Im Namen der Reinheit der Rasse wurden im Nationalsozialismus über 6 Mio. „Unreine“ von der „reinen Deutschheit“ beseitigt. Die Eugenik war damals aber eine ganz normale Wissenschaft. Was konnte eine derart normale Wissenschaft zu der schaudererregendsten Abnormalität führen? Welche Rolle sollte die deutsche Wissenschaft Hitlers Ansichten nach in seiner Politik von „Reinigung der arischen Rasse“ spielen?
Zunächst wird das Thema der Pervertierung der Wissenschaft behandelt, und es wird zu sehen sein, aus welchen Gründen die deutschen Wissenschaftler bereit waren, Hitlers Rassenwahn zu unterstützen. Anschließend wird genauer auf die Rassenlehre eingegangen und erörtert, inwieweit das „Arische“ die deutsche Wissenschaft geprägt hat. Folglich wird die Frage gestellt, ob Hitler angesichts der Arisierung der Wissenschaft ein Fantast war, oder bloß ein lügender Politiker, für den (so Machiavelli) der Zweck die Mittel heiligt.
Dieser Text stammt von einem Autor, dessen Muttersprache nicht Deutsch ist. Bitte haben Sie deshalb Verständnis für eventuelle Fehler und Inkonsistenzen im Ausdruck.
Inhaltverzeichnis
Einleitung
I/Die Pervertierung der deutschen Wissenschaft
A/Wissenschaft und Wissenschaftler vor Hitlers Machtübernahme
B/Die „deutsche“ Wissenschaft gegen die „jüdische“ Wissenschaft
II/Die arische Erneuerung der Wissenschaft
A/Weiterentwicklung der Rassenlehre
B/ Die Welt der Arier
III/Hitler: Fantast oder Lügner?
A/Magische Wissenschaft
B/ Politische Wissenschaft
Schluss
Literaturverzeichnis
Einleitung
Am Anfang des 20. Jh. ist die deutsche Wissenschaft als die erste der Welt angesehen, das deutsche Volk als das Land der genauen Wissenschaften, als die Festung des Humanismus in Europa. 32,4 %[1] der Wissenschaftler, die zwischen 1900 und 1933 mit dem Nobelpreis versehen werden, sind Deutsche. Darunter befinden sich viele Juden. Mit HitlersMachtübernahme und der Einführung einer kräftigen antisemitischen Politik wird die deutsche Wissenschaft stark betroffen: Einige Juden wie Einstein nehmen den Weg der Immigration, Lehrstühle, die von Juden geleitet sind, werden aufgelöst, die „Judenfreunde“ am Rand der Wissenschaft gestellt, und schon 1934 hat die deutsche Wissenschaft 20% ihrer Stärke verloren[2]. Wie die meisten Deutschen werden sich die deutschen Wissenschaftler dem neuen Regime unterwerfen, und in Dienst Hitlers Wahnsinnes treten. Nach 1945 wird sich die deutsche Wissenschaft erholen, geschmutzt von einer eifrigen Mitarbeit mit dem „Dritten Reich“, was aber schnell in Vergessenheit geraten wird. « L’oubli est constitutif de la science. Impossible pour elle de garder la mémoire de toutes ses erreurs, la trace de toutes ses errances. La prétention à dire le vrai force à oublier le faux. La positivité de la science l’oblige à nier son passé.[3] » Die Wissenschaft ist ein System, das nicht vermag, sich seine Fehler ständig zu verinnerlichen. Wenn eine Theorie von den Wissenschaftlern nicht akzeptiert wird, wird sie als Teufelswerk erklärt und verbannt. Das Beispiel von Galileo Galilei (Prozess erfolgt um1632) ist das bekannteste, und sein Werk wäre in Vergessenheit geraten, wenn es derzeit nicht andere Wissenschaftler gab, die bereit waren, Galileis Errungenschaften zu verteidigen. Am Anfang des 20. Jh. ist die Lage nicht einmal anders als am Anfang des 17. Jh. Im Bereich der Anthropologie beherrschen eugenetische Theorien und was mit der „Rassenlehre“ nicht stimmt, wird sofort in die Acht erklärt. Weltweit ist die Eugenik verbreitet und hochwürdig angesehen. Dies Wort leitet von den altgriechischen Wörtern „ eu “ und „ genos “ ab, was so viel bedeutet als „gutes Geschlecht“, „reine Rasse“.
Im Namen der Reinheit der Rasse werden über 6Mio. „Unreinen“ von der „reinen Deutschheit“ beseitigt. Die Eugenik ist damals aber eine ganz normale Wissenschaft. Was konnte aber eine derart normale Wissenschaft zu der schaudererregendsten Abnormalität führen? Welche Rolle sollte die deutsche Wissenschaft Hitlers Ansichten nach in seiner Politik von „Reinigung der arischen Rasse“ spielen?
Zunächst wird das Thema der Pervertierung der Wissenschaft behandelt, und wir werden sehen, aus welchen Gründen die deutschen Wissenschaftler bereit waren, Hitlers Rassenwahn zu unterstützen. Anschließend gehen wir genauer auf die Rassenlehre ein und werden wir erörtern, inwieweit das „Arische“ die deutsche Wissenschaft geprägt hat. Folglich werden wir uns die Frage stellen, ob Hitler angesichts der Arisierung der Wissenschaft ein Fantast war, oder bloß ein lügender Politiker, für den (so Machiavelli) der Zweck die Mittel heiligt.
Hier wird die Frage der Verantwortung der Wissenschaftler nicht behandelt, wie werden nur darauf antworten, was die Wissenschaftler hat treiben können, sich dem Regime anzuschließen. « Pour l’imaginaire contemporain, le nazisme est devenu l’une des métaphores suprêmes, celle du Mal [4] », sagt der jüdische Historiker Saul Friedländer. Ob die deutschen Wissenschaftler satanische Anhänger des arischen Kults waren oder nur Konformisten, die die Gelegenheit ausgenutzt haben, um ihre Forschungen mit dem Segen des Reiches weiterzuführen, das ist hier nicht die Frage. Ich lasse diese Frage den Gerichtshöfen.
I/Die Pervertierung der deutschen Wissenschaft
A/Wissenschaft und Wissenschaftler vor Hitlers Machtübernahme
Im ganzen Verlauf Hitlers Machtergreifung werden alle Orte der Wissenschaft politisch erobert, damit sie das Regime unterstützen. Die Universitäten werden gleichgeschaltet, nun wird es nur gelehrt, was die Partei gebilligt hat. Und alles geschieht auf eine merkwürdig leichte Weise: Diejenige, die mit der Gleichschaltung nicht einverstanden sind, verschweigen oder wandern aus, oder mitlaufen. « Pour mieux comprendre une telle facilité d’adaptation, rappelons le rôle essentiel joué par une ‘Kultur’ fondée sur un idéalisme apolitique dans le processus d’élaboration d’une culture allemande[5]. » Die „deutsche Kultur“ und der Wille, sich eine „deutsche Identität“ zu schaffen, ermöglichen die Gründung von Universitäten, die auf völkischen Basen beruhen. Da Wissenschaftler wie die Nobelpreisträger Philipp Lenard (1905) und Johannes Stark (1919) der Weimarer Republik vorwerfen, dass sie ihnen nicht genug Anerkennung schenke, wenden sie sich radikalen Bewegungen wie der völkischen Bewegung zu. Sie fordern die „biologische Wiederherstellung[6] “ der Wissenschaft an, beanspruchen „gesündere Geister[7] “ zu sein, akzeptieren nur die Errungenschaft derjenigen, die „gesunden Voraussetzungen[8] “ zeigen. Sie bekämpfen den „Einsteinismus[9] “, d.h. die Quanten- und Relativitätsphysik, weil sie von Juden erfunden wurde. Für die völkischen Wissenschaftler sind derartige Erfindungen falsch, weil von nicht völkischen Wissenschaftlern erfunden. Diejenigen, die sich der sog. „Deutschen Physik“ nicht anschließen, wie Werner Heisenberg (1901-1976) z.B., werden zunächst wie Hexen verjagt. Klar ist die Bewegung der „Deutschen Physik“auch politisch, und nicht nur wissenschaftlich. Übrigens sind die Anhänger der Deutschen Physik nicht in der Lage, die Erfindungen von Einstein oder Heisenberg wieder zu erfinden, was eigentlich Hitler missfallen wird. Die Wissenschaftler völkischer oder konservativer Gesinnung werden sich 1933 umgehend Hitler anschließen. Der Mathematikhistoriker Reinhard Siegmund-Schultze erklärt : « Certains ressentiments traditionnels de ces élites conservatrices qui comprenaient beaucoup de scientifiques […] devinrent partie intégrante de la politique gouvernementale. C’est à ce moment-là seulement que la profonde contradiction entre les conceptions scientifiques et les conceptions sociales et politiques des savants bourgeois conservateurs apparut clairement, et surtout, c’est là qu’il devint possible de faire l’expérience de ces conséquences pratiques pour la science.[10] »Hitlers Machtergreifung stellt diesen konservativen Wissenschaftlern die Gelegenheit dar, an der Macht teilzunehmen.
