Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Quantitative Lockerung
2.1. Konventionelle Geldpolitik und ihre Grenzen
2.2. Unkonventionelle Geldpolitik
2.3. Internationale Anwendungsbeispiele expansiver Geldpolitik
Bank of Japan (BoJt
Federal Reserve System (FEDÌ
Bank of England (BoE)
2.4. Erweitertes Programm zum Ankauf von Vermögenswerten
Geldpolitische Einordnung
Kritik an der geldpolitischen Maßnahme der EZB
3. Untersuchung der kritischen Argumente
3.1. Die drohende Deflation
3.2. Das ungeeignete Instrument
3.3. Blasenbildung und Moral Hazard Verhalten
4. Fazit
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Jährliche Inflationsrate (%) im Euroraum und der Europäischen Union
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eurostat: Jährliche Inflationsrate im Euroraum unverändert bei 0,2%. Pressemitteilung Euroindikatoren 141/2015. 14. August 2015. S. 2
Abbildung 2: Jährliche Inflationsrate (%) im Juli 2015 - in ansteigender Reihenfolge
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eurostat: Jährliche Inflationsrate im Euroraum unverändert bei 0,2%. Pressemitteilung Euroindikatoren 141/2015. 14. August 2015. S. 1
Abbildung 3: Divergierende Entwicklung der Notenbank-Bilanzsummen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Simmert, D. B./Zülch, H.: Die Folgen einer verfehlten Geldpolitik und ihre Auswirkungen an den Kapitalmärkten. In: Kreditwesen 7/2015. S. 338
1. Einleitung
Die Notenbanken der Industrieländer haben es seit dem Sommer 2007 mit geldpolitischen Problemstellungen zu tun, mit denen sie und ein Großteil der Finanzexperten nicht gerechnet hatten. Im Verlauf der nunmehr fast achtjährigen Finanz- und Schuldenkrise zeigte sich, dass sich das primäre geldpolitische Ziel der Preisstabilität nicht mehr wirksam alleine durch Variationen konventioneller Geldpolitik erreichen lässt. Anpassungen des Leitzinses, der kurzfristigen Bankenliquidität, der Mindestreserven und der Wechselkurse haben sich in einer Situation von Inflationsraten nahe der Nullzins-Grenze als unzureichend herausgestellt. Vor allem der Wunsch von Haushalten, Banken und Finanzministern der Eurostaaten, möglichst zügig ihre Schulden abzubauen, haben die Durchschlagskraft der herkömmlichen geldpolitischen Instrumente fast gänzlich konterkariert.1 Denn obwohl die EZB seit Jahren einen expansiv ausgerichteten geldpolitischen Kurs verfolgt, ist die Preisentwicklung im Euroraum nach wie vor sehr schwach und zeitweise regional auch deflatorisch rückläufig. Unter diesen Bedingungen ist der Ausnahmezustand in der Geldpolitik mittlerweile zur Gewohnheit geworden.2 In dieser Situation, in der sich die meisten Indikatoren für die gegenwärtige und erwartete Inflation im Euroraum historischen Tiefstständen angenähert hatten, beschloss der EZB-Rat im Rahmen einer quantitativen Lockerung ein erweitertes Programm zum Ankauf von Vermögenswerten ab März 2015 bis mindestens September 2016 im Gesamtvolumen von 1140 Mrd. Euro zu starten. Aufgrund der Gefahr, dass mögliche Zweitrundeneffekte auf die Lohn- und Preissetzung sich mittelfristig negativ auf die Preisentwicklung auswirken, bedurfte es einer starken geldpolitischen Reaktion. Die Absicht hinter dem Ankaufprogramm für Vermögenswerte bestand darin, monetäre Anreize für die Wirtschaft in einem Umfeld, in dem die Leitzinsen der EZB ihre Untergrenze erreicht hatten, zu schaffen.3 Spätestens nach Bekanntgabe vom 22. Januar 2015, dass die EZB im Rahmen des erweiterten Ankaufprogramms für Vermögenswerte Staatsanleihenkäufe plant, verschärfte sich die ohnehin schon heftige Kritik an den unkonventionellen Maßnahmen der EZB.4 Der Vorwurf der Experten und Medien lautete erneut, dass die EZB geldpolitische Hemmungen fallen ließe und vor allem gar keine Geld-, sondern Klientelpolitik betreibe. Sie setze damit ihre Politik, die Grenzen ihres Mandates stetig auszutesten und zu überschreiten, fort. Die quantitative Lockerung und die resultierende Geldmengenausweitung durch Staatsanleihenkäufe seien weder geeignet noch notwendig, um die Deflation zu bekämpfen.5 Die heftigen Kontroversen verdeutlichen einerseits die Fortsetzung der überwiegend negativen Bewertung der EZB-Geldpolitik und andererseits, wie unterschiedlich die Argumente teilweise sind. Doch manche dieser Kritikpunkte erweisen sich bei genauerer Betrachtung in sich widersprüchlich und unlogisch.6 Der Versuch, zu erklären, worin die Widersprüche in den kritischen Argumenten verborgen sind, ist das Ziel dieser Arbeit. Die Fragestellung, ob der Strategiewechsel der EZB hin zu einer expliziten Geldpolitik der quantitativen Lockerung sinnvoll war, soll dabei helfen.
