Hebräische Elemente in der Sprache des Journalismus. Das durchsetzte Deutsch


Bachelorarbeit, 2014

45 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung. These

2 Grundsätzliches zum deutschen Sprachraum

3 Warum diese These: Jüdische Sprachelemente in Printmedien?

4 Die Entstehung eines österreichischen Jiddischismus
4.1 Journalisten in „Die Presse“ über Chuzpe
4.1.1 Verwendung jiddischer Worte im Deutschen

5 Hebräische Elemente und ihre Wege in die deutsche Sprache
5.1 Hebräisch ist eine semitische Sprache
5.1.1 „Hebräisch ist die einzige Sprache, die Eltern von ihren Kinder lernen

6 Empirische Studie mit Korpusanalysen
6.1 Korpusfrequenzen absolut
6.1.1 Vergleich deutschsprachiger Länder
6.2 Auswahl der jiddischen Begriffe und ihre Bedeutung
6.2.1 Aktuelle Beispiele aus allen deutschsprachigen Tageszeitungen
6.3 Analyse der Diagramme (5)
6.4 Sprachanalyse

7 Biblische und liturgische Begriffe
7.1 Personennamen

8 Conclusio

9 Aharon Appelfeld

10 Antisemitismus in Europa: Wie dramatisch ist das Problem?

11 Prognose
Glossar Wörter aus dem Jiddischen
Wörter aus dem Hebräischen

Schma Israel“ sagte mein Vater. „Wiederholt nach mir: Schma Israel, Adonaj Elohenju, Adonaj Echad...“ (Höre Israel, der Ewige ist unser Gott, der Ewige ist Einzig...)

Frederic Morton: „Fritz ich habe zwei Minuten“: Vor 75 Jahren: Novemberpogrom 1938 in Wien. (Von Susanne Costa aus dem Amerikanischen übertragen.)

In: Die Presse, SPECTRUM, Zeichen der Zeit. P III. Wien. Samstag, 9. November 2013.

(Robert Schindel ‚immernie’[1] gewidmet)

1 Einleitung. These.

Die folgende Untersuchung, die sich in 11 Kapitel gliedert, widmet sich der Frage, ob und inwiefern hebräische/jiddische Sprachelemente heute in der Sprache des Journalismus Einlass und Verwendung finden. Grundlegende Zusammenhänge erlese ich aus der angeführten Sekundärliteratur, wörtliche Zitate werden angeführt.

Anhand einer Vielzahl an Forschungsliteratur gilt es zuerst darzulegen, wie Hebräische Elemente Eingang in die deutsche Sprache fanden. Dazu kann die historische Entwicklung im Rahmen dieser Arbeit nur kurz ausgeführt werden. Anhand einer Korpusanalyse werde ich recherchieren und an einer Liste ausgewählter Lemmata in Diagrammen feststellen, wie diese relativ und absolut ihren Platz in von mir ausgewählten Tageszeitungen verankern.

Grundsätzliches zum Deutschen Sprachraum soll in das Thema einführen dessen meine Arbeit zugrunde liegt. Dieser Überblick mit anschließender Erläuterung meiner These soll auch an das Thema heranführen.

Die Entstehung des Jiddischismus in Österreich soll den sprachlichen Hintergrund in diesem Land beleuchten. Folgend wird die Verwendung im Deutschen aufgezeigt sowie auch die Verwendung hebräischer Elemente in 3 Kapiteln ausführlich behandelt, wo auf die semitische Sprache sowohl als auch auf die Haskala eingegangen wird.

In einem Beitrag von „Die Presse“ wird aktuell zum Wort „Chuzpe“ Stellung genommen welches derzeit avanciert, des weiteren gibt auch ein Leser aus Israel Feed back. Im gleichen Medium wird zum Abschluss zu dem Thema Antisemitismus ein Bogen geführt werden.

