Unkonventionelles Erdgas. Eine spieltheoretische Zukunftsprognose


Akademische Arbeit, 2012

84 Seiten, Note: 2.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Gleichgewichtsmodelle
2.1 Modellierung
2.2 Modellkonzeption
2.3 Annahmen
2.3.1 Angebots- und Nachfrageregionen
2.3.2 Unkonventionelle Erdgaspotentiale
2.3.3 Produktionskosten für unkonventionelles Erdgas
2.4 Szenarien

3 Ergebnisse
3.1 Referenzfall
3.1.1 Erdgasproduktion
3.1.2 Auswirkungen auf die internationalen Gasmärkte
3.2 Vergleich zu anderen Marktstrukturen
3.2.1 Wettbewerb
3.2.2 Oligopol
3.3 Vergleich zu anderen Szenarien
3.3.1 Current Policies Scenario
3.3.2 450 Szenario

4 Zusammenfassung und Fazit

Literaturverzeichnis (inkl. weiterführender Literatur)

Anhang

Mehr zu diesem Thema finden Sie in „Unkonventionelles Erdgas. Auswirkungen auf den globalen Erdgasmarkt“ von Julian Deymann, ISBN: 978-3-656-52669-8

http://www.grin.com/de/e-book/263632/

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Shale Gaslagerstätten in den USA (Quelle. EIA 2011b, S.6)

Abbildung 2: Entwicklung des weltweiten Erdgasbedarfs in den verschiedenen Szenarien der IEA in Mrd. m³ (Quelle: IEA 2011a, S.157)

Abbildung 3: Gesamte konventionelle und unkonventionelle Erdgasproduktion im Referenzlauf in Mrd. m³ (Quelle: Eigene Berechnungen)

Abbildung 4: Erdgasproduktion der modellierten Erdgasmärkte im Referenzlauf in Mrd. m³ (Quelle: Eigene Berechnungen)

Abbildung 5: Erdgasproduktion im Vergleich zwischen den EIA Prognosen und dem Referenzlauf in Mrd. m³ (Quelle: Eigene Berechnungen; EIA 2011a, S.275f)

Abbildung 6: Erdgasproduktion der Nebenförderregionen im Referenzlauf in Mrd. m³ (Quelle: Eigene Berechnungen)

Abbildung 7: Internationaler Erdgashandel im Referenzlauf in Mrd. m³ (Quelle: Eigene Berechnungen)

Abbildung 8: US-Erdgaswirtschaft im Referenzlauf in Mrd. m³ (Quelle: Eigene Berechnungen)

Abbildung 9: Chinas Erdgaswirtschaft im Referenzlauf in Mrd. m³ (Quelle: Eigene Berechnungen)

Abbildung 10: Produktionsentwicklungen bei unterschiedlichem strategischem Verhalten (Quelle: Eigene Berechnungen)

Abbildung 11: Nachfrage und Produktionsentwicklungen in verschiedenen Marktstrukturen (Quelle: Eigene Berechnungen)

Abbildung 12: Preisentwicklungen in den Regionen in unterschiedlichen Marktstrukturen (Quelle: Eigene Berechnungen)

Abbildung 13: Produktionsentwicklungen der Regionen in unterschiedlichen Marktstrukturen (Quelle: Eigene Berechnungen)

Abbildung 14: Regionale Konzentration unkonventioneller Erdgasproduktion unter wettbewerblichen und realen Marktstrukturen in % (Quelle: Eigene Berechnungen)

Abbildung 15: Regionale Konzentration unkonventioneller Erdgasproduktion unter oligopolistischen und realen Marktstrukturen in % (Quelle: Eigene Berechnungen)

Abbildung 16: Nachfrage und Produktionsentwicklungen in verschiedenen den verschiedenen Nachfrageszenarien in Mrd. m³ (Quelle: Eigene Berechnungen)

Abbildung 17: Produktionsentwicklungen in unterschiedlichen Nachfrageszenarien in Mrd. m³ (Quelle: Eigene Berechnungen)

Abbildung 18: International gehandelte Mengen in den unterschiedlichen Szenarien (Quelle: Eigene Berechnungen)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Modellierte Regionen (Quelle: Eigene Darstellung) 10

Tabelle 2: Modellierte Potentiale unkonventionellen Erdgases in Mrd. m³ (Quelle: Eigene Darstellung nach EIA 2011c, S.4; ARI 2009, S.28)

Tabelle 3: Angenommene Produktionskosten für unkonventionelles Erdgas nach Land in €/ 1.000 m³ (Quelle: Eigene Berechnungen)

Tabelle 4: Darstellung der betrachteten Nachfrageszenarien und Marktstrukturen (Quelle: Eigene Darstellung)

Tabelle 5: Erdgaswirtschaft in Europa in Mrd. m³ samt Iänderspezifischen Importabhängigkeiten in % im Referenzlauf (Quelle: Eigene Berechnungen)

1 Einleitung

Erdgas wird in vielen Prognosen und Analysen für die kommenden Jahrzehnte eine herausragende Bedeutung bei der Deckung des weltweiten Energieverbrauchs beigemessen. Voraussagen der International Energy Agency (IEA) zufolge wird Erdgas der am stärksten wachsende Primärenergieträger sein. Schon heute deckt Erdgas 21 % des weltweiten, bzw. jeweils 25 % des amerikanischen und europäischen Primärenergiebedarfs. Laut dem Referenzszenario der IEA nimmt die globale Erdgasnachfrage bis 2035 um etwa 55 % zu. Während der Anteil von Kohle und Öl von 27 % auf 24 % bzw. von 33 % auf 27 % am globalen Primärenergieaufkommen zurückgehen soll, soll der Anteil von Erdgas auf 23 % ansteigen. In Europa soll Erdgas bis 2035 sogar Öl als größten Primärenergieträger ablösen. In Asien, dem Nahen Osten und Afrika wird die Nachfrage durchschnittlich um 2,4 % pro Jahr steigen.[1]

Das Ziel dieser Arbeit ist die Analyse, ob auch außerhalb der USA in Zukunft unkonventionelles Erdgas gefördert werden kann und ob eine mögliche Produktion den Rückgang der konventionellen Produktionsraten in Europa kompensieren kann bzw. helfen kann die steigende Nachfrage in China zu decken. Diese Fragestellungen werden mit einem von Stephan Spiecker entwickelten und für die vorliegende Arbeit erweiterten spieltheoretischen Erdgasmodell untersucht.

Darüber hinaus beantwortet die Analyse folgende Fragen:

- Können die USA aufgrund der großen unkonventionellen Reserven zum Nettoexporteur aufsteigen?
- Sind die europäischen Staaten in Zukunft noch abhängiger von Importen, insbesondere von Erdgaseinfuhren aus Russland?

Die vorliegende Arbeit ist in zwei Abschnitte gegliedert. Im ersten Abschnitt 1 wird das verwendete Simulationsmodell vorgestellt. Dabei wird zunächst ein Überblick über bisher entwickelte Modelle gegeben. Im Anschluss werden Spieckers Modell und die für diese Arbeit getroffenen Annahmen, sowie die verschiedenen berücksichtigen Marktstrukturen (Oligopol, Wettbewerb und Real) und die modellierten Nachfrageszenarien dargestellt. Die Ergebnisse der Analyse werden im zweiten Abschnitt diskutiert, wobei zuerst die Entwicklungen des Referenzlaufs hinsichtlich der Produktionsergebnisse und Auswirkungen auf die Erdgasmärkte analysiert werden. Abschließend erfolgt ein Vergleich der Ergebnisse zu unterschiedlich modellierten Marktstrukturen und Nachfrageszenarien.

2 Gleichgewichtsmodelle

Es gibt global große Vorkommen unkonventionellen Erdgases. Anhand eines von Stephan Spiecker entwickelten spieltheoretischen Gasmarktmodells werden die Auswirkungen durch eine eventuell beginnende Förderung von Erdgas aus dichtem Gestein oder Kohleflöz auf die jeweiligen Erdgasmärkte überprüft. Der eigentliche Untersuchungszweck des Modells war die Quantifizierung von Marktmacht in einem liberalisierten Strom- und Gasmarkt und den damit verbundenen Auswirkungen auf Preise, sowie den Einsatz von gasbefeuerten Kraftwerken. Das ursprüngliche Strom- und Gasmarktmodell wird in dieser Arbeit als reines Gasmarktmodell verwendet. Für die Analyse wurde es um unkonventionelle Erdgasressourcen und um betrachtete Regionen erweitert. [2]

Die vorliegende Arbeit beinhaltet zunächst eine Übersicht bisheriger Erdgasmarktmodelle (Kapitel 2.1). Des Weiteren werden die Modellkonzeption und wesentliche Modellcharakteristika des verwendeten Modells beschrieben (Kapitel 2.2). In Kapitel 2.3 werden die für die Analyse dieser Arbeit getroffenen Annahmen, wie die betrachteten Regionen, die implementierten unkonventionellen Erdgaspotentiale, sowie die Annahmen hinsichtlich der Förderkosten dargestellt. Anschließend werden in Kapitel 2.4 die verschiedenen Szenarien beschrieben.

