ADHS-Schüler im Unterricht. Strategien der Konzentrationsförderung


Hausarbeit, 2014

19 Seiten, Note: 2,3

Dennis Wibran (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung und Fragestellung

2. ADHS
2.1 Entstehung
2.2 Ursachen der Aufmerksamkeitsprobleme
2.2.1 Der Zusammenhang von Motivation und Aufmerksamkeit
2.2.1.1 Ablenkbarkeit
2.2.1.2 Intensität
2.2.2 Gründe geringer Motivation
2.2.3 Negative Leistungserlebnisse
2.2.4 Interaktion der Umwelt

3. Pädagogische Einwirkungen
3.1 Strukturen
3.2 Regeln
3.2.1 Positives Verhalten verstärken
3.2.1.1 Wenn- Dann- Pläne
3.2.1.2 Punkteplan
3.2.1.3 Verstärkerentzugssystem
3.3. Unterrichtsgestaltung
3.4 Mehr Aufmerksamkeit durch gute Leistungen

4. Diskussion

5. Fazit.

Literaturverzeichnis

1. Einleitung und Fragestellung

In meinen bisherigen Unterrichtsbeobachtungen aus Lehrerperspektive erschienen mir Schülerinnen und Schülern[1] mit ADHS selten beteiligt, sie wirkten abgelenkt und anderweitig beschäftigt. Diesbezügliche Bestätigung fand ich den Ergebnissen einer 2006 veröffentlichten Studie von Lauth und Mackowiak, in der festgestellt wurde: „es nehmen die aufmerksamkeitsgestörten/hyperaktiven Kinder weniger am Unterricht teil“[2]. Kommen diese Phasen dauerhaft vor, birgt dies zum einen die Gefahr, dass sie sich negativ auffällig im Unterricht verhalten, zum anderen kann dies zu Leistungsproblemen führen, da dauerhafte Konzentrationsphasen nur ungenügend stattfinden.

In der Praxis versuchten einige Lehrer entsprechende Auffälligkeiten, wie Arbeitsverweigerungen oder die Beschäftigung mit außerunterrichtlichen Inhalten, möglichst schnell zu unterbinden, dies geschah oftmals durch Strafandrohungen oder Druck. Es resultierten unbefriedigende Situationen für genervte Lehrer und Schüler. Aus diesen Beobachtungen ergibt sich für mich die Fragestellung, wie die Konzentration auf Unterrichtsinhalte von SuS mit ADHS gefördert werden kann, um ihnen gleichbedeutend damit eine bessere Lernausgangslage zu ermöglichen.

Medikamente sind hierbei eine bewährte Maßnahme. Die diesbezüglichen Präparate, samt Diskus hinsichtlich ihrer Wirksamkeit, Nachhaltigkeit, als auch medizinischer und ethisch bedenklicher Zweifel würde die Kapazität dieser Hausarbeit übersteigen und werden folglich nicht weiter berücksichtigt. Ebenso wird weder auf alternative Bildungsformen zur Regelschule, noch auf spezielle Fördergruppen eingegangen. Die vorliegende Hausarbeit untersucht stattdessen schwerpunktmäßig die für Lehrer relevanten psychosozialen Einflussmöglichkeiten ab der Sekundarstufe I; erhebt dabei jedoch nicht den Anspruch ein endgültigen Lösungshandbuch zu sein, wie ADHS-Verhalten in der Schule zu regulieren ist. Vielmehr ist es die Absicht, unter wissenschaftlicher Fundierung empfohlene Vorgehensweisen für einen pädagogischen Umgang mit den Betroffenen zu präsentieren, wobei inhaltlich an verschiedene Sitzungen des Seminars angeknüpft wird. Im Vordergrund steht die Orientierung an dem Schwerpunkten „Grundlagen zur Leistungsmotivation“.