In der Sprachanalyse gehe ich auf die Elemente der Quellsprachen ein, den Komponenten, nachdem ich anhand der empirischen Studie mit Korpusanalyse und Analyse der Diagramme in einem Kapitel die Auswahl jüdischer Begriffe ihren Bedeutungen zugeführt habe. In einem weiteren Kapitel werden diese durch aktuelle Kontextbeispiele in Tageszeitungen erhärtet. Biblische und liturgische Begriffe sowie Personennamen sollen die Forschungsarbeit komplettieren. Ich ziehe Resümee und gehe in einer Conclusio auf Lee Whorf und Merleau – Ponty ein, die ich zu Wort kommen lasse. Dem jüdischen Schriftsteller Aharon Appelfeld wird ein eigener Platz eingeräumt, bevor ein Glossar zum Abschluss Wörter jiddischer und hebräischer Herkunft führt, dessen Auswahl meine Arbeit vervollständigen soll.

Prinzipielles zum Journalismus:

Laut „Die Presse“ vom Samstag, 11. Jänner 2014 S 23 schenken 28 Prozent der Österreicher Journalisten Vertrauen (78 Exekutive, 70 Richter, 5 Politiker). Ansehen genießen Journalisten nicht. Laut Michael Fleischhacker, Die Presse, Spectrum, Samstag, 15. Februar 2014, S I-II, „Das kleine Ich und die Welt“: „Die am weitesten verbreitete Optimismus - Formel geht ungefähr so: Scheißegal, ob es die Tageszeitung in Zukunft als gedrucktes Produkt noch geben wird oder nicht; wichtig ist, dass es das „Prinzip Zeitung“ noch gibt, und das „Prinzip Zeitung“ ist gleichzusetzen mit „professionellem Journalismus“, und der „professionelle Journalismus“ wird ewig leben. Weil ihn die Gesellschaft braucht, auch wenn sie das vielleicht noch gar nicht weiß.“ Und weiter: “Ja, das „Prinzip Journalismus“ das ewige Leben hat. Walther Heides hat dieses Prinzip bereits 1931 beschrieben: „In stets wechselnden Ausdrucksformen, je nach Bedürfnis und Bildung, je nach den technischen Möglichkeiten, ob nun aus dem Mund des fahrenden Sängers, der Feder des Novellanten oder der Druckerpresse hervorgehend, immer schon suchte sich der Mensch ein Instrument zu gestalten, das sein kleines Ich in geistigen Zusammenhang bringt mit der eigenen Gegenwart und der ihn umgebenden Welt.“

2 Grundsätzliches zum deutschen Sprachraum

Der deutsche Sprachraum gliedert sich in mehrere Staaten. Deutschsprachige Länder mit deutscher Amtssprache: in Schulen gelehrt öffentlich und politisch verwendet, sind Deutschland, Österreich, Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg. Neben diesen Ländern wird Deutsch als amtliche Minderheitensprache in Ostbelgien, Südtirol/ Italien geführt. Deutsch wird im Elsass und Lothringen/ Frankreich, sowie in Teilen Ungarns und Rumäniens gesprochen. Man bezeichnet die deutsche Sprache als plurizentrische Sprache. Dabei wird unterschieden zwischen nationalem Vollzentrum und nationalem Halbzentrum des Deutschen. Im Vollzentrum sind die standardsprachlichen Merkmale in Nachschlagewerken zu finden. Dies gilt für Deutschland, Österreich und deutsche Schweiz. Halbzentren sind daher Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien, Südtirol. Plurizentrische Sprachen sind auch Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch.

Die Völkerwanderung brachte Anfang des 6. Jahrhunderts die Deutsche Sprache ins heutige Österreich; um das Jahr 1000 entsteht Österreich als selbständig östliche Mark. Angrenzend zum bairischen Sprachraum – mit Ausnahme von Vorarlberg, das zum alemannischen Sprachraum zählt. Dies ist ein Grund für Gemeinsamkeiten des Vorarlbergerischen mit Schweizerischen und Schwäbischen. Für das österreichische Deutsch spielte die Habsburger Monarchie von 1278 – 1918 eine prägende Rolle. Worte von Tschechen, Slowaken, Ungarn, Slowenen, Serben, Kroaten, Italienern aber auch Franzosen zeugen heute davon als fester Bestand der Sprache.