2.1 Modellierung

Die Nutzung von Modellen in der Energieindustrie begann mit dem partialanalytischen Modellansatz von Harald Hotelling 1931. Dabei steht der gesamte Ressourcensektor im vollkommenen Wettbewerb. Ziel ist es den Nutzen, den die Gesellschaft aus der Ressource abzüglich der Extraktionskosten erzielen kann, zu maximieren.[3]

Die ersten Optimierungsmodelle wurden in den 1970ern und 1980ern infolge der ersten beiden Ölkrisen entwickelt. Ziel war es, Auswirkungen künftiger nationaler und internationaler Energiepolitiken und – maßnahmen zu analysieren und zu bewerten. Vorreiter sind die fundamentalanalytischen Modelle EFOM (1984), konzipiert von van der Voort oder MARKAL (1981) von Fishbone. In der Regel handelt es sich bei diesen Energiemodellen um Partialmodelle, in denen die Wertschöpfungskette von den Ressourcen bis hin zur Bereitstellung der Nutzenergie dargestellt wird.[4]

Existierende Erdgasmarktmodelle differieren in Konzeption und Fragestellung. Es gibt sowohl Modelle unter der Annahme des reinen Wettbewerbs als auch mit oligopolistischer Marktstruktur. Weitere Unterschiede liegen in der statischen oder dynamischen Modellierung, sowie der geographischen Abdeckung. Je nach Anwendung und präferierter Marktstruktur wurden Erdgasmärkte als lineare Optimierungsmodelle, spieltheoretische Modelle oder auch als allgemeine Gleichgewichtsmodelle entwickelt.

Spieltheoretische Modelle werden in erster Linie zur Analyse von strategischem Verhalten, insbesondere der Ausübung von Marktmacht der Marktteilnehmer in oligopolistischen Strukturen, verwendet. Dabei kann zwischen einem kooperativen und einem nicht-kooperativen Spiel unterschieden werden. Bei einem kooperativen Spiel treffen die Teilnehmer verbindliche Abmachungen. Bei einem nicht-kooperativen Spiel wird den Akteuren ein rein eigennütziges Verhalten unterstellt.[5]

Bereits 1987 behauptete Mathiesen, dass der europäische Erdgasmarkt am besten als ein Cournot-Spiel dargestellt werden kann, da die Marktteilnehmer sich oft strategisch verhalten und demzufolge kein Handel zu Wettbewerbspreisen zustande kommt. [6]

Im Cournot-Modell wird angenommen, dass die Marktteilnehmer nicht-kooperativ über ihre angebotenen Mengen entscheiden, bis ein Gleichgewichtspunkt erreicht wird. Das sogenannte Nash-Cournot-Gleichgewicht stellt sich ein, wenn kein Spieler mehr einen Anreiz hat von seiner Strategie abzuweichen. Die Entscheidungen der Akteure werden in jeder Periode simultan getroffen, unter der Annahme, dass sie Kenntnis über die Strategie der anderen Marktteilnehmer haben und diese ihre Entscheidung nicht revidieren.[7]

1995 entwickelten Golombek u.a. eines der ersten oligopolistisch geprägten Systeme. Dabei handelte es sich um ein nicht-kooperatives Gleichgewichtsmodell, das den westeuropäischen Erdgasmarkt analysieren sollte. Darauf aufbauend konzipierten Oostvorn u.a. (1999) ein Modell, das ursprünglich die Auswirkungen der Liberalisierung auf die Endkonsumentenpreise sowie den Marktanteil von Erdgasproduzenten untersucht hat.[8]

Diese beiden Modelle dienten als Grundlage für das von Boots et al (2004) entwickelte GASTALE, von dem es seitdem diverse Weiterentwicklungen gibt. In den Systemen bilden die Produzenten ein Oligopol, wobei jeder Anbieter einer eigenen Kostenfunktion unterliegt. Das Modellergebnis (Nash-Cournot-Gleichgewicht) wird unter der Berücksichtigung von Produktionskosten, Transportkosten und Nachfrageelastizitäten, sowie dem Verhalten der Marktakteure, insbesondere der Intensität des Wettbewerbs zwischen Produzenten und Händler, ermittelt. [9]

Ein neueres und detailgetreueres Beispiel für ein spieltheoretisches Modell ist das von Holz 2006 konzipierte GASMOD, dass für die Analyse der europäischen Gasmarktstruktur, dessen Wettbewerbsfähigkeit und Angebotssituation entwickelt wurde. GASMOD bildet den europäischen Erdgasmarkt anhand eines zweistufigen Spiels ab. Wie beim GASTALE-Modell, findet auf beiden Ebenen ein Cournot-Spiel statt, was bedeutet, dass alle Unternehmen simultan über ihre angebotenen Mengen entscheiden. Dabei versucht jedes Unternehmen seine Gewinne zu maximieren. Auf der ersten Ebene wird die europäische Erdgasproduktion, sowie der Export nicht-europäischer Länder modelliert. Auf der zweiten Stufe wird der Handel der importierenden Regionen optimiert. Die Produzenten verfügen dabei über vollständige Informationen über die Nachfragesituation auf der zweiten Stufe und entscheiden über ihre Mengen entsprechend der Marktsituation.[10]

Ein weiteres häufig zitiertes Cournot-Modell ist das NATGAS-Modell von Zwart und Mulder (2006). Auch für den amerikanischen Markt sind ähnliche Modelle entwickelt worden, wie bspw. von Gabriel u.a. (2005).

Die Simulation oligopolistisch geprägter Energiemärkte ist mit einem großen Rechenaufwand verbunden. Daher werden oftmals für Nordamerika, aber auch für den europäischen Erdgasmarkt lineare Optimierungsmodelle konzipiert. Der größte Nachteil der linearen Optimierung liegt in der Annahme, dass der gesamte Markt im Wettbewerb steht, sodass kein strategisches Verhalten der Akteure analysiert werden kann. Zumindest gilt dieser Nachteil für den europäischen Markt, in dem in letzter Zeit zwar Wettbewerbstendenzen zu erkennen sind, aber Angebot und Preis dennoch durch oligopolistische Unternehmen bestimmt werden.[11]

Bei der linearen oder nicht-linearen Programmierung wird eine lineare bzw. eine nicht-lineare Zielfunktion unter linearen oder nicht-linearen Nebenbedingungen maximiert oder minimiert (z.B. Minimierung der Gesamtkosten). Bereits 1952 wurde ein lineares Optimierungsmodell zur Minimierung von Transportkosten aufgestellt.[12]

Ein lineares Optimierungsmodell zur Analyse des europäischen Erdgasmarktes ist das von mehreren Mitarbeitern des Energiewirtschaftlichen Instituts in Köln entwickelte EUGAS-System. Dabei handelt es sich um ein langfristig orientiertes Angebotsmodell für den europäischen Erdgasmarkt. Je nach Fragestellung und Inputdaten ist es auch in den Variationen MAGELAN (globale Betrachtung) oder TIGER bekannt.[13]

Ziel ist die kostenminimale Deckung der Erdgasnachfrage in Europa. Hauptmerkmale des Simulationsmodells sind Linearität, Intertemporalität und Interregionalität, sowie die gemischte Ganzzahligkeit, durch die der Zubau von Ferngasleitungen modelliert werden kann. Perner präferiert ein lineares Optimierungsmodell und begründet dies mit der „zunehmenden Wettbewerbsorientierung der Marktakteure“ um so „die zukünftige Marktentwicklung unter Konkurrenzbedingungen“ zu simulieren. [14]

Jedoch entspricht die Annahme des perfekten Wettbewerbs momentan nicht dem europäischen Markt, wonach die lineare Optimierung nicht geeignet ist, diesen adäquat darzustellen und zu untersuchen.[15]

Neben partiellen Gleichgewichtsmodellen existieren auch allgemeine Gleichgewichtsmodelle für den Erdgassektor, wie das World Gas Trade Modell von Hartley und Medlock (2005). Wie bei linearen Optimierungsmodellen basiert die Preisbildung auch bei dieser Art der Modellierung auf wettbewerblichen Marktstrukturen.[16]

2.2 Modellkonzeption

Das in dieser Arbeit verwendete Gasmarktmodell von Spiecker ist als langfristiges partielles (räumliches) Optimierungsmodell[17] konzipiert. Es handelt sich dabei um ein spieltheoretisches Modell, das in der Programmiersprache GAMS (General Algebraic Modelling System) implementiert wurde. Das Modell kann als ein spieltheoretisches Modell unter vollständigen Informationen beschrieben werden, da die Händler über perfekte Informationen bezüglich der Nachfragesituation verfügen.

