Nach einer jahrelangen Diskussions- und Entwicklungsphase hat das International Accounting Standards Board (IASB) im Mai 2014 den neuen Standard zur Umsatzrealisierung aus Kundenverträgen, IFRS 15 Revenue from Contracts with Customers, veröffentlicht. Dieser ist das Resultat des bereits seit dem Jahr 2002 auf der Agenda stehenden Konvergenzprojekts „Revenue Recognition“ mit dem US-amerikanischen Financial Accounting Standards Board (FASB).
IFRS 15 ersetzt eine ganze Reihe von alten Standards und Interpretationen. Entsprechend weit ist der Anwendungsbereich dabei gefasst. Die derzeit bestehende Unterscheidung zwischen dem Verkauf von Gütern bzw. der Erbringung von Dienstleistungen einerseits (IAS 18) und langfristigen Fertigungsaufträgen (IAS 11) andererseits wird aufgehoben. Stattdessen schreibt der neue Standard ein allgemeingültiges Ertragsvereinnahmungskonzept für Kundenverträge vor, das auf alle Transaktionen und Branchen anwendbar ist. Durch IFRS 15 werden Inkonsistenzen und Schwachstellen in den derzeit gültigen Regelungen behoben, die Regelungslücke bezüglich Mehrkomponentenverträgen geschlossen und die Vergleichbarkeit sowohl unternehmens- und branchenweit als auch kapitalmarktübergreifend verbessert.
Die erstmalige Anwendung ist sowohl nach IFRS als auch nach US-GAAP für Berichtsperioden vorgesehen, die am oder nach dem 01.01.2017 beginnen. Die Anwenderpraxis ist daher bereits jetzt gefordert, die Neuregelungen umzusetzen bzw. die Auswirkungen auf die Jahresabschlüsse richtig zu interpretieren. Während sich die Änderungen für einfache Verkaufstransaktionen auf ein Minimum beschränken, können sich bei Unternehmen mit komplexen Vertragskonstruktionen (Mehrkomponentenverträge) erhebliche Veränderungen bezogen auf den Zeitpunkt und die Höhe der Umsatzrealisierung ergeben.
Die Automobilbranche ist mit einem Umsatzanteil von mehr als 25 Prozent einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige in Deutschland. Mit einem Fertigungsanteil von bis zu 75 Prozent haben die überwiegend mittelständisch geprägten Automobilzulieferer eine entscheidende Stellung in der Wertschöpfungskette der Automobilindustrie. Ziel dieser schriftlichen Ausarbeitung ist es daher, IFRS 15 in seinen Grundzügen und Konkretisierungen darzustellen und zu prüfen, inwieweit sich dieser auf die Automobilzulieferindustrie auswirkt.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- Einführung
- 1 Problemstellung
- 1.1 Fehlende Preisvereinbarung
- 1.2 Gang der Untersuchung
- 2 Automobilzulieferindustrie in Deutschland
- 2.1 Bedeutung und Struktur der Automobilindustrie
- 2.2 Herausforderungen
- 3 Umsatzrealisierung in der Automobilzulieferindustrie
- 3.1 Typische Vertragskonstruktionen
- 3.1.1 Sukzessivlieferverträge
- 3.1.2 Rabatte und Kaufanreize
- 3.1.3 Aufwendungen zur Erlangung von Folgeaufträgen
- 3.2 Werkzeuge
- 3.2.1 Herstellung Prototypenwerkzeug
- 3.2.2 Herstellung Serienwerkzeug
- 3.3 Wirtschaftlicher Eigentümer
- 3.3.1 Eintrittsgelder
- 3.3.2 Preiszugeständnisse
- 3.3.3 Mehrkomponentenverträge
- 3.3.4 Werkzeugkostenzuschüsse
- 3.4 Forschung und Entwicklung
- 3.4.1 Forschungs- und Entwicklungsleistungen als Auftragsleistung
- 3.4.2 Lizenzierung von Forschungs- und Entwicklungsleistungen
- 4 IFRS 15 Umsatzerlöse aus Verträgen mit Kunden
- 4.1 Das Projekt „Revenue Recognition“
- 4.1.1 Hintergrund und Projektverlauf
- 4.1.2 Inkrafttreten und Übergangsvorschriften
- 4.1.3 Anwendungsbereich von IFRS 15
- 4.1.4 Grundkonzept des neuen Standards
- 4.1.5 Wahlrecht zur Portfoliobildung
- 4.2 Identifizierung des Vertrags/der Verträge mit einem Kunden
- 4.2.1 Vertragsidentifizierung
- 4.2.2 Erhaltene Anzahlungen
- 4.2.3 Zusammenfassung von Verträgen
- 4.2.4 Behandlung von Vertragsmodifikationen
- 4.3 Identifizierung separater Leistungsverpflichtungen innerhalb eines Vertrags
- 4.3.1 Identifizierung von Leistungsverpflichtungen
- 4.3.2 Separierungsvorschriften
- 4.3.3 Bildung bilanzieller Einheiten
- 4.4 Bestimmung des Transaktionspreises
- 4.4.1 Transaktionspreis
- 4.4.2 Variable Gegenleistungen (und deren Beschränkung)
- 4.4.3 Wesentliche Finanzierungskomponenten
- 4.4.4 Nicht-monetäre Gegenleistungen
- 4.4.5 An Kunden gezahlte oder zu zahlende Gegenleistungen
- 4.5 Aufteilung des Transaktionspreises auf die separaten Leistungsverpflichtungen
- 4.5.1 Methode des relativen Einzelveräußerungspreises
- 4.5.2 Schätzung der Einzelveräußerungspreise