Für die Entwicklung des österreichischen Deutsch gab es einen Bruch durch das Ende der Monarchie nach dem Ersten Weltkrieg. Nach dem Anschluss, d.h. während des Zweiten Weltkrieges war dieses Land dem nationalsozialistischen Reich auch sprachlich eingegliedert. Heute wird das österreichische Deutsch als Folge der Globalisierung von dem deutschländischen Deutsch, der englischen Sprache und ihrer amerikanischen Varietät beeinflusst.[2]

Liechtenstein: Schrift- und Mediensprache ist üblicherweise Schweizer Hochdeutsch. Liechtenstein ist der einzige Staat mit Deutsch als alleiniger (anerkannter) Amts- und Landessprache (in den übrigen Staaten des deutschen Sprachraumes sind auch romanische, andere germanische oder slawische Sprachen oder Ungarisch als Amts- oder Minderheitensprachen anerkannt).[3]

DP (Displaced Persons) – Lager wurden in Mitteleuropa zu ostjiddischen Sprachinseln. „Die Situation blieb für diejenigen Juden, die im Krieg Verfolgungen und Todeslager überlebt hatten, katastrophal. Jiddisch schèjrez-hapléjte <die wenigen Überlebenden> nannten sich die jüdischen displaced persons. 1947 lebten ca. 250 000 jüdische DPs in den Besatzungszonen der Westalliierten in Deutschland und Österreich, wo sie zusammen mit befreiten KZ- Häftlingen und Flüchtlingen aus anderen ethnischen Gruppen untergebracht wurden.“[4]

„Dem bereits 1935 in die USA ausgewanderten Schriftsteller Isaak Bashevis Singer (Jízchok Baschéwiß Sínger, 1902-1991), der durch Übersetzungen auch außerhalb der jiddischsprachigen Welt bekannt geworden war, wurde 1978 der Nobelpreis für Literatur verliehen .[5]

3 Warum diese These: Jüdische Sprachelemente in Printmedien?

Zur Headline „Die Presse“ Kommentar von Norbert Rief, Freitag, 11. Oktober 2013: „Wir sind schon wieder Nobelpreis! Wir können stolz auf uns sein: Nach dem Chemiker Martin Karplus hat schon wieder eine Österreicherin einen Nobelpreis gewonnen, diesmal für Literatur. Alice Munro hat nämlich angeblich einmal bei uns Urlaub gemacht. „In Österreich urlaubende Autorin erhält Nobelpreis“ ging sich aber leider im Titel nicht aus (wir haben allerdings noch nicht das Wiener Gratis - Boulevardblatt gesehen, das zu einem Foto von Karplus gestern die geniale Schlagzeile hatte: „Hier frühstückt unser Nobelpreis).“ Und weiter: „Wir Österreicher sind ja groß darin, Menschen für uns zu vereinnahmen. Den Oscar haben 2010 „wir“ gewonnen, auch wenn Christoph Waltz damals nicht einmal die österreichische Staatsbürgerschaft hatte. Und es ist zweifellos das (ich würde sagen der) größte Verdienst heimischer Tourismusverantwortlicher, dass die ganze Welt Beethoven für einen Österreicher und Hitler für einen Deutschen hält. Ganz ohne Zynismus und ohne Ironie: Vielleicht sollten wir uns wieder einmal erinnern, warum jemand wie Martin Karplus, Eric Kandel (Medizinnobelpreis) oder Walter Kohn (Nobelpreis für Chemie) das Land verlassen hat. Sie alle waren Juden und mussten aus Österreich fliehen, das Teil der gnadenlosesten Menschenvernichtung der Geschichte war. Und Österreich hat wenig getan, um diese Menschen nach 1945 wieder zurück in ihre einstige Heimat zu holen. Vielleicht denken wir daran, wenn wir das nächste Mal über „unseren Nobelpreis“ jubeln. Soweit der Journalist.

Ich will hier also anhand der Jiddischen/Hebräischen Begriffe, die Journalisten bewusst und unbewusst verwenden, aufzeigen:

1. Eine Analyse deutschsprachiger Zeitungen anhand von Diagrammen.
2. Bedeutung, Inhalte und Bezüge anhand dieser Lemmata.

Das Hebräische wird als Übersetzung verwendet.

Ich lese „Soxberger“[6]: im Folgenden bis Ende des folgenden Kapitels fließen daraus Gedanken mit entsprechenden Fußnoten ein.