Ausgangspunkt ist ein oligopolistisch geprägter Gasmarkt. Wie bei denen in Kapitel 2.1 vorgestellten Modellen GASTALE und GASMOD werden die Ergebnisse unter der Annahme eines nicht-kooperativen Nash-Cournot Oligopols für verschiedene Regionen (Interregional) und Zeitschritte (Intertemporal) errechnet. Interregionalität bedeutet, dass in dem Modell mehrere Angebots- und Nachfrageregionen unterschieden werden, die über ein Transportsystem (Pipeline oder LNG) miteinander verbunden sind und sich dementsprechend gegenseitig beeinflussen. Unter Intertemporalität wird verstanden, dass das Modell für mehrere Perioden gelöst wird, wobei die Ausprägung der verschiedenen Variablen in der einen Periode die Variablen in einer anderen Periode beeinflussen.

Wie oben erwähnt, wählt in einem Nash-Cournot Oligopol jeder Spieler seine Strategie unter der Voraussetzung, dass alle anderen Spieler ihren Profit maximieren wollen. In Spieckers Modell ist die strategische Variable die Menge, die die jeweiligen Händler eines Landes an den Nachfragehubs zur Verfügung stellen, wodurch die Produzenten und ihre zugehörigen Händler, je nach Marktmachtfaktor, die Möglichkeit haben, auf Basis ihrer gewählten Ausbringungsmenge den Marktpreis zu beeinflussen.[18]

Folgende Marktstruktur wird in diesem Modell angenommen: Die Erdgasproduzenten entscheiden über Investitionen in Produktionskapazitäten und Fördermengen und bieten das produzierte Erdgas dem jeweiligen nachgestellten Händler an. Jedem Produzenten ist genau ein Händler zugeordnet. Die Händler verkaufen das Gas an Handelsplätzen weiter, an dem sie die aggregierte Nachfrage der drei betrachteten Sektoren (Haushalte, Industrie, Stromerzeugung) bedienen. Die Händler haben die Möglichkeit auf jedem Großhandelsmarkt der modellierten Regionen Erdgas anzubieten. Der Transport via Pipeline oder LNG wird durch die Transmission System Operator (TSO) organisiert. Speicherbefüllung oder – entnahme erfolgt anhand von ökonomischen Impulsen.[19]

In dem Modell wird für jeden der Marktteilnehmer ein Optimierungsproblem formuliert. Dafür werden die Karush-Kuhn-Tacker (KKT) Bedingungen genutzt. Die KKT-Bedingungen sind die notwendigen und hinreichenden Bedingungen, um eine konvexe Zielfunktion oder einen konvexen Lösungsraum optimal zu lösen.[20]

Abhängig von der Modellierung der Nebenbedingungen des Optimierungsproblems kann zwischen verschiedenen Komplementärproblemen unterschieden werden. Falls die Nebenbedingungen als exogene Variablen, wie z.B. Kapazitätsbeschränkungen der Form x ≤ y, implementiert sind, ergibt sich aus den abgeleiteten KKT-Gleichungen in Verbindung mit den Marktet-Clearing-Bedingungen ein Mixed Complementary Problem (MCP)[21]. [22]

Dank der Market-Clearing-Bedingungen sind Angebot und Nachfrage auf jedem Marktplatz zu jedem saisonalen Zeitpunkt ausgeglichen. Neben dem Erdgas des heimischen Produzenten zählen zu den Zuflüssen Importe via LNG oder Pipeline, sowie Speicherentnahmen. Abflüsse sind Verkäufe an den heimischen Markt, Exporte oder Speicherbefüllungen.[23]

Ein Mixed Complementary Problem ist ein System simultaner Bedingungen, wobei das Optimierungsproblem sowohl eine lineare oder nicht-lineare Funktion sein kann. Aufgrund der Kombination aus Gleichungen und Ungleichungen wird das Problem als gemischt bezeichnet. Die Hauptcharakteristik besteht im gleichzeitigen Lösen aller in einem Modell formulierten Optimierungsprobleme. Innerhalb des Modells können verschiedene Optimierungsprobleme miteinander verbunden sein, wie hier, in einem spieltheoretischen Kontext. Dadurch kann ein Nash-Cournot Spiel mit reinen Strategien dargestellt werden. Die MCP-Optimierung ermöglicht dem Anwender die Marktmacht einzelner Akteure zu berücksichtigen bzw. im Markt zu untersuchen. Für jeden Marktteilnehmer (z.B. Produzenten) wird ein Gewinnmaximierungsproblem unter den abgeleiteten KKT-Bedingungen formuliert[24]. Die Optimierung unterliegt Nebenbedingungen, die entweder lineare oder nicht-lineare Funktionen sind. [25]

In Worten ausgedrückt lauten diese in Spieckers Modell wie folgt: Der heimische Produzent wählt die Produktionsmenge und verkauft diese an den Händler, um seinen Gewinn zu maximieren. Die Produktionskosten setzen sich aus Kosten der Baseproduktion und der teureren Peakproduktion zusammen. Dabei stehen 10 % der gesamten Produktionskapazität für die Peakproduktion und 90 % für die Baseproduktion zur Verfügung. Die Nebenbedingungen stellen einerseits sicher, dass die Produktion nicht die Kapazität überschreitet und andererseits, dass die Erdgasförderung nicht geringer ist als die verkauften Mengen an den Händler.[26]

Die Händler arbeiten sozusagen als Agenten der ihnen vorgestellten Produzenten und optimieren ihren Profit, indem sie das Erdgas zum Großmarktpreis verkaufen. Decken müssen die Händler Beschaffungs- und Transportkosten. In diesem Modell besitzen die Erdgasproduzenten Marktmacht, die durch ihre Agenten (Händler) ausgeübt wird. Die abgeleiteten KKT-Bedingungen zeigen, dass der Marktpreis den Grenzkosten entspricht wenn Händler ohne Marktmacht agieren. Im oligopolistischen Fall entsprechen die Grenzkosten dem Grenzerlös. Die Differenz beider Fälle hängt von der Steigung der Nachfragefunktion[27] und den Ausbringungsmengen der jeweiligen Händler ab. Stellt der Händler bspw. zusätzliche Mengen auf dem Markt zur Verfügung, sinkt der Preis und umgekehrt.[28]

Für den, durch die Transmission System Operator organisierten Erdgastransport wird ein Preis angenommen, der den langfristigen variablen Grenzkosten entspricht. Nur bei einem Kapazitätsengpass wird ein Aufschlag verlangt, um den Markt in der Balance zu halten. Das gilt sowohl für den Pipeline- als auch für den LNG-Transport. Durch die Restriktionen können die Transportmengen die Kapazität nicht überschreiten.[29]

Im Modell werden unabhängige Speicherbetreiber betrachtet, die gegen den Großmarkt optimieren und versuchen, den Nutzen des Verbrauchers zu erhöhen. Durch die Nebenbedingungen wird sichergestellt, dass die ein- und ausgespeicherten Mengen ausgeglichen sind und das die Speicherkapazitäten nicht überschritten werden.[30]

Des Weiteren zeichnet sich das Modell durch endogene Investitionsentscheidungen aus. Investitionen können sowohl in Produktionskapazitäten als auch in LNG-Transportkapazitäten erfolgen. Investitionen werden anhand eines dynamisch-rekursiven Ansatzes bestimmt und sind, mit Ausnahme des Startjahres 2010, in jeder Periode möglich.[31]

2.3 Annahmen

In dem Modell werden alle für die Zukunft relevanten Akteure für die Produktion von unkonventionellem Erdgas berücksichtigt. Darüber hinaus werden alle Regionen, die als Pipeline- oder LNG-Exporteure Einfluss auf die betrachteten Märkte haben können, miteinbezogen.

