Die „Friedensmauern“, die im Jahre 1969 errichten wurden, sind bis heute fest im Stadtbild Belfasts verankert. Zwar sind einige von ihnen mittlerweile künstlerisch verziert, jedoch stellen sie nach einer Umfrage aus dem Jahr 2012 in den Augen von 69 Prozent der Bewohner immer noch einen aktiven Schutz vor Gewalt dar. Die „Friedensmauern“ spiegeln zugleich einen Konflikt wider, der zu einer der langandauerndsten Auseinandersetzungen auf dem europäischen Kontinent zählt: der Nordirland-Konflikt.
Bis heute lassen sich verschiedene Konfliktlinien in der Gesellschaft der irischen Insel erkennen: Protestanten gegen Katholiken, Unionisten/Loyalisten gegen Nationalisten/Republikaner oder schlicht Nordiren gegen Iren. Bestehender Differenzen zum Trotz ist die Anzahl der Gewalttaten und Morde im Vergleich zum Niveau der 1960er bis 1990er Jahre drastisch zurückgegangen.
Eine entscheidende Rolle spielte hierbei das historische Belfast Agreement vom 10. April 1998. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde ein völkerrechtlich bindender Vertrag zwischen der Republik Irland und Großbritannien geschlossen. Trotz der Prognose von geringen Erfolgsaussichten und vielen Widerständen ist es den damaligen handelnden politischen Akteuren gelungen, einen Friedensvertrag abzuschließen. Von besonderem Interesse ist dabei, ob das Abkommen doch nicht so unwahrscheinlich war wie allgemein angenommen wurde. Daher soll folgender Frage nachgegangen werden: Unter welchen Bedingungen ist der Abschluss eines Friedensabkommens zwischen (ehemaligen) Konfliktparteien wahrscheinlich?
Eine hohe Zahl an Arbeiten zu den Friedensverhandlungen stellen dabei Top-Down- und Bottom-Up-Ansätze dar (vgl. Hancock 2008). Für die Arbeit werden beide Perspektiven wegen ihrer Berücksichtigung von Eliten und Führungspersönlichkeiten (Top-Down) sowie von zivilgesellschaftlichen Initiativen (Bottom-Up) relevant sein. Auch psychologische Betrachtungen bieten Anknüpfungspunkte (vgl. Hancock 2008).
Das innovative Element der vorliegenden Arbeit besteht in der Kombination von strategisch-rationalen und individual-psychologischen Prozessen, die ergänzend zu der zahlreich vorliegenden Literatur eine neue Perspektive erschließen soll. Der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit sind die Verhandlungen zum Belfast Agreement im Untersuchungszeitraum vom 15.11.1985 bis zum 10.04.1994, an der die britische und irische Regierung sowie zehn nordirische Parteien beteiligt waren.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- 1. Einleitung
- 2. Konzeptionelle Überlegungen
- 2.1 Theoretische Gedanken und Grundannahmen von Carsten Giersch
- 2.2 Vorstellung der Risikofaktoren und des Modells von Giersch
- 2.3 Methodische Vorgehensweise
- 3. Empirische Analyse
- 3.1 Historische Einordnung des Belfast Agreements
- 3.2 Modellanwendung am Fallbeispiel
- 3.2.1 Identifizierung strategisch-rationaler Risikofaktoren
- 3.2.2 Identifizierung sozial-psychologischer Risikofaktoren
- 3.2.3 Identifizierung kognitiv-psychologischer Risikofaktoren
- 4. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Diese Arbeit untersucht die Bedingungen für ein erfolgreiches Friedensabkommen am Beispiel des Belfast Agreements. Sie zielt darauf ab, die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses eines Friedensabkommens zwischen ehemaligen Konfliktparteien zu erforschen und die Bedeutung von rational-strategischen, sozial-psychologischen und kognitiv-psychologischen Risikofaktoren zu beleuchten.
- Analyse der Risikofaktoren für das Gelingen von Friedensverhandlungen
- Anwendung des risikotheoretischen Modells von Carsten Giersch auf das Belfast Agreement
- Kombination von Top-Down- und Bottom-Up-Ansätzen zur Erforschung des Nordirland-Konflikts
- Bewertung der Bedeutung von Eliten und zivilgesellschaftlichen Initiativen für den Friedensprozess
- Untersuchung der Rolle von individuellen und kollektiven psychologischen Faktoren im Kontext von Friedensverhandlungen
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Die Einleitung stellt den Nordirland-Konflikt und das Belfast Agreement als Gegenstand der Untersuchung vor. Sie führt in die Forschungsfrage ein und erläutert den Ansatz der Arbeit, der sowohl Top-Down- als auch Bottom-Up-Perspektiven integriert.
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit den konzeptionellen Überlegungen der Arbeit. Es werden die theoretischen Gedanken und Grundannahmen von Carsten Gierschs Modell zur Analyse von Friedensverhandlungen vorgestellt. Das Modell beinhaltet verschiedene Risikofaktoren, die auf rational-strategischen, sozial-psychologischen und kognitiv-psychologischen Ebenen angesiedelt sind. Außerdem wird die methodische Vorgehensweise der Arbeit, die auf einem strukturierten, fokussierten Vergleich und der Kongruenzmethode basiert, detailliert erläutert.
Das dritte Kapitel präsentiert die empirische Analyse des Belfast Agreements. Es beginnt mit einer historischen Einordnung des Konflikts und der Entstehung des Abkommens. Anschließend wird das Modell von Giersch auf das Fallbeispiel angewendet und das (Nicht-)Vorliegen der jeweiligen Risikofaktoren anhand der Verhandlungsdynamik und der beteiligten Akteure untersucht.
Schlüsselwörter (Keywords)
Diese Arbeit fokussiert auf die zentralen Themen des Friedensabkommens, insbesondere das Belfast Agreement, die Risikofaktoren in Friedensverhandlungen, strategisch-rationale, sozial-psychologische und kognitiv-psychologische Faktoren, Top-Down- und Bottom-Up-Ansätze, Elite- und Gesellschaftsperspektiven, Nordirland-Konflikt, Konfliktlösung, Friedensforschung.
- Arbeit zitieren
- M.A. Christian Wölfelschneider (Autor:in), 2014, Bedingungen für ein erfolgreiches Friedensabkommen. Das Fallbeispiel Belfast Agreement, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/308580