Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Tayloristische und fordistische Arbeits- und Organisationsstrukturen
3. Die neuen Umweltbedingung im Zeichen der Globalisierung
4. Post-tayloristische und fordistische Arbeits- und Organisationsstrukturen
4.1. Dezentralisierung
4.2. Entgrenzung- und Subjektivierung von Arbeit
5.Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einführung
Die Arbeit, eine „ewige Naturnotwendigkeit“ nach Marx, hat im Verlauf der Geschichte ihre Formen und ihren Charakter geändert. Nach Müller- Jentsch lassen sich seit der Industrialisierung drei große Entwicklungsperioden in der Organisation der gesellschaftlichen Arbeit unterscheiden:
1. „der Übergang vom zünftigen Handwerk zur arbeitsteiligen und maschinellen Fabrikproduktion
2. die Epoche der tayloristisch- fordistischen Massenproduktion und
3. der Übergang zum High-tech Kapitalismus oder Postfordismus mit flexibeler Spezialisierung und „diversifizierte Qualitätsproduktion“ von Gütern und Dienstleistungen.“[1]
Die zweite Epoche hat ihre Anfänge zum Ende des 19. Jahrhunderts. Die Wirtschaftssysteme von Amerika und Europa begannen sich weitreichend zu verändern. Im Industrie- und Bankensektor kam es zu Konzentrations- und Zentralisationsprozessen. Die Unternehmen schlossen sich zunehmend zu Kapitalgesellschaften zusammen, mit einem professionellen Management.[2] „Die Trennung von Besitz und Kontrolle begünstigte die Tendenz zu rationeller, systematischer- wissenschaftlicher Unternehmensführung, zu Spezialisierung des Managements und zu Planung und Bürokratisierung.“[3] Anfang des 20. Jahrhunderts begannen die Unternehmen systematisch die Organisation und Durchführung des Arbeitsprozesses zu rationalisieren. Zwei der berühmtesten Ingenieure, die einen maßgeblichen Einfluss auf die Rationalisierungsbewegung hatten, ist zum Einen der Amerikaner Frederick Winslow Taylor und zum Anderen Henry Ford. Bis zu Anfang der neunziger Jahre wurde die tayloristische bzw. fordistische Arbeits- und Unternehmensorganisation von den Betrieben verfolgt. Auch heute sind noch tayloristische bzw. fordistische Züge in der Unternehmerwelt klar erkennbar. Die Merkmale, die ein tayloristisches/ fordistisches Unternehmen kennzeichnen, sind die zentralen Entscheidungs- und Kontrollmechanismen , die starre Arbeitsteilung und der hierarchische Aufbau der Unternehmensebene.[4] Ende der Achtziger bzw. Anfang der Neunziger Jahre kam es zu einem Bruch in der Arbeits- und Unternehmensorganisation. Völlig neue Rationalisierungs- und Organisationsformen von Arbeit haben sich herausgebildet, die sich durch die Begriffe Dezentralisierung, Informatisierung und Vermarktlichung kennzeichnen.[5]
In dieser wissenschaftlichen Ausarbeitung wird der Wandel in der Arbeits- und Unternehmensorganisation aufgezeigt.
Dabei werde ich den Übergang von der tayloristischen/ fordistischen Arbeits- und Organisationsweise hin zur post- tayloristischen Phase genauer beleuchten. Dabei wird einer zentralen Fragestellung nachgegangen: Inwiefern wirkt sich der Wandel im Kontext der betrieblichen Reorganisation auf den Arbeitsprozess bzw. die Arbeitsorganisation des Arbeitnehmers/ in aus? Die Ausarbeitung gliedert sich in folgende Punkte: Zu Beginn stelle ich die traditionelle Arbeits- und Organisationsformen und die veränderten Umweltbedingungen dar, welche sich im Zuge der Globalisierung und den damit einhergehenden erhöhten internationalen Wettbewerbsdruck aufzeigen. Anschließend werde ich mich mit der Reorganisation der Arbeits- und Unternehmenswelt befassen und die Auswirkungen auf den einzelnen Arbeitnehmer/ in bzw. auf den Arbeitsprozess genauer beleuchten. Zum Schluss wird die Entwicklung in der Unternehmens bzw. Arbeitswelt zusammengefasst und eine Einschätzung zu den post- tayloristischen Bedingungen für die Arbeitnehmer/in abgegeben. Durch zunehmende Flexibilisierung, welche von der Wirtschaft bzw. der globalisierten Welt gefordert wird, entstehen atypische Beschäftigungsverhältnisse wie Teilzeitarbeit, Leiharbeit, Kurzarbeit. Dadurch hat sich die allgemeine Arbeitssituation für viele Arbeitnehmer geändert bzw. ist prekär geworden. Die vorliegende Ausarbeitung gibt einen kurzen Einblick in die historische und aktuelle Lage des ökonomischen Wandels.