Diesen Wissenschaftlern offenbart sich die damalige Welt als eine Welt voll Feinden. Diejenigen, die von den Nazis befördert werden, um die Universitäten des Dritten Reiches zu leiten, haben meist als Jugendliche oder als Kinder den Ersten Weltkrieg erlebt. Für diese Akademiker ist diese Kindheitserfahrung ein Trauma, eine schändliche Absurdität. Umsonst seien deutsche Helden getötet worden, und verraten worden.
Hinsichtlich der Revolutionen und des „verräterischen“ Doppelausrufes zur Republik (am 9. November 1918 von dem Kommunisten Liebknecht und der Sozialdemokraten Scheidemann), der „gezwungenen“ Flucht des Kaisers und des Versailler „Diktats“ scheint diesen Jungen, als wäre das „ Finis Germaniae “ gekommen. Trotzdem lehnen sie wie viele Deutsche ab, den Kampf aufzugeben, und werden als Wissenschaftler den Kampf weiterführen. Der belgische Historiker Christian Ingrao erklärt : « Ils se sont insérés dans des réseaux associatifs précocement radicalisés, qui ont déployé une intense activité politique présentée sur le mode du combat défensif contre un ennemi universel et protéiforme, ennemi qui, sur le « front intérieur », prend le visage du spartakiste […], d’une judaïté à laquelle ils sont profondément hostiles.[11] » Als Kinder werden die künftigen Mitglieder des Bildungsbürgertums traumatisiert, haben während des Krieges und kraft der wilhelminischen Kriegspropaganda eine „geistige Mobilmachung[12] “ erfahren, die mit Antisemitismus schon verbunden ist, in dem die Propaganda versucht, einen Sündenbock zu finden, der der Niederlagen der Reichswehr schuldig ist. Daher lässt Erich Ludendorff (1865-1937) 1917 aufzählen, wie viel es Juden in der Reichswehr gibt, um zu zeigen, dass diese Juden lauter Drückeberger sind, die an dem Krieg nicht teilnehmen, und im Hinterland so verraten, dass das Reich in Not gerät. Allerdings war das alles ganz falsch, jedoch hatte Ludendorff sein Ziel erreicht: Vom Kriege das Volk ablenken und ihm mit etwas Anderem beschäftigen.
Nach dem Krieg melden sich diese Jugendlichen an den Universitäten an, wo sie sich der elitären völkischen Bewegung anschließen können, die damals „à la mode“ war, die den Abwehrkampf gegen die gezielten Feinde der Bewegung, den „Volkstumkampf[13] “ weiterführen will. Der Konflikt zwischen Frankreich und dem Reich sei nicht abgeschlossen, sogar hätten die Franzosen einen „Vernichtungsplan“, nach dem das deutsche Volk zur Sklaverei geführt werden soll, und dabei ist der Einsatz in der Ruhr die erste Etappe dieses Projekts[14]. Der „Erbfeind“ trägt allein die Schuld des Krieges, er hat den Krieg verursacht, das Reich angegriffen und dabei wird der Versailler Vertrag als Schande betrachtet, weil die Reichswehr nie besiegt worden sei, nur die „Verräter der Sozialdemokratie“ hätten das Reich zum Abgrund geführt. Von den Völkischen wird die „Dolchstoßlegende“ als ein Komplott betrachtet, das an dem „Krieg zwischen den Völkern“ Anteil hat. Der Erste Weltkrieg sei nicht nur ein politischer Krieg, sondern ein völkischer Krieg, in dem die Juden die Rolle der Verräter spielen. Und an den Universitäten selbst wird der Kampf weitergeführt. Völkische wie Franz Six (1909-1975) oder Hans Rothfels (1891-1976) bieten völkische Vorlesungen an, und haben einen großen Einflussauf viele Generationen von Studenten. Während solcher Vorlesungen werden auf völkische Weise das Grenzlandproblem erörtert (vor allem bezüglich auf Elsaß Lothringen oder Dantzig), und Theorien wie die Rassenlehre behandelt. Die nationalsozialistische Revolution wird angesichts dessen betrachtet als das allerletzte Ergebnis dieses Völkerkampfes. Die Völkischen sind auch Millenaristen und glauben an den Nationalsozialismus als letzte Stufe der Verwirklichung der „Deutschheit“. Der völkische Akademiker und künftige „Theoretiker, Organisator und Personalchef der Gestapo“ Werner Best (1903-1989) erklärt: « Le programme du NSDAP ne me posait pas de problèmes car il correspondait à tous les programmes des mouvements nationaux et völkisch et n’était rien d’autre qu’une compilation de tendances alors dans l’air du temps.[15] » Der Hitlerismus erweist sich als ein anpassungsfähiges Dogma, das das Reich einigen kann. Der Wilhelminismus hatte schon von der Alldeutschheit, dem Imperialismus und dem nationalen Zusammenschluss Nutzen gezogen, hatte aber den Krieg verloren. Der Wilhelminismus war also die falsche Antwort für die Streben nach Deutschheit gewesen, die Religion war abgeschwächt, der Platzt war also frei. Da „ Natura abhorret a vacuo “, scheint es, dass es dem Nationalsozialismus einfach war, die Völkischen zu verführen. Man musste besser finden als den „Prussianismus“.
B/Die „deutsche Wissenschaft“ gegen die „jüdische Wissenschaft“
1933 werden die völkischen Akademiker von dem Regime eingesetzt, um die Universitäten zu leiten. Gleichzeitig setzen sich ein großer Teil von ihnen in die SS ein, und werden zu „Kampfintellektuellen“[16]. Alle gehören auf jeden Fall der Partei an und die Nazifizierung der Wissenschaft erfolgt problemlos. Zwischen 1933 und 1935 werden die Widerständer vertrieben oder müssen sich an dem Nationalsozialismus anpassen, andernfalls sie ihrer Ämter enthoben werden. Der Kampf gegen die „jüdische Wissenschaft“ erfolgt auch juristisch. Das Gesetz über die Wiederherstellung des Beamtentums (vom 7.4.1933) stellt offiziell die Unerwünschten beiseite, mit dem Nürnberger Reichsbürgergesetz von 1935 verschärft sich die Hexenjagd. Dadurch wird in der Tat die deutsche Wissenschaft sehr geschwächt, was eigentlich Hitler einerlei war: « Si le le prix à payer pour les mesures antisémites était la science allemande, eh bien, on ferait sans science pendant quelques années! [17] » Für den Mathematiker Ludwig Bieberbach (1886-1982) stellte aber Hitler eine Chance dar, die „deutsche Wissenschaft“ zu reinigen. 1933 erklärt er vor einer Sammlung der Anhänger der „Deutschen Mathematik“: « Nous allons donc collaborer sincèrement et fidèlement dans l’esprit de l’Etat total »[18]. Da die Wissenschaftler folgsam sind und das „Führerprinzip“ respektieren, erduldet Hitler die Wissenschaftler, vor allem weil sie gegen die Juden kämpfen.
