Menschen mit schwerstmehrfachen Beeinträchtigungen wurden bislang durchgängig bei der Konzeption und Durchführung von Sport- und Spielfesten nicht ausreichend mitgedacht und damit von einer Teilnahme weitestgehend ausgeschlossen. Es gibt zum Beispiel bereits integrative Spielfeste, welche in Abhängigkeit vom Adressatenbezug sowie regional und situativ unterschiedlicher Bedingungen differenzierte Ansätze erkennen lassen, aber selbst sie bieten häufig nur den Menschen mit geringeren oder leichteren Beeinträchtigungsformen einen Zugang zu spielerischer und sportlicher Betätigung, und darüber hinaus eine Begegnungsstätte zu anderen Spielern.
Vor diesem Hintergrund wird offensichtlich, dass Menschen, die einen höheren oder sehr schweren Beeinträchtigungsgrad aufweisen, die im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen, eine Teilnahme an einem integrativen Spielfest erschwert oder mitunter verhindern wird. Doch nicht nur im Freizeitbereich, wo scheinbar Spielfeste mit ihren Spiel-, Sport- und Bewegungsangeboten verortet werden können, sondern auch in anderen Lebensbereichen erfährt die Personengruppe Ausgrenzung und Fremdbestimmung und wird dadurch u.a. in ihren Lebensäußerungen (zum Beispiel am Spielen) und Selbstbestimmung ge- und behindert.
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Personengruppe lässt erkennen, dass es sich um eine sehr heterogene mit unterschiedlichen Bezeichnungsvorschlägen nicht klar abzugrenzende Personengruppe handelt, die je nach Ausmaß, der Art und der Schwere der Beeinträchtigung, sowie der individuellen Entwicklung, einer adäquaten Unterstützung, Begleitung und Hilfe in ihren Lebensalltag bedarf. Gleichzeitig ist aber augenscheinlich, dass Menschen mit schwerstmehrfacher Beeinträchtigungen bislang kaum Möglichkeiten haben, sich allein und selbstbestimmt spielerische Freiräume zu verschaffen, und deshalb darauf angewiesen sind, Spielumwelten im Sinne einer indirekten Förderung des Spiels gemeinsam mit einer körpernahen Assistenz zu gestalten. Bis heute sind solche Spiel- und Sportfestkonzepte zur Thematik Selbstbestimmung, Leiblichkeit und Integration bei Menschen mit schwerstmehrfachen Beeinträchtigungen im Lebensbereich Freizeit selten und empirisch unzureichend erforscht.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Theoretische Grundlagen
- 2.1 Annäherung an die Personengruppe, Menschen mit schwerstmehrfachen Beeinträchtigungen
- 2.1.1 Begriffsannäherung „schwere Beeinträchtigung“
- 2.1.2 Begriffsannäherung „Mehrfachbeeinträchtigung“
- 2.1.3 Begriffsannäherung „Schwerste“ Beeinträchtigung
- 2.1.4 Menschenbild und historische Zugänge
- 2.2 Begriffsannährung Selbstbestimmung
- 2.2.1 Selbstbestimmung und Selbständigkeit
- 2.2.2 Selbstbestimmung versus Fremdbestimmung
- 2.2.3 Geschichtlicher Abriss der Selbstbestimmung
- 2.2.4 Methodisch-didaktische Kriterien für die Umsetzung von Selbstbestimmung
- 2.2.5 Empowerment-Konzept
- 2.3 Von der Normalisierung, über die Integration, hin zur Inklusion
- 2.3.1 Der Gedanke der Normalisierung
- 2.3.2 Der Gedanke der Integration und Partizipation
- 2.3.3 Der Gedanke der Inklusion
- 2.4 Begriffsannäherung Leiblichkeit
- 2.4.1 Gemeinsame anthropologische Bezüge von und Körper, Leib, Seele
- 2.4.2 Integration und Basales Lernen (sensorische Integration)
- 2.4.3 Förderung der Leiblichkeit und Bewegung
- 2.4.4 Methodisch-didaktische Kriterien für die Umsetzung von Leiblichkeit und Bewegung
- 2.5 Spiel- und Sportfeste
- 2.5.1 Begriffsdefinition „Spiel“
- 2.5.2 Begriffsannährung „Spielfest“
- 2.5.3 Historische Entwicklungen und Veränderungen des Spielfestes
- 2.5.4 Traditionelle Sportfeste – Ein Exkurs
- 2.5.5 Allgemeine Voraussetzungen und Merkmale von Spielfesten
- 3. Zwischenfazit
- 4. Das methodische Vorgehen
- 4.1 Die empirische Sozialforschung – Der strukturierte Interviewleitfaden
- 4.2 Die qualitative Interviewanalyse
- 4.3 Die Bestimmung des Ausgangsmaterials
- 5. Exemplarische Darstellung der Einrichtung und die Vorstellung des „alternativen“ Spielfestes
- 5.1 Darstellung des Jugendgemeinschaftswerkes Bremen e. V.
