maßgeblicher Bedeutung. Autoren in anderen Ländern adaptierten diese Form des Erzählens und so wird auch Günter Grass immer wieder als magisch-realistischer Autor bezeichnet, wobei sich die Forschung dabei hauptsächlich dessen Hauptwerk Die Blechtrommel (1959) widmete.

Günter Grass und Gabriel García Márquez verbindet eine lange Bekanntschaft und ihre gegenseitige Verehrung, beide sind sie Literaturnobelpreisträger, beide widmeten sich in oder neben ihrer Literatur auch der Politik. In der vorliegenden Arbeite möchten wir versuchen, Cien años de soledad und Günter Grass Roman Hundejahre (1963) einem Vergleich zu unterziehen, um dabei eventuelle Ähnlichkeiten und Unterschiede in der Konzeption der Werke herauszuarbeiten. Im Zentrum unseres Interesses steht dabei die Frage nach ihrer jeweiligen magisch-realistischen Prägungsform. Was also macht Cien años zu einem magisch-realistischen Roman und inwiefern kann man dieses Etikett auf die Hundejahre anwenden? Ist dies überhaupt möglich?

Hieraus ergibt sich für uns folgende Vorgehensweise: Zunächst wollen wir zeigen, was genau unter ‚magischem Realismus‘ verstanden werden kann. Hierbei ist es wichtig, den Terminus von dem ihm verwandten Konzept des ‚real maravilloso‘ abzugrenzen und für uns inmitten verschiedenster Diskurse zu fixieren. Anschließend sollen jene Elemente des magisch-realistischen Erzählens in Cien años de soledad, die für unseren Vergleich produktiv sind, analysiert und systematisiert werden. In einem letzten Schritt wollen wir die Hundejahre auf ähnlich scheinende Aspekte einer magischen Wirklichkeit hin untersuchen, um am Ende die Frage beantworten zu können: Hat Günter Grass mit seinen Hundejahren einen magisch-realistischen Roman geschaffen?

2 Der ‚magische Realismus’ und ‚lo real maravilloso americano‘

Der deutsche Kunstkritiker Franz Roh führte bereits 1925 den Begriff ‚magischer Realismus‘ ein, wobei er damit bestimmte Werke aus der zeitgenössischen, „nach-expressionistischen“ europäischen Malerei bezeichnete (vgl. Roh 1925). Dreißig Jahre später wurde der Begriff in einem Artikel von Ángel Flores als Namensgeber für ein Beschreibungsmodell der modernen Literatur Lateinamerikas übernommen (vgl. Flores 1955). Flores erkannte den Aspekt des Magischen als gemeinsamen Nenner dieser neuen Fiktion. Unter anderem widmete sich Luis Leal in einem 1967 erschienen Artikel dem Versuch, die Ausführungen Flores zu kritisieren, beziehungsweise zu erweitern (vgl. Leal 1967). Er sah, im Gegensatz zu Flores, eine markante ästhetische Differenz zwischen den verschiedenen Spielarten europäischer Literatur und der lateinamerikanischen magisch-realistischen neueren Fiktion. So grenzte er letztere insbesondere vom europäischen Realismus und Surrealismus ab:

El mágico realista no trata de copiar (como lo hacen los realistas) o de vulnerar (como lo hacen los surrealistas) la realidad circundante, sino de captar el misterio que palpita en las cosas. (Leal 1967: 234)

Die Debatte darüber, welche Werke und Autoren denn nun als magisch-realistisch gelten können, wie diese also auch beispielsweise von der phantastischen Literatur eines Jorge Luis Borges oder Franz Kafka abzugrenzen seien, zeugt also durchaus von einer gewissen Tradition.[1] Wir wollen unseren Überlegungen an dieser Stelle die Definition Luis Leals zu Grunde legen, wenn er sagt:

[…] que en estas obras de realismo mágico el autor no tiene necesidad de justificar lo misterioso de los acontecimientos, como le es necesario al escritor de cuentos fantásticos. En la literatura fantástica lo sobrenatural irrumpe en un mundo sujeto a la razón. En el realismo mágico “el misterio no desciende al mundo representado, sino que se esconde y palpita tras él”. (Leal 1967: 234 f.)