Das zweite Kapitel folgt einem deskriptiven Ansatz, in dem zunächst der Unterschied zwischen konventionellen und unkonventionellen Maßnahmen der Geldpolitik aufgezeigt wird. Des Weiteren soll eine begriffliche Abgrenzung der quantitativen Lockerung, gegenüber der Kreditlockerung und der qualitativen Lockerung die Überleitung zur Betrachtung der internationalen Anwendungsbeispiele herstellen. Der Vergleich mit den geldpolitischen Strategien der anderen Zentralbanken ermöglicht es, die geldpolitische Entscheidung der EZB auch außerhalb des europäischen Kontextes zu bewerten. Ebenfalls hilfreich sind die daraus resultierenden theoretischen Erkenntnisse, mit denen die geldpolitischen Strategien der anderen Zentralbanken begründet werden. Die Tatsache, dass die EZB im Gegensatz zu anderen großen Notenbanken bisher darauf verzichtet hatte, im großen Stil Staatsanleihen oder private Schuldtitel zu erwerben, ermöglicht einen retrospektiven Blick auf die bisher gemachten Erfahrungen mit einer Geldpolitik der quantitativen Lockerung.7 Das dritte Kapitel behandelt die Auseinandersetzung mit den am Ende des zweiten Kapitels aufgeführten Kritikpunkten der vermeintlichen Gegner der EZB-Geldpolitik. Die Kriterien, nach denen die Frage nach der Sinnhaftigkeit der geldpolitischen Entscheidung der EZB beantwortet werden kann, ergeben sich meines Erachtens aus der Analyse der vorgebrachten Argumente. Die hieraus gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen eine abschließende Einschätzung über die Sinnhaftigkeit der geldpolitischen Entscheidung der EZB.
2. Quantitative Lockerung
Die quantitative Lockerung ist eine Geldpolitik der Zentralbanken für außergewöhnliche Umstände, mit der die Geldbasis ausgeweitet wird, um die Realzinsen zu senken. Das Ziel besteht darin, eine Rezession oder gegebenenfalls eine Deflation zu bekämpfen.8
2.1. Konventionelle Geldpolitik und ihre Grenzen
Am Beispiel der EZB sollen zunächst die geldpolitischen Standardinstrumente einer Zentralbank dargestellt werden. Dabei spielt die Offenmarktpolitik, die eingesetzt wird um die Geldmenge und Zinssätze am Geldmarkt zu beeinflussen, eine wesentliche Rolle. Unter Offenmarktgeschäften sind An- und Verkäufe von Wertpapieren der Zentralbank am offenen Markt zu verstehen. Des Weiteren benutzt die EZB zur Bereitstellung (Spitzenrefinanzierungsfazilität) oder Absorption (Einlagenfazilität) von Übernachtliquidität ständige Fazilitäten. Als Referenz wirken die ständigen Fazilitäten ebenfalls fixierend auf die Oberund Untergrenzen für Tagesgeldsätze. Abgerundet durch die Mindestreserve, die Kreditinstitute für bestimmte Verbindlichkeiten zu einem bestimmten Prozentsatz bei der EZB halten müssen, sollen diese geldpolitischen Maßnahmen zu einer Stabilisierung der Geldmarktzinsen sowie zur Herbeiführung einer strukturellen Liquiditätsknappheit führen.9 Die Impulse, die von geldpolitischen Maßnahmen ausgehen, bezeichnet man auch als Transmissionskanäle. Für die weitere Betrachtung sind der Kreditkanal und der Zinskanal relevant.10
Die Relevanz erschließt sich aus der Bedeutung beider Transmissionskanäle. Sind die Kanäle gestört oder gar blockiert ist die konventionelle Geldpolitik stark eingeschränkt bis wirkungslos, so dass unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen notwendig werden.11 Der Kreditkanal bezeichnet den Transmissionskanal, der die Kreditvergabe von Geschäftsbanken an private Haushalte oder Unternehmen betrachtet. Dieser Transmissionskanal ist von großer Bedeutung, da nicht jeder Marktteilnehmer direkten Zugang zu den Finanzmärkten hat. Es bestehen zwei Möglichkeiten, wie es zu Störungen in diesem Transmissionskanal kommen kann. Einerseits kann es bei schlechten oder unsicheren wirtschaftlichen Bedingungen zu Vertrauensverlusten kommen. Auch das mangelnde Vertrauen in andere Marktteilnehmer (v.a. andere Banken) kann zu erheblichen Störungen dieses Transmissionskanals führen. Andererseits kann aber auch eine Kapitalknappheit Ursache für die Störung und die rückläufige Kreditvergabe sein.
