Leseprobe
Inhalt:
1.0 Einleitung
2.0 Kindliche Läsionen und deren Ursachen
3.0 Aphasie bei Kindern
4.0 Therapiemöglichkeiten
5.0 Bibliographie
1.0 Einleitung
Bereits im Mutterleib lernen Föten Töne zu unterscheiden und einzuordnen. Diese sehr frühe Form des Spracherwerbs ist der Beginn der Ausbildung des Sprachzentrums im menschlichen Gehirn. Untersucht wurde diese Fähigkeit bei Säuglingen mit der Habituationstechnik, bei der Säuglingen Laute vorgespielt werden, auf die diese mit einer verstärkten oder veringerten Saugrate am Schnuller reagierten. Unbekannte Lautmuster verursachten eine erhöhte Saugrate, bekannte Muster eine geringe. Diese Fähigkeit der Erkennung von Lauten ist die Auditive Diskriminierung.1
Auch die Laute, die Säuglinge von sich geben, sind nach Giuseppe Francescato bereits vor gut 40 Jahren als Äußerungen zu verstehen. Hierbei führt er an, dass ein Säugling, obwohl er noch keine Phoneme beherrscht, durch verschiedene Schreie, Wimmern etc. verschiedene Gemütszustände und Wünsche zum Ausdruck bringen kann und Laute zur Kontaktaufnahme verwendet.2 Da Kinder ab dem 12 . Lebensmonat die ersten semantisch und phonologisch sinnvollen Worte sprechen, ist eine Untersuchung ab dem Zeitpunkt noch aufschlussreicher, da Wörter und Sätze strukturell untersucht werden können. Syntax, Phonologie und die Perzeption von Wörtern kann im direkten Vergleich zu Kontrollgruppen Aufschluss über die Auswirkungen von Läsionen auf die Sprache des Kindes, den Spracherwerb, als auch die Perzeption von Wörtern geben. Bei Kindern, die in einem frühkindlichen Stadium eine Hirnläsion erfahren haben, können Aphasien auftreten, die die Fähigkeit des Spracherwerbs und damit einhergehend auch später des neuronalen Lesens beeinflussen.
Eine Aphasie beschreiben D. Frank Benson und Alfredo Ardila zunächst sehr allgemein:
"Aphasia is the loss or impairment of language function caused by brain damage." 3
Aphasien können jedoch verschiedene Ursachen, Ausführungen und Auswirkungen haben. Zum einen ist die Stärke der auftretenden Läsion ausschlaggebend für die Bewertung der Auswirkungen der Schädigung auf die kognitive Leistungsfähigkeit eines Kindes. Zum anderen ist der Zeitpunkt der auftretenden Läsion wichtig für die Stärke und auch für die Therapiefähigkeit der daraus folgenden Aphasie.
Im Folgenden möchte ich die kurz die Arten kindlicher Läsionen und deren mögliche Ursachen erläutern und anschließend die Aphasien beschreiben, die durch diese Schädigungen im Gehirn auftreten können. Abschließend gebe ich einen Überblick über die Therapiemöglichkeiten bei Kindern.
2.0 Läsionen und deren Ursachen
Läsionen können in verschiedenen Formen und Stärken auftreten. Sie können verschiedene Bereiche des zentralen Nervensystems betreffen. Bei zerebralen Läsionen, die die Bereiche betreffen, die für die Produktion und Perzeption von Sprache verantwortlich sind, können Beeinträchtigungen unterschiedlicher Stärke auftreten. Dabei handelt es sich fast immer um eine Schädigung der linken Hirnhälfte.4
Die häufigste Ursache von Läsionen bei Erwachsenen sind Schlaganfälle, danach folgen Schädel- Hirn-Trauma und Infektionen und Tumore. Auch degenerative Erkrankungen wie Morbus Parkinson und Chorea Huntington uvm. können Aphasien und Dysarthrien verursachen.5 6 Bei Kindern ist die häufigste Ursache einer Hirnschädigung das Schädel-Hirn-Trauma, aber auch Infektionen und Tumore können eine Läsion auslösen.Degenerative Erkrankungen sind bei Kinder sehr selten.7 Bei einem Schädel-Hirn-Trauma können auch nicht-aphasische Störungen, wie Dysarthrie, Dysphonie, Echolalie, Stottern etc. auftreten, die ich hier angesichts des Umfangs meiner Arbeit nicht erläutern kann.
2.0.1 Frühkindliche Läsion
Als frühkindlicher Hirnschaden werden nach Wirth (1983) alle neurologischen und psychischen Defektsyndrome bezeichnet, die sich auf Störungen der Entwicklung und Reifung des Gehirns zurückführen lassen.8
Wirth (1983) unterscheidet bei den frühkindlichen Hirnschädigungen zwischen:
- Pränatalen Schädigungen (Schädigungen bereits im Mutterleib durch Medikamente,
Alkohol, Nikotin, Virale Infektionen, Uterusblutungen u.a.)