Zunächst wird eine über ADHS informierende Grundlage samt Symptomatik und Diagnosekriterien gegeben. Im Folgenden werden die Ursachen der ADHS und anschließend eine Fokussierung auf die Ursprünge und Entwicklung der Aufmerksamkeitsproblematik vorgenommen, wobei daraus resultierende schulische Probleme vorstellt und im Anschluss sinnvolle Strategien und Vorgehensweisen diskutiert werden, wie es gelingen kann, die Aufmerksamkeitssymptomatik von ADHS-SuS dem Unterricht situationsentsprechend anzupassen und diese positiv zu beeinflussen.

2. ADHS

ADHS ist eine klinisch anerkannte Verhaltensstörung. Die Schätzungen, wie viele SuS betroffen sind, variieren. Neuhaus geht diesbezüglich von einem Wert von 3-8% aller Jugendlichen im Alter von 6 und 18 Jahren aus, wobei häufiger Jungen als Mädchen eine Diagnose erhalten[3]. Diese wird mithilfe der checklistenhaften Kataloge ICD-10[4] und DSM-IV[5] erstellt. Die Kernsymptome einer ADHS sind die besonderen Ausprägungen der Eigenschaften Impulsivität, Aufmerksamkeit und Hyperaktivität. Entsprechende Symptome sind bereits vor dem sechsten Lebensjahr deutlich sichtbar. Betroffene zeigen weiterhin über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten bezogen auf ihren Entwicklungsstand signifikant auffällige Verhaltensweisen, die sie in mehreren Lebensbereichen (z.B. Schule, Elternhaus, Hobby) deutlich beeinträchtigen. Während die Eigenschaften Aufmerksamkeit und Impulsivität in der Pubertät kritische Höhepunkte erreichen, lernen Betroffene tendenziell anschließend mit zunehmendem Alter besser mit ihren Symptomen, besonders mit Hyperaktivität, umzugehen[6]. Dennoch ist ADHS in vielen Fällen eine lebenslange Störung, unter deren Symptomen Betroffene auch im Erwachsenenalter leiden. In der Fachliteratur wird zumeist eine Klassifizierung der Betroffenen in zwei Typen vorgestellt. Zum einen Betroffene, die in den benannten drei Eigenschaften stark auffällig sind und sehr leicht als Störung oder “Zappelphilipp“ wahrgenommen werden können. Zum anderen die “Träumerchen“, die in vielen Fällen unentdeckt bleibt, da Betroffene lediglich ein hohes Aufmerksamkeitsdefizit aufweisen, während sie sich in Bezug auf die Eigenschaften Impulsivität, bzw. Hyperaktivität weitestgehend unauffällig verhalten.

2.1 Entstehung

Die Forschungslage, wie ADHS entsteht, ist gegenwärtig Ausgangspunkt intensiver Diskussionen. ADHS gilt als genetisch bedingt, entsprechende Kinder kommen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit später ADHS-typisches Verhalten zu zeigen zur Welt. Wenngleich diesbezüglich eindeutige Beweise stellenweise erst noch erbracht werden müssen, gelten funktionseinschränkende Ausprägungen bestimmter Fronthirnareale, einhergehend mit einer Dysfunktion des Neurotransmittersystems, als neurobiologische Ursachen, die die Entstehung einer ADHS-Symptomatik begünstigen. So gelingt es ihnen „aufgrund neurobiologischer Besonderheiten weniger gut, ihre zentralnervöse Aktiviertheit („geistige Wachheit“) an die Anforderungen der jeweiligen Situation anzupassen […] Im Einzelnen drückt sich dies in einer Einschränkung der Daueraufmerksamkeit, mangelnder Impulskontrolle und einer Tendenz zu vermehrter Suche nach neuen Reizen aus“[7].

In welcher Intensität sich die neurobiologischen Anlagen im Verlauf der Entwicklung der Betroffen ausprägen, ist auch abhängig von psychosozialen Faktoren.

„Beispielsweise verdichtet sich die soziale Interaktion mit Eltern, Lehrerinnen, Geschwistern und Gleichaltrigen zu neuronalen Schaltkreisen, die das „typische ADHS-Verhalten“ langfristig hervorbringen […] wenn die Störung schon da ist, kann sie ganz unterschiedlich verlaufen, je nachdem welche Umstände vorherrschen“[8].

