Die Hausarbeit widmet sich der spannenden Frage, warum die bayerische Regierung Preußen 1870 in den deutsch-französischen Krieg folgte.
Am 18. Janur 1871 wurde das deutsche Reich unter preußischer Hegemonie geeinigt. Vorausgegangen waren der deutsch-französische Krieg mit bayrischer Unterstützung für die preußische Seite und die Abgabe von Souveränitätsrechten eines bis heute selbstbewussten Staates im Süden des heutigen Deutschlands: Bayern.
Mehr noch als die Zustimmung zur Reichseinigung verwundert die vorherige bayerische Unterstützung im Krieg 1870/71 für Preußen. Noch fünf Jahre zuvor hatte Bayern mit Österreich im deutsch-deutschen Bruderkrieg die Waffen gegen Preußen erhoben. Diese Arbeit diskutiert also die möglichen Beweggründe.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Hauptteil
2.1 Die Außen- und Innenpolitik unter Hohenlohe & Bray
2.2 Die Rolle von Ludwig II.
2.3 Der Kriegsminister beseitigt das letzte Hindernis
3. Schlussbetrachtung
4. Quellen- und Literaturverzeichnis
4.1 Quellen
4.2 Literatur
1. Einleitung
„Wir, Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen, - nachdem die deutschen Fürsten und freien Städte den einmüthigen Ruf an Uns gerichtet haben, mit Herstellung des deutschen Reiches die seit mehr denn 60 Jahren ruhende deutsche Kaiserwürde zu erneuern und zu übernehmen, [...], bekunden hiermit, daß Wir es als eine Pflicht gegen das gemeinsame Vaterland betrachtet haben, diesem Rufe der verbündeten deutschen Fürsten und freien Städte Folge zu leisten und die deutsche Kaiserwürde anzunehmen [...]“. Diese Worte sprach der preußische König und von diesem Zeitpunkt an deutsche Kaiser Wilhelm I. in seiner von Otto Fürst von Bismarck geschriebenen Antrittsrede an einem der wichtigsten Tage der neuesten Geschichte Deutschlands im Spiegelsaal von Versailles.1 Die deutsche Reichseinigung unter preußischer Hegemonialstellung war am 18.01.1871 vollzogen - unter den Augen von 35 Fürsten und Prinzen, darunter Leopold, Luitpold und Otto von Bayern sowie etwa 2000 Generälen, Offizieren und Soldaten.2
Die Worte Wilhelms betonen die neugeschaffene Einigkeit des Deutschen Reiches und Vergessen zu dieser feierlichen Stunde das lange Ranken um die Zustimmung Bayerns. Denn für Ludwig II., das Oberhaupt des Königreiches, stellte der Eintritt in den neuen Bundesstaat einen gewaltigen Eingriff in die immer wieder verfechtete eigenstaatliche Selbstständigkeit dar wie auch nicht zuletzt in seine eigene Souveränität.3 Nicht ohne Grund handelte die bayerische Delegation zum Abschluss der Versailler Verhandlungen am 23. November 1870 diverse Sonderrechte für den Südstaat aus.4 Ein Verhalten, dass auch aus heutiger Sicht verständlich erscheint, denn die Betonung der bayerischen Sonderrolle ist immer noch von großem Stellenwert, so ist Bayern neben Sachsen und Thüringen das einzige Bundesland, das die Bezeichnung „Freistaat“ führt und mit der CSU eine ausschließlich bayerische Partei im Bundestag stellt.5
Nichtsdestotrotz war der Beitritt nicht verwunderlich, da schon die Mobilmachung der bayerischen Armee vom 16. Juli 1870 und der damit verbundene Eintritt in den deutsch- französischen Krieg an der Seite Preußens ein deutliches Zeichen in Bezug auf die Reichsgründung darstellte.6 Daher ist hier zweifellos die interessantere Frage warum die bayerische Reichsregierung überhaupt Preußen in den Krieg folgte, nachdem im deutschdeutschen Bruderkrieg 1866 mit Österreich noch gegen die „Pickelhauben“ die Waffe erhoben wurde?