Es wird hier auf die Eigenheit magisch-realistischer Fiktion verwiesen, Reales und Irreales nicht getrennt voneinander zu verstehen, sondern diese zu einer neuen Form von Wirklichkeit, eben einer wundervollen Wirklichkeit einzuebnen, zu verschmelzen. „In this particular world, nothing is supernatural or paranormal without being at the same time real, and vice-versa.” (Hart 1982/83: 41) Eine solche Schreibweise finden wir in Cien años de soledad derart konsequent und schlüssig exemplifiziert, wie in keinem anderen Werk. Garcia Márquez selbst sagte: „[...] no hay una sola línea en ninguno de mis libros que no tenga su origen en un hecho real” (García Márquez 1979: 7). Darüber muss sich der westliche, aufgeklärte Leser verwundern, wenn ihm von fliegenden Teppichen und geradezu wissenschaftlich exakten Prophezeiungen erzählt wird. Doch hierin liegt eben das Spezifikum des magischen Realismus: Derartige Übersinnlichkeiten können real dargestellt werden, schlichtweg weil sie es in der dargestellten Welt, tatsächlich sind. Somit werden Ereignisse, die wir als übernatürlich bezeichnen würden, von Figuren in einer magisch-realistischen Romankonstruktion als natürlich empfunden, ja oft wird diesen Ereignissen gar keine größere Beachtung geschenkt.

Wie sich all dies in Cien años äußert, das soll im folgenden Kapitel näher untersucht werden, doch zunächst muss noch auf den von Alejo Carpentier geprägten Begriff des ‚real maravilloso americano‘ (vgl. „Prólogo“ in: Carpentier 1975) eingegangen werden, um den ‚magischen Realismus‘ tatsächlich von allen anderen Positionen abgegrenzt zu wissen. Nachdem sich der Kubaner Carpentier im Pariser Exil mehrere Jahre in den Kreisen der Surrealisten bewegt hatte, kehrte er, enttäuscht von der seiner Meinung nach artifiziellen Ästhetik der Surrealisten, nach Lateinamerika zurück. Im Prolog seines Romans El reino de este mundo (1949) verdeutlicht er einen Gedankengang, dessen Kernpunkt die Feststellung einer faktischen, empirisch erfahrbaren Allgegenwart und Alltäglichkeit von Magie und Wundern in der Natur, Geschichte und Kultur Lateinamerikas ist. Wichtig ist Carpentier dabei die Abgrenzung eben zu jenem Surrealismus, der das Übernatürliche in einem entzauberten Europa nur wahllos und auf unnatürliche Weise generieren könne. „La sensación de lo maravilloso presupone una fe“ (Carpentier 1987: 75). Möglich, so Carpentier, sei ein solcher Glaube nur noch in Lateinamerika, wo das Wunderbare noch nicht unter Rationalismus und Moderne begraben worden sei.

Das ‚real maravilloso‘ ist also in erster Linie das Ergebnis eines lateinamerikanischen Identitätsschaffungsprozesses und nicht so sehr ein literaturtheoretisches Konzept. Trotzdem, Carpentiers Äußerungen legten unter anderem den Grundstein für eine magisch-realistische Schreibweise, die sich dynamisch fortentwickelt und mit Cien años de soledad schließlich einen Höhepunkt seiner Ausarbeitung fand. Dort zeigt sich ein gewichtiger Unterschied zwischen den beiden Begriffen: Carpentier beschreibt die Erfahrung eines Wunders als eine „inesperada alteración de la realidad“, einer „ilumación inhabitual“ (Carpentier 1987: 75). Doch:

In the magical-realist world […] the marvellous or magical is never presented as something unexpected or unusual. While Carpentier’s fiction operates on a dynamic interplay of the marvelous and the real, with the miracle […] bursting into the real, García Márquez’s fictional universe erodes any distinction between the marvellous and the real. (Hart 1982/83: 43f.)

Der ‚magische Realismus‘ stimmt also in vielerlei Hinsicht mit dem ‚real maravilloso‘ überein, darf aber unter anderem aufgrund der unterschiedlichen Betonung des spezifisch Lateinamerikanischen und der – wenn auch von Carpentier bestimmt nicht beabsichtigten! – Nähe des ‚real maravilloso‘ zu Phantastik und Surrealismus nicht über einen Kamm geschert werden.

3 Zum magisch-realistischen Erzählen in Cien años de soledad

Im letzten Abschnitt sollte also gezeigt werden: „Während das real maravilloso eine bestimmte Haltung zur Wirklichkeit veranschaulicht, ist der magische Realismus eine Darstellungsmethode dieser Haltung“ (Lange 1992: 84). Wie schafft es Gabriel García Márquez in seinem Roman Cien años de soledad, die Vorstellung einer wunderbaren Wirklichkeit Lateinamerikas literarisch umzusetzen? Welche Konsistenz hat seine magisch-realistische Erzählweise?