« Le rôle joué par l’élite économique, financière et intellectuelle juive en Allemagne était certes important mais non déterminant pour l’ensemble de la communauté. Il pouvait servir de modèle aux éléments les plus ambitieux d’une classe moyenne démographiquement et économiquement sur le déclin. [19] »Angesichts dessen kann man feststellen, dass die „deutschen Wissenschaftler“ die Juden beneideten, diese Juden, die einen großen Vorgriffsgeist erwiesen. Judenhass gab es schon seit dem heidnischen Römischen Reich. Die Intoleranz mancher Christen machte den Juden das Leben noch schwerer, und hat maßgeblich den deutschen Protestantismus beeinflusst. Von den „Pharisäern“ wurde viel Geld verlangen, sie wurden gettoisiert und verhasst. Die Religionskriege und die Aufklärung stellte den Juden eine Möglichkeit vor, sich zu emanzipieren, die sogar von Deutschen wie Christian von Dohm (1781: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden) gefördert wurde. Jedoch werden die deutschen Juden erst ab 1869 endgültig als Reichsbürger juristisch betrachtet. Trotzdem wird der Vorurteile gegenüber diesen „Geldmachern“, diesen „Wucherern“ weiter bestehen und die Anthropologie des 19. Jh. stark prägen. An dem Darwinismus verbinden Rassentheoretiker wie Arthur de Gobineau (1816-1882) oder Houston Chamberlain (1855-1927) den Judenhass, und der Anthropologe Wilhelm Marr (1819-1904) erfindet 1879 den Begriff „Antisemitismus“, in dem er Rassenlehre und Religionsintoleranz verknüpft. Von nun an werden die Juden als (niedrigere) Rasse eingestuft und ihrer Rassenangehörigkeit wegen verhasst. Die „Judenfrage“, schon von Juden wie Moses Mendelssohn (1729-1786) gestellt, übernimmt einen rassistischen Aspekt, der die Pariastellung der Juden verstärkt. Durch Bekehrung zu den christlichen Religionen und „Selbstaufgabe“[20] versuchen die Juden, sich der deutschen Gemeinschaft anzuschließen. Das jüdische Kollektiv wird durch die deutsche Kultur säkularisiert und verbürgerlicht sich. Die Juden betrachten sogar sich selbst als ein „jüdischer Volksstamm“[21] der Deutschheit. Jedoch werden sie von den Deutschen nicht als Deutsche akzeptiert. Den Juden wird vorgeworfen, sie seien dessen nicht würdig, Deutsch zu sein. 1879 ereignet sich sogar ein Antisemitismus-Streit, in dem der nationalliberale Abgeordnete Heinrich von Treitschke erklärte: „ Die Juden sind unser Unglück “. Immerhin ist am Anfang des 20. Jh. im Judensein eher ein Hindernis als eine Gefahr zu sehen. Viele Juden nehmen patriotisch an den Ersten Weltkrieg teil, die Weimarer Republik ermöglicht sogar Juden wie Walther Rathenau an der Macht als angesehene Bürger teilzuhaben. Viele Juden gehören vor 1933 der bürgerlichen, liberalen Elite an, sind Intellektuelle, haben sogar mit der Religion nichts mehr zu tun. 50% der Ärzte Berlins sind sogar jüdischer Abstammung. Immerhin sind die Juden noch nicht mit den Deutschen gleichgestellt. Es wird immer versucht, die Juden als Parasitenvolk zu zeigen. Die Juden der Weimarer Republik gehören zu den liberalen Kräften und werden von den Völkischen stark bekämpft. Die völkische Bewegung erfährt vor 1933 großer Beifall, Leute wie Julius Langbehn (1851-1907), Friedrich Lehnard, Lanz von Liebenfels (1874-1954) oder sogar Erich Ludendorff werden als „Verteidiger der Deutschheit“ angesehen und werden Hitler den Weg zur Machtübernahme vorbereiten. 1933 stellen allerdings die Juden nur 1% der Bevölkerung des Reiches dar[22], doch muss die deutsche Gesellschaftund insbesondere die Wissenschaft den Völkischen zufolge „arisiert“ werden und von den „krankhaften“ Elementen befreit werden.
II/Die arische Erneuerung der Wissenschaft
A/Weiterentwicklung der Rassenlehre
Es ist die Rassenlehre, die die „Arisierung“ der Wissenschaft am stärksten beeinflusst. Die Lehre, nach der es unter den Menschen verschiedene Rassen gibt, ist stark pessimistisch. Der Historiker Pierre Ayçoberry erklärt: « Pessimisme biologique en premier lieu, fondé sur l’affirmation répétitive et maniaque d’une „loi éternelle“, que les hommes n’auraient cessé de violer. Le nature exige que chaque espèce ne s’accouple qu’avec elle-même ; mais les peuples n’en ont pas tenu compte, pas même l’Aryen supérieur » Es ergibt sich, „ daß bei jeder Blutsvermengung des Ariers mit niedrigeren Völkern als Ergebnis das Ende des Kulturträgers herauskam[23] “.Die Völkischen sind von der Idee der Dekadenz verfolgt und daher müsste man eine starke Blutpflege durch die arische Rasse einführen, damit die Rasse nicht verschwindet, nicht zum „Nicht-Volk“ wie die Juden wird. « Le Juif n’est pas un peuple inférieur, comme le Slave ou le Nègre; c’est le non-peuple, dépourvu d’enracinement spatial, d’Etat, de rôle historique positif. Dans la lutte pour la vie, il fonctionne comme l’éternel parasite, qui « dénationalise et abâtardit les autres peuples » ; bref, il est l’anti-nature.[24] »Die Rassen befinden sich im Kampf gegeneinander, und eine der schrecklichsten Waffen, über die die niedrigeren Rassen verfügen, ist die Mischung des Blutes. Tatsächlich ist schon das deutsche Volk eine gemischte Blutgemeinschaft, die aus den fünf reinsten europäischen Rassen besteht. Neben mittelmeerischem (uralpinischem), keltischem, baltischem (urosteuropäischem) und balkanischem (urgriechischem) Blut beweist nach den Völkischen das deutsche Volk die höchste Quantität von nordisch-arischem Blut, dem reinsten Blut der Welt. Die Völker Europas sind Europide und sind die Erben der Mischung der Urvölker Europas, indem das Urvolk das Arische ist. Die Juden daneben haben kein nordisches Blut und gehören keiner Rasse Europas an. Sie sind Erzeugnisse aus Asien, wo es auch pur arisches Blut gibt (in Indien, Tibeten und teilweise in Persien). Die Rassenlehre ist allerdings mit dem „Indogermanismus“ verbunden, in dem man glaubt, dass die Arier aus Mittelasien kämen. Auch zeigt der Indogermanismus, dass das Jüdische dem Europäischen wildfremd ist. Nach den deutschen Völkischen kämen aber die Arier vielmehr aus dem Norden als aus irgendwo im Osten. Rassischer Determinismus, Nordizismus und wissenschaftlicher Antisemitismus sind die drei wichtigsten Aspekt der Rassenlehre, die eigentlich in dem Glauben an der Ungleichheit der Menschen besteht[25].
Diese Rassenlehre ist am Anfang des 20. Jh. sehr à la mode. Sie knüpft sich auf eine ganz normale Weise an andere damaligen Theorien wie die Alldeutschheit oder den Hygienismus. Es gibt bei dem nationalsozialistischen Antisemitismus eine „gesundheitspolizeiliche“ Verbindung mit der Reinigung der Rasse. Die Völkischen glauben das Volk auf ärztliche Weise retten zu können, sie glauben nun „Ärzte der Rassenpflege“ zu sein. Der Historiker Jean-Pierre Baud erklärt, dass diese Tatsache eine normale, institutionelle Entwicklung der deutschen Wissenschaft darstellt. Die Ärzte hätten im Dritten Reich den Vortritt vor den „normalen“ Wissenschaftlern. « L’hygiénisme existe […] lorsque des médecins s’estiment en droit de dépasser la relation médicale traditionnellement individualisée […] pour atteindre le diagnostic […] collectif.[26] » Die Medizin fällt also in den Bereich der Staatsmacht. « La médecine est l’art de traire les hommes », schrieb Molière, sie stellt eigentlich den Völkischen dar, das Volk „heilen“ zu können. Die Medizin entwickelt sich als die neue Theologie des deutschen Kollektivs, die völkische Theorie ist der „theologische Order des rassischen Hygienismus[27] “.