In der Fachliteratur lassen sich fünf entscheidende Gründe hierfür finden, die Wolf Gruner am präzisesten nennt. Laut ihm stellen innenpolitische, militärstrategische, sicherheitspolitische, „innersüddeutsche“ und internationale Bestimmungsfaktoren die Beweggründe der süddeutschen Staaten dar.7 In unseren Betrachtungen spielen lediglich die Außen- sowie die Innenpolitik der bayerischen Regierung, vertreten durch die in Doppelfunktion bestimmenden bayerischen Ministerpräsidenten und Außenminister Chlodwig Fürst zu HohenloheSchillingsfürst sowie Otto Graf Bray-Steinburg eine gewichtige Rolle.8
Sogar Gruner selbst erklärt, dass die oft propagierte Volksbegeisterung dabei lediglich eine untergeordnete Rolle spielt.9 Seine Ansicht teilt Wolfgang Richter, der sich sicher ist, dass dieser Umstand Ludwig II. in seiner Entscheidung nicht beeinflusst haben dürfte.10 Die zeitgenössischen Quellen nehmen in Bezug auf die Strahlkraft der nationalen Einigungsbewegung gegensätzliche Positionen ein, was Rost Sieghard bei seiner Skizzierung der damaligen Kriegsstimmung zeigt und Richard Wagner mit der Benennung „Ludwig der Deutsche“ sehr gut trifft.11
2. Hauptteil
2.1 Die Außen- und Innenpolitik unter Hohenlohe & Bray
Es liegt auf der Hand, dass die Diplomatie der beiden bestimmenden bayerischen Ministerpräsidenten und gleichzeitigen Außenminister, Hohenlohe und Bray, in der Zeit zwischen den Kriegen von 1866 und 1870/71 am besten geeignet ist, um die Regierungspolitik zu erkennen, die den Kriegseintritt nebst Preußen am 19. Juli 1870 förderte.12 Dabei ist die besondere Beziehung zu Preußen nach dem Prager Frieden vom 23. August 1866 als immanent wichtig in der Frage um den casus foederis am 16. Juli 1870 zu betrachten.13 Der liberale und preußenfreundliche Hohenlohe hatte mit dem Militärvertrag von 1866 einen bedeutenden Kontrakt, der noch unter seinem Vorgänger, dem Freiherren von der Pfordten abgeschlossen wurde, im Rahmen „seiner“ Politik einzuordnen.14
Die Inhalte dieses Bündnisses waren neben geringfügigen Gebietsabtretungen in Nordbayern und Thüringen insbesondere die Zahlung einer Entschädigung von 30 Millionen Gulden sowie ein geheimes Schutz- und Trutzbündnis, das den Bestand beider Staaten gewährleistete und im Kriegsfall den Oberbefehl über das bayerische Heer dem König von Preußen übertrug.15 Auf jeden Fall stellte dies einen starken Einschnitt, vor allem in die militärische Souveränität Bayerns dar.
Ein pikantes Detail des Vertrages war das Fehlen einer Befristung oder einer Ewigkeitsklausel, was bei der Veröffentlichung durch Bismarck am 19. März 1867 zusammen mit seiner Auslegung als Defensiv- und Offensivbündnis für Diskussionsbedarf sorgte.16 Die Frage um die Auslegung und die Verbindlichkeit der Verträge sollte im Jahre 1870 für den Sturz Hohenlohes sorgen. Schon in seiner paradoxen Zielsetzung - der Bewahrung bayerischer Selbstständigkeit und der gleichzeitigen engeren Bindung an Preußen - zeigte sich das anbahnende Scheitern des Ministerpräsidenten.17 Doch fielen in seine Amtszeit, die arm an Erfolgen war, auch wichtige Aspekte, die den späteren Kriegseintritt begünstigten.
Zur Vereinfachung wird von Hohenlohe und Bray statt Hohenlohe-Schillingsfürst und Bray-Steinburg gesprochen. Diese Namensverkürzungen sind fast ausschließlich in den Quellen und der Literatur zu finden.
