Inwieweit wird das Putin-Interview „Wohin steuert der Kreml-Chef?“ und die damit verbundene Berichterstattung im Sinne einer Perspektivierung funktionalisiert? Durch Methoden der Medienlinguistik soll sich einer Antwort auf diese Frage genähert werden.
„Ein guter Journalist sei einer, der sich mit keiner Sache gemein macht, auch nicht mit einer guten.“ Dieser Satz des Journalisten Hanns Joachim Friedrichs, der seine Berufshaltung widerspiegelt und den er geprägt hat, stammt von seinem väterlichen Freund Charles Wheeler, Leiter der Nachrichtenabteilung bei der BBC. Das Halten der „Distanz zum Gegenstand seiner Betrachtung“ gehöre zu den Maximen eines seriösen Journalisten, so Wheeler. Die Einhaltung dieser Maxime scheint aber besonders bei der Textsorte des Interviews in Frage zu stehen.
Das Interview, insbesondere das qualitative Interview, das mit dem Erstarken der audiovisuellen Medien die Karriere von einer wenig beachteten Textsorte zu einer omnipräsenten gemacht hat, gibt vor, die Wirklichkeit wiederzugeben. Als Darstellungsform der Massenmedien soll es als solche nicht nur die Informations-, Meinungsbildungs- und Meinungsvielfaltsfunktion erfüllen, sondern auch, nach Andreas Ziemann, die Aufmerksamkeit und ein kritisches Bewusstsein der Gesellschaft für gute bzw. schlechte Wirklichkeitsformen, sowie den Grad an Achtung bzw. Missachtung gegenüber verschiedenen öffentlichen Rollen- bzw. Verantwortungsträgern etablieren (Ziemann 2006, S.76).
Ein solcher öffentlicher Verantwortungsträger ist Wladimir Putin, Präsident der Russischen Föderation und in dieser Funktion bestimmt er seit Monaten die Schlagzeilen. Was im November 2013 mit Protesten auf dem Maidan begann, hat sich im Frühjahr 2014 zu einer internationalen Krise zwischen Russland und dem Westen ausgeweitet. Putin, von dem als zentrale Figur dieser „Wiederauflage des Kalten Kriegs“ gesprochen wird, so NDR-Journalist Hubert Seipel, traf sich mit ebendiesem zu einem seltenen Exklusiv-Interview. Das dreißigminütige Interview sorgte vor allem durch die Ausstrahlung in der Talkshow „Günther Jauch“ für ein großes öffentliches Echo. Entsprechend lässt sich seitens der Pressemedien eine Vielzahl an Artikeln zu jenem Interview finden. Die eingangs beschriebene Maxime der Distanz zum Gegenstand wird besonders bei diesem stark polarisierenden Thema auf die Probe gestellt.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- A. Einleitung
- B. Methodische Grundlagen
- Textklassifikation: Die Textsorte „Interview“
- 1. Funktion des Interviews
- 1.2. Zwischen Funktionalisierung und Wirklichkeitswiedergabe
- 2. Methode der Variationsanalyse
- 2.1. Vorgehen
- 2.2. Leistung der Variationsanalyse
- 2.3. Ausrichtung der Zeitungshäuser
- C. Anwendungsbeispiel „Das Putin-Interview: Wohin steuert der Kreml-Chef?“ von NDR-Journalist Hubert Seipel und die damit verbundene Berichterstattung
- 1. Erkenntnisinteresse
- 2. Vorgehen
- 3. Analyseergebnisse
- 4. Beurteilung
- D. Fazit
- E. Quellen
- F. Anhang
- 1. Transkription des Originalinterviews
- 2. Übersetzungs- und Versionenproblematik
- 3. Berichterstattung
- FAZ (konservativ-liberal)
- Taz (grün-links liberal)
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Die vorliegende Arbeit analysiert das Putin-Interview „Wohin steuert der Kreml-Chef?“ von NDR-Journalist Hubert Seipel sowie die damit verbundene Berichterstattung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und der Tageszeitung (taz). Die Analyse zielt darauf ab, die Funktionalisierung des Interviews in Bezug auf die Perspektivierung zu untersuchen, um die Frage zu klären, inwieweit das Interview und die Berichterstattung die Wirklichkeit wiedergeben oder im Sinne einer bestimmten Perspektive manipulieren.
- Die Rolle des Interviews in der Informations- und Meinungsbildung
- Die Textsorte „Interview“ und die Problematik der Wirklichkeitswiedergabe
- Die Methode der Variationsanalyse zur Untersuchung von Medientexten
- Funktionalisierung und Perspektivierung in der Berichterstattung über das Putin-Interview
- Die Bedeutung der Medienlandschaft für die Interpretation und Rezeption von Nachrichten
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
- A. Einleitung: Die Einleitung führt in die Problematik des Interviews als Textsorte ein und thematisiert die Frage nach der Distanz des Journalisten zum Gegenstand seiner Berichterstattung, insbesondere im Kontext von polarisierenden Themen wie dem Putin-Interview.
- B. Methodische Grundlagen: Dieses Kapitel definiert die Textsorte „Interview“ und beleuchtet deren Funktion sowie die Problematik der Wirklichkeitswiedergabe. Des Weiteren werden die methodischen Grundlagen der Variationsanalyse, eine Methode der Medienlinguistik, erläutert, die zur Analyse von Medientexten verwendet wird.
- C. Anwendungsbeispiel „Das Putin-Interview: Wohin steuert der Kreml-Chef?“ von NDR-Journalist Hubert Seipel und die damit verbundene Berichterstattung: Dieses Kapitel analysiert das Putin-Interview und die Berichterstattung in der FAZ und der taz anhand der Variationsanalyse. Es werden die Themen und deren Gewichtung im Original-Interview, in der FAZ und in der taz verglichen, um mögliche Funktionalisierungen und Perspektivierungen aufzudecken.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die Arbeit beleuchtet zentrale Themenbereiche wie das Interview als Textsorte, die Wirklichkeitswiedergabe, Funktionalisierung, Perspektivierung, Medienlinguistik, Variationsanalyse, Medienlandschaft, Politik, Russland, Putin-Interview, FAZ, taz, und die Rezeption von Nachrichten. Die Untersuchung konzentriert sich auf die Analyse von Medientexten und die Frage, wie diese die Wirklichkeit beeinflussen und gestalten können.
- Quote paper
- Daniela Martin (Author), 2015, Zwischen Funktionalisierung und Wirklichkeitswiedergabe. Das Putin-Interview „Wohin steuert der Kreml-Chef?“ aus medienlinguistischer Perspektive, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/307832