Da der Fokus dieser Arbeit auf den Auswirkungen der Förderung nicht-konventionellen Erdgases liegt, werden im Folgenden die Annahmen vorgestellt, die zusätzlich für diese Analyse implementiert worden sind. Dazu zählen die betrachteten Regionen (Kapitel 2.2.1), die im Modell verwendeten unkonventionellen Potentiale (Kapitel 2.2.2), sowie die Annahmen bezüglich der Kosten, die durch die Produktion verursacht werden (Kapitel 2.2.3.).

Alle weiteren Inputdaten, wie konventionelle Produktionskosten, Produktionskapazitäten, Transportkosten und -kapazitäten etc., basieren auf Spieckers Annahmen aus dem Basisjahr 2010.[32]

2.3.1 Angebots- und Nachfrageregionen

Bei dem in dieser Arbeit angewandten Gasmarktmodell werden alle Länder berücksichtigt, die entweder Erdgas produzieren oder verbrauchen. Insgesamt werden 73 Länder in 43 Regionen modelliert.

Der Fokus lag ursprünglich auf der Betrachtung der europäischen Staaten. Außereuropäische Staaten wurden zu Regionen zusammengefasst, um den globalen LNG-Handel miteinzubeziehen. Auch Russland wird nur als Exporteur betrachtet. Das bedeutet, dass die in dem Modell errechneten Produktionsmengen komplett für den Export zur Verfügung stehen. Das Modell ermöglicht jedoch eine flexible Handhabung der Regionen. Je nach Untersuchungszweck können Regionen hinzugefügt oder entfernt werden.[33]

Neben den europäischen Staaten werden, insbesondere die USA und China, aufgrund der dort befindlichen großen Potentiale unkonventionellen Erdgases, berücksichtigt. Zwar wird Erdgas aus dichten Gesteinen oder Kohleflözen auch in anderen Regionen der Erde vermutet, doch sind derzeit keinerlei Anzeichen zu erkennen, dass in diesen Gebieten in absehbarer Zeit unkonventionelles Erdgas in größeren Mengen produziert wird. Gründe sind eine komfortable konventionelle Reserven- und Ressourcensituation oder ein geringer Erdgasanteil am Primärenergieverbrauch, aufgrund dessen neue Bezugsquellen, vermutlich zu höheren Kosten, nicht benötigt werden.[34]

In Tabelle 1 sind die modellierten Regionen nach ihrem Detaillierungsgrad dargestellt.[35]

Tabelle 1: Modellierte Regionen (Quelle: Eigene Darstellung)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[36]

Die in Tabelle 1 als „Exportregionen“ deklarierten Staaten werden, wie in Spieckers ursprünglicher Modellversion, als LNG- oder Pipelineexporteure auftreten. Für die Regionen, die sich in der Spalte „Komplette Märkte“ befinden, wird der gesamte Erdgasmarkt modelliert.

Von den hier abgebildeten Regionen, ist vor allem die stark erdgasabhängige (24 % der Gesamtenergienachfrage) Region Europa zunehmend auf Importe angewiesen. Die einzigen Nettoexporteure sind Norwegen, die Niederlande und Dänemark. Die Erdgaseinfuhren stammen zu großen Teilen aus politisch instabilen Regionen, wie dem kaspischen Raum oder Russland, die allein für 34 % der europäischen Erdgaseinfuhren verantwortlich sind. Russland verfügt zwar über eine große Reservenbasis und damit verbunden über konstante Förderraten, allerdings kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen Russland und den sogenannten Transitstaaten. Für die europäischen Akteure bedeutet die Durchleitung durch diese Länder ein potentielles Risiko für die Gasversorgung. Immer wenn es in Europa in den letzten Jahren zu Versorgungsproblemen gekommen ist, waren Transitstaaten maßgeblich beteiligt. Vor allem der Gasstreit zwischen der Ukraine und Russland hatte eine enorme Wirkung auf die europäischen Gasimporte.[37]

Vertrauenswürdigere Handelspartner wie Norwegen, die Niederlande oder Großbritannien haben zum Teil mit rückläufigen Produktionsraten und geringer werdenden Reserven zu kämpfen. Vor allem die Förderraten in Großbritannien sind seit Jahren rückläufig. Auch die Reserven neigen sich dem Ende zu. Standen 2000 noch 1,20 Bill. m³ Erdgas zur Ausbeutung zur Verfügung sind es 2010 nur noch 0,26 Bill. m³, sodass die Produktion ohne neuerschlossene Reserven nicht mehr lange aufrechterhalten werden kann. In den Niederlanden waren ebenfalls seit 2000 ein stetiger Rückgang der Produktion, sowie der Erdgasvorkommen zu beobachten. In diesem Zeitraum hatte sich der Reservenbestand um ca. ein Viertel verringert. 2009 wurden die Reserven jedoch wieder höher eingeschätzt als im Vorjahr (von 1,14 Bill. m³ auf 1,17 Bill. ³). Die Produktion stieg 2010 ebenfalls wieder an. Allerdings handelt es sich bei dem Förderanstieg nur um eine kurzfristige Entwicklung. Bereits 2011 ließ die Erdgasgewinnung wieder um 9 % nach. Auch Norwegens Förderrate war 2011 erstmals rückläufig (-4,6 %).[38]

Auch Staaten, wie Deutschland (87 % des Gaskonsum wurden 2010 durch Importe gedeckt), Frankreich (98 %), Italien (90 %) oder Polen (61 %), die seit Jahren einer hohen Importabhängigkeit unterliegen, stehen einer weiter nachlassenden Produktion aus konventionellen Lagerstätten gegenüber, sodass ohne neue unkonventionelle Potentiale, die Abhängigkeit bei wachsender Nachfrage weiter steigen wird.[39]

Auch die USA hatten jahrelang mit rückläufigen Produktionsraten und somit einer zunehmenden Abhängigkeit von Importen zu kämpfen. Dank längst begonnener Erdgasförderung aus unkonventionellen Quellen, steigt die Produktion seit 2005 wieder an wodurch die Gaseinfuhren verringert werden konnten.[40]

Chinas Erdgasproduktion wächst seit Jahren kontinuierlich. Bisher kann die Förderung jedoch nicht mit dem rasant wachsenden Erdgasverbrauch Schritt halten. Auch in Zukunft wird der Bedarf weiter steigen, da Chinas Regierung einen größeren Anteil von Erdgas an der Stromerzeugung anstrebt um die CO²-Emissionen zu reduzieren. Um die Nachfragesteigerung ohne eine zunehmende Importabhängigkeit (bisher 15 %) zu befriedigen, wird, neben konventioneller Förderung, auch nach Erdgas aus alternativen Lagerstätten geforscht.[41]

Welche der im Modell berücksichtigten Länder über unkonventionelle Potentiale verfügen und eventuell von einer beginnenden Produktion aus diesen Lagerstätten profitieren können, wird in Kapitel 2.3.2 detailliert dargestellt.

2.3.2 Unkonventionelle Erdgaspotentiale

Oftmals findet keine Abgrenzung zwischen Tight Gas und konventionellem Erdgas statt. Aufgrund dessen ist eine Quantifizierung der Tight Gas Potentiale schwierig und somit in der Literatur entweder unvollständig oder gar nicht veröffentlicht. Daher werden Tight Gas Ressourcen in dieser Analyse nicht berücksichtigt und nur die Auswirkungen durch die mögliche Produktion aus Shale Gas- und Kohleflözgaspotentialen untersucht.

Die Vorkommen werden nicht differenziert, sondern aggregiert als „unkonventionelles Erdgas“ betrachtet. Für die Modellberechnungen werden die zum heutigen Zeitpunkt bekannten gewinnbaren Ressourcen verwendet. Die Daten werden als exogene Größe betrachtet. Das bedeutet, dass zukünftige Entwicklungen, wie steigende Preise oder neue technische Möglichkeiten, die Größe der modellierten Potentiale nicht beeinflussen können. In Tabelle 2 sind die im Modell implementierten Vorkommen dargestellt.

Tabelle 2: Modellierte Potentiale unkonventionellen Erdgases in Mrd. m³ (Quelle: Eigene Darstellung nach EIA 2011c, S.4; ARI 2009, S.28)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In Europa werden bereits Industriegeförderte Forschungsprojekte zur Erkundung der Charakteristika durchgeführt. Ein Beispiel für solch ein Projekt ist „Gas Shales in Europe (GASH)“, das hauptsächlich von Öl- und Gaskonzernen, sowie dem deutschen geologischen Forschungszentrum (GFZ) vorangetrieben wird.[42]

Die osteuropäischen Gesteinsbecken reichen von Polen und den Baltischen Staaten bis hin zur Ukraine. Wie in Tabelle 2 zu sehen, verfügt Polen (5.295 Mrd. m³) über die größten gewinnbaren Shale Gas Ressourcen.