So treten neben der wirtschaftlichen Einigung mit Preußen am 8. Juli 1867, die Bestückung des bayerischen Beamtenwesens mit preußennahen Mitarbeitern und das nicht gerade ungewollte Scheitern Hohenlohes bei einer Südbundinitiative hervor.18 Der Südbund scheiterte hauptsächlich an Eifersüchteleien zwischen den süddeutschen Staaten, was Bismarck geschickt zum Anlass des gegenseitigen Ausspielens der Südstaaten nahm.19 Während dies ein eher unbeabsichtigter Nutzen, seitens Bayerns, für Preußen war, bedeutete die steuer-, handels-, eisenbahn- und behördengeschichtliche Verzahnung einen direkten Beitrag zur politischen Annäherung.20 Ein Novum stellt dabei dar, dass die wirtschaftliche Einigung Deutschlands vor der politischen erfolgte.
In der Folgezeit manövrierte sich Hohenlohe, dessen Politik nach Ansicht des preußischen Gesandten in Bayern, Georg Graf von Werthern, „nur auf vier Augen beruht, den seinen und denen des Königs“, immer mehr ins Abseits. Zudem wurde Hohenlohe seine äußerst kritische Behandlung des Vatikanischen Konzils zum Verhängnis.21 Als Konsequenz daraus keimte die Diskussion um die Schutz- und Trutzbündnisse wieder auf, die sich in einer Adressdebatte der Reichsräte an Hohenlohe vom 28. Januar 1870 entlud.22 In seinen Antworterklärungen vom 8. und 10. Februar 1870 betonte der scheidende Ministerpräsident die Bedeutung der Verträge, die Bayern mit Preußen geschlossen hatte, „um Bayern das Schicksal zu ersparen im Momente der Gefahr wehrlos dazustehen.“23
Als Nachfolger trat Bray auf den Plan, der am 30. März 1870 seine erste Rede vor der Kammer der Abgeordneten hielt. Hierin betonte er die Verbindlichkeit der Verträge mit Preußen, erwog ein Abwarten in der Südbund-Frage und sah die Schutz- und Trutzbündnisse nicht als Belastung an.24 Daher lässt sich getrost annehmen, dass Bray eine Fortsetzung der hohenlohischen Politik betrieb und insgeheim ebenfalls eine weitere Annäherung an Preußen anstrebte. Die wichtigste Rolle in seiner rund vierzehnmonatigen Amtszeit übernahm Bray bei dem hervortretenden preußischen Konflikt mit Frankreich. Hier versuchte der 63-jährige mit aller Macht an einer bayerischen Neutralität festzuhalten und unternahm Vermittlungsversuche zwischen Preußen und Frankreich, vor allem unter Einbindung
Großbritanniens.25 Da diese Vorhaben ergebnislos blieben und der König am 16. Juli 1870 die Mobilmachung der Armee verkündete, bot Bray ihm den Rücktritt an. Doch Ludwig II. schlug dieses Angebot aus und Bray passte sich pragmatisch an die neue Situation an.26 Zwar wollte er wie sein König den Krieg vermeiden, aber er erkannte, dass die Selbstständigkeit Bayerns am besten an der Seite Preußens gesichert sei.
Falls die bayerische Regierung den norddeutschen Staat unterstütze und Preußen siege, dann sei es gezwungen, die bayerische Integrität zu achten. Bei einer Niederlage stünde höchstens die Pfalz zur Debatte, da Frankreich die Selbständigkeit der deutschen Einzelstaaten achten müsse. Aber bei einer Neutralität würde im Falle eines preußischen Sieges, Bayern das selbe Schicksal wie Hannover ereilen.27 Trotz dieser Erklärung erstaunt es, wie vehement sich Bray entgegen seinen bisherigen Überzeugungen vor der Abgeordnetenkammer am 19. Juli für die Bewilligung der Kriegskredite und gegen die Neutralität aussprach. Als Paradebeispiel hierfür dienen seine Abschlussworte: „Ich habe mit Gottes Gnade nicht bis heute getreu gelebt, um jetzt am Abend meines Lebens meiner Ueberzeugung untreu zu werden.“28