Hebräisch gehört zu den ältesten Sprachen unserer Welt. Die Geschichte des Hebräischen führt durch die Länder des Vorderorients, wo die Religion der Juden geboren wurde. Das Hebräische ist mit den Juden verbunden: in der Pflicht der Juden, die Sprache zu bewahren, und in der Pflicht der Sprache, die Juden zu schützen und sie weltweit zu verbinden. „Die Juden, die hebräische Sprache und die jüdische Religion bilden eine untrennbare Einheit. Moderne Wissenschaftler haben die Geschichte der hebräischen Sprache historisch nach Epochen eingeteilt, die je eigene Merkmale haben . “ Dieses Zitat auch unter Fußnote 16.

4 Die Entstehung eines österreichischen Jiddischismus

Das jiddische Literaturleben in Wien ist nur ein Ausschnitt einer politischen und kulturellen Entwicklung im jüdischen Leben zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Kultur des osteuropäischen Judentums machte eine dynamische Entwicklung durch, die eng mit der jüdischen Bevölkerung Osteuropas verbunden war. Eine Sprache, die bisher als „jüdisch- deutscher Dialekt“ oder abwertend als „Jargon“ und Ähnliches bezeichnet, in der Tradition der Haskalah[7] nicht nur als Zeichen, sondern als Ursache für kulturelle Rückständigkeit betrachtet, entwickelte sich zu einem Medium moderner Kommunikation. Innerhalb kurzer Zeit entstanden in dieser Sprache moderne Literatur, Pressewesen und populäres Theater.

Man begann um 1900 die Sprache, die auch für die Generation ihrer ersten Klassiker dem Sprachgebrauch folgend noch als „der yidisher zhargon“[8] (der jüdische Jargon) galt, schlichtweg als „di yidishe shprakh“, „die jüdische Sprache“, zu bezeichnen. Dieser Sprachname wurde zu jener Zeit als “Jiddisch“, über das englische „Yiddisch“, ins Deutsche übernommen. Während Hebräisch eine Sprache intellektueller Eliten war, konnte Jiddisch beanspruchen, die Massen des Volkes hinter sich zu haben.

Die jüdische Gemeinde Wiens war Ende des 19. Jh. zu einer der größten Europas geworden.

Di ershte zakh far a yedn dervakhndin folk iz: vern a har iber zayn eyener shprakh.

(Das Erste für jedes erwachende Volk ist: Herr der eigenen Sprache zu werden.) Ber Borochow 1913[9]

Hugo Zuckermann[10] gab mit dem jüdisch-deutschen Studenten Freud eine Monatsschrift auf Deutsch – für die jüdische Jugend in Österreich – mit dem Namen „Unsere Hoffnung“ heraus.[11] Der Schriftsteller Abraham Reisen: „Jiddisch wurde den damaligen westeuropäischen Studenten beinahe so heilig wie Hebräisch... Indem sie die Gesellschaft russischer Studenten suchten, welche zu dieser Zeit allmählich unter sich auch schon Jiddisch redeten, wurde ihnen das Jiddischlernen noch leichter.“[12]

Nathan Birnbaum sprach in seinen Publikationen von Jiddisch als „Jüdisch“ beziehungsweise als der „jüdischen Sprache“. Die Forderungen des Vereins Jüdische Kultur nach Anerkennung der jiddischen Sprache sind vor dem Hintergrund einer seit 1899 geführten Kampagne jüdischnationaler Studenten zu sehen. Die Wiener Universität bildete wie andere Universitäten der österreichischen Reichshälfte der Monarchie einen Brennpunkt in den nationalpolitischen Kämpfen.[13]

Im Jahr 1919 hatte die jiddische Presse in Wien erst eine sehr kurze Geschichte hinter sich.

1931 scheiterte der letzte Versuch zur Gründung einer jiddischen Wochenzeitung in Wien.“

Soweit aus Soxberger.