Komplementär zum Kreditkanal versteht man unter dem Zinskanal die Auswirkung der Leitzinssenkung durch die Zentralbank. Der Zinskanal gilt als gehemmt, wenn die Leitzinsen an der Nullzins-Grenze liegen und weitere Zinssenkungen keine Stimulierung der Geldmenge ermöglichen.12 Nach der „General Theory of Employment, Interest and Money" von Keynes spricht man in diesem Zusammenhang auch von der Liquiditätsfalle, in der das zusätzliche Geld durch eine Leitzinssenkung aus Furcht vor Kreditausfällen nicht ausgegeben, sondern als Kassenbestand gehalten wird.9 Die allein am Zins ansetzende Geldpolitik wird durch die Liquiditätsfalle wirkungslos.10 Nach der keynesianischen Liquiditätspräferenztheorie wird dann ein zusätzliches Geldangebot als Kassenbestand gehalten, wenn Marktteilnehmer durch Kursverlusterwartungen den Anlagezins für Wertpapiere als zu niedrig ansehen. Das zusätzliche Geld verschwindet förmlich in der Liquiditätsfalle.11 In solch einer Situation besteht die Möglichkeit, auf Strategien der unkonventionellen Geldpolitik zurückzugreifen. Die folgende Abgrenzung der verschiedenen unkonventionellen geldpolitischen Instrumente ermöglicht im weiteren Verlauf anhand der internationalen Anwendungsbeispiele, die geldpolitische Entscheidung der EZB korrekt einzuordnen.
2.2. Unkonventionelle Geldpolitik
Die qualitative Lockerung, auch als Qualitative Easing bekannt, bezeichnet die Änderung der Zusammensetzung der Notenbankbilanz auf der Aktivseite. Dies kann durch den Zukauf von Aktiva bei gleichzeitiger Sterilisation und meist herabgesetzten Anforderungen an die Qualität von Sicherheiten geschehen.12 Kommt es beispielsweise durch einen Schock zu einer Liquiditätsknappheit am Interbankenmarkt steigt die Akzeptanz von illiquiden Sicherheiten und bonitätsschwachen Wertpapieren durch die Notenbank. Das Federal Reserve System (FED) änderte 2008 zu Beginn der Finanzkrise ihre Bilanzzusammensetzung, indem sie den Verkauf von Staatsanleihen an die Geschäftsbanken durch die Aufnahme schlechter Aktiva sterilisierte.13 Um die Bedingungen an den Kreditmärkten zu verbessern, kann die Zentralbank durch den Kauf privater Wertpapiere oder der direkten Bereitstellung von Liquidität positive Impulse setzen.
