Selbstverletzendes Verhalten im Jugendalter

Beschreibung, Erklärungsansätze, Therapiemöglichkeiten


Seminararbeit, 2015

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Begriffsbestimmung

2. Adoleszenz als ''kritische Phase''

3. Phänomenologie

4. Risikogruppen

5. Funktionen selbstverletzenden Verhaltens

6. Ursachen und Erklärungsansätze

7. Therapie- und Interventionsmöglichkeiten bei selbstverletzendem Verhalten
7.1 Präventionsmaßnahmen
7.2 Erstkontakt
7.3 Weiterbehandlung

8. Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Erleichterung

Man kennt mich Lächelnd.

Zieh mich manchmal Für kurze Zeit zurück

Wenn ich es nicht mehr aushalte. Das Lächeln

Verschwindet.

Schmerz und Angst

Stehen in meinen Augen. Muss nach Luft schnappen Mir wird schwindelig Ich beginne zu zittern

Wo ist die Klinge? Nervös suchend. Endlich.

Spüre das kalte Eisen Auf meiner Haut. Warmes Blut

Zieht seine Bahnen. Eilig abgewischt

Schnell ein Pflaster darüber Die Jacke angezogen

Gehe ich zurück. Lächelnd.

Verfasser: *razorblade_salvation*

Das Gedicht mit dem Titel 'Erleichterung' stammt von dem Internetportal Rote Tränen und wurde von der Nutzerin *razorblade_salvation*, wie sie sich in der Community nennt, verfasst. Mit ihrem Gedicht thematisiert sie selbstverletzendes Verhalten und beschreibt die ''Erleichterung'', die Menschen, die sich selbst verletzen, verspüren, kurz nachdem sie sich Schaden zugefügt haben. Im Gedicht tritt die Selbstverletzung in Form des sogenannten Ritzens auf. Bei dem Internetportal Rote Tränen handelt es sich um eine Selbsthilfe-Community für Menschen, die sich selbst verletzen. Neben Gedichten finden sich dort auch Lebensgeschichten, Erfahrungsberichte und ein Forum, in dem sich Betroffene austauschen und gegenseitig Tipps geben können. Doch auch wenn dem Thema Selbstverletzung immer mehr mediale Aufmerksamkeit durch das Internet, das Fernsehen oder auch durch die Musik zuteil wird, so ist es noch weit davon entfernt gesellschaftlich akzeptiert zu werden. In einer Gesellschaft, in der Gesundheit nahezu als das höchste Gut des Menschen angesehen wird, erscheint es vollkommen absurd und widersinnig seinen Körper derartigen Qualen auszusetzen und sich damit zu verunstalten. Aber dennoch kommt es vor und ist kein Phänomen das nur die klinisch-psychiatrische Population betrifft. Immer mehr Menschen leiden unter dem Zwang sich selbst zu verletzen. Insbesondere unter Jugendlichen ist Selbstverletzung weit verbreitet. Man geht derzeit von einer Prävalenz zwischen 10-20 Prozent aus (vgl. Kaess, 2012).

Die folgende Arbeit soll selbstverletzendes Verhalten im Jugendalter näher beleuchten. Nach einer kurzen Begriffsbestimmung wird näher darauf eingegangen wieso ausgerechnet Jugendliche ''anfällig'' für selbstverletzendes Verhalten sind. Anschließend werden verschiedene Formen selbstverletzenden Verhaltens beschrieben und typische Abläufe von Selbstverletzung dargestellt. Außerdem werden Risikogruppen vorgestellt, sowie die Funktionen von selbstverletzendem Verhalten thematisiert. Des Weiteren werden mögliche Ursachen und Erklärungsansätze gesucht und Therapie- und Interventionsmöglichkeiten aufgezeigt. Die Ergebnisse dieser Arbeit werden zum Schluss kurz und bündig in einem Fazit zusammengefasst.

