Laut Benjamin verkümmert im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit des Kunstwerkes dessen Aura, da die technische Reproduktion das Abbild des Originals in andere Kontexte bringen kann, was zur Entwertung des Hier und Jetzt führt: Autorität und geschichtliche Zeugenschaft des Kunstwerkes geraten ins Wanken.
Mit den digitalen Reproduktionsmöglichkeiten und ihrer Verbreitung durch das Internet ist jedoch eine ganz neue Stufe dieses Prozesses erreicht: Es kommt zu vollständiger Identität und Gleichzeitigkeit von Kunstwerken und ihrer (digitalen) Kopie. Kunstwerke sind beliebig oft identisch herstellbar, durch Bild- und Musikbearbeitungsprogramme beliebig veränderbar, verfälschbar, zerstörbar und rekombinierbar.
Diese neuen Entwicklungen u.a. anhand von neuen Kunstformen wie interaktiver Onlinekunst und Fanfiction zu analysieren und im Hinblick auf Benjamins ästhetische Theorie zu untersuchen, ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit.
Die Arbeit kommt zu dem Ergebnis, dass die Charakteristika der Buchdruckkultur – Autorenschaft, Copyright, Werk- und Warencharakter der Literatur –durch die „neue Kunst“ fragwürdig geworden sind. Einerseits entzieht sich die kreative Auseinandersetzung mit den gegebenen Kunstwerken der von Adorno angenommenen Manipulation der Kulturindustrie,
andererseits erlangt die Kulturindustrie durch vermehrte Beschäftigung mit deren
Produkten eine noch stärkere Bedeutung. Auch hinsichtlich der Aura des Kunstwerkes sind zwei gegenläufige Bewegungen zu beobachten: Einerseits kommt es durch das Erschauern vor der Technik des Kunstwerkes zu einer neuen Aura des Geheimnisvollen, andererseits wird das Kunstwerk durch Distanz- und Respektlosigkeit, Aneignung, Demontierung, freie
Veränderung zerstört.
Inhaltsverzeichnis
- 0. Einleitung
- 1. Neue Perspektiven, neue Möglichkeiten: Computerbasierte Kunst
- 1.1 Charakteristika der „neuen Kunst“
- 1.2 Kunstformen
- 1.2.1 Hypertexte
- 1.2.2 Computerspiele
- 1.2.3 Fan Fiction
- 1.3 Einordnung der gegenwärtigen Entwicklungen
- 2. Die Folgen der „neuen Kunst“
- 2.1 Diffusion des Autors
- 2.2 Diffusion der Eindeutigkeit des Kunstwerkes
- 2.3 Bedeutungssteigerung
- 2.4 Theoriebildung
- 2.5 Kunstgattungen und Künstler
- 3. Schlußfolgerungen in Bezug auf Benjamins Ästhetik
- 3.1 Die neue Aura der softwarebasierten Kunst
- 3.2 Gesellschaftliche Folgen: Neue Kreativität gegen die Kulturindustrie
- 4. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Transformation des Kunstwerks im digitalen Zeitalter und analysiert die Auswirkungen der technischen Reproduzierbarkeit im Internet auf Benjamins ästhetische Theorie. Sie befasst sich mit der Frage, ob die These vom Verlust der Aura des Kunstwerks durch die digitale Vervielfältigung weiterhin Gültigkeit besitzt.
- Charakteristika der „neuen Kunst“ im Internet
- Neue Kunstformen wie Hypertexte, Computerspiele und Fan Fiction
- Diffusion des Autors und der Eindeutigkeit des Kunstwerks
- Bedeutungssteigerung und Theoriebildung im Kontext der digitalen Kunst
- Die neue Aura der softwarebasierten Kunst und ihre gesellschaftlichen Folgen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der digitalen Reproduzierbarkeit des Kunstwerks ein und stellt die Frage, ob Benjamins Thesen über den Auraverlust im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit auch für die digitale Kunst gelten.
Kapitel 1 beleuchtet die neuen Perspektiven und Möglichkeiten der computerbasierten Kunst im Internet. Es werden die Charakteristika der „neuen Kunst“, wie Interaktivität, Inter- und Multimedialität sowie Inszenierung, erläutert. Zudem werden verschiedene Kunstformen wie Hypertexte, Computerspiele und Fan Fiction vorgestellt.
Kapitel 2 diskutiert die Folgen der „neuen Kunst“ für die Kunstproduktion und -rezeption. Es geht um die Diffusion des Autors, die zunehmende Unschärfe der Eindeutigkeit des Kunstwerks, die Bedeutungssteigerung der Kunst im digitalen Raum sowie um die Theoriebildung und die sich verändernden Kunstgattungen und Künstlerrollen.
Kapitel 3 setzt sich mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Benjamins Ästhetik auseinander. Es wird untersucht, ob die softwarebasierte Kunst eine neue Aura besitzt und welche gesellschaftlichen Folgen aus der neuen Kreativität entstehen, die sich der Kulturindustrie entgegenstellt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen technische Reproduzierbarkeit, digitale Kunst, Auraverlust, Walter Benjamin, Hypertexte, Computerspiele, Fan Fiction, Interaktivität, Multimedialität, Diffusion des Autors, Bedeutungssteigerung, Kulturindustrie, neue Kreativität.
- Arbeit zitieren
- M.A. Marion Näser (Autor:in), 2003, Die Transformation des Kunstwerks im Zeitalter des Internet (Benjamin revisited), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30723