Beim sogenannten Credit Easing oder Kreditlockerung werden in den meisten Fällen Volumenobergrenzen festgelegt, die allerdings bei geänderten Bedingungen angepasst werden können. Dieser Zukauf von Vermögenswerten kann den Effekt einer Bilanzausdehnung oder Bilanzumschichtung haben.14 In Abgrenzung sowohl zum Qualitative als auch
zum Quantitative Easing ist eine Kreditmarktintervention ein zentraler Bestandteil der Kreditlockerung. Im Gegensatz zur quantitativen Lockerung wird die Kreditlockerung auch bei einem Leitzins über der Nullzins-Grenze angewendet.15 Das Credit Easing zielt auf eine Änderung der Aktiva hinsichtlich der Höhe der Kredite und Sicherheiten ab.16 Als quantitative Lockerung oder Quantitative Easing wird jene geldpolitische Maßnahme bezeichnet, die sowohl das Ziel von langfristigen Zinssenkungen als auch die Bereitstellung zusätzlicher Liquidität für den Bankensektor verfolgt. Dabei kauft die Zentralbank insbesondere langlaufende Staatsanleihen in großem Umfang auf, um eine Rezession ggf. eine Deflation zu verhindern.17 Tendenziell sollen dadurch die Anleihekurse steigen und somit die entsprechenden Renditen gesenkt werden, so dass daraus eine Beeinflussung des allgemeinen Zinsniveaus und der Zinsstrukturkurve resultiert.18 Zentralbanken greifen insbesondere dann auf diese unkonventionelle Geldpolitik zurück, wenn die kurzfristigen Zinsen bereits nahe Null sind und keinen ausreichenden Investitionsanreiz setzen. Beim Ankauf von Anleihen und der damit einhergehenden Schaffung von Zentralbankgeld nimmt die Quantität der Zentralbankgeldmenge zu, woraus sich der Begriff quantitative (mengenmäßige) Lockerung ableitet. Gegensätzlich zum Qualitative Easing wird die Geldmenge bei der quantitativen Lockerung nicht sterilisiert. Im Ergebnis nehmen die Bilanzsummen der Zentralbanken zu. Dadurch sollen Investitionen angeregt werden, die wiederum zur Stimulierung der Wirtschaftstätigkeit und des Wirtschaftswachstums beitragen. Hierbei ist der Begriff von der geldpolitischen Lockerung durch die Senkung des Leitzinses zu unterscheiden.19
Zu den Risiken dieser geldpolitischen Maßnahme gehört eine erhöhte Inflationsgefahr, die durch die Geldmengenausweitung verursacht werden kann. Darüber hinaus kann es zur Abwertung der Währung führen, da die Geldmenge ebenfalls ein wesentlicher Faktor bei der Bildung des Wechselkurses ist. Quantitative Easing ist eine Möglichkeit die Wirtschaft zu beleben, da durch die Staatsanleihenkäufe an den Sekundärmärkten die Risikoprämien und/oder die Zinsen gesenkt werden können.20
2.3. Internationale Anwendungsbeispiele expansiver Geldpolitik
Der Blick auf die internationalen Anwendungsbeispiele ermöglicht es die geldpolitische Maßnahme der EZB auch außerhalb des europäischen Kontextes einzubetten.
Bank of Japan (BoJ)
Bereits zu Beginn der 1990er-Jahre platze in Japan eine Immobilienblase. Zu den wirtschaftlichen Folgen zählte nicht nur eine rückläufige Inflation, sondern auch eine Deflation von 1998-2005, deren Einfluss sich auch auf Unternehmen und Finanzinstitute ausweitete.21 Daher sah sich die japanische Zentralbank gezwungen, ein geldpolitisches Versprechen abzugeben, den Leitzins bei 0% zu belassen, bis alle deflatorischen Erwartungen zerstreut waren. Jedoch hatte das Platzen der Dotcom-Blase 2001 erneut negative Effekte auf die japanische Volkswirtschaft. Somit reagierte die BoJ mit einer Geldpolitik der quantitativen