2.2 Die Rolle von Ludwig II.
Eine nicht zu vernachlässigende Rolle, beim bayerischen Kriegseintritt spielte selbstverständlich Ludwig II., der seit 1864 die Geschicke des konstitutionellen Staates lenkte. In der oktroyierten Verfassung vom 26. Mai 1818 bestimmte der König alleine über die Exekutive, Legislative und teilweise über die Judikative. So konnte er zum Beispiel die Ständeversammlung verlängern, vertagen oder auflösen und die Führung des Heeres, die Bestellung und Entlassung der Minister blieb ihm ebenso wie das alleinige Gesetzesinitiativrecht vorbehalten.29 Aus diesen umfangreichen Kompetenzen lässt sich schließen, dass ohne die Mobilmachungsorder des Monarchen vom 16. Juli 1870 Bayern wahrscheinlich nicht mit in den Krieg gezogen wäre.30 Eine Anweisung, die auf Grunde der immer wiederkehrenden Besorgnis Ludwigs um die Selbstständigkeit Bayerns und seiner eigenen Krone zunächst verwirrend erscheint. Zudem war Bayern in der Zeit zwischen den Kriegen von 1866 und 1870/71 das einzige Mal in der Geschichte de jure voll souverän.31
Ludwig II. war König zu einer Zeit, in der sich das politische Schicksal Bayerns entschied. Ein junger Mann, der mehr Interesse für kulturelle Angelegenheiten, wie Opern, Theater oder Schlösser als für die Politik zeigte, sollte also ausgerechnet in dieser Phase die Geschicke des Staates lenken.32 Auch sein Cousin Leopold bezeichnete den Märchenkönig als politisch desinteressiert, aber gleichzeitig auch sehr selbstbewusst.33 Daher ließ sich Ludwig II. auch keiner Partei seiner Zeit zuordnen.34 Diese Gleichgültigkeit war Wegbereiter für die preußenfreundlichen Regierungen in Bayern und überließ seinen Ministerpräsidenten viel Handlungsspielraum, da das Staatsoberhaupt selten intervenierte.
Zusätzlich wurde der junge Herrscher ausgerechnet durch den preußischen Ministerpräsidenten und Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes Bismarck beeinflusst, in dem er eine Vaterfigur sah. Der komplizierte Monarch, der dem ostelbischen Junker, lediglich im Jahre 1863 begegnete, erblickte in ihm „den starken Hort der Rechte der Bundesfürsten“.35 Dies spielte sicherlich im Hinterkopf des Königs mit als er den casus foederis verkündete.
In Anbetracht des launigen und wankelmütigen Charakters Ludwigs II. erscheint die Suche nach Gegengewichten gegen Preußen wenige Monate vor Ausbruch des Konfliktes nicht verwunderlich.36 Dahinter dürfte freilich weniger ein Bündnis gegen Preußen als mehr ein Verhindern eines Krieges im Allgemeinen im Vordergrund stehen. Immer wieder fragte der verzweifelte König, ob es denn kein Mittel gäbe den Krieg zu verhindern?37 Diese tiefe Abneigung ist wohl im Jahre 1866 zu suchen, wo er das Gemetzel des deutschen Bruderkrieges hautnah erlebte. Trotzdem rang sich Ludwig II. spät in der Nacht des 15. Juli 1870 zur Aussage durch: „Ja, der Bündnisfall ist gegeben.“ Dazu gab er am frühen Morgen des 16. Juli den Befehl an Eisenhart: „Entwerfen Sie die Mobilmachungsordre.“38
Überraschenderweise traf Ludwig II. diese Entscheidung mit einer inneren Zufriedenheit. Die Motive hierfür dürften in der Person des Königs zu suchen sein. Für ihn bleib ein Wort ein Wort, ganz nach der Legende über Ludwig den Bayer und seinem Kriegsgefangenen Friedrich dem Schönen von Österreich, die es dem kindlichen König besonders angetan hatte. Außerdem hegte er wahrscheinlich die Hoffnung, im Zuge einer sich anbahnenden deutschen Einigung, selbst zum deutschen Kaiser ernannt zu werden.39 Daher erfolgte der Entschluss auch nicht aus Sympathie für Preußen, sondern eher aus der Sorge um die Erhaltung seiner königlichen Souveränität heraus sowie schlicht aus politischem Kalkül, da eine Neutralität Bayerns mit einer Isolierung gleichgesetzt werden konnte.40