Es gibt also eine institutionelle Wandlung und die Weise, auf die man einen Bürger betrachten soll, wechselt auch. Eine juristische Person ist nach den Nazis „ein seiner Rasse bewusster Kämpfer[28] “. Die Gesellschaft ist ein mystisches Wesen, das aus Menschen besteht, die sich durch ihre gemeinsame Rassenangehörigkeit erkennen. Wer der Rasse nicht angehört, ist kein Bürger, ist der Menschheit unwürdig und muss beseitigt werden. « C’est la rencontre d’une légalité scientifique dominée par les sciences médicales et de la croyance en l’existence d’un être collectif appelé « peuple allemand », appartenant à la « race aryenne » ou « nordique », qui a permis de concevoir, dans l’Allemagne nazie, l’abomination du génocide.[29] »Hier hat man nicht nur mit Mord zu tun, sondern mit Genozid, d.h. etymologisch mit „Mord am Volk“. Eine Gruppe von Menschen wird in Visier genommen, als Volk erklärt, d.h. als dem „richtigen“ Volk nicht angehörende Gruppe, dann wird diese Gruppe als verdammt erklärt, d.h. als Gefahr für das „gesunde“ Volk, sie wird wissenschaftlich analysiert, und durch einen Eingriff beseitigt. Einer der Ärzte vom Vernichtungslager Auschwitz wurde gefragt, warum er an dem Völkermord beteiligt war, und antwortete: « Mon serment d’Hippocrate me dit de faire l’ablation d’un appendice gangreneux du corps humain. Les Juifs sont l’appendice gangreneux de l’humanité, c’est pourquoi j’en fais l’ablation.[30] » Das Genozid beweist einen Gedankengang, der an die Inquisition erinnert. Zunächst wurden die als verdammt hingewiesenen Menschen exkommuniziert. Der Bischof von Rouen Vitricius von Rouen (340-407) bemerkte aber schnell, dass die Exkommunikation nicht verhinderte, dass die Verdammten ihre Missetaten weiter begingen. Für ihn war es klar: Man musste diese Unmenschen physisch von dem christlichen Kollektiv abtrennen. Vordem musste man sie aber analysieren, um das „ punctum diabolicum “ zu finden. Sicher war Vitricius von guten Gedanken getrieben, die physische Beseitigung von gefährlichen Elementen des Volkes aufzufordern. Jedoch offenbart sich seine Logik schon als abscheulich, wenn sie später während der frühneuzeitlichen „Hexenwahn“ auch Unschuldige betreffen wird. Gefährliche Waffen sind auch in den Händen von den weisensten der Menschen immer noch gefährlich. Dahingehend werden die Juden von den Völkischen nicht nur physisch identifiziert, sondern auch geistlich und auf medizinische Weise, als verdammte Elemente, die das „Volk“ verderben. « Le médecin nazi est un médecin du peuple ; pas de cet ensemble d’individus qui relève d’une administration sanitaire, mais d’un être collectif individualisé, le Volk, d’un être possédant un corps, le Volkskörper. Pour le médecin nazi, le concept de la guérison est celui de la guérison totale, la guérison du Volk par tous les moyens thérapeutiques, même par l’intervention chirurgicale pratiquée sur le Volkskörper.[31] »Die Rassenlehre ist infolgedessen als „sozialer Darwinismus“ zu betrachten, es geht hier nicht mehr um Individuen, sondern um soziale Gruppen, um Rassen. Und diese Perversion der Hygienik, diese angewandte Eugenik als rassische Biologie, als Weltanschauung, nach der die Menschen nicht als Individuen, sondern als soziale Gruppe der Natur angehören, betrifft nicht nur die „Feinde“, die das gesunde Körper gefährden, sondern auch Elemente des Volkes selbst, die nicht mehr „gesund“ sind: Behinderte, Homosexuellen und Außenseiter müssen auch beseitigt werden. 1940 trat die Aktion T4 in Kraft, nach der die Verdammten analysiert werden sollen, und ein „heiligendes“ Mittel gefunden werden muss, um diese kranken Zweige von dem gesunden Stamm abzutrennen. Jedoch erhob sich ein Teil der Gesellschaft gegen ein solches Verfahren und die Aktion wurde aufgegeben, oder vermutlicher woanders heimlicher weitergeführt.
Der Genetiker und Wissenschaftshistoriker Benno Müller-Hill weist darauf hin : « […] « la tentative du professeur Heidegger de devenir le premier philosophe du national-socialisme était d’emblée vouée à l’échec », parce qu’il revenait aux médecins formés à l’anthropologie et aux psychiatres biologistes d’être les « théologiens du culte de l’extermination » : « la blouse blanche était leur soutane » […] il s’agissait de rappeler inlassablement le dogme de l’existence d’une réalité aryenne autre que linguistique.[32] » Die völkische Rassenlehre ist dementsprechend sehr eng mit der Genetik und vor allem mit der Heredität verbunden, die von den Wissenschaftlern Baur, Fischer und Lenz heftig verteidigt wurden. 1942 erklärt Eugen Fischer: « La race est hérédité et n’est qu’hérédité. Ce qui n’est pas héréditaire n’est pas racial.[33] » Die Vererbung von Genen ist also das wichtigste Element der Kontinuität der gesunden Rasse. Wenn es zur Blutmischung kommt, kommt es zur Vererbung schlechter Genen und die Rasse wird gefährdet. Die Rassenmischung kann aber nicht ohne weiteres verhindert werden, dafür müsste ein Volk von den anderen Völkern total abgeschottet werden. Aber die Erde soll der besten (gesündesten) Rasse gehören, d.h., die anderen Rassen müssen von dem gesunden Volke abschotten werden und nicht umgekehrt (so die Theorie von Karl Saller[34] ). Man muss also die Rassengesundheit pflegen, den Mitgliedern der Rasse beibringen, wie die Rasse zu verteidigen ist, die Befruchtungen kontrollieren, bestimmen, wer würdig und wer unwürdig ist, sich zu vermehren. Es ist nicht ein Zufall, dass 1939 der deutsche Nobelpreisträger Adolf Butenandt für seine Forschung über die Sexualhormone ausgezeichnet wurde. Die demographische Politik ist ein der wichtigsten Elemente der Politik Hitlers und wurde kurz nach der Machtübernahme auch juristisch erklärt (so das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses von 1933). Dabei wurden die Frauen als Versuchskaninchen behandelt, vor allem schenkte das Lager Auschwitz die vorteilhaftesten Arbeitsbedingungen. Man musste übrigens eine wissenschaftliche Endlösung bezüglich auf die Krankheit der Rasse finden.
Die nationalsozialistische Rassenlehre ist weiterhin als ein Ergebnis der wissenschaftlichen Entwicklung des 19. Jh. zu betrachten. Die Glaube an den Fortschritt ist von der Glaube an die ewige Gesundheit nicht abzutrennen und wenn die Rasse gesünder ist, sollen ihre Mitglieder auch gesünder sein. Es gibt dabei keine Sachlichkeit, sondern nur Glaube an ein Ideal. Adolf Hitler sagte: « Un national-socialiste doit affirmer qu’il oppose la foi et la science de notre temps au mythe du siècle précédent.[35] »
B/Die Welt der Arier
DieWissenschaftunter Hitler verbindet sich mit dem Glauben, mit den Mythen und den uralten Erinnerungen der Menschheit, die in unserem Fleisch, in unserem Genen heimlich versteckt sind, dessen wir uns nicht bewusst sind, obwohl sie da sind, und uns stets unsere Handlungen beeinflussen. Bereits 1923 erklärte Eugen Fischer: « Au début de toute chose se trouve le mythe […]. Oui, la race est un mythe, moins une réalité du monde expérimental qu’un idéal à accomplir.[36] » An die Rasse und an deren Reinheit wird geglaubt, wie man an das Jüngste Gericht glauben kann. Himmler selbst sagte 1942: « Le savoir de la race est notre évangile allemand.[37] » Der Arier ist als der moderne Prometheus betrachtet: Er bringt der Menschheit die Kultur und ohne ihn ist die Menschheit nichts wert. Aber die arische Gemeinschaft, zu der das deutsche Volk blutsmäßig gehört, ist von den Individualisten, den Liberalen, den Kommunisten und den niedrigeren Völkern bedroht. Das arische Volk ist hingegen eine kollektive Gemeinschaft, bei der das Individuum kaum eine Rolle spielt. „Du bist nichts, Dein Volk ist alles.“: So kann man die holischen Bezüge der völkischen Rassenlehre zusammenfassen. Der völkische Anthropologier Saller (1902-1969)ist folgender Meinung: « Le Peuple est également un organisme qui […] est autant animé d’une pulsion de vie que tout individu.[38] »
Dahingehend wird die deutsche Erbschaft, vor allem die Romantik und der deutsche Idealismus (v.a. Fichte und seine Lehre der Überlegenheit des Subjekts über die Welt), sowie die germanischen Mythen anders verstanden und interpretiert: Die Völkischen erheben sich gegen das Erbtum der Aufklärung, gegen den Egalitarismus und verstehen darunter, ein Deutscher zu sein, dass er ein germanischer, ja arischer Mensch ist, der als Unterworfener zur Welt kommt, der aber den anderen Völkern überlegt. Die Arischen seien eine Blutgemeinschaft, die die anderen Blutvölker ausschließen. Infolgedessen ist die Ehe bei den Nationalsozialisten sehr wichtig, weil mit der Ehe die Befruchtung und die Vermischung der Gene verbunden sind. Die „Familienkunde“ spielt dementsprechend eine wichtige Rolle bei der Anthropologie, weil sie die Heredität an die Sippentheorie verknüpft. Sie ist „deutschkundlich“. Wie der Familienhistoriker Emmanuel Todd erklärt, beruht das Ideal der deutschen Familien auf dem „Stamm“, auf dem Bluterbtum. Daher wurde bei der Ehe nach Ahnennachweisen verlangt, um zu bestätigen, dass der Stammbaum der Familie „gesund“ ist.