2. Tayloristische und fordistische Arbeits- und Organisationsstrukturen
Ende des 19. Jahrhunderts bzw. zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Unternehmen vom Effizienzfieber befallen, das durch das Streben nach Rationalität, Effektivität und Produktivität gekennzeichnet war.[6] Dem Begriff Rationalisierung kommen mehrere Bedeutungen zu. Die Industriesoziologie und die Betriebswirtschaftslehre definieren „wissenschaftliche Überprüfung und Veränderung der betrieblichen Prozesse (Arbeitsorganisation, Arbeitszeitregelung, Arbeitsplatzstruktur, Verwaltung usw.) in der Absicht, die gegebenen Faktoren der betrieblichen Produktion in geplanter Kombination mit höheren Ertrag einsetzen zu können.“[7] Die Arbeitsteilung und- durchführung entsprach nicht mehr dem traditionellen Bild der Fabriken. Im Vordergrund der Rationalisierung der Arbeit stand das Interesse an einem möglichst hohem Betriebsergebnis, sowie die produktive Nutzbarkeit der neuen Maschinen. Einen bedeutenden Beitrag zur rationelleren Organisation und Durchführung der Arbeit steuerte der Amerikanische Ingenieur Frederick Winslow Taylor ( 1856 – 1915 ) bei. Taylor begann seine Karriere als Arbeiter und stieg relativ schnell in seiner Position als Meister auf, dadurch war es mit den Tätigkeitsausführungen und den Einstellungen der Arbeiter vertraut . Relativ schnell erkannte Taylor, daß die Arbeiter unökonomisch mit ihrer Kraft umgingen und nur das leisteten, in einem relativ langsamen Tempo, was unbedingt notwendig war.[8] Um dem Ganzen entgegenzuwirken, entwickelte er ein System der wissenschaftlichen Betriebsführung ( scientific managment), um „mittels Zeitstudien Arbeitsabläufe wissenschaftlich zu erfassen und für jeden Arbeitsschritt Zeitvorgaben festzulegen.“[9] Taylors Gedanken und Umsetzungen zur rationelleren Organisation und Durchführungen der Arbeit wurden zur Grundlage der modernen Arbeitsorganisation und der Entstehung des Managements der Arbeit, das als „Taylorismus“ bezeichnet wird.[10]
Der Grundgedanke Taylors bzw. des Systems wissenschaftlicher Betriebsführung lässt sich in vier Prinzipien zusammenfassen. Zum Einen die Trennung von Hand und Kopfarbeit: durch die Aufteilung in exekutive und dispositive Arbeit ist nach Taylor ein optimaler Arbeitsablauf gewährleistet, deren Ausführungsdetails rigide vorgeschrieben ist. Des Weiteren hat Taylor das sogenannte Pensum- System eingeführt.[11] „Leistungslohn statt Festlohn: durch die Verknüpfung von Leistung und Entgelt sollen die Arbeitenden selbst ein Interesse an hoher Leistung haben.“[12] Eine hohe Spezialisierung und damit einhergehend ein hoher Leistungsgrad soll durch die Arbeitsteilung bzw. die Zerlegung der Arbeit in einzelnen Teilschritte vorangetrieben werden. Um einen hohen Leistungsgrad zu erzielen, muss eine Auslese und Anpassung der Arbeiter an die jeweilige Arbeitsaufgabe erfolgen bzw. das Personal muss sorgfältig ausgewählt und angelernt werden, um die Arbeitsaufgabe optimal zu erfüllen.[13] Die technische Planung der einzelnen Arbeitsschritte und die Maschinen bestimmten die Arbeit, die sich nach den Erfordernissen und Fähigkeiten der Maschine richtet.[14] „() die bürokratische und zentralistische Planung und Steuerung sämtlicher Abläufe und Vorgänge erwiesen, die naturgemäß die dezentralen Subeinheiten eines Unternehmens mehr oder weniger zu bloßen Befehlsempfängern der Unternehmenszentralen degradierte und dort jede Initiative weitgehend erstickt.“[15] Somit war der Arbeiter nicht integrativer Bestandteil der Arbeitsaufgabe, sondern fungierte als bloßes Ausführungsorgan. Dabei wurde vom Arbeiter auch kein großes Nachdenken gefordert, sondern nur Arbeitskraft. „ Die Werkstatt soll von jeder denkbaren geistigen Arbeit befreit werden.“[16] Die Prinzipien Taylors hatten große Bedeutung für die Arbeit und Organisation der modernen Betriebe, „da sie in extremer Form die Kontrolle über die Arbeit aus den Händen der Arbeiter selbst nahmen und der Betriebsführung bzw. dem „ Management der Arbeit“ übertrugen.