Im Antwortschreiben Ludwigs an Wilhelm I. auf die preußische Kriegserklärung an Frankreich dürften den geltungsbedürftigen Fürsten vor allem die letzten Worte tangiert haben: „Möge er zum Wohle Deutschlands und zum Heile Bayerns werden.“41
2.3 Der Kriegsminister beseitigt das letzte Hindernis
Während Ludwig II. vor allem persönliche Neigungen bewegten seine Zustimmung zum Kriegseintritt zu geben, umtrieb den bayerischen Kriegsminister von Pranckh insbesondere das Wohle „seines“ Bayerns. Nicht anders ist sein Verhalten im Kampf um die Bewilligung der Militärkredite und gegen die Neutralität zu bewerten, die das letzte Hindernis auf dem Weg zum endgültigen Kriegseintritt darstellten. Der Konflikt um den Militärhaushalt hatte seinen Ausgangspunkt kurz vor dem sich anbahnenden Krieg gegen Frankreich, was sich noch als ausschlaggebender Punkt für die Bereitstellung herausstellen sollte. Überdies widerstrebte Pranckh mit diesem Entschluss zumindest öffentlich seinem Ruf eines „bewährten Partikularisten“.42
Bereits am 14. Juli 1870 bezog Pranckh in der Frage um den Bündnisfall klare Position. Auf eine Anfrage Bismarcks, wie sich Bayern im Falle eines preußisch-französischen Konfliktes verhalten würde, antwortete der selbstbewusste Kriegsminister ohne Ludwig II. oder Bray zu konsultieren. Er erklärte sich bereit, dem Mobilmachungsplan aus Berlin zu folgen.43 Dieses eigenmächtige Vorgehen lässt sich vor allem damit erklären, dass sich Pranckh stets der rückhaltlosen Unterstützung des jungen Königs bewusst sein konnte und zudem von ihm als einer der geeignetesten Vertreter der bayerischen Selbstständigkeit gesehen wurde. Nach einer Lagebesprechung mit dem König und Bray am Nachmittag des 16. Juli über die weitere Vorgehensweise, teilte Pranckh der Kammer der Abgeordneten am 18. Juli offiziell den Mobilmachungsbefehl mit und beantragte die Bereitstellung von 26 700 000 Gulden.44 Eine Summe, die knapp unter den Entschädigungszahlungen lag, die Bayern 1866 bezahlte.45
In seiner eindrucksvollen Rede vor der bis dato skeptischen Abgeordnetenkammer sprach er über die klare Position der Regierung für den Krieg und gegen die Neutralität, die durch die Anerkennung des casus foederis durch den König nur noch mehr bestätigt würde. Darüber hinaus setzte er sich „als Militair“ für eine einheitliche Führung der Armee ein, also für eine Unterstellung der bayerischen Armee unter preußischen Oberbefehl. Durchschlagende Wirkung hatten die Schlussworte des Mannes, der sich „als Partikularist vom reinsten Wasser“ bezeichnete: „Es hat ein echter Bayer, aber auch ein Deutscher zu Ihnen gesprochen.“46 Dieser leidenschaftliche und mitreißende Aufruf beseitigte die letzten Bedenken der Abgeordneten.
Als Folge wurden die Militärkredite in der Nacht vom 19. auf den 20. Juli 1870 in der zweiten Kammer mit 89 gegen 58 Stimmen bewilligt und damit gegen die Neutralität votiert. Die Kammer der Reichsräte genehmigte den beantragten Militäretat sogar ohne Gegenstimme. Der Beschluss wurde am 23. Juli 1870 schließlich rechtskräftig.47 Neben dem Engagement des Kriegsministers ist nicht zu verleugnen, dass ihm die veränderte außenpolitische Lage sowie der Einsatz des Führers der konservativen Politiker, Johann Sepp, in die Karten spielte. Denn noch am 14. Juli 1870 sprachen sich in einer Abstimmung im Ministerrat außer Pranckh und dem Handelsminister Schlör alle Minister für eine Neutralität Bayerns aus.48 Auch hätte Pranckhs Beharren wohl nicht geholfen, wäre am 19. Juli 1870 nicht die französische Kriegserklärung erfolgt. Sepp, der für die Neutralität sprechen wollte, brachte dies nachhaltig zum Ausdruck: „Zwischen gestern und heute liegen zehn Jahre.“49 Da Sepp durch seinen Gesinnungswandel noch Parteigenossen zum Umdenken brachte, stand einer Verwerfung des Neutralitätsantrages und der Bewilligung der Kriegskredite nichts mehr im Wege.