Polen gilt in Europa als führende Explorationsnation. Das Umweltministerium hat bereits 86 Erschließungskonzessionen gewährt. Bereits im August 2010 wurde ein Teil des Lublin Beckens erschlossen. Förderresultate sind nach der erstmaligen Nutzung des kombinierten Produktionsverfahrens in Polen noch nicht veröffentlicht worden. Auch in der Nähe von Danzig (Ostsee Becken) haben im September 2010 die ersten Explorationsarbeiten begonnen.[43]

Die Ukraine kann hingegen auf die größeren Kohleflözgasvorkommen (708 Mrd. m³) zurückgreifen. Die oberflächennahen Potentiale standen bei der Erforschung des Dnieper Donezk Beckens im Vordergrund. Aber auch tiefer gelegene Shale Gaslagerstätten wurden 2010 genauer analysiert. Der Fokus der Explorationsarbeiten für das schon oben genannte Lublin Becken, das sich bis in die Ukraine erstreckt, liegt bisher jedoch in Polen. Aber auch in der Ukraine soll zukünftig die Untersuchung der Kohleflözgaspotentiale beginnen.

Ebenso sind in Litauen erste Analysen des Ostsee Beckens geplant. Jedoch wird die gewinnbare Ressource lediglich auf 113 Mrd. m³ geschätzt. Die Türkei verfügt über geringe konventionelle Reserven. Dort wurden ebenfalls erste Shale Gas Explorationsarbeiten aufgenommen (s. Tabelle 2).

Die im Modell verwendeten westeuropäischen gewinnbringend förderbaren alternativen Erdgasvorkommen belaufen sich auf insgesamt 12.001 Mrd m³. Die größten förderbaren Shale Gasressourcen wurden in Frankreich (5.097 Mrd. m³) entdeckt. Explorationstätigkeiten haben seit längerem im südöstlichen Becken begonnen. Allerdings wurde in Frankreich bereits ein Moratorium bezüglich der Anwendung der Fracking-Technik beschlossen.[44]

In Deutschland (3.227 Mrd. m³) und den Niederlanden (481 Mrd. m³) sind ebenfalls die ersten Bohrlizenzen vergeben worden. Insbesondere in Niedersachsen wurde mit der Exploration von Schiefergas begonnen. Des Weiteren sind im Ruhrgebiet große Kohleflözgasvorräte lokalisiert worden.[45]

Auf den britischen Inseln (85 Mrd. m³) ist Gasschiefer in Schottland, in Nordostengland, sowie in Zentral- und Südengland zu finden. In Schottland wurden zahlreiche Explorationstätigkeiten abgeteuft, ein großer Teil davon betrifft Kohlflözgas.

In Österreich wird das Wiener Becken seit längerer Zeit untersucht. Bisher wurde festgestellt, dass die größten Shale Gas Ressourcen vermutlich in großer Tiefe verborgen sind.[46]

Das Alum Becken erstreckt sich über die drei skandinavischen Länder Norwegen, Schweden und Dänemark. Das größte Shale Gas Potential wird in Norwegen (2.350 Mrd. m³) vermutet. Aber auch Schweden (1.161 Mrd. m³) und Dänemark (651 Mrd. m³) verfügen über enorme Vorkommen. In Südschweden, sowie auf der dänischen Insel Bornholm hat die Erforschung bereits begonnen. Weitere Untersuchungslizenzen wurden für Zentralschweden verteilt.[47]

Wie in Tabelle 2 ersichtlich, werden die in China gewinnbaren unkonventionellen Ressourcen (38.936 Mrd. m³) als die größten eingeschätzt. Chinas Ministerium etablierte sogar ein Shale Gas Ressearch Center im August 2010, das im Oktober 2010 die Erschließung von sechs Bohrflächen beschlossen hat. Darüber hinaus wurde bereits 2009 ein Abkommen zwischen den Regierungen in Peking und Washington getroffen, wonach beide Staaten bei der Erschließung von Shale Gas im Rahmen technischer Untersuchungen zusammenarbeiten. Das erste Shale Gas Bohrloch wurde in Sichuan im März 2011 horizontal erschlossen. Weitere Lagerstätten befinden sich sowohl im westlichen Tarim Shale, als auch in Songliao Shale (Großraum Nordchina)..[48]

Neben Shale Gaspotentialen sind auch große Kohleflözgasressourcen identifiziert worden. Aufgrund der großen Kohlevorkommen nehmen viele Experten an, dass die Potentiale noch weitaus größer sind als die Shale Gasvorkommen. Laut ARI sind aber momentan lediglich 2.832 Mrd. m³ gewinnbar. Die Förderung soll sich zunächst auf die kohlereichen Regionen im Norden fokussieren.[49]

In Abbildung 1 sind die Shale Gaslagerstätten in den USA dargestellt, die im Gegensatz zu den bisher beschriebenen Reservoirs längst ausgebeutet werden. Diese erstrecken sich über das ganze Staatsgebiet. Allein 11,6 Mrd. m³ (47,5 % der gesamten förderbaren Ressource) befinden sich, nach Angabe der EIA, im Marcellus Shale im Nordosten der Vereinigten Staaten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Shale Gaslagerstätten in den USA (Quelle. EIA 2011b, S.6)

Weitere bedeutende unkonventionelle Erdgasfelder sind das Haynesville Shale (2,1 Mrd. m³) an der Golfküste, das Barnett Shale (1,2 Mrd. m³) in Texas oder auch das Fayettville Shale (0,9 Mrd. m³).[50]

2.3.3 Produktionskosten für unkonventionelles Erdgas

Die Kostenannahmen beruhen auf amerikanischen Erfahrungswerten in Verbindung mit länderspezifischen Voraussetzungen. In der Realität können sich die Förderkosten innerhalb der USA zwischen unterschiedlichen unkonventionellen Erdgasfeldern, aufgrund unterschiedlicher geologischer Gegebenheiten zwischen den einzelnen Schiefergebieten, unterscheiden. Für die Berechnungen wird allerdings angenommen, dass das gesamte amerikanische Potenzial zu den selben Kosten förderbar ist.

In den USA herrscht hinsichtlich der Produktionskosten Uneinigkeit und die Einschätzungen variieren stark. Für das Modell werden Kosten angenommen, die weder der Meinung der Optimisten (107-112 €/ 1.000 ³) noch der der Pessimisten (195-220 m³/ 1.000 ³) entspricht, sondern einem Mittelwert von $ 5/mmbtu (138 €/1.000 m³), den auch die IEA für realistisch hält.[51]

Wie für die USA werden auch für die anderen potentiellen Förderstaaten einheitliche Förderkosten pro Land angenommen. Für alle Nationen werden aufgrund von Lernkurveneffekten bezüglich der Förderverfahren, sowie zunehmenden Fachwissens hinsichtlich der Charakterisierung der geologischen Bedingungen, Kostenanpassungen pro Periode vorgenommen. Diese werden für die künftigen Produktionsländer ab 2030 berücksichtigt(s. Tabelle 3).

Für die bereits große Mengen produzierende USA verringern sich die Förderkosten bereits ab 2020 um 5 % pro Periode. Die restlichen Staaten können ihre Kosten erst ab 2030 senken. Aufgrund größerer Einspar- und Lernpotentiale wird für diese Länder aber ein größeres Einsparpotential angenommen, sodass sich die Aufwendungen um 10 % pro Periode reduzieren. Allerdings werden im betrachteten Zeitraum weder die europäischen Staaten noch China das Kostenniveau der USA erreichen können.