Wie schwer die historische Sprachentwicklung zuzuordnen ist, ist folgendem Zitat zu entnehmen:

„Spätesten ab 1500 kann man das Jiddische als eine vom Deutschen zu unterscheidende Sprache betrachten. Jiddisch diente als gesprochene Sprache in der traditionellen jüdischen Gesellschaft der Aschkenasim, der „deutschen“ Juden, wie sie sich selbst nannten. Zusätzlich lernte jeder jüdische Knabe seit früher Kindheit Hebräisch, um durch Gebet, Gesang, Kenntnis und Kommentieren der heiligen Schriften seine Religion praktizieren zu können. Hebräisch war außerdem die Sprache der Rechtsprechung und der gelehrten Korrespondenz. Für die Mädchen und Frauen wurden Gebet- und Erbauungsbücher und auch schon einmal Unterhaltungsliteratur auf Jiddisch verfasst . [14]

4.1 Journalisten in „Die Presse“ über Chuzpe

„Die Chuzpe des Antisemito-Meters“, so lautet ein Titel unter Rubrik „Debatte“ von Peter Rabl, am Donnerstag, 1. August 2013, der so beginnt: Replik. Der frühere „Kurier“ – Herausgeber lässt sich von „Presse“ – Querschrei ber Martin Engelberg nicht in ein antisemitisches Eck stellen.

„Die gute Laune nach einem feinen Urlaub vermag der neuerliche Ausschlag des Antisemito- Meters Martin Engelberg in der „Presse“ ja nicht zu verderben. Aber unkommentiert soll seine quergeschriebene Chuzpe denn doch nicht bleiben. Laut Definition leitet sich das vom hebräischen chuzpá für Frechheit, Anmaßung, Dreistigkeit, Unverschämtheit ab. Engelberg liefert das exemplarisch in der Praxis.“

Soweit wörtlich. Weiters wird Engelberg als Kolumnist bezeichnet.

Die Presse. Mittwoch, 5. März 2014. Leserpost von Peter Gungl: „ Was eine Chuzpe ist“ Zur Berichterstattung über die Hype Alpe Adria. „Liebe Redaktion, bin eben zurückgekehrt aus Israel und habe die tristen bis launigen Berichte zum Hypo-Alpe-Adria-Desaster nachgelesen. Die unglaubliche Sache mit den Haftungsboni für das Land Kärnten hat mir in Erinnerung gerufen, was Chuzpe ist: beide Elternteile erschießen und dann Waisenpension beantragen. Der jüdische Witz geht mir nach drei Tagen Österreich schon ab...“

4.1.1 Verwendung jiddischer Worte im Deutschen

Dufte – jiddisch towgut, schön, lieblich – ist wohl eins der bekanntesten Adjektive, das wir immer wieder mit Berlin assoziieren.

...wenn man „ Tacheles “ mit jemandem geredet hat, wenn jemand „ angeschickert “ nach Hause gekommen ist oder ein „ Ganove “ jemand zu Leibe rücken wollte...

„Jeder der Jüdischdeutsch kannte, sprach auch regelrechtes Deutsch. Man behielt sich jüdischdeutsche Wörter, Redewendungen oder Sprichwörter für den Gebrauch im eigenen Milieu oder für gewisse Kontakte mit Nichtjuden vor.“[15]

„Wie wurden und werden jiddischstämmige Worte – die meisten aus der hebräischen Komponente der jiddischen Sprache – im Deutschen verwendet? Deutsche Schriftsteller des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts charakterisierten jüdische Figuren – oft in antisemitischer Absicht – manchmal über ihre sprachlichen Eigenheiten, also durch lexikalische oder grammatische Merkmale des Jiddischen. Die jiddischen Wörter waren demzufolge als solche bekannt. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden jiddische Worte zu antisemitischer Propaganda eingesetzt oder durften nicht benutzt werden, mit dem Erfolg, dass sie den Nachkriegsgenerationen zum Teil unbekannt waren oder dass die vor dem Krieg bekannten Konnotationen kaum noch existierten.“[16]

MeschpokeMalochenSchmusen: Die deutsche Sprache wartet mit ganz vielen Wörtern auf, die aus dem Jiddischen stammen. Entstanden ist das jüdische Deutsch im Mittelalter, um sich vom Hebräischen abzusetzen. Interessant sind auch die Begriffe, die über das Jiddische kommen und dort aus hebräischen und deutschen Teilen zusammengebaut wurden, wie Miesepeter (hebr. mi'us = geringwertig) oder Schlamassel ("schlimm" plus masal = Stern, Glück, d. h. schlimmes Schicksal). Jiddisch ist übrigens die dem Deutschen am engsten verwandte Sprache! Zum Neuen Jahr wünscht man sich einen "Guten Rutsch"! Diese Wunschformel lässt sich nicht mit Sicherheit nachvollziehen. Genau sowenig wie „Hechtsuppe“.

