Im Lüth-Urteil , der ersten „großen“ Grundrechtsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wurden Auslegungsgrundsätze etabliert, die bis heute nicht nur maßgebend für die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur freien Meinungsäußerung (Art. 5 GG) sind, sondern seine komplette Grundrechtsauslegung geprägt haben.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 GG wird dabei vom Bundesverfassungsgericht als unmittelbarster Ausdruck des Menschen in der Gesellschaft erachtet. Folglich geht das Bundesverfassungsgericht von einem weiten Meinungsbegriff aus, der nicht nur Inhalt und Form, sondern auch die Wirkungsabsicht der Meinungsäußerung schützt, ungeachtet der Tatsache, ob es sich bei der Aussage um eine Meinung, ein Werturteil, eine Stellungnahme oder eine meinungsbildende Tatsachenbehauptung handelt.
In der Lüth-Entscheidung werden die Grundrechte „in erster Linie“ als „Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat“ formuliert. Das Recht auf freie Meinungsäußerung wird als „für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierend“ erachtet. Diese beiden Bedeutungselemente des Grundrechts, einerseits sein Individualrechtsgehalt als subjektives Recht und andererseits seine Funktion für die Ordnung des Gemeinwesens als objektives Recht, beschreiben den Doppelcharakter der Grundrechte und ihre umfassende Geltung. Durch das objektive Prinzip der Grundrechte, die „als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gelten“, entfalten diese unter anderem eine Ausstrahlungswirkung in das Privatrecht, welches in ihrem Geiste ausgelegt und angewendet werden muss.
Die folgende Arbeit will nun die notwendigen Voraussetzungen aufzeigen, die diese differenzierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ermöglichten. Zunächst wird die historische Entwicklung der deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit nachgezeichnet, welche die Grundlagen für die Einrichtung eines Verfassungsgerichts schuf. In einem zweiten Schritt werden die Vorläufer des Bundesverfassungsgerichts und weitere Einflüsse auf die Institution erläutert. Abschließend wird Stellung und Bedeutung des Bundesverfassungsgerichts herausgestellt, sowie die Wirkung seiner Rechtsprechung bis heute resümiert.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- A. Vorwort
- B. Einleitung: Das Lüth-Urteil
- C. Die Entwicklung der deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit
- I. Die Anfänge der deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit im alten Deutschen Reich
- II. Die deutsche Verfassungsgerichtsbarkeit im Deutschen Bund
- III. Die Frankfurter Reichsverfassung
- IV. Die Verfassungsgerichtsbarkeit im Deutschen Reich
- V. Die Verfassungsgerichtsbarkeit in der Weimarer Republik
- D. Das Bundesverfassungsgericht
- I. Vorläufer des Bundesverfassungsgerichts
- 1. Der Reichgerichtshof der Frankfurter Reichsverfassung
- 2. Der Weimarer Staatsgerichtshof
- II. Vorbild des Bundesverfassungsgerichts – Der amerikanische Supreme Court
- III. Das Bundesverfassungsgericht
- I. Vorläufer des Bundesverfassungsgerichts
- E. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
- F. Résumé: Die internationale Wirkung des Bundesverfassungsgerichts
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Diese Arbeit untersucht die Entwicklung der deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit und konzentriert sich insbesondere auf das Bundesverfassungsgericht und seine Bedeutung für die Rechtsprechung in Deutschland.
- Die historische Entwicklung der deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit
- Die Vorläufer des Bundesverfassungsgerichts
- Das Bundesverfassungsgericht als Institution
- Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
- Die internationale Wirkung des Bundesverfassungsgerichts
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Das Vorwort gibt einen kurzen Überblick über die Thematik der Arbeit und führt in das Lüth-Urteil ein, das als Ausgangspunkt der Untersuchung dient. Die Einleitung behandelt das Lüth-Urteil und die Bedeutung der freien Meinungsäußerung nach Art. 5 GG. Das Kapitel "Die Entwicklung der deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit" verfolgt die Entwicklung der deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit vom Alten Reich über den Deutschen Bund bis zur Weimarer Republik. Das Kapitel "Das Bundesverfassungsgericht" beleuchtet die Vorläufer des Bundesverfassungsgerichts, die Einflüsse auf die Institution und die Bedeutung des Bundesverfassungsgerichts in der Bundesrepublik Deutschland. Abschließend betrachtet das Kapitel "Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts" die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und seine internationale Wirkung.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die Arbeit befasst sich mit den Themen Verfassungsgerichtsbarkeit, Bundesverfassungsgericht, freie Meinungsäußerung, Grundrechte, Lüth-Urteil, Rechtsprechung, Rechtsgeschichte, Staatsrecht, Deutschland.
- Quote paper
- Sarah Heitz (Author), 2004, Das Lüth-Urteil. Die Entwicklung der deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit und des Bundesverfassungsgerichts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/308676