- 4.5.3 Verteilung von Preisnachlässen und variablen Bestandteilen
- 4.5.4 Änderungen des Transaktionspreises
- 4.6 Umsatzrealisierung bei Erfüllung einer Leistungsverpflichtung
- 4.6.1 Übergang der Verfügungsmacht (control)
- 4.6.2 Zeitraumbezogene Leistungserfüllung
- 4.6.3 Bemessung des Leistungsfortschritts
- 4.6.4 Zeitpunktbezogene Leistungserfüllung
- 4.7 Sonstige Ansatz- und Bewertungsvorschriften
- 4.7.1 Gewährleistungen und Rückgaberecht
- 4.7.2 Kommissionsvereinbarungen und Konsignationslager
- 4.7.3 Prinzipal-Agent Verhältnis
- 4.7.4 Bill-and-hold-Vereinbarungen
- 4.7.5 Kundenabnahmeklauseln
- 4.7.6 Kosten der Vertragsanbahnung und -erfüllung
- 4.7.7 Erweiterte Anhangangaben
- 5 Auswirkungen auf die Automobilzulieferindustrie
- 5.1 Auswirkungen auf ausgewählte Themenbereiche
- 5.1.1 Verkauf mit Garantie
- 5.1.2 Verkauf mit Rückgaberecht
- 5.1.3 Variable Gegenleistungen
- 5.1.4 Vertragsänderungen
- 5.1.5 Zahlungen an Kunden
- 5.1.6 Kommissionsgeschäfte, Prinzipal-Agent-Beziehungen und Bill-and-hold-Transaktionen
- 5.1.7 (Nicht erstattungsfähige) Vorauszahlungen
- 5.2 Umsatzrealisierung bei Mehrkomponentenverträgen
- 5.2.1 Subventionierte Teilleistungen
- 5.2.2 Kompensatorische Verträge
- 5.3 Umsatzrealisierung bei Fertigungsaufträgen
- 5.3.1 Realisierung von Teilgewinnen
- 5.3.2 Vertragsstrafen und langfristige Zahlungsziele
- 5.3.3 Auftragskosten
- 5.3.4 Belastende Verträge
- 5.4 Konsequenzen und Handlungsbedarfe
- 5.4.1 Finanzkennzahlenanalyse und Kommunikation mit den Stakeholdern
- 5.4.2 Anpassungsbedarf der IT-Systeme und interner Kontrollen
- 5.5 Zusammenfassende Bewertung und Ausblick
- 5.5.1 Kritische Würdigung des IFRS 15
- 5.5.2 Zukünftige Entwicklungen im Projekt Revenue Recognition
- Umsatzrealisierung in der Automobilzulieferindustrie unter IFRS 15
- Auswirkungen des neuen Standards auf typische Vertragskonstruktionen und -bestandteile
- Herausforderungen und Handlungsbedarf für Automobilzulieferer
- Kritische Würdigung des IFRS 15 und Ausblick auf zukünftige Entwicklungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Die Master-Thesis zielt darauf ab, den neuen Standard IFRS 15 „Umsatzerlöse aus Verträgen mit Kunden“ zu analysieren und dessen Auswirkungen auf die Automobilzulieferindustrie in Deutschland zu untersuchen. Dabei werden insbesondere die besonderen Herausforderungen der Branche im Zusammenhang mit der Umsatzrealisierung betrachtet.
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in die Problemstellung der Umsatzrealisierung in der Automobilzulieferindustrie, wobei insbesondere die Herausforderungen durch die fehlende Preisvereinbarung im Fokus stehen. Anschließend wird die Bedeutung und Struktur der Automobilindustrie in Deutschland beleuchtet, bevor die typischen Vertragskonstruktionen und -bestandteile der Branche im Detail analysiert werden.
Im vierten Kapitel wird der neue Standard IFRS 15 „Umsatzerlöse aus Verträgen mit Kunden“ vorgestellt, wobei das Projekt „Revenue Recognition“ und dessen Hintergrund, Inkrafttreten, Anwendungsbereich sowie die Grundkonzepte des Standards im Fokus stehen. Es werden auch die Identifizierung von Verträgen, die Bestimmung des Transaktionspreises, die Aufteilung des Preises auf die separaten Leistungsverpflichtungen und die Umsatzrealisierung bei Erfüllung einer Leistungsverpflichtung behandelt.
Das fünfte Kapitel befasst sich mit den konkreten Auswirkungen des IFRS 15 auf die Automobilzulieferindustrie. Dabei werden die Folgen für verschiedene Themenbereiche wie Verkauf mit Garantie, Verkauf mit Rückgaberecht, variable Gegenleistungen, Vertragsänderungen, Zahlungen an Kunden, Kommissionsgeschäfte, Prinzipal-Agent-Beziehungen, Bill-and-hold-Transaktionen und Vorauszahlungen beleuchtet.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die Master-Thesis befasst sich mit dem neuen Standard IFRS 15 „Umsatzerlöse aus Verträgen mit Kunden“ und dessen Auswirkungen auf die Automobilzulieferindustrie. Zentrale Themen sind Umsatzrealisierung, Vertragskonstruktionen, Mehrkomponentenverträge, Variable Gegenleistungen, Werkzeuge, Forschung und Entwicklung, Finanzkennzahlenanalyse, Kommunikation mit den Stakeholdern sowie Anpassungsbedarf der IT-Systeme und internen Kontrollen.
- Quote paper
- Daphne Efremidis (Author), 2015, Darstellung des neuen Standards IFRS 15 „Umsatzerlöse aus Verträgen mit Kunden“ und dessen Auswirkungen auf die Automobilzulieferindustrie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/308056