Dahingehend werden von den Völkischen der Intellektualismus und das städtische Leben schlechthin verachtet: Das alle soll den arischen Bauern pervertiert haben, und deswegen ist er vom Meister zum Sklaven geworden (so die Blut-und-Boden-Philosophie von Walther Darré, 1895-1953). Saller behauptet: « Nous pourrons ainsi, en rattachant au vieux terroir la branche dégénérée de notre développement culturel et ethnique que constitue la grande ville, rétablir l’unité originelle du Peuple et de la race.[39] » Nichtsdestoweniger erklärt 1937 Albert Bauer : « Les races humaines ne diffèrent pas seulement d’un point de vue physique, mais également d’un point de vue psychique. S’il n’existait que des différences d’ordre corporel, la question de l’appartenance raciale serait, au fond, sans importance.[40] » Die Völkischen behaupten, dass das Arische nicht nur durch das Blut festzustellen ist, sondern auch durch den Geist. Das psychische Verhalten ist auch ein Beweis für das Arische bei denen, die nicht wie Norde aussehen.
Wissenschaftlich wird diese Tatsache durch eine „völkischere“ Auslegung der Geschichte bestätigt. Der Soziologe Max Horkheimer vertritt 1943 die folgende Auffassung: « Le fascisme, par l’exaltation même qu’il fait du passé, est antihistorique. Les références à l’histoire signifient seulement que les puissances doivent diriger, et qu’il n’y a pas moyen de s’émanciper des lois éternelles. Quand les nazis disent : « l’histoire », ils veulent dire exactement le contraire : « la mythologie ».[41] »Die Geschichte ist beispielgebend: Karl der Große und Widukind sind die beliebtesten Gestalten bei der SS, in dem „Dokumentar“Ewiger Wald[42] werden einige deutsche Episoden wie die Teutoburger Schlacht, die Eroberung Preußens durch den Teutonischen Orden und die Bauerkriege verklärt, indem das „Volk“ eng mit dem Boden, mit dem Wald verbunden ist, und die Feinde sind diejenigen, die den Wald verachten und ihn pervertieren. Dementsprechend wird der Mord von Röhm mit der Hinrichtung von des Altes Fritzes Jugendfreund Hans Hermann von Katte (1704-1730) vergleicht, sodass der Tot Röhms als nötig zu verstehen wäre. Alfred Rosenberg (1893-1946) erklärt apropos die großen Gestalten der „arischen“ Geschichte aber: « Nous ne devons pas cacher leurs faiblesses, mais il faut surtout deviner par intuition et exposer de toute notre âme ce qu’il y a en eux de mythique et d’éternel.[43] » Durch die Sicht der Rassenlehre wird die Geschichte wieder erzählt. Das „deutsche Volk“ lebt nach den Völkischen in einer Welt voll Feinden und soll sich von den anderen, niedrigen Völkern emanzipieren, wobei diese Völker die Absicht hätten, das „Volk“ zu vernichten, und zwar hätten sie diese Vernichtung dreimal zu verwirklichen versucht, das deutsche Volk hätte drei Dreißigjährige Kriege erlebt[44]: Der erste (1618-1648) stellt eine Katastrophe für das Volk dar, aber auch gleichzeitig ist die Reformation als eine germanische Revolution zu verstehen, als der Aufstand des Volkes, das seit dem „Fehler“ Karls des Großen unter fremder, katholischer Beherrschung, unter der Beherrschung einer anderen Rasse lebt. Der zweite Krieg (1789-1815) spitzt mit den Befreiungskriegen zu, wobei das deutsche Volk sich behauptet hat. Jedoch würde er von den „adligen Stämmen“ betrogen und das „Volksherr“ vernichtet und die Einigkeit Deutschlands zunichte gemacht. Der dritte Krieg würde 1914 von der gallischen Rasse verursacht, das Reich ist aber vereinigt und bereit, sich zu wehren. 1944 soll endlich die „Vorsehung“ verwirklicht werden und die arische Rasse wird das verlorene Paradies wieder erobern. Eine derartige Weltanschauung erinnert an die dreifaltige Geschichtsphilosophie Joachim von Fiores (1130-1202), bei der es am Ende der Welt das Reich Gottes kommt, was der Theologe das „Dritte Reich“ nannte. Eine solche wissenschaftliche Neuauslegung der Geschichte des deutschen Volkes war eigentlich möglich, weil die Völkischen die Niederlage von 1918 als absurd betrachteten, und für sie war der Krieg noch nicht verloren. Dabei ist Hitler der Messias, der dem „Volk“ die Erlösung bringt. Dermaßen ist dieser wissenschaftliche Versuch, die Geschichte auf arische Weise zu erzählen, von der Mystik geprägt. Dem „Volk“obliegt es, gottgläubig zu sein, d.h. an den „Uralten“ des „Volkes“ zu glauben, an dessen Rückkehr[45].
Wie bei der Mathematik beruht eine solche Geschichtsphilosophie auf der „Anschauung“, der intuitio, in dem die Völkischen versuchen, die „jüdische“ Erzählung des Weltgeschehens zu beseitigen. Das arische Volk ist ein Herrenvolk, das sich selbst vergessen hat, und die Völkischen wollen diejenigen sein, die dem Volk zeigen, dass Europa, sogar die Welt zu ihm gehört. Das „Volk“ soll (wie die Hebräer in der Bibel) eine geschichtsbewusste, erwählte Volk bilden, dem die Aufgabe ist, über die Welt zu herrschen und die anderen Völker zu vertreiben, die nicht dem Volke angehören, die sich an den Uralten nicht erinnern können, weil deren Blut zu viel vermischt ist. Das Volk soll sich aber zunächst wieder versammeln, für die Arier, die in der Fremde leben, ist das „Heim ins Reich“ die allererste Aufgabe. Aber ein großes Volk benötigt eines großen „Lebensraumes“, das sich im Osten befünde. Der „Drang nach Osten“, die Umsiedlung und die Umvolkung der eroberten Territorien ist das Ergebnis eines wissenschaftlichen Verfahrens, in dem das „Volk“ ein Volk der Geschichte ist. Es ergibt sich demgemäß, dass zwischen 1933 und 1945 35 Millionen „Unerwünschten“ von Zentraleuropa vertrieben werden[46]. Das „Volk“ braucht einen gesunden Lebensraum, um sich entfalten zu können, um wieder das Herrenvolk werden zu können.[47]
Angesichts dessen soll der „dritte dreißigjährige Krieg“ ein „Daseinskampf“ für das Volk darstellen.
III/Hitler: Fantast oder Lügner?