Glossar: „Worte aus dem Jiddischen/Hebräischen“ im Anhang. Anhand dieser Liste erkennt man viele Ausdrücke sofort, wie selbstverständlich und geläufig uns jiddische Worte im Sprachgebrauch sind. Längst schon sind Mezzie, Mischpoche, Hals- und Beinbruch im Wortrepertoire gang und gäbe.

Kluft, Kess, blau machen, Bammel: diese Worte hört man jetzt auch seit 2 – 3 Jahren an der Universität oder in der Straßenbahn Linie1, nachdem die Deutschen hier Vorteile sehen, in Wien zu studieren. Im Gegensatz zu dem Wunsch Hals- und Beinbruch: diesem Ausspruch gibt man als Wunsch in Wien Raum. Erfolg und Segen! wird daraus abgeleitet, wie weiter unten ausgeführt.

Die Durchmischung der Sprachgewohnheiten beginnt mit dem Aufhorchen und zum Verständigen kommt das Übernehmen derselben. Ein gravierender Teil von ‚Zuhause sein’ bedeutet: „wir sprechen eine Sprache“.

Die Phonologie bedeutet auch, die Klangmelodie im Ohr haben. Jede Sprache hat ihren Klangduktus. Das Singende des Französischen steht dem beinahe militanten des Norddeutschen gegenüber. Fremde Spracheinsprengsel nehmen dem Sprachfluss etwas von dieser nationalen Dynamik und changieren gleichzeitig Facetten des möglich Sagbaren oder der sagbaren Möglichkeit!

5 Hebräische Elemente und ihre Wege in die deutsche Sprache

„Hebräisch gehört zu den ältesten Sprachen der Welt.[17] Die Geschichte des Hebräischen führt durch die Länder des Vorderorients, wo die Religion der Juden geboren wurde. Das Hebräische ist mit den Juden verbunden: in der Pflicht der Juden, die Sprache zu bewahren, und in der Pflicht der Sprache, die Juden zu schützen und sie weltweit zu verbinden. Die Juden, die hebräische Sprache und die jüdische Religion bilden eine untrennbare Einheit. Moderne Wissenschaftler haben die Geschichte der hebräischen Sprache historisch nach Epochen eingeteilt, die je eigene Merkmale haben. Es werden unterschieden: die Epoche des Alten Testaments, diejenige der Mischna und des Talmuds und schließlich diejenigen des Mittelalters und der Neuzeit. Die Epoche des AT wird in drei Phasen unterteilt: frühbiblisches, biblisches und spätbiblisches Hebräisch. Die hebräische Sprache wurde nach dem Babylonischen Exil (587 v.Chr.) wenig gesprochen. Nach der Rückkehr nach Jerusalem und vor der Zerstörung des zweiten Tempels wurde die Sprache der Juden wieder zum Leben erweckt. Trotz des Einflusses des Aramäischen, des Persischen und des Griechischen wurde sie als Dialekt gesprochen, womit das zweite Stadium der hebräischen Sprache, die mischnaische Epoche (von 300 v.Chr. bis 500 n.Chr.), begann.

Die Juden aus dem christlichen Teil Spaniens sprachen Judäo-Spanisch, oder das sogenannte Ladino, dessen Herkunft in Spanien im 14. und im 15. Jahrhundert zu orten ist. Nach der Vertreibung der Juden aus Spanien im Jahr 1492 wurde dieser Dialekt von Sprachen wie Italienisch und Türkisch beeinflusst, da viele Juden in Italien und im Mittelmeerraum Zuflucht suchten. In Europa begann eine neue Epoche der hebräischen Sprache. In dieser Zeit, wurde bei den Juden Jiddisch als Literatursprache und gesprochene Sprache verwandt. Aus der Literatur ist es ersichtlich, dass es zur Frage für die jüdischen Autoren in Europa wurde, in welcher Sprache sie ihre Werke für ihr Volk verfassen sollten. Sie benutzten Hebräisch, Lashon haKodesh, als Literatursprache, dann wechselten sie zu Jiddisch, damit sie ihr Volk anreden konnten.