Grundlegend war, so der Schriftsteller selbst, „destruir la línea de demarcación que separa lo que parece real de lo que parece fantástico” (Fernández-Braso 1972: 107). Wie wir im Folgenden zeigen werden, resultiert diese Verschmelzung von Realem und Irrealem in einer erweiterten Realität („ampliación de las escalas y categorías de la realidad“, Carpentier 1987: 75). Betroffen sind nicht nur einzelne Aspekte oder Ereignisse, sondern der gesamte in Cien años dargestellte Kosmos. Dabei werden zahlreiche Dichotomien eingeebnet und im Zuge dessen neu bewertet: Kollektiv vs. Individuum, zyklische vs. lineare Zeitvorstellung, empirische Wissenschaft vs. Magie, Leben und Tod, und so fort. García Márquez lässt in Cien años de soledad zwei Weltkonzeptionen aufeinandertreffen, woraus eine dritte, magisch-realistische Welt entstehen kann.

3.1 Zeit und Geschichte: Weltkonzeptionen in Macondo

Macondo ist das fiktive Dorf in dem sich die gesamte Handlung des Romans Cien años de soledad abspielt. Bereits auf der ersten Seite erfahren wir, dass zur Zeit der Gründerjahre des Dorfes, die Welt noch so jung war, „que muchas cosas carecían de nombre“ (71)[2]. Das Dorf ist anfänglich eine Art paradiesischer Enklave. Es wird ausschließlich von jungen Menschen bewohnt und es vergehen viele Jahre, bis es den ersten Toten zu betrauern gibt. Während die Bewohner zunächst unbehelligt von den Entwicklungen der restlichen Welt vor sich hinleben und nur mehr schlecht als recht durch die Erzählungen und Mitbringsel einer nomadischen Zigeunersippe auf dem Laufenden gehalten werden, vollzieht sich außerhalb des Mikrokosmos Macondo und für Bewohner und Leser unbemerkt ein plötzlicher Wandel zur industrialisierten, rationalisierten und globalisierten Moderne. Die Isolation des Dorfes erzeugt eine krasse Gegensätzlichkeit des Inneren (Macondo) und Äußeren (die Außenwelt). Doch bald, wenn auch mit etwas Verzögerung, trifft die Entwicklung von außen auch den inneren Horizont des Dorfes. So prallen zwei grundverschiedene Konzeptionen von Welt aufeinander und ihre Demarkationslinie löst sich langsam auf.

Die ursprüngliche, archaische Dorfgemeinschaft Macondos ist eine patriarchalische, doch friedvolle Einheit verschiedener Familiensippen, wobei der Erhalt und Fortbestand des eigenen Kollektivs im Mittelpunkt steht. Grundlegend für eine solche Lebenssicht ist ein zyklisches Zeitverständnis, wie es auch großen Teilen der autochthonen Bevölkerung Lateinamerikas eigen ist. Die radikalste Vertreterin dieses Denkens ist Ursula, die Herrin im Hause der Familie Buendía. In ihren Äußerungen scheint immer wieder die Vorstellung einer sich in Zyklen wiederholender Zeit durch, indem sie beispielsweise feststellt: „‘Los hijos heredan las locuras de sus padres‘“ (115), „‘Es como si el mundo estuviera dando vueltas‘“ (370), oder: „‘Todos son iguales […]. Al principio se crían muy bien, son obedientes y formales y parecen incapaces de matar una mosca, y apenas les sale la barba se tiran a la perdición‘“ (228 f.). Alle Buendías sterben in Einsamkeit, fast alle erkennen am Ende ihres Todes, dass sie ein Leben in Selbsttäuschung geführt haben. Diese generationenüberreifenden Wiederholungstaten spiegeln sich auch in der Namens-gebung der Nachkommen wider, welche in hundert Jahren Familiengeschichte immer eine Kombination der gleichen Namen erhalten. So verschwimmen die Aurelianos, José Arcadios, Arcadio Segundos, Amaranta, Ursulas, Ursulas Amarantas und wie sie alle heißen zu einem nur schwer zu überblickenden, kollektiven Ganzen.