Die IEA geht davon aus, dass die Kosten in Europa und China 50 % höher sein werden. Beispielsweise kostet die Erschließung eines Shale Gasfelds in den USA vier Millionen US-Dollar (Barnett Shale), In Polen hingegen zehn bis zwölf Millionen US-Dollar. Da sich die Aufwendungen in den verschiedenen betrachteten Staaten unterschieden, werden bis 2030 Kosten von 276 €/1.000 m³ ($10/mmbtu) oder 330 €/1.000 m³ ($12/mmbtu) je nach regionalen Produktionsbedingungen angenommen.[52]

Anhand eines Faktors wird unterschieden, ob das jeweilige Land unkonventionelles Erdgas günstiger (276 €/1.000 m³) oder teurer (330 €/1.000 m³) fördern kann. Die Faktoren der jeweiligen Modellstaaten ergeben sich auf Basis eines Vergleiches zu den amerikanischen Rahmenbedingungen, da bisher nur Förderkosten aus den USA bekannt sind. Dabei wird jedem berücksichtigten Bestandteil des Faktors ein Wert zwischen eins und fünf zugeordnet, wobei eins sehr teuer und fünf sehr günstig entspricht. Den jeweiligen Einzelfaktoren wird, je nach angenommenem Einfluss auf die gesamten Förderkosten, eine Gewichtung[53] zugeordnet. Berücksichtigt werden geologische Gegebenheiten (30 %), die Größe der in den Ländern verfügbaren Ressourcen (20 %), Organisation des Service Sektors[54] (20 %), Erfahrungen in der Erdgasproduktion einschließlich vorhandener Infrastruktur (20 %), sowie Kosten für die Wasserbeschaffung (10 %). Nicht berücksichtigt werden Faktoren, die keinen direkten Einfluss auf die Kosten haben, wie Umweltbestimmungen, Bevölkerungsdichte oder Akzeptanz in der Bevölkerung.

Die Bewertungen der Einzelfaktoren werden mit der jeweiligen Gewichtung multipliziert und zu einem Gesamtfaktor addiert. Liegt der Gesamtwert über 2,5 werden Kosten von 276 €/1.000 m³ angenommen, liegt er darunter kann dieser Staat unkonventionelles Erdgas zu Kosten von 330 €/1.000 m³ fördern.[55]

Die USA weist in allen genannten Bereichen die besten Voraussetzungen auf. Sie verfügen über riesige Ressourcen mit den vergleichsweise besten geologischen Bedingungen (s. Anhang A 2.3). Des Weiteren sind genügend Wasserressourcen vorhanden, die auch günstig beschafft werden können. Der Service Sektor ist wettbewerblich strukturiert und es stehen genug Bohranlagen und Fachkräfte zur Verfügung. Ebenfalls existiert in den USA ein gutausgebautes Pipelinenetz und die Amerikaner sind seit Jahrzehnten ein führender Erdgasproduzent.

Faktoren für die Größe der Ressourcen wurden aus den in Kapitel 2.3.2 angegebenen Potentialen abgeleitet. Für die Bewertung der geologischen Bedingungen wurde auf die neusten Daten der EIA und ARI zurückgegriffen, die die in Anhang A 2.3 abgebildet sind. Dabei zeigen insbesondere die osteuropäischen Länder (Polen, Litauen, Ukraine) und Frankreich Ähnlichkeiten zu US-Feldern auf und werden dementsprechend gut bewertet. In Deutschland, den Niederlanden, Österreich, Großbritannien, China und den skandinavischen Ländern sind die Vorkommen teilweise in wesentlich tieferen Schichten und in dickeren Gesteinsformationen zu finden. Daher wird für diese Länder ein geringerer Wert angenommen (1-2).[56]

Höhere Kosten könnten auch eine Folge der Organisation des Dienstleistungssektors sein, der in Europa von vier Unternehmen (Schlumberger, Halliburton, Weatherforf und Baker Hughes) dominiert wird. Demzufolge steht der Markt in Europa weniger im Preiswettbewerb und ist somit, wie das gesamte Gasgeschäft, oligopolistisch geprägt. In Folge dessen ist nur eine begrenzte Anzahl an Fachkräften und Bohrkapazitäten vorhanden. 2010 standen in Europa bspw. nur insgesamt 1.008 Onshore-Bohranlagen zur Verfügung. In den USA waren es über 2.000. Diese Situation könnte sich allerdings mit steigender Nachfrage verändern.[57]

Jedoch ist bisher fraglich, wo die neuen Bohranlagen produziert werden sollen. Produktionskapazitäten stehen dafür in Europa bisher kaum zur Verfügung. Diese hochspezialisierten Anlagen könnten lediglich in Deutschland hergestellt werden, allerdings auch nur in begrenzter Anzahl. Eine andere Möglichkeit wären Importe aus den USA oder China, wobei aufgrund der europäischen Qualitätsansprüche, Einfuhren aus den USA am realistischsten sind.[58]

Der chinesische Servicesektor ist ähnlich organisiert. Der Markt wird von drei staatlichen Unternehmen bestimmt, die in verschiedenen Regionen in China operieren, sodass auch hier kein Preiskampf entsteht. Ebenso herrscht momentan ein Mangel an Fachkräften und hochspeziellen Bohranlagen.[59]

In Europa verfügen eine Menge Staaten über eine Menge Erfahrung im Erdgasgeschäft. Zu nennen sind insbesondere die Niederlande, Norwegen und Großbritannien. Dementsprechend existiert in der gesamten Region ein gut ausgebautes Pipelinenetz. Chinas Infrastruktur hingegen befindet sich noch im Aufbau. Zwar werden immer mehr Verbindungen geschaffen, jedoch ist das Pipelinenetz nur 31.000 km lang. Zum Vergleich: Allein Deutschland verfügt über ein Netz von 316.000 km.[60]

Laut einer amerikanischen Studie ist der Preis für Wasser in Europa bis zu zehnmal höher ist als in den USA. Dies ist jedoch von Land zu Land verschieden, da die Kosten in Abhängigkeit zu den zur Verfügung stehenden Frischwassermengen anfallen. Norwegen verfügt beispielweise. über riesige Ressourcen wohingegen Deutschland, Polen und Dänemark auf die geringsten Wasserreserven zurückgreifen können. In China herrscht ebenfalls Wasserknappheit, vor allem in den Regionen im Norden und Westen, in denen unkonventionelle Potentiale identifiziert worden sind. Die IEA geht sogar davon aus, dass die Wasserverfügbarkeit in China eins der größten Hindernisse für die Förderung sein kann. [61]

Aufgrund der Kostenfaktoren (s. Anhang A 2.4) können sowohl die osteuropäischen Staaten als auch Frankreich und Norwegen zu geringeren Kosten (im Vergleich zu den anderen modellierten Regionen) unkonventionelles Erdgas produzieren.

Tabelle 3: Angenommene Produktionskosten für unkonventionelles Erdgas nach Land in €/ 1.000 m³ (Quelle: Eigene Berechnungen)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zwar sind die Charakteristika des norwegischen Gebiets identisch zu den schwedischen und dänischen, doch verfügen die Norweger seit Jahrzehnten über eine enorme Erdgasproduktionserfahrung.

Auf diese können die Niederlande und Großbritannien auch zurückgreifen. Doch wird vermutet, dass hier höhere Kosten aufgrund der geologischen Eigenschaften entstehen. Gleiches gilt für Deutschland, Österreich und China.

2.4 Szenarien

Im Folgenden werden die betrachteten Szenarien und Marktausprägungen dargestellt. Gerechnet werden ein Referenzlauf, sowie vier weitere Varianten, die in Tabelle 4 abgebildet sind, welche sich in Marktform und vorgegebener Nachfrageentwicklung unterscheiden.

Zwei Spezifikationen bilden die gesamte Spannweite möglicher Marktmachtausprägungen ab. Zum einen wird ein Cournot Oligopol (olig)[62] und zum anderen ein reiner Wettbewerbsfall (Wettb)[63] dargestellt. Die dritte Variante, die die realen Marktverhältnisse am besten abbildet, ordnet den Händlern der Produzenten verschiedene Marktmachtfaktoren zu. Diese Faktoren werden aus den historischen Erfahrungen und anhand des aktuellen Liberalisierungsstatus der Länder abgeleitet. Staaten wie die USA oder Großbritannien weisen, aufgrund ihres liberalisierten Gasmarktes, einen sehr niedrigen Faktor auf. Auch wenn die Liberalisierung in anderen europäischen Ländern fortschreitet, ist die Öffnung der Märkte noch nicht auf dem britischen oder amerikanischen Niveau. Daher ist der Marktmachtfaktor für diese Länder höher.

Ausgehend von 2010 wird das Modell in den drei Marktvariationen in zehn Jahresschritten gelöst. Um dem Einfluss möglicher zukünftiger politischer Entscheidungen gerecht zu werden, werden die folgenden drei Nachfrageszenarien in Anlehnung an die Prognosen der IEA implementiert: New Policies Scenario (NPS) Current Policies Scenario (CPS) und das 450 Szenario.