Pranckh hatte sein Ziel, die Erhaltung einer eigenständigen politischen Rolle Bayerns erreicht und war sich sicher, dass ein Sieg gegen Frankreich eine engere Verbindung mit dem Norden sowie einen Süden unter bayerischer Führung einbringen würde.50
3. Schlussbetrachtung
Die Arbeit legt dar, dass die Vorarbeit für den bayerischen Kriegseintritt am 19. Juli 1870 hauptsächlich in den außen- und innenpolitischen Umständen unter den beiden Ministerpräsidenten zu suchen ist sowie in der Entscheidungsgewalt des Souveräns. Bray als bayerischer Delegierter in Versailles und Ludwig II. mit dem „Kaiserbrief“ sollten auch kurze Zeit später die Zustimmung Bayerns zum Norddeutschen Bund bestimmen, die nur noch für wenig Widerhall im süddeutschen Staat sorgte.51
Anders war dies noch im Juli 1870 gewesen. Insbesondere die untere Klasse, Arbeiter, Bauern und die Landbevölkerung, war vom Krieg nicht begeistert.52 Trotzdem zeigt sich wie auch unter den bayerischen Regierungsmitgliedern ein übermäßig positiv gestimmtes Bild, vor allem nach der Bekanntgabe der französischen Kriegserklärung an Preußen am 19. Juli 1870. Das sich fortan ein Großteil der Bevölkerung mehr deutsch als bayerisch fühlt, offenbart eine Resolution einer Münchner Volksversammlung vom 18. Juli, die verkündet: „Durch das übermütige Vorgehen Frankreichs ist der Krieg notwendig zum Schutz des deutschen Landes; alle Parteirücksichten müssen deshalb schwinden. Einigkeit und Freiheit wird der Siegespreis sein...“53
Dass die bayerische Regierung ein ähnliches Pflichtbewusstsein hatte, weist der Charakter der Erklärung des Kriegsministers Pranckh vom 19. Juli bei der Beratung über die Bewilligung der Militärkredite sehr deutlich auf. Womit der bekennende Partikularist neben den oben genannten Akteuren einen nicht zu vernachlässigenden Anteil am Beitritt Bayerns in den deutsch-französischen Krieg hat.
Somit kann festgehalten werden, dass die französische Kriegserklärung, das damit verbundene Eintreten der Schutz- und Trutzbündnisse einhergehend mit dem herrschenden Vertragsbewusstsein der bayerischen Regierung die letztlich ausschlaggebenden Punkte waren. Eine passende Beurteilung hierzu lieferte der preußische General Albrecht von Stosch bereits am 25. Mai 1870: „Man muss sich immer wieder sagen, freiwillig kämen Nord- und Süddeutschland nicht zusammen; dazu gehört eine Krise innerer oder äußerer Art.“54
4. Quellen- und Literaturverzeichnis
4.1 Quellen
Bundesarchiv (Bild: Bombardement von Paris im Januar 1871).
Hahn, Ludwig: Der Krieg Deutschlands gegen Frankreich und die Gründung des deutschen Kaiserreichs. Die deutsche Politik 1867- 1871. In Actenstücken, amtlichen und halbamtlichen Äußerungen. Berlin 1871.
http://www.verfassungen.de/de/by/bayern18-index.htm (Zugriff am 09. Januar 2010 um 19:14 Uhr).
4.2 Literatur
Albrecht, Dieter: König Ludwig II. von Bayern und Bismarck. In: Historische Zeitschrift 270 (2000), S. 39-64.