Im Folgenden sei nun das Problem von Aufmerksamkeitsdefiziten im Kontext Schule verdeutlicht.

2.2 Ursachen der Aufmerksamkeitsprobleme

Um eine begriffliche Basis zu schaffen sei an dieser Stelle verdeutlicht, dass der Terminus Aufmerksamkeit in der vorliegenden Hausarbeit die drei Fähigkeiten: selektive Aufmerksamkeit (die Betrachtung ist auf einen Gegenstand gerichtet, wohingegen andere ausgeblendet werden), Teilung der Aufmerksamkeit (mehrere Reize werden gleichzeitig betrachtet) und Daueraufmerksamkeit/Konzentration (Die Aufmerksamkeit wird über einen längeren Zeitraum in Bezug auf den/die gleichen Prozess/e aufrechterhalten) umschließt.

2.2.1 Der Zusammenhang von Motivation und Aufmerksamkeit

Die Fähigkeit Aufmerksamkeit ist bei SuS mit ADHS abhängig von der Motivation. Diese ist ausschlaggebend dafür, auf was, wie lange und mit welcher Intensität sie sich auf etwas konzentrieren können. „Motivation hängt bei ADHS von der subjektiven, rein emotionalen Bewertung des Betroffenen ab, der seiner Gefühlslage regelrecht ausgeliefert zu sein scheint“[9]. Somit kann auch die Aufmerksamkeit nur, wenn überhaupt, unzureichend situationsgerecht angepasst werden. Dies führt insbesondere durch die Konfrontation mit dieser Anforderung im System Schule zu Problemen. Im Folgenden werden Aspekte der Problementwicklung veranschaulicht.

2.2.1.1 Ablenkbarkeit

SuS mit ADHS weisen eine hohe Reizoffenheit auf. Stehen verschiedenen Reize zur Auswahl, verschiebt sich ihre Aufmerksamkeit unweigerlich in Richtung des attraktivsten Reizes. In der Schule führt dies zu Problemen, wenn Betroffene ihren Aufmerksamkeitsfokus nicht auf Unterrichtsinhalte richten. Entsprechend ist in diesen Fällen von Ablenkungen oder Unaufmerksamkeit die Rede, was im eigentlichen Sinne jedoch eine Verschiebung der Richtung des Aufmerksamkeitsfokus meint.

2.2.1.2 Intensität

Auch die Intensität der Aufmerksamkeit ist gebunden an die Motivation. Bei hoher, besonders intrinsischer, Motivation kann es ihnen gelingen, ausdauernd und konzentriert zu arbeiten, was mit einer in diesen Situationen guten Aufnahmefähigkeit und Gedächtnisleistung einhergehen kann – es kann hierbei sogar zum Phänomen der Hyperkonzentration kommen, einem äußerst effektiven Zustand, in dem störende Reize ausgeblendet werden. Werden jedoch, wie in der Schule üblich, Aufgaben von gestellt und diese als zwanghaft wahrgenommen, sinkt das Interesse und die Motivation. SuS mit ADHS suchen demnach sofort nach etwas Spannenderem und verschieben ihre Aufmerksamkeit auf attraktivere Reize. Es fällt ihnen sehr schwer sich dennoch ausdauernd situationsangepasst für nichtattraktive Reize zu motivieren und oder nach Ablenkungen zum Thema zurückzufinden. Es kommt zu den typischen Symptomen:

„Sie kann einfach nicht zuhören, er bring nie etwas zu Ende […] er ist wahnsinnig leicht ablenkbar, ohne Kontrolle oder Aufsicht bringt er überhaupt nichts zustande, dauernd muss sie ermahnt werden weiterzumachen, alles dauert ewig […] sie wirkt manchmal wie weggetreten“[10].

Unter diesen Aspekten seien im Folgenden Besonderheiten der ADHS-Symptomatik betrachtet, die einer Motivation für Unterrichtsinhalte hinderlich sein können und demnach im Kontext Schule eine effektivere Aufmerksamkeitsspanne verhindern.