A/Magische Wissenschaft
Bei diesem Daseinskampf handelt es sich nicht nur um einen physischen Kampf, sondern auch um einen geistigen, wissenschaftlichen Kampf. Und diesen Kampf zu begründen, ist auch Aufgabe der Wissenschaft, der es obliegt, von der Rassenlehre eine echte Wissenschaft zu machen, sodass alles, was auf der Erde geschieht, von dem Kampf zwischen den Rassen bestimmt sein soll. Dahingehend muss man die alten Mythen auf rassische Weise neuerzählen, und sie ausnutzen, um die Hauptrolle des Arischen zu bestätigen. Neben der „deutschen Wissenschaft“ gab es zur Zeit des Rassenwahns auch weitere Wissenschaften, die sich gegen die „jüdische Wissenschaft“ wenden. So die „Welteislehre“ von Hanns Hörbiger (1860-1931), dem Vater des Schauspielers Attila Hörbiger (1896-1987). Der österreichische Ingenieur ist auch ein Antiintellektueller, der behauptet, die Wahrheit der Welt auf die einfachste Weise der Welt, durch die „Anschauung“, zu erfinden. Er ist der Messias, und Hitler als sein Schüler ein Medium. Dank seines Reichtums und seines Kollegen Philipp Fauths (1867-1941) veröffentlicht er eine Kosmogonie namens die „Welteislehre“, also eine neue Theorie, die Welt aufzufassen, die sehr von dem rassischen Nordizismus geprägt ist, die versucht, vorsintflutliche Mythen zu erklären, in dem das Weltgeschehen von Zyklen bestimmt ist, von Zeiten von Erlösungen und Zeiten von Untergängen, von Erdkataklysmen, Eiszeiten und Erwärmungen. Die Ursprünge der Welt sind fabelhaft und nach Hörbiger kommt alles Physische aus dem Wasser: Das Kosmos besteht in Wasserstoff, das Universum aus Eis, die „Eismilchstraße“ besteht aus „Eiswelten“. Diese Theologie des Welteneises beruht auf dem ständigen Kampf zwischen Feuer und Eis. « L’Univers, pour Horbiger, n’est pas un mécanisme mort dont une partie seule se détériore peu à peu pour finalement succomber, mais un organisme vivant dans le sens le plus prodigieux du mot, un être vivant où tout retentit sur tout et qui perpétue, de génération en génération, sa force ardente. [48] » Gegen den Pessimismus der Völkischen bietet Hörbiger ein starker Optimismus an, die Wiederherstellung der arischen Rasse. Sicher beeinflusst die orientalische Tradition Hörbiger, wie sie Schopenhauer beeinflusst hat. Auf der Tabula Smaragdina steht: quod est inferius est sicut quod est superius; et quod est superius est sicut quod est inferius, was die Auffassung Hörbigers gut zusammenfasst. Was oben am Himmel geschieht, beeinflusst, was auf der Erde geschieht. Kosmisches Geschehen und menschliches Geschehen sind untrennbar. Das Tunguska-Ereignis von 1908soll nach den Anhängern der Welteislehre eine Botschaft aus dem Himmel sein. Was auch vom Himmel aus fällt, bedeutet für unsere Welt, dass etwas sich verändern wird, sowohl physisch als auch geistig. Für Hörbiger entstehen die Menschen aus dieser engen Beziehung zwischen Himmel und Erde, zwischen Feuer und Eis. Auf unsere „begnadete Planet“, wie es heißt, sind Hörbiger zufolge schon drei Welteneise gefallen, drei Monde, die das Weltgeschehen verändert haben. Der Quartär, unserer Zeitabschnitt (nach der klassischen Erdgeschichte), ist die vierte Erscheinung einer Welt, die schon drei Zyklen erlebt hat. Alle Bewegungen seien spiralförmig und alles hat sein Ende. Also wird eines Tages unser Mond auch auf die Erde fallen. Wenn der Mond sich nähert, ändern sich die Gesetze der Gravitation und es ergibt sich eine Zeit von Gigantismus. Daher die riesigen Reptilien, die riesigen Insekten, die riesigen Menschen. Victor Hugo schrieb 1876 in La Légende des siècles: « Quand les géants étaient encore mêlés aux hommes, Dans les temps où jamais personne ne parla. »Die Riesen seien die Götter der Griechen, der Römer, der Arier und prägen die menschlichen Erinnerungen an das Goldene Zeitalter, nachdem das „Volk“ der Riesen in Untergang geriet (Gen VI, 1-4). Der Mensch, der echte Mensch, also der Arier ist das Ergebnis dieses Unterganges. Er ist nicht von der Rasse der Riesen, ist aber ein reines Geschöpf der Natur. Das soll nach Hörbiger durch die Ähnlichkeiten zwischen den vorsintflutlichen Völkern erklärt werden. Es gebe ein „vormondliches gesamtes Erbgut“[49]. Die Legende von Atlantis soll eine Wahrheit sein, Atlantis wäre das erste menschliche, arische Volk, das es je gegeben hat, das durch den Fall des zweiten Mondes vernichtet wurde, oder vielmehr bestraft wurde. Das Urerlebnis der Menschheit ist eine Geschichte von göttlicher Bestrafung: Das Volk Atlantis hätte sein Blut mit anderen niedrigen Rassen gemischt, wäre geldsüchtig geworden, wie es bei Platon hieß, und der Überflut wurde von einem Mondfall verursacht, der als Gottgericht fungiert.[50] Die Legende von Thule ist auch in der Geschichte der Mondfälle einzuordnen und die Zerstörung Thules entspräche der biblischen Erzählung der Sintflut. Der dritte Mondniederbruch ist der Ausgangpunkt unserer Zivilisation. Diese Theorie verträgt sich gut mit dem Nordizismus, bei dem die Arier, wie das Volk von Thule, hyperboreisch sind. Und die Völkischen, die mit der Welteislehre und einem radikalen Nordizismus vertraut sind, glauben an die Wiederherstellung von Thule. Seneca schrieb um 62p in Medea: Venient annis saecula seris, quibus oceanus vincula rerum/laxet et ingens pateat tellus Thetisque novos detegat orbes, nec sit terris ultima Thule. Was heißt: „Sie werden in den kommenden Jahrhunderten dahin fahren, worin der Ozean die Bande zerreißt und der Erdkreis offensteht, worin die Meergöttin Thetis neue Länder enthüllt und Thule nicht mehr den Rand der Welt bildet.“ Thule ist heutzutage in Grönland verortet. Pytheas von Massalia wollte im 3. Jh. vor Christo auch Thule finden, und reiste nach dem Norden. Ihm ist die Entdeckung von Island zugeschrieben. Auf Inuktitut, die Sprache des Inuit-Volkes, heißt Grönland „Toullê[51] “. Sogar die nordische Name von Thule, Grönland, also das gründe Land, ist verheißungsvoll: Thule stellt das göttliche Versprechen eines ewigen Frühjahres dar, eine Belohnung für die wahren Menschen, die sich wie Pytheas durch eine Art Bildungsreise verwirklichen. Thule ist eigentlich die theologische Metapher für die Rassenlehre: Ungleichheit der Rassen, biologischer Auswahl der Herren-Rasse als allererste und als letzte Erscheinung der Welt (wie es bei Schopenhauer hieß), fehlerhaftes Volk und Apokalypse als Strafe, bis es zu dem Zeitpunkt kommt, an dem die Herren-Rasse die Welt wieder erobern wird, und den Göttern würdig wird. Und dabei ist die erste Etappe: Germania. Daher soll der SS-Orden gegründet worden sein, die SS sollen die Vertreter dieses Ideals eines Gott-Menschen sein, indem sie als Kriegermönche ihre Initiation, ihre Pytheas-Reise erleben. Sie mussten auf dem Schlachtfeld fallen, aber das war für sie kein Tod wert. Sie waren schon tot, daher trugen sie den Totenkopf. „ Denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben müssen; wenn ihr aber durch den Geist die Taten des Fleisches tötet, so werdet ihr leben. “ (Römer VII, 13). „Sich selbst sterben“, so heißt bei der SS das Ziel der Initiation. Wahre, Thule würdige Menschen zu werden, war es das Ziel der SS, die der Zuspitzung der nationalsozialistischen Rassenlehre darstellt. Mit Nordizismus, Erinnerungen an die germanischen Heldenideale verbindet sich das Projekt der Gründung des SS-Staates-Burgund[52]. Burgunder waren die Nibelungen, wie die Nibelungen werden die SS im Feuer von Stalingrad erlöschen. Würde ein Fehler begangen, folgt ihm eine Apokalypse, aber auch ein neues Lichtzyklus. Dementsprechend sagt der Historiker Jean Mabire (1927-2006): « Ils devenaient, à proprement parler, dans tous les sens du terme, des lucifériens, ils portaient la torche de la lumière et du défi. Ils refusaient, aux heures les plus sombres de l’histoire de leur patrie, les idoles à la mode, ils se dressaient contre la révolution égalitariste, contre la démocratie indifférenciée, contre le métissage universel, au nom des vieux dieux du Nord.[53] »Dahingehend stellen die Juden die Pervertierung dieser Menschheit dar. Nach Hörbiger sind sie während der Zeiten entstanden, bei denen es keinen Mond gab, nachdem die wahren Menschen bestraft worden waren. Sie sind gefallene Wesen, die wie Kriechtiere kümmerlich leben und die wahren Menschen nachahmen. Sie sind falsche Menschen, nur etwas so Ähnliche, dass sie sich unter den gestürzten Königen der Welt eingemischt haben. In seinen Gesprächen mit Hitler berichtet Hermann Rauschning (1887-1982) von Hitlers Wahnsinn, der aber der Welteistheorie entspricht. Die Juden sollen von uns noch fremder als die Tiere sein, sie sind der Natur fremd, sie sind die Nicht-Natur, das Nicht-Volk. Hitler glaubt eine Zeit von kairos zu erleben, wie es 1799 bei Novalisens Die Christenheit oder Europa heißt, d.h. eine Zeit von Umbruch, die Zeit, an der das Welt von morgen mit der gestrigen abtrennen wird. Die Ankunft des Übermenschen (so Nietzsche) sei gekommen und ein Zeitalter gehe zu Ende, ein Hörbigers Zyklus war vollendet. Hitler erklärt Rauschning: « Celui qui ne comprend le national-socialisme que comme un mouvement politique n’en sait pas grand-chose.[54] » Der Anhänger des « Réalisme fantastique » Louis Pauwels erklärt : « Lénine disait que le communisme, c’est le socialisme plus l’électricité. D’une certaine façon, l’hitlérisme, c’était le guénonisme plus les divisions blindées.[55] » Mit dem Hitlerismus und seiner Neuauslegung der Welt und der Wissenschaft wurde eine neue Kultur in Europa eingeführt. Wenn Hermann Göring mal sagte: „ Wenn ich das Wort Kultur höre, entsichere ich meine Browning “, spräche er allerdings von der „jüdischen“ Kultur. Immerhin war damals noch keine Atomwaffe erzeugt, die Atomlehre Einsteins noch nicht bestätigt. Die Welteislehre offenbarte sich gewiss damals nicht weniger verrückt alsEinsteinsSandkorntheorie.