Barton, Irmgard gen. von Stedman von: Die preußische Gesandtschaft in München als Instrument der Reichspolitik in Bayern von den Anfängen der Reichsgründung bis zu Bismarcks Entlassung. In: Miscellanea Bavarica Monacensia. Dissertationen zur Bayerischen Landes- und Münchner Stadtgeschichte. Hrsg. v. Bosl, Karl / Schattenhofer, Michael. München 1967 (Neue Schriftenreihe des Stadtarchivs München Bd. 2).
Gruner, Wolf D.: Bismarck, die Süddeutschen Staaten, das Ende des Deutschen Bundes und die Gründung des preußisch-kleindeutschen Reiches 1862-1871. In: Otto von Bismarck. Person - Politik - Mythos. Hrsg. v. Dülffer, Jost [u.a.]. Berlin 1993, S. 45-81.
Hacker, Rupert: König Ludwig II., der Kaiserbrief und die "Bismarck'schen Gelder". In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 65 (2002), S. 911-990.
Hahn, Werner: 1870 und 1871. Der Krieg Deutschlands gegen Frankreich. Ein Buch für das deutsche Volk. Bielefeld [u.a.] 1871.
Klein, Michael B.: Zwischen Reich und Region. Identitätsstrukturen im Deutschen Kaiserreich (1871 - 1918). In: Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 105. Hrsg. v. Schneider, Jürgen [u.a.]. Stuttgart 2005.
Körner, Hans-Michael (Hrsg.): Aus den Lebenserinnerungen: 1846 - 1930. Leopold Prinz von Bayern. Regensburg 1983.
Rall, Hans: König Ludwig II. und Bismarcks Ringen um Bayern 1870/71. Unter Auswertung unbekannter englischer, preußischer und bayerischer Quellen dargestellt. München 1973 (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte Bd. 67).
Richter, Werner: Ludwig II. König von Bayern. München 61963.
Rost, Sieghard: Nationalstaaten und Weltmächte. Frankfurt am Main [u.a.] 41968 (Bilder aus der Weltgeschichte Bd. 12).
[...]
1 Hahn, Werner, S. 563.
2 Vgl. Sieghard, S. 72; Hahn, Werner, S. 562.
3 Vgl. Albrecht, S. 43; Richter, S. 191: Brief Ludwig II. an Hohenlohe; Hacker, S. 947f.: Brief Ludwig II. an seinen Bruder.
4 Vgl. Hacker, S. 928; Sieghard, S. 71. Die Delegation, die seit dem 20.10.1870 verhandelte, bestand aus den Regierungsmitgliedern Otto Graf Bray-Steinburg (Vorsitz im Ministerrat = Ministerpräsident und Außenminister), Sigmund Freiherr von Pranckh (Kriegsminister) und Johann Freiherr von Lutz (Justiz- und Kultusminister).
5 Freistaat = synonyme Bezeichnung für Republik.
6 Vgl. Richter, S. 226.
7 „innersüddeutsch“ = süddeutsche Staaten (Südhessen und v.a. Bayern, Baden und Württemberg) umfassend, vgl. Gruner, S. 47.
8 Hohenlohe-Schillingsfürst (31.12.1866 - 18.02.1870) und Bray-Steinburg (30.03.1870 - 04.06.1871).
9 Vgl. Gruner, S. 47.
10 Vgl. Richter, S. 226 f.
11 Vgl. Sieghard, S. 65. Richard Wagner (1813 - 1883) war deutscher Komponist und zeitlebens engster Vertrauter Ludwigs II.,
12 vgl. hierfür Richter, S. 154.
13 casus foederis = Bündnisfall.
14 Von der Pfordten trat am 29.12.1866 zurück, da er sich nicht in der Lage fühlte sich an die Zeichen der Zeit, also eine preußenfreundlichere Politik, anzupassen.
15 Vgl. Richter, S. 152. Bismarck stellte taktisch zu Beginn weitaus höhere Forderungen, was dafür sorgte, dass die bayerischen Delegierten, unter denen sich auch Bray befand, optimistisch aus Berlin zurückkehrten.