2.2.2 Gründe geringer Motivation

SuS mit ADHS sind bestrebt, Ziele und damit verbundene Belohnungen schnellstmöglich zu erlangen und seltener bereit, längere, möglicherweise anstrengende Wege einzugehen um Erfolg zu haben. Besteht etwa bei als unattraktiv empfundenem Unterricht kein unmittelbar lohnendes Ziel (z.B. eine gute Note in der unmittelbar bevorstehenden Leistungsüberprüfung) wenden entsprechende SuS ihre Aufmerksamkeit attraktiveren Reizen zu. Auch Aufgaben, die besondere Anstrengungen trotz verzögerter Belohnung erfordern, werden als entsprechend unattraktiv wahrgenommen.

Inhalte, in denen sie ihrer Einschätzung nach nicht gut sind, werden ebenso als unattraktiv wahrgenommen und infolgedessen keine effektive Aufmerksamkeit mehr auf diese Themen verwendet. Sie geben daher leichter auf und versuchen diese Themen abzuhaken. Weiterhin können SuS mit ADHS Informationen aus dem Arbeitsgedächtnis nur unzureichend in das Langzeitgedächtnis übertragen und sich daher weniger auf einmal merken. Daraus resultieren Schwierigkeiten mit bestimmten Aufgabentypen, wie etwa Aufgaben, bei denen nacheinander eintretende Informationen in Verbindungen gebracht werden müssen. Entsprechend anspruchsvollere Aufgaben werden als wenig attraktiv wahrgenommen.

Des Weiteren neigen Betroffene zu spontanen, überschießenden Gefühlsreaktionen und laufen Gefahr, sich beeinflussen, mitreißen oder manipulieren zu lassen. Gemeinsam mit ihrer hyperaktiven Unruhe (starker Rede- und Bewegungsdrang) können Unterrichtsstörungen entstehen. Aufgrund der genannten Aspekte weisen SuS mit ADHS ungünstige Leistungsvoraussetzungen auf, die zu Leistungsproblemen führen können.

2.2.3 Negative Leistungserlebnisse

Leistungsprobleme werden begünstigt durch Defizite in der Handlungsorganisation. SuS mit ADHS denken und handeln wenig strategisch und wenden keine Lern- oder Problemstrategien an. Es bestehen Probleme, sich die Zeit richtig einzuteilen. Sie sind selten in der Lage Prioritäten zu setzen und schieben Aufgaben oftmals hinaus. Durch die symptomtypischen Schwierigkeiten der Selbstreflexion erleben sie keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Anstrengung und Ergebnis. Resultierende Misserfolge senken die Motivation und damit Aufmerksamkeitsintensität gegenüber dem negativ konnotiertem Thema zusätzlich.[11] Es kommt zu den im letzten Punkt angesprochenen Vermeidungsstrategien, Betroffene neigen dazu aufzugebengeben, was eine Verbesserung der Leistung verhindert. Abgelehnte, unattraktive Aufgaben zu entsprechenden Inhalten werden, wenn überhaupt, nur unter Druck erledigt, wodurch geringere Lerneffekte entstehen. Zusätzlich verstärkt die mögliche Kritik von Eltern oder Lehrer diese Problematik.

„Durch die Misserfolge und die vielen negativen Reaktionen vom Umfeld ergibt sich bei den Kindern eine subjektiv verminderte Handlungsmotivation. Dadurch vermindert sich ihre Konzentrationsfähigkeit und sie werden leichter ablenkbar, was zu weiterer Kritik von außen führt. Subjektiv problematische Situationen und Tätigkeiten werden entsprechend von den Kindern zunehmend vermieden“[12].