Lockerung, um dem Preisverfall entgegenzuwirken und eine Grundlage für nachhaltiges Wachstum zu schaffen. Zudem kündigte sie an, mittels eines Aufkaufprogramms für Staatsanleihen die Geldbasis so lange auszuweiten, bis die Inflationsrate wieder positiv wäre. Infolgedessen stieg die Geldmenge im Zeitraum von 2001-2005 von 14% auf 22% des Bruttoinlandsprodukts. Nachdem die Inflationsrate von negativen Werten auf knapp über 0% angestiegen war, beendete die BoJ im März 2006 das Ankaufprogramm.22 Die Deflation kehrte jedoch im Zuge der weltweiten Finanzkrise nach Japan zurück. Seit Beginn des Jahres 2013 hat die BoJ im Zuge des Abenomics-Programm23 neue umfangreiche Maßnahmenpakete geschnürt und das Inflationsziel von ursprünglich 1% auf 2% angehoben. Die BoJ versucht durch eine Steigerung ihrer Ankaufprogramme und einer Ausweitung ihrer Bilanz um jährlich 60-70 Milliarden Japanische Yen (JPY) dieses Ziel bis Ende 2014 zu erreichen.24
Federal Reserve System (FED)
Im Zuge der Verwerfungen der Subprime- und der darauffolgenden Finanzkrise 2007 wählte die US-amerikanische Notenbank einen expansiven geldpolitischen Kurs, um die Finanz- und Immobilienmärkte zu stützen und der ansteigenden Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken.25 Der Interbankenmarkt musste gestützt werden als am 15. September 2008 die Investmentbank Lehman Brothers Inc. in Folge der Finanzkrise Insolvenz beantragen musste. Danach kam es neben der sukzessiven Absenkung des Leitzinses auf faktisch 0% zu einer erheblichen Ausweitung der Zentralbankbilanz.26 Der US-Notenbankchef Ben Bernanke bezeichnete in der Erläuterung der unkonventionellen Geldpolitik das Vorgehen als Credit Easing.27 Diese Einschätzung ist daher zu erklären, dass die Änderung in der Bilanzzusammensetzung eine massive Ausweitung der Kredite an Geschäftsbanken beinhaltete. Des weiteren tauschte die FED zur Liquiditätsversorgung des Interbankenmarktes liquide Staatsanleihen gegen illiquidere Aktiva mit einem höheren Risiko ein. Dabei wurde die Bilanz aber nicht ausgedehnt.28 Dieses Verhalten kann in der ersten Phase der Finanzkrise als qualitative Lockerung bezeichnet werden. Auch in der Folgezeit, der zweiten Phase der Krise von September 2008 bis Februar 2009, erhöhte sich das Volumen der Kredite an Finanzmarktinstitutionen und es kam zu Interventionen im Markt für Mortgage-Backed Securities (MBS). Dabei erreichte das entsprechende Ankaufprogramm der FED im Juni 2010 seinen Höhepunkt. Der Übergang zur quantitativen Lockerung erfolgte durch die Entscheidung, mehrere Ankaufprogramme für langfristige Staatsanleihen zu initiieren. Besser bekannt unter den Namen QE1-3 (Quantitative Easing 1-3) startete die FED diese Programme, um eine Deflation zu verhindern. Seitdem sind die Staatsanleihen wieder der größte Posten auf der Aktivseite der Zentralbankbilanz.29 Eine weitere Maßnahme, die ebenfalls als quantitative Lockerung gewertet werden kann und nach dem QE2 stattfand, war der Operation Twist (OT), bei der durch eine Bilanzumschichtung kurzfristige gegen langfristige Anleihen getauscht wurden, damit die langfristigen Zinsen sinken.30 Mit dem anschließenden QE3 setzte die FED die dritte Runde ihrer quantitativen Lockerung fort. Dabei erwog sie im Laufe des Jahres 2013 aufgrund der guten Lage der US- amerikanischen Wirtschaft etwaig das Volumen zu reduzieren und das Programm 2014 ganz einzustellen (Tapering).