Im New Policies Scenario werden, neben den bisher bekannten Verpflichtungen, auch Zukunftspläne berücksichtigt, die von den jeweiligen Ländern verkündet wurden, um die Energieversorgung zu sichern und dem Klimawandel und der lokalen Umweltverschmutzung entgegen zu wirken.

Das Current Policies Scenario stellt die Entwicklung der Erdgasnachfrage unter der Annahme dar, dass sich die umweltpolitischen Rahmenbedingungen nach 2011 nicht mehr verändern.

Ziel im 450 Szenario ist es, der globalen Erwärmung entgegenzuwirken. Genauer gesagt soll in diesem Szenario das 2-Grad-Ziel[64] mit Hilfe umweltpolitischer Maßnahmen erreicht werden. Allerdings geht die IEA davon aus, dass die meisten Maßnahmen erst nach 2020 ihre Wirkung erzielen, wie in Abbildung 2 anhand des Nachfragerückgangs ab 2020 deutlich zu erkennen ist.[65]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Entwicklung des weltweiten Erdgasbedarfs in den verschiedenen Szenarien der IEA in Mrd. m³ (Quelle: IEA 2011a, S.157)

In Abbildung 2 wird die globalen Nachfragentwicklungen in den jeweiligen Szenarien dargestellt. Dabei wird ersichtlich, dass der weltweite Erdgasverbrauch am schnellsten im CPS (2 % p.a.) wächst. Ein ähnliches Nachfrageniveau wird im NPS mit einem Wachstum von 1,7 % pro Jahr erreicht. Auch im 450 Szenario steigt der Erdgasverbrauch jährlich betrachtet um 0,9 %. Jedoch verlangsamt sich das Wachstum ab 2020 stark und ist ab 2030 sogar global rückläufig.

Im Referenzlauf wird sich die Nachfrage, unter real angenommenem strategischem Verhalten der Marktteilnehmer, gemäß dem New Policies Scenario entwickeln (s. Tabelle 4).

Tabelle 4: Darstellung der betrachteten Nachfrageszenarien und Marktstrukturen (Quelle: Eigene Darstellung)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darüber hinaus wird der Referenzlauf mit einem Markt unter oligopolistischen und wettbewerblichen Marktverhalten im NPS, sowie mit der Situation unter realen Marktbedingungen in den Nachfrageszenarien CPS und 450 verglichen.

3 Ergebnisse

3.1 Referenzfall

3.1.1 Erdgasproduktion

Insgesamt wächst die Produktion der modellierten Regionen im Referenzfall[66] bis 2050 mit durchschnittlich 1,21 % im Jahr. Die Förderung aus konventionellen Erdgasquellen erreicht ihren Höhepunkt 2020 (S. Abbildung 3). Bis 2050 werden nur noch 64 % der Mengen von 2020 gefördert, sodass die konventionelle Produktion über den gesamten betrachteten Zeitraum jährlich um 0,42 % zurückgeht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Gesamte konventionelle und unkonventionelle Erdgasproduktion im Referenzlauf in Mrd. m³ (Quelle: Eigene Berechnungen)

Die erstmalige Produktion unkonventionellen Erdgases findet 2020 statt. Allerdings beginnt diese nicht, wie zu erwarten wäre, in den USA, sondern in Schweden. Bis 2050 stammen 48 % (1.262 Mrd. m³) der gesamten Erdgasproduktion aus Schiefergesteinsformationen oder Kohleflözen.

Die EIA erwartet in ihrem Referenzszenario im World Energy Outlook 2011 ein rasantes Wachstum der Produktion aus unkonventionellen Erdgasfeldern. Sie prognostiziert einen Anteil an der globalen Gesamtproduktion im Jahr 2035 von 25 % (Modell 2040: 30 %). Die Erdgasförderung aus alternativen Lagerstätten vervierfacht sich von 2010 bis 2035 auf insgesamt etwa 1.200 Mrd. m³ (Modell 2040: 755 Mrd. m³). Jedoch ist zu beachten, dass im Modell nicht die gesamte weltweite Erdgasgewinnung berücksichtigt wird, und somit der Anteil der unkonventionellen Förderung geringer wäre als hier dargestellt. Dementsprechend sind die Prognosen der EIA wesentlich optimistischer. Allerdings betrachtet die EIA Tight Gas[67] als unkonventionelles Erdgas und geht davon aus, dass auch in anderen, in dem Modell nicht berücksichtigten Regionen, Erdgas aus unkonventionellen Quellen gewonnen wird.[68]

Einen Überblick über die Produktionsmengen der verschiedenen Förderländer des Referenzlaufs sind in Abbildung 4 dargestellt. Abgebildet sind ausgewählte Staaten, die laut der Modellergebnisse, zukünftig Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten produzieren werden. Angegeben ist die Gesamtproduktion in Mrd. m³, sowie der

prozentuale Anteil der nicht-konventionellen Förderung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Erdgasproduktion der modellierten Erdgasmärkte im Referenzlauf in Mrd. m³ (Quelle: Eigene Berechnungen)

Größter Erdgasproduzent der modellierten Regionen bleibt über den gesamten Zeitraum die USA, auch wenn die gesamte Förderung bis 2050 rückläufig ist. Im Modell ist der konventionelle Produktionshöhepunkt bereits 2010 (756 Mrd. m³) erreicht. Ab diesem Zeitpunkt lässt die Erdgasgewinnung aus bisher bekannten Erdgasfeldern stetig nach, sodass 2050 aus diesen Quellen lediglich noch 75,6 Mrd. m³ gewonnen werden. Die Förderung unkonventionellen Erdgases setzt im Referenzfall erst 2030 ein. In 2050 sind die USA dann größter unkonventioneller Erdgasproduzent mit 548 Mrd. m³ (43 % der modellierten unkonventionellen Erdgasförderung).Dann stammen ca. 88 % der gesamten Förderung aus Schiefergas- oder Kohleflözgaslagerstätten (s. Abbildung 4).

Die Simulationsergebnisse liegen unterhalb der Prognosewerte, die die EIA für die unkonventionelle Gasproduktion der USA vorhersagt (s. Abbildung 5). Die EIA geht bereits 2035 von einer nicht-konventionellen Förderung von 560 Mrd. m³ (Modell 2040: 308 Mrd. m³) und einem Anteil von 75 % an der US-Erdgasförderung aus. Die Prognosen der IEA sind deutlich verhaltener. Sie prognostizieren, dass 2035 ca. 445 Mrd. m³[69] (64 % der US-Erdgasproduktion) unkonventionelles Erdgas gefördert wird. Beide Institute vermuten aber ebenfalls rückläufige konventionelle Produktionsraten.[70]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Erdgasproduktion im Vergleich zwischen den EIA Prognosen und dem Referenzlauf in Mrd. m³ (Quelle: Eigene Berechnungen; EIA 2011a, S.275f)

China ist im Modell zweitgrößter und über den gesamten Zeitraum der am stärksten wachsende Erdgasproduzent. Nachdem sich die Erdgasförderung aus konventionellen Erdgasfeldern bis 2020 (auf 275 Mrd. m³) verdoppelt und damit ihren Produktionspeak erreicht, ist diese zunächst leicht und ab 2040 stark rückläufig, sodass 2050 nur noch 72 Mrd. m³ konventionelles Erdgas gefördert wird. Dieser Produktionsrückgang wird ab 2030 durch eine rasant wachsende Erdgasgewinnung aus alternativen Lagerstätten kompensiert. In den Jahren 2030 (170 Mrd. m³; 60 % der gesamten modellierten unkonventionellen Erdgasförderung) und 2040 (324 Mrd. m³; 42 % der gesamten modellierten unkonventionellen Erdgasförderung) ist China sogar größter Produzent von Erdgas aus dichtem Gestein und Kohleflözen. 2040 wird zum ersten Mal mehr unkonventionelles als konventionelles Gas gefördert. Wie in den USA macht auch in China die unkonventionelle Produktion 2050 (491 Mrd. m³) ca. 88 % der gesamten Erdgasförderung (565 Mrd. m³) aus.

Laut den Prognosen der EIA beginnt die unkonventionelle Erdgasförderung bereits 2015 und erreicht bis 2035 ein Produktionsniveau von 147 Mrd. m³ (Modell 2040: 324 Mrd. m³). Im Vergleich zu den Modellergebnissen sind die Vorhersagen für China wesentlich pessimistischer. Dies betrifft nicht nur die nicht-konventionelle, sondern auch die gesamte Erdgasproduktion (s. Abbildung 5).