2.2.4 Interaktion der Umwelt

Die sozialen Reaktionen spielen somit eine große Rolle, „die Art und Weise, wie Lehrer mit den häufigen Verhaltens- und Lernproblemen umgehen, wie passend und wie wirkungsvoll ihre Erziehungsmaßnahmen sind, hat ebenfalls entscheidenden Einfluss auf den weiteren Lebensweg“[13]. Durch dauerhafte negative Interaktionen kann es zu Krisen kommen, in deren Folge das Selbstwertgefühl gefährdet ist und es zu einer geringen Frustrationstoleranz, bzw. zu einer generellen Ablehnung des Settings Schule kommen kann. „Bei mehr als 80% der Betroffenen entstehen im weiteren zusätzliche Probleme – in der Fachsprache Komorbiditäten genannt – in Form von Störungen des Sozialverhaltens, von Angst, Somatisierungs- und depressiven Störungen“[14]. Betroffene sollten daher nicht alleine gelassen werden mit ihren Problemen, es bedarf der fachkundigen Unterstützung durch Lehrer. Es sollte sich ein Vertrauensverhältnis zwischen Lehrer und Schüler entwickeln, in dem Ziele gemeinsam erreicht werden. Die Betroffenen sollten Sicherheit erhalten und spüren, dass sie trotz ihrer Probleme gemocht werden. Positive Interaktionen fördern die Zusammenarbeit und Motivation.

3. Pädagogische Einwirkungen

Es lässt sich zusammenfassen, dass die Aufmerksamkeit von SuS mit ADHS einem Thema gegenüber unmittelbar von der diesbezüglichen Motivation abhängig ist und die Fähigkeit, sich willentlich situationsgerecht auf bestimmte Aspekte zu konzentrieren eingeschränkt ist.

Dies ist nur schwer mit dem System Regelschule und dessen Verhaltens- und Leistungsanforderungen vereinbar, es entstehen Probleme, die durch verschiedene Aspekte der ADHS-Symptomatik begünstigt werden. Aus den anfänglich beschrieben Ursachen von ADHS wird ersichtlich „dass für das Ausmaß und die Verfestigung dieser Auffälligkeiten soziale Verstärkungsbedingungen wie auch soziales Lernen im Umfeld des Kindes mitentscheidend sind“[15], was den Ausgangspunkt für eine fördernde pädagogische Einflussnahme bildet. Da SuS mit ADHS eine hohe Reizoffenheit aufweisen empfiehlt es sich, die Störreize zu minimieren um Ablenkungen und Aufmerksamkeitsunterbrechungen vorzubeugen.

3.1 Strukturen

Klassen mit überschaubarer Schüleranzahl und wenigen anderen unruhigen SuS sind für SuS mit ADHS von Vorteil. Die Gefahr, sich von Unruhe anstecken zu lassen, ist somit begrenzter, des Weiteren kann der Lehrer schneller Einfluss nehmen und ihre Aufmerksamkeit lenken. Dies geschieht im besten Fall nonverbal, da auf diese Weise Kritik oder Bloßstellen weiterstgehend vermieden werden kann. Wirksam um die Aufmerksamkeit des Schülers jedoch erst einmal zu bekommen ist ein direktes Anreden mit dem Namen.

SuS mit ADHS fällt es schwer, sich auf neue, sich verändernde, Situationen einzustellen – viele ungewohnte Reize bedeuten viele attraktive Möglichkeiten für Ablenkungen. Lehrer haben die Möglichkeit mithilfe von Strukturen ein geeignetes Umfeld zu schaffen, um ihnen Orientierung und Sicherheit zu geben. Unterrichtssituationen sollten im Vorhinein so arrangiert werden, dass die Möglichkeit, sich ablenken zu lassen, bereits limitiert ist. Beispielhaft wäre hierfür ein Sitzplatz direkt vor dem Lehrer mit frontalem Blick auf die Tafel, so dass der Schüler wenigen Störreizen ausgesetzt ist. Auch Fensterplätze bieten diesbezügliches Ablenkungspotential. Als weitere Maßnahme kann ein Banknachbar gewählt werden, der als besonders gutes Modell für gewünschtes Verhalten dienen kann. Im Sinne Banduras Theorie des sozialen Lernens kann hierbei von einem positiven Einfluss ausgegangen werden, wenngleich bedacht sein muss, dass sich auch eine negative Beeinflussung des “guten Modells“ entwickeln kann. Entsprechende Organisationsformen sollten eingeschliffen werden, sie machen den Umgang durch routinehafte Abläufe effizienter, SuS können auf vertraute Reize und Handlungsmuster zurückgreifen. Eine weitere diesbezügliche Möglichkeit sind Rituale, etwa das Aufstehen und die Begrüßung zu Beginn der Unterrichtsstunde. Möglich ist aber auch ein kurzes Klingelzeichen, um Konzentrationsphasen einzuleiten oder das Handzeichen “Schweigefuchs“, um zu verdeutlichen, dass die SuS jetzt leise sein sollten. Die vorgestellten Maßnahmen sind mit dem Ziel verbunden, Ablenkungen vorzubeugen.