Die Individualität der Figuren, die man innerhalb dieses Kollektivs nur als Typen bezeichnen kann, ist keine psychologische. Alle sind sie im Grunde nur von ihrer Einsamkeit getrieben und scheitern immer wieder daran. Der Eindruck einer Individualität entsteht erst durch die Effekte ihres Handelns in der Welt, das je nachdem tatsächliche qualitative Unterschiede aufweist. Dies zeigt sich dann, wenn die einzelnen Figuren in Berührung mit der außerhalb Macondos liegenden Welt und somit mit der Geschichte kommen. Bestes Beispiel hierfür ist der Oberst Aureliano Buendía, der die dargestellte Bürgerkriegsepisode maßgeblich bestimmt und damit die Geschichte nicht nur des Mikrokosmos Macondo verändert, sondern als Revolutionär auch in die Geschichte des äußeren Makrokosmos eingreift. Andere Figuren, welche stets dem männlichen Geschlecht angehören[3], zeichnen sich durch die Eigenschaft aus, dass sie sich beide Welten aneignen oder aneignen wollen und einen gewissen Einfluss auch auf die äußere Welt haben: José Arcadio Buendía, der Gründungsvater der Sippe, wird durch seine Faszination am Neuen zu so etwas wie einem Antagonisten seiner ‚konservativen‘ Frau Ursula, die eher als Konstante des Alten, des Ursprünglichen verstanden werden kann. José Arcadio, der früh das Dorf verlässt, kehrt nach Jahren als hünenhafter und abenteuererprobter Seefahrer zurück, um sich schlussendlich in recht biedermeierischer und einzelgängerischer Art wieder im Dorf niederzulassen. Auch José Arcadio Segundo erfährt Geschichte am eigenen Leib: Er wird Zeuge, einziger Überlebender und je nach Lesart sogar Auslöser des Massakers an den Bananenarbeitern: „[…] y por primera vez en su vida levantó la voz. – ¡Cabrones! – gritó […] Al final de su grito ocurrió algo […]. El capitán dio la orden de fuego“ (378).

Diese Liste ließe sich noch erweitern. Was hier zum Ausdruck kommen sollte, ist die Erkenntnis, dass die zwei zu Beginn existierenden Weltkonzeptionen sich mehr und mehr vermengen und beeinflussen. Macondo wird zwar von der Moderne eingeholt, erlebt vielerlei Veränderungen, doch bleiben bis zum Ende hin die ursprünglichen Strukturen des Magischen bestehen, wie sich vor allem im nächsten Abschnitt zeigen wird. Das heißt, das Schicksal dieses Dorfes wird in die Geschichte der Außenwelt eingebettet, doch nicht nur verändert diese das Dorf, auch verändern Macondo und seine Bewohner die Geschichte. So wird es zu einem Ort der sich zwar unter dem Eindruck des Äußeren dynamisch fortentwickelt, im Grunde genommen aber bleibt dieser, wie auch die einzelnen Generationen der Buendías, gleich.

3.2 Magischer Alltag und alltägliche Magie

Das eben beschriebene, reziproke Zusammenspiel zweier durchaus gegensätzlichen Weltkonzepte bildet nicht nur den Nährboden sondern geradezu die Grundvoraus-setzung für das magisch-realistische Schreiben in Cien años de soledad. Dieser ‚Kulturschock‘ bewirkt das Entstehen einer Art Biotop, eine erweiterte Wirklichkeit, ein Spannungsfeld zwischen magischem Alltag und einer alltäglichen Magie. Wie wir in diesem Abschnitt zeigen wollen, erreicht Gabriel García Márquez die erwünschte Einbettung des Wunderbaren in die Realität durch verschiedene Strategien. Diese bauen darauf auf, dass die beiden Ebenen ‚magisch‘ und ‚realistisch‘ einer Umpolung (vgl. Lange 1992: 85) unterzogen werden: So werden die aus unserer Sicht phantastischen Ereignisse von den Bewohnern Macondos als alltäglich wahrgenommen, bestimmte natürliche Begebenheiten wiederum empfin-den sie wiederum als erschreckend und übersinnlich.

[...]


[1] Vgl. dazu Langowski (1973), Hart (1982/83: 38 ff.), Heise (1976: 645 ff.).

[2] Textpassagen aus Cien años de soledad werden nach der Edition von Jacques Joset zitiert (García Márquez 1987).

[3] Die weiblichen Figuren in Cien años fallen leider oft nur durch ihre recht flache Charaktereigenschaften auf: Eigensinn, Eifersucht, Hass, oder exorbitante Schönheit. Ursula ist dabei die große Ausnahme.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Ein Vergleich magisch-realistischer Erzählverfahren in "Hundejahre" von Günter Grass und Gabriel García Márquez "Cien años de soledad"
Untertitel
Auf der Suche nach einer wunderbaren Wirklichkeit
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Romanische Philologie)
Veranstaltung
Eine ästhetische Konstruktion von Alterität? – Zur Begriffs- geschichte des Magischen Realismus
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
27
Katalognummer
V306374
ISBN (eBook)
9783668043008
ISBN (Buch)
9783668043015
Dateigröße
452 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Günter Grass, Gabriel García Márquez, Hundejahre, Cien años de soledad, Magischer Realismus, real-maravilloso, Jorge Luis Borges, Franz Kafka, Phantastik, Ángel Flores, Vergleich, magisch-realistisch
Arbeit zitieren
Alexander Bauerkämper (Autor:in), 2010, Ein Vergleich magisch-realistischer Erzählverfahren in "Hundejahre" von Günter Grass und Gabriel García Márquez "Cien años de soledad", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/306374

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