[...]


[1] Celan

[2] Kalousková, Petra: Der Weg zum österreichischen Deutsch. Olomouc. 2006. Aus S 9+10.

[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Liechtenstein: 15.04.2014

[4] Aptroot, Marion; Gruschka, Roland: Jiddisch. Geschichte und Kultur einer Weltsprache. S 155.

[5] Ebenda. S 166.

[6] Soxberger, Thomas: Revolution am Donaukanal. Moderne jiddische Literatur und »Jiddischismus« in Wien (1904 bis 1938). mandelbaum kritik & utopie. Wien. 2013.

[7] Auch Haskala entstammt der hebräischen Wortwurzel, woraus unteranderem das Wort Sechel (Verstand) abgeleitet wird. Haskala bedeutet Bildung, Aufklärung und bezeichnet insbesondere die jüdische, von Berlin ausgehende Bewegung der Aufklärung zwischen 1770 und 1880. Eine Vordenkerposition nahm der bekannte Philosoph Moses Mendelssohn ein.

[8] Hans Peter Althaus: Ansichten vom Jiddischen in Literatur und Presse. Trier. 1993. Es wird für die Transliteration jiddischer Begriffe die YIVO- Umschrift verwendet.

[9] Vgl. Ber Borokhov: Di ufgabes fun der yidisher filologye. In: Ber Borokhov. Shprakhforshung un literaturgeshikhte. Erstmals erschienen in: Der Pinkes. Yorbukh far yidisher literatur un shprakh, far folklor, kritik un bibliografye. Wilna 1913.

[10] Vgl. Hugo Zuckermann (geb. 15. Mai 1881, Eger) war später Rechtsanwalt in Meran. Er schrieb jüdisch-nationalromantische Gedichte auf Deutsch und fiel zu Beginn des Ersten Weltkriegs, siehe: Otto Abeles: „Zum Geleit“, in: Hugo Zuckermann. Gedichte. R. Löwit Verlag, Wien und Berlin 1922, 7-12.

[11] Unsere Hoffnung. Zeitschrift für die reifere jüdische Jugend erschien in Wien in den Jahren 1905-1909.

[12] Reyzen: Epizodn II, 243-244.

[13] Vgl. Adolf Gaisbauer: Davidstern und Doppeladler, 500.

[14] Gertud Reerhemius, Professorin für Germanistische Linguistik an der Aston University in Birmingham (UK). In: Jiddische Wörter in der deutschen Sprache. Copyright: Goethe-Institut e. V., Online-Redaktion April 2006

[15] Weinberg, Werner: Die Reste des Jüdischdeutschen. S 15.

[16] http://www.goethe.de/lhr/prj/mac/mac/spb/de4304634.htm

[17] Mohammad Al Qar. Journal of German -- Jewish Literature & Cultural History / Zeitschrift für deutsch - jüdische Literatur und Kulturgeschichte. De Gruyter. p 114.

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Details

Titel
Hebräische Elemente in der Sprache des Journalismus. Das durchsetzte Deutsch
Hochschule
Universität Wien  (Deutsche Philologie)
Veranstaltung
SE-B Sprachwissenschaft: Sprache des Journalismus
Autor
Jahr
2014
Seiten
45
Katalognummer
V308673
ISBN (eBook)
9783668089525
ISBN (Buch)
9783668089532
Dateigröße
1921 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
HEBRÄISCH, JOURNALISMUS, JÜDISCH, RELIGION, ÜBERSETZUNG, GESCHICHTE, APPELFELD;, SINGER, JIDDISCH, TACHLES, CHUZPE, LEE WORPH, MERLEAU-PONTY
Arbeit zitieren
Mechthild Lütjen-Podzeit (Autor:in), 2014, Hebräische Elemente in der Sprache des Journalismus. Das durchsetzte Deutsch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/308673

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