Im Folgenden wird untersucht, wie SuS motiviert werden können, um weniger abgelenktes Verhalten im Unterricht zu zeigen. Damit sind die konkreten Ziele verbunden, die Aufmerksamkeitsspanne der SuS zu erhöhen und Unterrichtsstörungen zu minimieren. Die Grundlage dafür bildet die Feststellung, dass die Motivation abhängig ist vom Ziel der Aufmerksamkeit. Je attraktiver dieses ist, desto höher die Motivation, desto intensiver die Konzentration und desto effektiver die Ausblendung von Störreizen. Als Ausgangspunkt entsprechender Konzepte dienen Regeln.

3.2 Regeln

„Unklare Regelungen und ungeordnete äußere Bedingungen erhöhen das Ausmaß der Ablenkbarkeit und verhindern den Aufbau von stabilen äußeren und inneren Strukturen“[16]. Auf Grundlage bisheriger Beobachtungen des Lehrers sollten daher gemeinsam in der gesamten Klasse Regeln vereinbart werden, die das Sozialverhalten regulieren. Mit SuS mit ADHS können wenige zusätzliche Regeln vereinbart werden (SuS und Lehrer sind ein Team und haben das gleiche Ziel. Dadurch, dass der Betroffene die Regeln mitbestimmt, steigt seine Bereitschaft diese auch zu verfolgen). Die erarbeiteten Strukturen, Regeln und Pläne sind mit klaren aber vor allem realistischen Zielen verbunden (Erfolgserlebnisse müssen besonders zum Anfang realistisch sein – die Motivation in bestimmter Weise zu handeln steigt, je größer die Wahrscheinlichkeit ist, dadurch das damit verbundene Ziel zu erreichen) und sollten möglichst positiv formuliert sein. Jederzeit sollte sichtbar sein, welches Verhalten in welchen Situationen zu welcher der ebenfalls gemeinsam festgelegten Konsequenz führt. Es empfiehlt sich daher, die Regelungen offensichtlich im Klassenraum, z.B. auf Postern anzubringen. Der Lehrer hat hierbei eine kontrollierende Aufgabe, er muss dafür Sorge tragen, dass die Konsequenzen auch eingehalten werden können. Grundlage der folgenden Vorgehensweise ist die Theorie der operanten Konditionierung. Hierbei „lernt ein Organismus, bestimmte Verhaltensweisen mit bestimmten Konsequenzen zu assoziieren“[17].