[17] Somit wurde die Arbeit in Planung, Kontrolle und Ausführung aufgeteilt und in eine vertikale Arbeitsteilung zwischen Management und Arbeitern. Für die Belange in den Werkstätten waren die sogenannten „ Funktionsmeister“ zuständig, die auf bestimmte Produktionsabläufe spezialisiert waren. Taylor befürwortete die funktionale Differenzierung der Autoritäten.[18] „Die Meister wurden zu Vorgesetzten der überwiegend an- und ungelernten Arbeiter als Repräsentant des Management auf Werkstattebene“[19]. Solch eine Zentralisierung von Entscheidungsbefugnissen führt zu einem erheblichen Entscheidungsverlust der operativen Einheiten bzw. der produzierenden Personen in der Industrie.[20] Taylor wird als erster Managementfachmann des 20. Jahrhunderts bezeichnet, der die Grundsätze wissenschaftlicher Geschäftsführung in die amerikanischen Fabrikhallen und Büroetagen gebracht hat.[21]
Einen bedeutenden Beitrag zur Technisierung der Rationalisierungsbewegung des 20. Jahrhunderts lieferte der Amerikanische Ingenieur Henry Ford ( 1863 – 1947 ). Mithilfe des Fließbandes und der Arbeitsteilung in sehr kleine Schritte, die auch von ungelernten Arbeitern vollbracht werden können, produzierte er im Jahre 1926 in Amerika zwei Millionen Autos pro Jahr. Das Fließband wurde zum Symbol der modernen Produktionsorganisation.[22] Allerdings nicht das reine Objekt, „sondern die Zerteilung der Arbeit in einzelne, sehr kleine Schritte und die Zeiteinbindung für die einzelnen Operationen. Somit verbanden sich Taktzeit, Maschine und Taylorisierung der Betriebe zum Abbau jeder Autonomie der Arbeitenden.“[23] Grundlage der Fordistischen Arbeitsorganisation war das Normalarbeitsverhältnis. Dieses charakterisiert sich durch eine unbefristete Vollzeitbeschäftigung, die Normalarbeitszeit beträgt vierzig Stunden die Woche und verteilt sich gleichmäßig auf die Werktage Montag- Freitag.[24] Gleichzeitig zahlte Ford relativ hohe Löhne und reduzierte den Arbeitstag auf acht Stunden. „In der Mitte des 19. Jahrhunderts lag die durchschnittliche Länge der Arbeitszeit bei 75 und 80 Stunden pro Woche“.[25] Durch die vergleichbar hohen Löhne und den acht Stunden Tag hatten seine Arbeiter die Möglichkeit, selbst Konsumenten zu werden.[26] Diese Art der Anerkennung des Arbeiters erlangte eine besondere Form. Durch die Zugehörigkeit zur Arbeitsorganisation hatte der Arbeiter nicht das Gefühl sich ausbeuten zu lassen, sondern sich gleichzeitig als Teilnehmer am Wirtschaftsprozess, bzw. als zahlungskräftiger Nachfrager jenseits des Produktionsbetriebs emanzipieren zu können. Zenker spricht von einem Doppelcharakter der „ Inklusion“[27] in die entwickelte ( fordistische ) industrielle Arbeitsorganisation. Einerseits der Entfremdungs- und Ausbeutungszusammenhang und andererseits der Emanzipationsprozess, der außerdem zu einer positiven Besetzung von (abhängiger) Arbeit in der Gesellschaft führte.[28] Die Unternehmensphilosophie nach Ford sieht die Führung eines Betriebs in den Händen eines einzelnen Leiters.[29] Ausgehend vom Unternehmen wurden alle Führungs- und Entscheidungsmaßnahmen getroffen. Ein Aufschwung an Produkten, die in Massen produziert wurden, erfuhr Deutschland seit 1933, da durch die Kriegswirtschaft des zweiten Weltkriegs ein hoher Bedarf an militärischen Waffen bestand. Die Prinzipien der zwei Ingenieure setzten sich aber nicht in allen industriellen Zweigen überall gleichermaßen durch, „in der metallverarbeitenden Industrie, insbesondere im Werkzeugmaschinenbau, setzten sie sich nie wirklich durch, umso mehr jedoch in der Konsumgüterindustrie.“[30] Die Herstellung von Produkten in großen Massen etablierte sich in Deutschland erst nach dem zweiten Weltkrieg. Als die Bedingungen für den Massenkonsum geschaffen waren, welcher eine wichtige Voraussetzung war, begann die wirtschaftliche Emanzipation der Arbeiterklasse.[31]
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[1] Müller-Jentsch, Walter ( 2007): Strukturwandel der industriellen Beziehungen, Wiesbaden, S 81.