Das Programm wurde am 29. Oktober 2014 beendet nachdem die FED insgesamt Vermögenswerte in Höhe von 4,5 Billionen US-Dollar aufgekauft hatte.31
Bank of England (BoE)
Auch die Bank of England musste nach dem Zusammenbruch der Lehman Brothers zu ungewöhnlichen Maßnahmen greifen. So senkte sie im März 2009 erstmals in ihrer Geschichte seit 1694 ihre Leitzinsen auf 0,5%.32 Weil die Zinsen nicht weiter fallen konnten33, entschied die BoE genauso wie die FED ihre Bilanz relativ schnell und umfassend zu verlängern. Die Bilanzsumme der BoE wurde in der Zeit von September 2008 bis Dezember 2012 um 350% von 94 auf 414 Milliarden Pfund massiv ausgeweitet. Die Ausweitung erfolgte ausschließlich durch den Ankauf britischer Staatsanleihen.34 Gegen etwaige finanzielle Risiken wurde die BoE explizit vom britischen Finanzministerium mit einer Garantie ausgestattet.35 Diese Garantie sah vor, dass die Refinanzierungskosten der Banken durch staatliche Marktinterventionen gesenkt werden, wenn die Banken den Finanzierungsvorteil an kleine und mittlere Unternehmen weiterreichten.36
Zwar fand seit November 2012, seitdem die Grenze des Anleihekaufprogramms von 375 Milliarden GDB erreicht wurde, keine weitere Ausdehnung mehr statt. Jedoch geht aus den aktuellen der Sitzungsprotokollen der BoE hervor, dass in der Zukunft eher mit einer weiteren Ausweitung als mit einer Rückführung des Programms zu rechnen ist.37
2.4. Erweitertes Programm zum Ankauf von Vermögenswerten
Am 22. Januar 2015 kündigte der EZB-Rat ein erweitertes Ankaufprogramm für Vermögenswerte (Expanded Asset Purchase Programme; EAPP) an. Nach ihrer Einschätzung war das EAPP zur Erfüllung des Preisstabilitätsmandats des Eurosystems notwendig geworden. Die schwächer ausfallende Inflationsdynamik zeigte sich im Rückgang der jährlichen HVPI38 -Teuerungsrate von -0,2% im Dezember 2014 (Abb. 1). Darüber hinaus wurde davon ausgegangen, dass die jährlichen HVPI-Inflationsraten wegen der gedämpften Energiepreisentwicklung auch in der Folgezeit niedrig positiv oder negativ ausfallen würden. Vermutlich hatte das Ausmaß der geldpolitischen Akkomodierung, das durch die von Juni bis September 2014 beschlossenen Maßnahmen erreicht hatte, nicht ausgereicht, um den Risiken einer zu lange anhaltenden Phase niedriger Inflation zu begegnen.43 Zusätzlich zu den Programme für den Ankauf von Asset-Backed Securities (ABSPP) und gedeckten Schuldverschreibungen (CBPP3), die bereits im September 2014 beschlossen wurden, kamen ab März 2015 Anleihekäufe von im Euro-Raum ansässigen Zentralstaaten, Emittenten mit Förderauftrag und europäischen Instituten hinzu. Mit einem beabsichtigten monatlichen Ankaufvolumen von 60 Milliarden Euro und einer Laufzeit bis mindestens September 2016 wurde eine Politik der quantitativen Lockerung eingeleitet. Der EZB-Rat behielt sich vor, die Maßnahme solange durchzuführen, bis eine nachhaltige Korrektur der Inflationsentwicklung zu erkennen ist, welche im Einklang mit dem Ziel der Erreichung mittelfristiger Inflationsraten von unter - aber nahe 2% - steht. Mit dieser Entscheidung vollzog die EZB einen deutlichen Strategiewechsel zur aktiven Vorgabe von Liquiditätszielen und zur quantitativen Lockerung.44
Mit großen Ähnlichkeiten zu den QE-Programmen der FED zielt das Programm der EZB auf eine Ausweitung der Notenbankbilanz um mehr als eine Billion Euro hin. Damit reagierte die EZB sowohl auf die schwache Wirtschaftsentwicklung und viel wichtiger auf die rückläufige Verbraucherpreisinflation.45 Flankiert wurde diese Entscheidung des EZB-Rats von der Veröffentlichung eines technischen Anhangs, dem weitere operative Modalitäten zu entnehmen waren. Unter Beibehaltung der Kontrolle sämtlicher Gestaltungsmerkmale des Programms wurde die Einheitlichkeit der Geldpolitik durch die Übernahme der Koordination der Ankäufe durch die EZB gewährleistet. Um eine effiziente Ressourcenmobilisierung zu ermöglichen, verfolgte das Eurosystem einen dezentralen Ansatz, der dadurch gekennzeichnet ist, dass die zusätzlichen Ankäufe von Vermögenswerten von den Nationalen Zentralbanken (NZBen) getätigt werden. Aus der Konstellation der Ankäufe wurde festgelegt, dass nur 20% dem Prinzip der Risikoteilung unterliegen während die restlichen 80% der erworbenen Titel davon ausgeschlossen sind46 Das Programm sollte die Entschlossenheit des EZB-Rates, sein Ziel von Preisstabilität in einer beispiellosen wirtschaftlichen und finanziellen Umgebung zu erreichen, verdeutlichen. Nach Aussagen von Mario Draghi steht das Programm vollumfänglich im Einklang mit den EU-Verträgen und der Erfüllung des Mandats zur Gewährleistung von Preisstabilität.47
[...]