1. Begriffsbestimmung

Im Gesamtspektrum menschlichen Verhaltens kann eine große Bandbreite selbstschädigender Verhaltensweisen vorkommen. Dies zeigt sich zum Beispiel an Ritualen, die Selbstverletzung beinhalten (vgl. Petermann & Winkel, 2010). Sie kommen in fast allen menschlichen Kulturen vor und können etwa der Verschönerung des Körpers dienen oder religiös motiviert sein, wie etwa die Selbstgeißelung nach dem Begehen einer Sünde im Christentum (vgl. ebd.). Wiederum andere Rituale sollen die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft besiegeln (vgl. ebd.). Hierzu zählen auch Übergangsrituale in der Adoleszenz (vgl. ebd.). Aber nicht nur Riten und Bräuche können als selbstverletzendes Verhalten aufgefasst werden, sondern auch ganz alltägliche Dinge, die dem Körper schaden können, wie etwa Rauchen, Alkoholkonsum, Extremsportarten uvm. (vgl. Kaess, 2012). Um all diese Handlungen von pathologischem Verhalten abzugrenzen, muss die soziale Akzeptanz genauer betrachtet werden. Während Riten, Bräuche und alltägliche ''Selbstverletzungen'' sozial akzeptiert sind, ist pathologisches Verhalten hingegen meist nicht gebilligt (vgl. Petermann & Winkel, 2010). Eine weitere Abgrenzung die notwendig ist, ist die Abgrenzung zur Suizidalität. Pathologisches selbstverletzendes Verhalten geschieht zwar bewusst, jedoch in der Regel nicht mit der Intention sich das Leben zu nehmen (vgl. Kaess, 2012). In der Literatur gibt es eine Vielzahl von Begriffen und Definitionen, die sich mit dem willentlichen Zufügen von Schmerzen und Wunden beschäftigt. Für diese Arbeit wurde der Begriff 'Selbstverletzendes Verhalten' gewählt, da ich ebenso wie Sachsse der Ansicht bin, dass der Begriff im Vergleich zu den anderen Begriffen, am wenigsten wertend zu verstehen ist (vgl. Sachsse, 2003). Unter Berücksichtigung der getroffenen Abgrenzungen erscheint die Definition von Petermann & Winkel am geeignetsten, um selbstverletzendes Verhalten zu beschreiben. Demnach ist selbstverletzendes Verhalten:

„gleichbedeutend mit einer funktionell motivierten Verletzung oder Beschädigung des eigenen Körpers, die in direkter und offener Form geschieht, sozial nicht akzeptiert ist und nicht mit suizidalen Absichten einhergeht.“ (Petermann & Winkel, 2010, S. 23).

Der Begriff des Jugendalters kann, je nachdem aus welcher Perspektive man ihn betrachtet, unterschiedlich definiert werden (vgl. Flammer & Alsaker, 2002). Um dieser Bandbreite an Definitionen gerecht zu werden, wurde für diese Arbeit eine sehr breite Definition gewählt:

„Das Jugendalter ist eine Phase innerhalb des Lebenszyklus, die durch das Zusammenspiel biologischer, intellektueller und sozialer Veränderungen zur Quelle vielfältiger Erfahrungen wird“ (Oerter & Dreher, 2002, S. 258).

In welchem Alter diese Lebensphase eintritt ist individuell unterschiedlich und hängt vom jeweiligen Entwicklungsstand des Individuums ab (vgl. Flammer & Alsaker, 2002). Der Beginn des Jugendalters kann jedoch mit dem Einsetzen der Pubertät bestimmt werden (vgl. ebd.). Das Ende des Jugendalters kann auch nur schwer festgelegt werden (vgl. ebd.). Nichtsdestotrotz ist das Erreichen einer autonomen Lebenssituation ein ausschlaggebendes Indiz für das Ende dieser Phase (vgl. ebd.). Welche Veränderungen das Jugendalter kennzeichnen und wieso das Jugendalter eine „Quelle vielfältiger Erfahrungen“ (Oerter & Dreher 2002, S. 258) ist, soll nun beschrieben werden.