[2] Vgl.: Mikl-Horke, Getraude (2000): Industriesystem und Industriegesellschaft, in: dies.: Industrie und Arbeitssoziologie, Oldenburg, S.67.
[3] Mikl-Horke, Getraude (2000): Industriesystem und Industriegesellschaft, in: dies.: Industrie und Arbeitssoziologie, Oldenburg, S.67.
[4] Vgl.:Sauer, Dieter, Boes, Andreas, Kratzer, Nick (2005): Reorganisation des Unternehmens, in: SOFI; IAB; ISF; INIFES ( Hg.): Berichterstattung zur sozioökonomischen Entwicklung in Deutschland. Arbeit und Lebensweisen. Erster Bericht, Wiesbaden, S.331.
[5] Vgl.: ebd.: S. 323 ff.
[6] Vgl.: Mikl-Horke, Getraude (2000): Industriesystem und Industriegesellschaft, in: dies.: Industrie und Arbeitssoziologie, Oldenburg, S.69.
[7] Fuchs-Heinritz, Werner, Lautmann, Rüdiger, Rammstedt, Otthein, Wienold, Hanns: (1994) Lexikon der Soziologie .Opladen, S 538.
[8] Vgl.: Mikl-Horke, Getraude (2000): Industriesystem und Industriegesellschaft, in: dies.: Industrie und Arbeitssoziologie, Oldenburg, S.70.
[9] Ebd., S.67.
[10] Vgl., ebd., S.69f.
[11] Vgl.: Missen, Heiner (2006): Das „ scientific- management“ von Taylor: eine Leitidee der Rationalisierung und ihre Kritik, in: ders.: Arbeits- und Industriesoziologie. Eine Einführung. S.28.
[12] Ebd., S.28.
[13] Vgl.: ebd., S.28.
[14] Vgl.: Mikl-Horke, Getraude (2000): Industriesystem und Industriegesellschaft, In: dies.: Industrie und Arbeitssoziologie, Oldenburg, S.74 .
[15] Springer, Roland ( 1999): Rückkehr zum Taylorismus? Arbeitspolitik in der Automobilindustrie am Scheideweg. Frankfurt. S. 81.
[16] Mikl-Horke, Getraude (2000): Industriesystem und Industriegesellschaft, in: dies.: Industrie und Arbeitssoziologie, Oldenburg, S.71.
[17] Ebd., S.71.
[18] Vgl., ebd., S.71.
[19] Ebd., S.73.
[20] Vgl.:Springer, Roland ( 1999): Rückkehr zum Taylorismus?. Arbeitspolitik in der Automobilindustrie am Scheideweg. Frankfurt. S. 85.
[21] Vgl.: Rifikin, Jeremy ( 2002): Die H2- Revolution .Mit neuer Energie für eine gerechte Weltwirtschaft. S 96.
[22] Vgl., Mikl-Horke, Getraude (2000): Industriesystem und Industriegesellschaft, In: dies.: Industrie und Arbeitssoziologie, Oldenburg, S.74f.
[23] Ebd., S.75.
[24] Vgl.: Zenker, Claudia ( 2000): Organisation der Arbeit und Organisation der Gesellschaft. Zur Logik in der Arbeitsgesellschaft in der industriellen Moderne, in: Brose, H.G. (Hg.) die Reorganisation der Arbeitsgesellschaft, Franfurt am Main, New York. S.42f.
[25] Zenker, Claudia ( 2000): Organisation der Arbeit und Organisation der Gesellschaft. S.42, zit. nach Deutschmann, C.(1985): Der Weg zur Normalarbeitstag: Die Entwicklung der Arbeitszeiten in der deutschen Industrie bis 1918, Frankfurt am Main, New York.
[26] Vgl.: Mikl-Horke, Getraude (2000): Industriesystem und Industriegesellschaft, In: dies.: Industrie und Arbeitssoziologie, Oldenburg, S.74.
[27] Worterklärung Inklusion
[28] Vgl.: Zenker, Claudia ( 2000): Organisation der Arbeit und Organisation der Gesellschaft. Zur Logik in der Arbeitsgesellschaft in der industriellen Moderne, in: Brose, H.G. (Hg.) die Reorganisation der Arbeitsgesellschaft, Franfurt am Main, New York. S.38f.
[29] Vgl.: Mikl-Horke, Getraude (2000): Industriesystem und Industriegesellschaft, In: dies.: Industrie und Arbeitssoziologie, Oldenburg, S.74 f.
[30] Mikl-Horke, Getraude (2000): Industriesystem und Industriegesellschaft, In: dies.: Industrie und Arbeitssoziologie, Oldenburg, S.79.
[31] Vgl., ebd., S.77ff.