1 Vgl. Simmert, D. B./Wermuth, D.: Die neue europäische Geldpolitik - eine kritische Analyse. In: Kreditwesen 10/2014. S. 493
2 Vgl. Weidmann, J. : Zur Rolle der Finanzstabilität für die Geldpolitik. In: ifo Schnelldienst 7/2015. 68. Jahrgang. S. 34
3 Vgl. Europäische Zentralbank: EZB kündigt erweitertes Programm zum Ankauf von Vermögenswerten an. Pressemitteilung vom 22.01.2015. S. 1. verfügbar unter: http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Presse/EZB Pressemitteilungen/2015/2015 01 22 ankaufprogramm.pdf? blob=publicationFile
4 Vgl. Illing, G.: Unkonventionelle Geldpolitik - kein Paradigmenwechsel. In: Perspektiven der Wirtschaftspolitik. Bd. 16. Ausgabe 2. 2015. S. 127
5 Vgl. Winkler, A.: Dauerkritik an der Europäischen Zentralbank - Falsch angewendete Theorie untergräbt Vertrauen in die Geldpolitik. In : Wirtschaftsdienst 7/2014. S. 479
6 Vgl. Illing, G.: Unkonventionelle Geldpolitik - kein Paradigmenwechsel. In: Perspektiven der Wirtschaftspolitik. Bd. 16. Ausgabe 2. 2015. S. 127
7 Vgl. Bofinger, P.: Unkonventionelle Geldpolitik der EZB: Möglichkeiten und Grenzen. In: Kreditwesen 1/2015. S. 12
8 Vgl. Hausken, K./Ncube, M.: Quantitative Easing and Its Impact in the US, Japan, the UK and EU. 2013.
9 Vgl. Europäische Zentralbank: Durchführung der Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet. 2012. S. 10
10 Vgl. Banque de France: Unconventional monetary policy measures. Focus April. 2009. S. 1f.
11 Vgl. Demary, M./Matthes, J. : EZB auf Abwegen? Teil 1 : Die unkonventionelle Geldpolitik der EZB - eine Bestandsaufnahme. In: IW policy papers. No. 13/2013. S. 12
12 Vgl. Banque de France: Unconventional monetary policy measures. Focus April. 2009. S. 2ff.
13 Vgl. Bini Smaghi, L. : Conventional and unconventional monetary policy. Keynote lecture. International Center of Monetary and Banking Studies. 2009. verfügbar unter: http://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2009/html/sp090428.en.html
14 Vgl. Illing, G. : Unkonventionelle Geldpolitik - kein Paradigmenwechsel. In: Perspektiven der Wirtschaftspolitik. Bd. 16. Ausgabe 2. 2015. S. 131
15 Vgl. Blanchard, O./Illing, G. : Makroökonomie. 2009. S. 685ff.
16 Vgl. Buiter, W. : Quantitative easing and qualitative easing: a terminological and taxonomic proposal. In: Financial Times. 09.12.2008. verfügbar unter: http://blogs.ft.com/maverecon/2008/12/quantitative-easing- and-qualitative-easing-a-terminological-and-taxonomic-proposal/#axzz1 hT1 c1 eiI
17 Vgl. Bagus, P./Schiml, M. H. : New modes of monetary policy: Qualitative Easing by the FED. In: Journal of Economic Affairs. 2009. S. 46ff.
18 Vgl. Buiter, W. : Quantitative easing and qualitative easing: a terminological and taxonomic proposal. In: Financial Times. 09.12.2008. verfügbar unter: http://blogs.ft.com/maverecon/2008/12/quantitative-easing- and-qualitative-easing-a-terminological-and-taxonomic-proposal/#axzz1 hT1 c1 eiI
19 Vgl. Bini Smaghi, L. : Conventional and unconventional monetary policy. Keynote lecture. International Center of Monetary and Banking Studies. 2009. verfügbar unter: http://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2009/html/sp090428.en.html
20 Vgl. Bernanke, B. S. : Crisis and the Policy Response. In: The Stamp Lecture. London School of Economics. 2009. verfügbar unter: http://www.federalreserve.gov/newsevents/speech/bernanke20090113a.htm
21 Vgl. Hausken, K./Ncube, M. : Quantitative Easing and Its Impact in the US, Japan, the UK and Europe. 2013
22 Vgl. International Monetary Fund: Responding to the Financial Crisis and Measuring Systemic Risks. Global Financial Stabilty Report. April 2009. S. 47
23 Vgl. Deutsche Bundesbank: Quantitative Lockerung. 2015. verfügbar unter: https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Glossareintraege/Q/quantitative lockerung.html
24 Vgl. Flanders, S. : Is quantitative easing just printing money? BBC. 2009. verfügbar unter: http://www.bbc.co.uk/blogs/thereporters/stephanieflanders/2009/02/obtaining the right to print m.html
25 Vgl. Ugai, H. : Effects of the Quantitative Easing Policy: A Survey of Empirical Analyses. In: Monetary and Economic Studies. March 2007. S. 2