Mit der Niederlage gegen die UdSSR, in der Welt des ewigen Eises, verliert Hitler seinen Kampf gegen das Eis und der Mythos der Welteislehre geht wie die „deutsche Physik“ zurück in die Schuhblade. Jedoch ist es mit Hitlers Wahnsinn noch nicht zu Ende: Im April 1945, als die Russen im Begriff sind, Berlin zu erobern, lässt Hitler die U-Bahn überschwemmen und opfert alle, die sich dort versteckt haben. Für Hitler bedeutete sein Tod das Ende schlechthin. Nach ihm soll es nichts mehr geben, weil die Welt ohne ihn wertlos ist. Man kann schon sagen, dass Hitlers Wahnsinn ein Extremismus der Vernunft ist. Wie die Atomwaffe: Eine protestlose Macht.
Protestlos waren auch die Mitglieder der Münchner Thule-Gesellschaft wie Rudolf von Sebottendorf, die während der Münchner Revolution die Roten gekämpft haben. Sie glaubten an den Mythos von Thule, an den Nordizismus und an die Reinheit des Blutes[56] und haben die jungen Nationalsozialisten stark beeinflusst: Rosenberg, Himmler aber v.a. Rudolf Heß, den Vertrauten Hitlers, der dem Führer im LandsbergerGefängnis alles über das Völkische erklären wird. Jedoch ist Hitler nicht so wahnsinnig, als man es glauben kann. Im Gegenteil ist er sehr machiavellistisch: Die Völkischen, die Mitglieder der Thule-Gesellschaft und Hörbiger haben viel Macht. Hitler wird also die Wissenschaft und die Nebenwissenschaften pervertieren, um seiner Machtsucht zu dienen.
B/Politische Wissenschaft
Wie der Mathematikhistoriker Norbert Schappacher es zeigt, gab es unter dem Dritten Reich keine Wissenschaftspolitik. Vielmehr gab es eine politische Wissenschaft, die Hitler ausgenutzt hat, um seine Machtposition zu befestigen. « La littérature et les arts n’ont plus été, le plus souvent, qu’un reflet et un support du mythe.[57] » Aber der Mythos und die Wissenschaft waren auch nur Vorwände für Hitler. Er schenkte der Wissenschaft zunächst kein Vertrauen, weil die Wissenschaftler Intellektuelle waren, und auch weil es von der Wissenschaft kein Nutzen zu ziehen war. Mit dem Blitzkrieg braucht man gar nicht die Wissenschaft. Aber sobald der Blitzkrieg versagt, d.h. nach 1942, versucht der hilflose Hitler auf die Wissenschaft zu greifen, um davon eine „Zweckwissenschaft“ zu machen, d.h. eine Wissenschaft, die ihm Waffen geben soll, die den Krieg unterstützen soll. Das bedeutete das Ende der „deutschen Physik“ und der Welteislehre und man musste auf die „jüdische“ Wissenschaft zurückgreifen. Aber die Wissenschaftler, die davon etwas verstanden, waren nicht mehr da, und selbst Leute wie Heisenberg oder Wernher von Braun (1912-1977) werden nicht rechtzeitig schaffen, die Atomwaffen zu bauen. Das war eigentlich den Wissenschaftlern einerlei, auf „jüdische“ Entdeckungen zurückzugreifen. Das Entdeckte ist schon in der Natur vorhanden, und der Entdecker ist nicht wichtig. Man hätte ohne Einstein das Verfahren, eine Atomwaffe bauen, auch erfinden. « C’est ainsi que personne ne songerait à détruire tous les instruments de l’artillerie de la Wehrmacht qui utilisent sous une forme ou sous une autre les résultats des travaux de balistique publiés par le Juif Schwarzschild [58] » erklärt Eugen Lenz 1939. Johannes Stark war 1924 eigentlich zuzustimmen, wenn er die Rechtsextremer für „Geschäftemacher, Ehrgeizlinge und Radaumacher[59] “ hielt. Die Wissenschaft bietet eigentlich Hitler an, seine Macht und seine rassistischen Missetaten zu rechtfertigen. Dafür glauben die Wissenschaftler Anerkennung von Hitler zu erfahren, aber sie wurden alle betrogen. Die kulturelle Revolution, die durch die Förderung von nicht-jüdischen Wissenschaften erfolgt, dient nach Hitler nur dem Ziel, Deutschland von der Welt so scharf abzutrennen, dass es für die Deutschen keine Rückkehr in diese „jüdische“ Welt geben kann. Er wollte ein Volk von Untertanen und er hat es erhalten. Und unter Wissenschaft war auch Erziehung gemeint, und wer die Schule kontrolliert, kontrolliert die Generationen von morgen. Es erfolgte sich dahingehend eine Versklavung des deutschen Volkes, die durch die Wissenschaft gefördert wurde. Durch die Propaganda, durch Lüge und Fanatisieren, durch eine preußische Politik von panem et circences hält der Tribun Hitler das Volk in seinen Händen[60]. Der Antisemitismus, die Alldeutschheit, das waren alle nur Vorwände. Hitler war ein Opportunist, der seiner persönlichen Rache an den Juden diente.
Und die Wissenschaftler, die Radauantisemiten wie Ley, Rosenberg, Heß, Himmler, Göring oder noch Haushofer und Dietrich Eckhardt haben geglaubt, sie könnten diesen Hampelmann Hitler kontrollieren. Sie wurden aber alle betrogen. Die Rache an dem Versailler Diktat, die Wiederherstellung Deutschlands in Europa, der Mythos des Führers als modernen Christus, die Einführung des Führerprinzips und die Förderung der „deutschen“ Wissenschaft sollten alle dem Ziel dienen, das Volk zu verdummen. Der Führer denkt für das Volk, es soll ihm nur vertrauen. Hitler hat sich eine Jugend geschafft, die ihm am treuesten dienen kann, weil sie durch die Mythen der neuen nationalsozialistischen Wissenschaft fanatisiert wird. Mit der SS macht er die Heidnischen mundtot, mit dem Reichskonkordat im Jahre 1933 rechtfertigt er seine Macht gegenüber den Christen. Der SS-Orden ist ihm treu, nicht dem Mythen von Thule. Sebottendorf und Himmler wurden auch betrogen, den Mythos pervertiert. Hitler erwartet von den Deutschen,dass sie sich als gottgläubige Untertanen verhalten, die guten Gewissens sind, weil sie glauben, für die Heimat zu kämpfen. Wie der Heldensagen-Dichter Snorri Sturluson (1179-1241) sagte: „ Denn viele sind blind für die Wahrheit und sehen das fürwahr an, was erdichtet ist, aber das für Lüge, was Wahrheit ist.[61] “ Der Wissenschaftshistoriker Herbert Mehrtens fasst eigentlich diese Tatsache gut zusammen: « Le système nazi n’était nullement totalitaire au sens strict. C’était bien plutôt une dictature personnelle […] qui s’appuyait aussi bien sur des structures et des frontières traditionnelles et dont le développement était soutenu par plusieurs foyers de pouvoir à la fois antagonistes et coopérants.[62] »Hitlers Weltanschauung, zumindest diejenige, auf der seine Macht beruht, ist dank der Wissenschaft legitimiert und wie eine Religion aufgeführt.