Die gesamte europäische Erdgasproduktion überschreitet den kontinentalen Förderhöhepunkt 2020 (345 Mrd. m³) (s. Abbildung 5). Anschließend lässt die konventionelle Erdgasgewinnung stark nach, sodass 2050 lediglich noch ca. 60 Mrd. m³ Erdgas aus bisher ausgebeuteten Erdgasfeldern gewonnen wird. Die 2020 beginnende unkonventionelle Förderung kann diesen Rückgang nicht vollends ausgleichen, sorgt aber mit einem Anteil von 78 % an der europäischen Gesamtproduktion dafür, dass 2050 mit 282 Mrd. m³ insgesamt in Europa mehr Erdgas gefördert wird als 2010 (274 Mrd. m³). Der Anteil an der modellierten nicht-konventionellen Produktion liegt 2030 bei 14 % (40 Mrd. m³) und 2050 bei 18 % (222 Mrd. m³).

In Abbildung 5 wird deutlich, dass die EIA der Meinung ist, dass die europäische Erdgasproduktion bereits 2010 (286 Mrd. m³) die maximale Fördermenge erreicht hatte und die Erdgasgewinnung anschließend sinkt. Die konventionelle Produktion wird demnach, fast identisch zu den Modellergebnissen, bis 2035 auf 170 Mrd. m³ (Modell 2040: 169 Mrd. m³) zurückgehen. Dank dem Förderbeginn aus alternativen Erdgasquellen steigt nach Angaben der EIA die gesamte europäische Erdgasproduktion nach Erreichen des Tiefpunktes 2020 (212 Mrd. m³) wieder leicht an, gelangt bis 2035 (235 Mrd. m³) aber nicht mehr an das Förderniveau von 2010 heran. Bis 2030 sind die Einschätzungen der EIA (48 Mrd. m³) hinsichtlich der unkonventionellen Produktion positiver im Vergleich zu den Modellergebnissen (40 Mrd. m³). Ab 2040 (122 Mrd. m³) wächst die nicht-konventionelle Förderung im Modell aber rasant, sodass im Vergleich zu der Prognose der EIA für 2035 (65 Mrd. m³) fast doppelt so viel unkonventionelles Erdgas gewonnen wird.

Die wichtigsten europäischen Erdgasproduzenten sind in Abbildung 4 dargestellt. Größtes europäisches Förderland über den gesamten Zeitraum ist Norwegen. Der Produktionshöhepunkt wird 2020 mit 134 Mrd. m³ erreicht. Die in den folgenden Jahren rückläufigen konventionellen Produktionsraten werden ab 2030 durch die stark zunehmende unkonventionelle Förderung kompensiert. Demzufolge kann Norwegen 2050 mit 132 Mrd. m³ ähnlich viel Erdgas gewinnen wie 2020. 109 Mrd. m³ (82 %) der Produktion stammen dann aus Schiefergestein oder Kohleflözen, womit Norwegen 2050 in Europa auch größter unkonventioneller Erdgasproduzent ist.

[...]


[1] Vgl. IEA (2011), S.544ff.

[2] Vgl. Spiecker (2012), S.314.

[3] Vgl. Hotelling (1931).

[4] Vgl. van der Voort u.a.(1984); Fishbone; Abilock (1981).

[5] Vgl. Malkina-Pykh; Pykh (2002), S.26f.

[6] Vgl. Mathiesen (1987).

[7] Vgl. Weimann (2006), S.320 ff.

[8] Vgl. Holz (2009), S.34.

[9] Vgl. Hobbs; Lise und van Oostvoorn (2008).

[10] Vgl. Holz (2009).

[11] Vgl. Holz (2009),S.34.

[12] Vgl. Zimmermann (1997), S.48.

[13] Vgl. Seeliger (2006), S.29.

[14] Perner (2002), S.61f.

[15] Vgl. Holz (2009).

[16] Vgl. Hartley; Medlock (2005).

[17] Bedeutet, dass nur der Erdgasmarkt betrachtet wird.

[18] Vgl. Spiecker (2012), S.2.

[19] Vgl. Spiecker (2012), S.2f.

[20] Vgl. Chiang, Wainwright und Nitsch (2011), S.262ff.

[21] Sind die Nebenbedingungen endogener Natur, liegt entweder ein MPEC (mathematical program with equilibrium constraints) oder ein EPEC (equilibrium program with equilibrium constraints) vor.

[22] Vgl. Flakowski (2002), S.5.

[23] Vgl. Spiecker (2012), S.3.

[24] Die Gleichungen befinden sich im Anhang A 2.1.

[25] Vgl. Flakowski (2002), S.3ff.

[26] Vgl. Spiecker (2012), S.3.

[27] Die Nachfragkurve ist als ein Preis-Nachfrage-Punkt und einer Nachfrageelastizität definiert.

[28] Vgl. Spiecker (2012), S.3.

[29] Vgl. Spiecker (2012), S.3f.

[30] Vgl. Spiecker (2012), S.4.

[31] Vgl. Spiecker (2012), S.5.

[32] Vgl. Spiecker (2012).

[33] Vgl. Spiecker (2012), S.5.

[34] Vgl. IEA (2009b), S.403.

[35] Ein Überblick welche Länder zu welchen Regionen zusammengefasst worden sind gibt es im Anhang auf S.6 (A 2.2).

[36] Bis auf Zypern werden alle EU-Länder explizit betrachtet.

[37] Vgl. Engerer; Horn und Neumann (2009), S.837.

[38] Vgl. BP (2012), S.20.

[39] Vgl. BP (2011), S.29.

[40] Vgl. BP (2011), S.24.

[41] Vgl. BP (2011), S.24.

[42] Vgl. Horsfield; di Primio und Schulz (2011), S.17f.

[43] Vgl. IEA (2011b), S. 58.

[44] Vgl. IEA (2011b), S.65.

[45] Vgl. EIA (2011c), S. VII-12.

[46] Vgl. EIA (2011c), S. VII-22ff.

[47] Vgl. EIA (2011c), S. VII-18f.

[48] Vgl. WIR (2012), S 4.

[49] Vgl. NRG Expert (2011), S.145.

[50] Vgl. EIA (2011b), S.5.

[51] Vgl. IEA (2012), S.72f.

[52] Vgl. IEA (2012), S.53ff.

[53] Die Summe aller Gewichtungen ergibt 100 %.

[54] Angenommen wird, dass die Organisation im Service Sektor in Europa in allen Staaten gleich ist.

[55] Die gesamte Kostenmatrix ist im Anhang A 2.4 zu finden.

[56] Die Tabelle, die die geologischen Informationen beinhaltet ist im Anhang A 2.3 abgebildet.

[57] Vgl. Kogdenko (2012), S.3.

[58] Vgl. Gény (2010), S.95f.

[59] Vgl. IEA (2009a), S.11.

[60] Vgl. IEA (2009a), S.8.

[61] Vgl. IEA (2012), S.118.

[62] Alle Länder haben den Marktmachtfaktor 1.

[63] Alle Länder haben den Marktmachtfaktor 0.

[64] Das 2-Grad-Ziel, beschreibt das Ziel, die globale Erderwärmung auf weniger als 2°C gegenüber dem Niveau vor der Industrialisierung zu begrenzen.

[65] Weitere Informationen zu den Szenarien sind im Anhang auf S.3f. (A 1.1) zu finden.

[66] Die Ergebnisse des Modells im Referenzfall befinden sich im Anhang A 3.1.

[67] Auch bei den folgenden Ländervergleichen muss berücksichtigt werden, dass die EIA Tight Gas zu den nicht-konventionellen Erdgasen zählt.

[68] Vgl. EIA (2011a), S.276.

[69] Unklar ist, ob die IEA Tight Gas zu den unkonventionellen Erdgasen zählt.

[70] Vgl. IEA (2011a), S.165.

Ende der Leseprobe aus 84 Seiten

Details

Titel
Unkonventionelles Erdgas. Eine spieltheoretische Zukunftsprognose
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Note
2.0
Autor
Jahr
2012
Seiten
84
Katalognummer
V306532
ISBN (eBook)
9783668054493
ISBN (Buch)
9783668133037
Dateigröße
1209 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Spieltheorie, Erdgas, unkonventionelles erdgas, shale gas, tight gas, prognose, gleichgewichtsmodell, GAMS
Arbeit zitieren
Julian Deymann (Autor:in), 2012, Unkonventionelles Erdgas. Eine spieltheoretische Zukunftsprognose, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/306532

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