- 5.2 Vorstellung des „alternativen“ Spielfestes
- 5.2.1 Konzeption und Ziele des Spielfestes
- 5.2.2 Namengebung, Entwicklung und Spielidee
- 5.2.3 Planung, organisatorische Vorbereitungen und Finanzierung
- 5.2.4 Öffentlichkeitsarbeit und Kooperationen
- 5.2.5 Teilnehmer, Assistenten und ihre Vorbereitung
- 5.2.6 Räumliche Bedingungen und Programmablauf
- 5.2.7 Vorstellung der Stationen und Spielfestelemente
- 6. Die Auswertung der qualitativen Interviews
- 6.1 Die Zusammenfassung der Aussagen mit der Hilfe des Hauptblocks C anhand von Kategorien
- 6.2 Möglichkeiten und Probleme der Förderung der Leiblichkeit, Selbstbestimmung und Integration bei einem „alternativen“ Spielfest
- 7. Einordnung und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Die Bachelorarbeit befasst sich mit der Förderung der Integration und Selbstbestimmung sowie Leiblichkeit bei Menschen mit schwerstmehrfachen Beeinträchtigungen durch Teilnahme an einem „alternativen“ Spielfest. Die Arbeit zielt darauf ab, die methodisch-didaktischen Kriterien für die Umsetzung dieser drei Aspekte im Kontext eines solchen Spielfestes zu analysieren und zu bewerten. Dabei soll eine umfassende theoretische Grundlage geschaffen und durch die Auswertung eines qualitativen Experteninterviews die praktische Umsetzung in den Fokus gerückt werden.
- Die Bedeutung der Selbstbestimmung für Menschen mit schwerstmehrfachen Beeinträchtigungen
- Die Rolle der Leiblichkeit und Bewegung für die Entwicklung und Integration von Menschen mit schwerstmehrfachen Beeinträchtigungen
- Die Herausforderungen und Möglichkeiten der Inklusion von Menschen mit schwerstmehrfachen Beeinträchtigungen im Freizeitbereich
- Die Bedeutung des „alternativen“ Spielfestes als integratives Konzept und Lernfeld
- Die Bedeutung einer professionellen Assistenz und Begleitung bei der Förderung von Selbstbestimmung, Leiblichkeit und Integration.
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Das erste Kapitel der Arbeit stellt die Problematik der Förderung von Selbstbestimmung, Leiblichkeit und Integration bei Menschen mit schwerstmehrfachen Beeinträchtigungen im Freizeitbereich dar und leitet die erkenntnisleitende Fragestellung ab.
Das zweite Kapitel befasst sich mit den theoretischen Grundlagen der Arbeit und bietet eine umfassende Analyse der Begriffe „schwere Beeinträchtigung“, „Mehrfachbeeinträchtigung“, „schwerste Beeinträchtigung“ sowie „Selbstbestimmung“, „Integration“ und „Leiblichkeit“. Darüber hinaus werden die historischen Entwicklungen der Sonderpädagogik, die Entstehung des Normalisierungsprinzips und die Integrationsidee sowie der aktuelle Diskurs um Inklusion beleuchtet. Schließlich wird ein Einblick in die theoretischen Grundlagen des Spielfestes gegeben und ein eigener Definitionsversuch für ein „alternatives“ Spielfest, das sich an den Bedürfnissen von Menschen mit schwerstmehrfachen Beeinträchtigungen orientiert, aufgestellt.
Das dritte Kapitel fasst die Ergebnisse des Theorieteils zusammen und bildet die Grundlage für die empirische Untersuchung im Rahmen dieser Arbeit.
Das vierte Kapitel beschreibt das methodische Vorgehen der Arbeit. Die Datenerhebung erfolgt über ein strukturiertes Experteninterview mit drei verschiedenen Hauptpunkten (Hauptschwerpunkte). In der Auswertung werden die Aussagen des Interviews mit der Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring untersucht und durch die in Kapitel 6 aufgestellten Kategorien systematisiert und generalisiert.
Das fünfte Kapitel stellt die Einrichtung des Jugendgemeinschaftswerkes Bremen e. V. und das „alternative“ Spielfest exemplarisch vor. Dabei werden die Ziele, die Planung, die organisatorischen Vorbereitungen, die Öffentlichkeitsarbeit, die Teilnehmer, die räumlichen Bedingungen, sowie der Programmablauf der Veranstaltung in den Fokus gerückt. Außerdem werden drei Stationen des Spielfestes detaillierter beschrieben.
Das sechste Kapitel analysiert und fasst die relevanten Aussagen aus den Interviews, die sich auf die pädagogischen Umsetzungs- und Fördermöglichkeiten von Selbstbestimmung, Leiblichkeit und Integration beim „alternativen“ Spielfest beziehen, zusammen und beantwortet die erkenntnisleitende Fragestellung der Arbeit.
Im siebten und letzten Kapitel werden die Ergebnisse der Arbeit einordnen und diskutiert. Darüber hinaus wird ein Ausblick auf die Entwicklung des „alternativen“ Spielfestes gegeben und die Bedeutung der Arbeit im Kontext der Inklusion von Menschen mit schwerstmehrfachen Beeinträchtigungen hervorgehoben.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Schlüsselbegriffen Selbstbestimmung, Leiblichkeit, Integration, Inklusion und „alternatives“ Spielfest im Kontext der Pädagogik für Menschen mit schwerstmehrfachen Beeinträchtigungen. Die Arbeit beleuchtet die Bedeutung des Spielfestes als integratives Konzept, die Herausforderungen und Möglichkeiten der Förderung von Selbstbestimmung und Leiblichkeit im Rahmen einer solchen Veranstaltung und die Rolle einer professionellen Assistenz und Begleitung bei der Umsetzung dieser Aspekte.
- Arbeit zitieren
- Mirko Kraft (Autor:in), 2011, Inklusion von Menschen mit schwerstmehrfachen Beeinträchtigungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/309135