Schluss
Durch unseres Untersuchen haben wir bemerken, dass die deutschen Wissenschaftler eine große Rolle bei der Politik des Führers zu spielen hatten. Die Pervertierung der Wissenschaft ist der Kernpunkt Hitlers Versuchs, seine Politik von Manipulation des Volkes, seine Machtübernahme zu rechtfertigen. Er hat die Völkischen und ihren Pessimismus derart ausgenutzt, dass sie blind dem Führer gefolgt haben, dass sie geglaubt haben, die Gesellschaft beeinflussen zu können. Hitler hat vorgemacht, den „Volkstumkampf“ weiterzuführen zu beabsichtigen, als er eigentlich die völkischen Wissenschaftler ausgenutzt hat, um seine Machtposition auf dem Festland zu befestigen. Hätte Hitler gesiegt, hätten Begriffe wie Nationalismus oder Antisemitismus keine Rolle mehr gespielt. Nur ihm musste man dienen. Der Wissenschaftshistoriker Mark Walker erklärt dazu: « La relation entre la physique allemande et le national-socialisme était faite de compromis et de collaboration. En effet, chaque branche de l’Etat […] comptait dans ses services des scientifiques compétents et loyaux, mais dont la loyauté s’exprimait avant tout envers leur organisme (par exemple, les SS) plutôt qu’envers la « science » ou la « physique ».[63] » Man kann schon sagen, Hitler ist daran schuld, dass die deutsche Wissenschaft, die Mythen wie Thule oder die Welteislehre, die Rassenlehre und die völkische Bewegung nach 1945 so diskreditiert waren, dass Hitler sie verraten hat. Hitler hat verführt, hat mit dem Herzen seines Volkes gespielt, hat das Volk verdorben und zur Katastrophe geführt. Und darin spielte die Wissenschaft die schlechte Rolle: Sie hat mehr oder weniger freiwillig Hitler unterstützt, und wird Hitler, der am 30. April 1945 Selbstmord begeht, überleben. Und statt Hitlers die Rechnung zahlen.
Literaturverzeichnis
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MABIRE, Jean: Thulé.Le Soleil retrouvé des Hyperboréens. Grez-sur-Loing (77) : Pardès, 2002.
MALAURIE, Jean : Les derniers rois de Thulé. Paris : Plon, 1965.
NECKEL, Gustav, NIEDNER, Felix (Hrsg.) : Isländische Heldenromane. Übertragungen von Paul Hermann. Düsseldorf-Köln: Eugen Diederichs Verlag, 1966.
OLFF-NATHAN, Josiane (Dir.): La science sous le Troisième Reich. Paris : Seuil, 1993.
[...]
[1] OLFF-NATHAN, Josiane (Dir.): La science sous le Troisième Reich. Paris : Seuil, 1993. Dann als Olff bezeichnet. S. 7
[2] Ebenda S.11
[3] Ebenda S.16
[4] In Olff zitiert, S. 33
[5] Olff, S. 20
[6] INGRAO, Christian: Croire et détruire. Les intellectuels dans la machine de guerre SS. Paris : Fayard, 2010. Dann als Ingrao bezeichnet. S. 100
[7] Lenard, in Olff zitiert, S. 158
[8] Ebenda, S. 156
[9] Ebenda, S. 160
[10] Reinhard Siegmund-Schultze „La légitimation des mathématiques dans l’Allemagne fasciste : trois étapes », in Olff, S.95
[11] Ingrao, S. 95
[12] Ebenda, S. 31
[13] Ebenda S. 59
[14] Ebenda, S.39
[15] In Ingrao zitiert, S. 121
[16] Vgl Ingrao S. 441
[17] Hitler, in Ingrao zitiert, S. 11
[18] Bieberbach, in Olff zitiert, S. 37
[19] AZUELOS, Daniel : L’entrée en bourgeoisie des Juifs allemands ou le paradigme libéral (1800-1933). Paris : Presses de l’Université Paris-Sorbonne, 2005. Dann als Azuelos bezeichnet. S. 14
[20] Azuelos, S. 122
[21] Azuelos, S. 169
[22] Vgl. Azuelos S. 16
[23] HITLER, Adolf: Mein Kampf. München: Verlag Franz Eher, 1943. Dann als Hitler bezeichnet. S. 313
[24] Ebenda, S. 170
[25] Vgl. Ingrao S. 103 & Azuelos S. 47
[26] Jean-Pierre Baud : « Genèse institutionnelle du génocide », in Olff, S. 183
[27] Ebenda, S. 181
[28] Ingrao, S. 115
[29] Baud, in Olff, S. 187
[30] In Olff zitiert, S. 28
[31] Baud, in Olff, S. 194
[32] In Baud, in Olff, S. 186
[33] In Olff zitiert, S. 218
[34] Vgl. Benoit Massin : « Anthropologie raciale et national-socialisme : heurs et malheurs du paradigme de la « race ». In Olff, S. 234 ff
[35] Zitiert in MABIRE, Jean: Thulé.Le Soleil retrouvé des Hyperboréens. Grez-sur-Loing (77) : Pardès, 2002. Dann als Mabire bezeichnet. S. 210
[36] Lenz, in Olff zitiert, S. 246
[37] Himmler, in Olff zitiert, S. 247
[38] Saller, in Olff zitiert, S. 253
[39] Ebenda, S. 254
[40] Bauer, in Olff zitiert, S. 282
[41] In Olff zitiert, S. 12
[42] Hier zu schauen : http://www.youtube.com/watch?v=iYok2LWmF4Y
[43] In Olff zitiert, S. 172
[44] Vgl. Ingrao S. 107
[45] Vgl. Pierre Ayçoberry, in Olff S. 169 ff
[46] Vgl. Ingrao, S. 230
[47] Vgl. Mechthild Rössler « Science et espace vital : l’histoire de la géographie (1933-1945), S. 303-317
[48] Elmar Brugg, zitiert in BERGIER, Jacques, PAUWELS, Louis : Le matin des magiciens. Paris : Gallimard, 1960. Dann als Pauwels bezeichnet. S.385
[49] BEHM , Hans Wolfgang : Hörbigers Welteislehre. Leipzig: Koehler & Amelang, 1931, S. 164
[50] Vgl. Ebenda S. 167
[51] Vgl. MALAURIE, Jean : Les derniers rois de Thulé. Paris : Plon, 1965. S. 440
[52] Vgl. KERSTEN, Felix : „Himmlers Bauchweh“, im Spiegel 20/1960, 11.5.1960
[53] Mabire, S. 91
[54] In Pauwels, S. 393-394
[55] Ebenda, S. 397
[56] Vgl bei Mabire, S. 102
[57] In Ollf, S. 13
[58] Lenz, in Olff zitiert, S. 144
[59] Stark, ebenda, S. 160
[60] Vgl. BADIA, Gilbert: Histoire de l’Allemagne contemporaine, 1933-1962. Paris : Editions sociales, 1964. S. 65
[61] NECKEL, Gustav, Niedner, Felix (Hrg.) : Isländische Heldenromane. Übetragungen von Paul Hermann. Düsseldorf-Köln: Eugen Diederichs Verlag, 1966. S. 4
[62] Mehrtens « Mathématiques, sciences de la nature et national-socialisme : quelles questions poser ? », in Olff, S. 39
[63] Mark Walker : « Une physique nazie », in Olff, S. 128
- Arbeit zitieren
- Arnaud Duminil (Autor:in), 2013, Wissenschaft und Antisemitismus im "Dritten Reich". Die Perversion der Wissenschaft unter Hitler, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/306822