- Perinatale Schädigungen im Verlaufe, bis 10 Tage nach Geburt, wie z. B. Anoxie,
Geburtstraumen, stark niedrige Apgarwerte, d.h. sauerstoffarmes Blut)
- Postnatale Schädigungen: Meningitis, Enzephalitis, Schädeltraumen, Ernährungsstörungen.9 Aphasische Syndrome sind sehr häufig die Folge von zerebralen Durchblutungsstörungen.
3.0 Aphasie bei Kindern
Eine Aphasie bei Kindern ist seltener als bei Erwachsenen und gerade deswegen interessant, weil das Wort Aphasie den Verlust von Sprachfähigeit (sowohl Produktion als auch Perzeption) beschreibt. Das bedeutet bei Erwachsenen, dass sie nahezu alles (völlige Aphasie) oder einen Teil Dysphasie) ihrer Sprachfähigkeit verlieren, die sie zuvor jedoch besaßen.10 Bei Kindern, die sich noch im Prozess des Spracherwerbs befinden, ist eine Aphasie deswegen auch schwierig zu bewerten, weil diese noch nicht über alle sprachlichen Fertigkeiten vor dem Beginn der Aphasie verfügten.
3.1.0 Aphasische Symptome
Die sprachlichen Symptome bei Aphasie sind vielfältig: Sprachantriebsstörungen, Sprachanstrengung, Beeinträchtigung der flüssigen Sprachproduktion, Phonemstörungen, Stereotypien, Preservationen, Automatismen, Paraphrasien, Agrammatismus, Paragrammatismus, Wortfindungsstörungen u.v.m.11
Diese Vielfalt an Symptomen macht es schwierig, bei Kindern eine Aphasie zu erkennen. Symptome wie Wortfindungsprobleme, Agrammatismus, Paraphrasien sind Teil des Spracherwerbs, bei dem Fehler in der Sprachproduktion einen ganz normaler Lernprozess bedeuten. Bei Kindern, bei denen der Spracherwerb noch nicht abgeschlossen ist, also im Alter von bis zu 5 Jahren, ist eine Sprachstörung nur im Vergleich zu anderen Kindern erkennbar. Auch hier muss beachtet werden, ob es sich nur um eine Entwicklungsverzögerung handelt oder ob eine tatsächliche Aphasie vorliegt.
3.1.1 Aphasische Syndrome
Es wird zwischen einer Vielzahl aphasischer Syndrome unterschieden. Lutz (1996) unterscheidet allgemein zischen vier großen Aphasiesyndromen, die in anderen Quellen noch feiner unterteilt werden. Lutz beschreibt, dass die Einteilung aus dem 19. Jahrhundert sich oft in fachliteratur bis heute findet, es allerdings schwierig ist, angesichts des komplexen Aufbau des Gehirns und der Lateralisation der Sprache, diese mit nur wenigen Aphasieformen einzugrenzen. Oft finden sich noch alte Bezeichnungen, die jedoch nicht immer die Symptome richtig beschreiben.12
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1 Rickheit, Gert et al.: Psycholinguistik. Vom sprachlichen Verhalten und Erleben. Stauffenburg Verlag: Tübingen 2002. S. 116.
2 Vgl. Francescato, Giuseppe: Spracherwerb und Sprachstruktur beim Kinde. S. 28.
3 vgl. Benson & Ardila: Aphasia. New York/Oxford: 1996, S. 3
4 Lutz, Luise: Das Schweigen verstehen: Über Aphasie. 2., überarbeitete Aufl. Springer Verlag: Berlin; Heidelberg; New York, 1996. S.32
5 Ebd. S. 33 ff
6 Springer, Luise und Schrey-Dern, Dietlinde (Hrsg.): Dysarthrie: Grundlagen - Diagnostik - Therapie. Georg Thieme Verlag: Stuttgart; New York, 1998. S. 5 ff.
7 Braun, Otto: Sprachstörungen bei Kindern: Diagnostik, Therapie, Förderung. Stuttgart; Berlin; Köln: Kohlhammer, 1999. S. 175 ff.
8 Wirth, Günter: Sprachstörungen, Sprechstörungen, kindliche Hörstörungen. Lehrbuch für Ärzte, Logopäden und Sprachheilpädagogen. 2. Auflage, Deutscher Ärze Verlag: Köln, 1983. S. 137.
9 Ebd.: S. 138sstörungen.
10 Vgl. Wirth: 1983. S. 407
11 Ebd. S. 410
12 Lutz (1996) S.38