26 Sachverständigenrat: Mehr Vertrauen in Marktprozesse. Jahresgutachten 2014/15. November 2014. S. 152f.
27 Vgl. Kuroda, H.: Quantitative and Qualitative Monetary Easing. Bank of Japan. 2013. verfügbar unter: http://www.boi.or.ip/en/announcements/press/koen 2013/data/ko130412a1 .pdf
28 Ebd.
29 Vgl. Jannsen, N./Scheid, J. : Ist die Geldpolitik in den USA zu expansiv? In: Kiel Policy Brief. Nr. 26. 2011. S. 1
30 Vgl. Sachverständigenrat: Chancen für einen stabilen Aufschwung. Jahresgutachten 2010/11. November S. 80
31 Vgl. Bernanke, B. S. : Crisis and the Policy Response. In: The Stamp Lecture. London School of Economics. 2009. verfügbar unter:lhttp://www.federalreserve.gov/newsevents/speech/bernanke20090113a.htm
32 Vgl. Bagus, P./Schiml, M. H. : New modes of monetary policy: Qualitative Easing by the FED. In: Journal of Economic Affairs. 2009
33 Vgl. Sachverständigenrat: Verantwortung für Europa wahrnehmen. Jahresgutachen 2011/12. November S. 34ff.
34 Vgl. Jahn, T : Bernanke setzt auf die "Operation Twist". In: Handelsblatt 21.09.2011. verfügbar unter: http://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/fed-sitzung-bernanke-setzt-auf-die-operation- twist/4631444.html
35 Vgl. Wolfers, J.: The Fed Has Not Stopped Trying to Stimulate the Economy. In: The Upshot - Monetary Policy. The New York Times. 29.10.2014. verfügbar unter:
http://www.nvtimes.com/2014/10/30/upshot/the-fed-has-not-stopped-trving-to-stimulate-the- economy.html?rref=upshot&abt=0002&abg=1 & r=0
36 Vgl. Bank of England: Sterling Monetary Framework. Redbook. 2014
37 Vgl. Illing, G. : Unkonventionelle Geldpolitik - kein Paradigmenwechsel. In: Perspektiven der Wirtschaftspolitik. Bd. 16. Ausgabe 2. 2015. S. 130
38 Vgl. Ebd. S. 132
39 Vgl. Bank of England: Sterling Monetary Framework. Redbook. 2014. S.10
40 Sachverständigenrat: Stabile Architektur für Europa - Handlungsbedarf im Inland. Jahresgutachten 2012/13. November 2012. S. 27
41 Sachverständigenrat: Gegen eine rückwärtsgewandte Wirtschaftspolitik. Jahresgutachten 2013/14. S. 118
42 Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon: Definition Harmonisierter Verbraucherpreisindex (HVPI). verfügbar unter: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/harmonisierter-verbraucherpreisindex-hvpi.html
43 Vgl. Deutsche Bundesbank: Geldpolitik und Bankgeschäft. Monatsbericht Februar 2015. S. 1
44 Illing, G. : Unkonventionelle Geldpolitik - kein Paradigmenwechsel. In: Perspektiven der Wirtschaftspolitik. Bd. 16. Ausgabe 2. 2015. S. 127
45 Vgl. Sachverständigenrat: Aktualisierte Konjunkturprognose für das Jahr 2015. 26.03.2015. S. 3
46 Vgl. Bundesbank http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Dossier/Aufgaben/outright geschaefte.html? notFirst=true&docId=335224#doc335224bodyText1
47 Vgl. Europäische Zentralbank: EZB kündigt erweitertes Programm zum Ankauf von Vermögenswerten an. Pressemitteilung vom 22.01.2015. verfügbar unter: http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Presse/EZB_Pressemitteilungen/2015/2015_01_22_anka ufprogramm.pdf? blob=publicationFile