16 Vgl. Gruner, S. 65; Richter, S. 190.
17 Vgl. Richter, S. 167.
18 Vgl. Barton, S. 83; Gruner, S. 62; Richter, S. 197. Zum Südbund, vgl. Gruner, S. 48: Artikel IV des Prager Friedens von 1866 bestimmte, dass die süddeutschen Staaten „in einem Verein zusammentreten, dessen nationale Verbindung mit dem Norddeutschen Bunde der näheren Verständigung zwischen beiden vorbehalten bleibt und der eine internationale unabhängige Existenz haben wird.“
19 Vgl. Gruner, S. 79.
20 Vgl. Barton, S. 85.
21 Vgl. Barton, S. 17f.
22 Vgl. Rall, S. 15.
23 Vgl. Hahn, Ludwig, S. 253ff.
24 Vgl. Hahn, Ludwig, S. 259ff.
25 Vgl. Gruner, S. 72; Rall, S. 126f.; Richter, S. 222.
26 Vgl. Rall, S. 129.
27 Vgl. Richter, S. 222f. Hannover wurde nach dem Krieg 1866 am 18.08.1866 in den Norddeutschen Bund eingegliedert und das Vermögen aus dem Welfenfonds von Preußen beschlagnahmt. Eine Schreckensvorstellung für Bayern.
28 Vgl. Hahn, Ludwig, S. 372.
29 Die Ständeversammlung bestand aus zwei Kammern: Die erste Kammer bildeten die Reichsräte und die zweite die Abgeordneten. Vgl. http://www.verfassungen.de/de/by/bayern18-index.htm (Letzter Zugriff am 09. Januar 2010).
30 Vgl. Richter, S. 226.
31 Vgl. Gruner, S. 48.
32 Ludwig II. war zum Zeitpunkt seiner Krönung gerade einmal 18 Jahre.
33 Vgl. Körner, S. 12, 110.
34 Vgl. Richter, S. 213. Weder der liberalen Fortschrittspartei noch der konservativen Patriotenpartei stand Ludwig II. nahe. Er selbst sagte, er kenne nur eine Partei, „jene der wahrhaft edlen Menschen, die durch reine Gesinnungen, nützliche Tätigkeit und Wissen dem Gemeinwohl dienen... Diese alle und nur diese sind von meiner Partei.“
35 Vgl. Albrecht, S. 42f.
36 Vgl. Rall, S. 113.
37 Vgl. Richter, S. 225.
38 August Ritter von Eisenhart (1826 - 1905) war zu diesem Zeitpunkt bayerischer Kabinettsekretär.
39 Vgl. Richter, S. 226f. „Ein Wort ist ein Wort“ bezieht sich auf die Gültigkeit der Schutz- und Trutzverträge mit Preußen.
40 Vgl. Barton, S. 28f.
41 Vgl. Hahn, Ludwig, S. 370.
42 Vgl. Klein, S. 35. Partikularismus = Nicht Distanz zum nationalen Gedanken, Ultramontanismus oder überzogene liberal-parlamentarische Partizipationsbestrebungen waren die Hauptvorwürfe, sondern die Ablehnung einer weitergehenden, an Preußen orientierten Zentralisierung des Reiches.
43 Vgl. Rall, S. 125.
44 Vgl. Rall, S. 129ff.
45 1866 musste Bayern 30 Millionen Gulden und damit mit Abstand am meisten an Preußen zahlen.
46 Vgl. Hahn, Ludwig, S. 372f.
47 Vgl. Rall, S. 133.
48 Vgl. Gruner, S. 72.
49 Vgl. Richter, S. 231.
50 Vgl. Gruner, S. 74.
51 Vgl. Albrecht, S. 54; Barton, S. 27f.; Klein, S. 297. Kaiserbrief = von Bismarck vorgefertigtes Schreiben, dass Bray bzw. Ludwig II. nur leicht abänderte. Ludwig II. als zweitranghöchster deutscher Fürst schlug damit im Namen der restlichen Souveräne Wilhelm I. als Kaiser vor. Er unterzeichnete am 30.11.1870 das Schreiben, das Wilhelm am 03. Dezember erreichte.
52 Vgl. Richter, S. 223ff.
53 Vgl. Sieghard, S. 65.
54 Vgl. Richter, S. 219.
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.