2. Adoleszenz als ''kritische Phase''

Das Erstauftreten von selbstverletzendem Verhalten ist zwischen dem 14 und 18 Lebensjahr zu verorten (vgl. Kaess, 2012). Es zeigt sich also, dass Jugendliche besonders anfällig für selbstverletzende Handlungen sind. Um zu verstehen was die Jugendlichen so vulnerabel macht, hilft es sich mit der Lebensphase der Adoleszenz genauer auseinanderzusetzen. In der Adoleszenz kommt es zu einer Vielzahl von Veränderungen, mit denen die Jugendlichen in Form von Entwicklungsaufgaben, konfrontiert werden (vgl. Flammer & Alsaker, 2002). Diese Entwicklungsaufgaben müssen durch die Jugendlichen erkannt, akzeptiert und aktiv bewältigt werden, denn eine erfolgreiche Bewältigung dieser Aufgaben trägt wesentlich zur Stabilisierung der Persönlichkeit bei (vgl. ebd.). Havighurst hat die Entwicklungsaufgaben in drei Bereichen unterteilt (vgl. Flammer & Alsaker, 2002, zitiert nach Havighurst, 1952). Demnach gibt es einerseits innerbiologische-universelle, aber auch sozio-kulturelle und psychologische Entwicklungsaufgaben (vgl. ebd.). Eine innerbiologische Entwicklungsaufgabe wäre beispielsweise der Umgang mit der hormonellen Veränderung des Körpers und damit verbunden auch die Akzeptanz des eigenen Körpers (vgl. ebd.). In den Bereich der sozio-kulturellen Entwicklungsaufgaben fallen etwa Aufgaben wie das Erlangen von Autonomie, sowohl in ökonomischer, als auch in emotionaler Hinsicht, sowie das Erlernen eines sozialverantwortlichen Verhaltens (vgl. ebd.). Die Entwicklung von eigenen Moral- und Wertvorstellungen und die Aufnahme intimer Beziehungen zählen zu den psychologischen Entwicklungsaufgaben (vgl. ebd.). Die Identitätsfindung fällt ebenfalls in diesen Bereich (vgl. Grob & Jaschinski, 2003). Die genannten Beispiele stellen nur einen kleinen Teil der Entwicklungsaufgaben im Jugendalter dar (vgl. Flammer & Alsaker, 2002). Um ein Ausufern dieser Arbeit zu vermeiden, kann leider nicht genauer auf die einzelnen Entwicklungsaufgaben eingegangen werden. Fakt ist jedoch: Entwicklungsaufgaben spielen im Jugendalter eine entscheidende Rolle und die Bewältigung stellt eine große Herausforderung dar, da die Jugendlichen im Kontext der Bewältigung verschiedene Lösungsstrategien austesten müssen, die nicht immer zum Erfolg führen (vgl. ebd.). Misserfolge in der Bewältigung verursachen dabei oftmals negative Gefühle wie Unzufriedenheit (vgl. ebd.). Letztendlich kann der Umgang mit diesen Gefühlen für die Jugendlichen eine große Belastung darstellen, die sie auch vulnerabel für selbstverletzendes Verhalten macht (vgl. Kaess 2012).

3. Phänomenologie

Die Erscheinungsformen selbstverletzenden Verhaltens sind vielfältig (vgl. Petermann & Winkel, 2010). Sie reichen von Beißen, Kratzen und Schneiden bis hin zu Verbrennungen und Selbstamputationen (vgl. ebd.). Zur Selbstverletzung können hierbei so gut wie alle Gegenstände genutzt werden (vgl. ebd.). So kommen sowohl körpereigene Instrumente, wie Fingernägel und Zähne, aber auch körperuneigene Instrumente wie Messer und Rasierklingen in Betracht, um sich selbst Wunden zuzufügen (vgl. ebd.). Auch in Bezug auf die von Selbstverletzung betroffenen Körperpartien, ist Heterogenität vorherrschend (vgl. ebd.). Jedoch gibt es bestimmte Körperregionen die bevorzugt verletzt werden (vgl. Kaess, 2012). Beliebte Verletzungsorte sind vor allem Unterarme, Handgelenke, sowie Oberarme und Oberschenkel, da die Betroffenen diese Körperstellen leicht erreichen können und die Verletzungen durch lange Kleidung verstecken können (vgl.ebd.). Aber auch Selbstverletzungen im Gesicht, am Bauch, an der Brust oder sogar im Genitalbereich sind nicht ausgeschlossen (vgl. ebd.). Neben den gewählten Methoden ist vor allem die Schwere der Schäden relevant, um Aufschluss über den Schweregrad des selbstverletzenden Verhaltens zu bekommen (vgl. ebd.). Es gibt sowohl leichte Formen selbstverletzenden Verhaltens, als auch schwere Formen (vgl. ebd.). Leichte Selbstverletzung liegt beim Sich-Beißen, Kratzen oder oberflächlichen Ritzen der Haut vor, während bei Verbrennungen oder Selbstamputationen von schweren Selbstverletzungen gesprochen werden kann (vgl. ebd.). In der Regel haben Betroffene eine präferierte Methode, die sie repetitiv und ritualisiert anwenden (vgl. ebd.).

Auslöser für selbstverletzendes Verhalten sind nach Resch internale und externale Stressoren (vgl. Resch, 2001).

[...]

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Selbstverletzendes Verhalten im Jugendalter
Untertitel
Beschreibung, Erklärungsansätze, Therapiemöglichkeiten
Hochschule
Universität Koblenz-Landau  (Psychologie)
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
14
Katalognummer
V306467
ISBN (eBook)
9783668043954
ISBN (Buch)
9783668043961
Dateigröße
406 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entwicklungspsychologie, Selbstverletzendes Verhalten, Jugendliche, Ritzen, Borderline, Autoagression
Arbeit zitieren
Janine Robert (Autor:in), 2015, Selbstverletzendes Verhalten im Jugendalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/306467

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