3.2.1 Positives Verhalten verstärken

Um ein vom Lehrer beabsichtigtes Verhalten bei SuS mit ADHS zu erzielen, benötigen diese bei geringer intrinsischer Motivation externe Anreize. „Durch die Verhaltenspsychologie wissen wir, dass ein Verhalten […] umso häufiger auftritt, je positiver und angenehmer die handelnde Person […] dessen Konsequenzen erlebt“[18]. Bedacht werden muss bei positiven Konsequenzen für gewünschtes Verhalten, dass SuS mit ADHS Belohnungsaufschübe ablehnen, was dazu führen kann, dass sie stellenweise nicht einmal bis nach der Handlung warten wollen. Aber: „wenn Ihr Kind die Belohnung schon erhalten hat, kommt es dann fast zwangsläufig zum Konflikt, wenn das Vereinbarte auch tatsächlich getan werden soll“[19]. Somit sei dazu geraten, den Lohn erst als Folge des gewünschten Verhaltens unmittelbar nach der Handlung auszugeben. Als positive Konsequenzen oder Verstärker dienen z.B. konkrete Worte der Anerkennung. Diese sollten verhältnismäßig oft, jedoch nicht inflationär verwendet werden - SuS mit ADHS sind in der Regel sehr sensibel für Verhalten (auch durch Mimik und Gestik) und merken, ob ein Lob ernst gemeint ist oder nicht. Es ist daher besonders wichtig, dass Lob authentisch wirkt und auch in normalen Zusammenhängen unmittelbar vermittelt wird. Das Lob sollte dabei uneingeschränkt sein, somit ohne Bemerkungen wie „endlich!“ oder „warum nicht gleich so?“, da diese Formulierung ebenfalls einen Vorwurf beinhalten, der demotivierend wirkt. Eine weitere Verstärkungsmöglichkeit sind interessierte Fragen, auch diese dienen als eine Art Lob, da sie Interesse und Aufmerksamkeit bekunden. Es bedarf einer Vielzahl von positiven Konsequenzen, um diese nicht abzunutzen. Weitere Beispiele hierfür wären Anlächeln, Einklatschen oder positive Erwähnungen gegenüber Dritten, während der Betroffene es hört aber auch positive Einträge ins Hausaufgabenheft für die Eltern. Lehrer sollten die SuS dabei unterstützen, ihr eigenes positives Verhalten wahrnehmen zu lernen. Hinsichtlich der vereinbarten Regeln sollten die Konsequenzen vor einer Handlung jederzeit offensichtlich sein. SuS wählen diese anschließend mit ihrer Entscheidung. Zeigt sich diese in ungewünschtem Verhalten, empfiehlt es sich auch hier unmittelbar zu reagieren, da SuS mit ADHS verspätete negative Konsequenzen nicht mit ihrer Handlung in Verbindung bringen:

„Bedenken Sie bitte, dass nicht ihre Härte das Problem ist. Erzieherisch problematisch ist nur ein impulsives, emotionsgeladenes Strafen – und damit einhergehend die Gefahr, Ihrem Kind keine klare und verlässliche Orientierung zu geben […] Kinder erleben solches Verhalten jedoch als willkürlich, ungerecht und unfair, weil ihnen die Konsequenzen im Vorfeld nicht transparent gemacht wurden […] Bemühen sie sich […], so gelassen wie möglich zu handeln, reagieren Sie […] ohne Aggression, dann ist die Wirkung […] am größten“[20].

Entscheidungen sollten somit nicht aus dem Bauch heraus gefällt werden. Bei Störungen sollte freundlich aber bestimmt eingegriffen und klare, präzise Ansagen gemacht werden. Anstatt sich in Unterrichtssituationen auf eine Diskussion oder einen Machtkampf einzulassen ist es ratsam, an Regelungen zu erinnern[21], deren Konsequenzen ja bereits gemeinsam vereinbart wurden. Empfehlenswert ist ein Vorgehen im Sinne eines Schiedsrichters etwa mir Farbkarten. „1.(grün): das Verhalten wurde bemerkt; 2.(gelb): das Verhalten wurde wieder gezeigt und beim nächsten Mal kommt die vereinbarte Konsequenz; 3. (rot): Konsequenz folgt“[22]. Hierbei ist es hilfreich, im Vorhinein etwas leicht Unangenehmes als Konsequenz zu vereinbart zu haben, wie Wiedergutmachungen (z.B. Aufräumen oder Tafeldienst). Es kann aber auch, etwa bei Wutausbrüchen oder aggressivem Verhalten, Beruhigungszeiten (z.B. eigenständiger Gang ins Sekretariat) geben. Um ungewollte Verstärkungen zu vermeiden ist es bezüglich der vereinbarten Konsequenzen nötig, möglichst sicherzustellen, dass diese auch als negative Folgen empfunden werden. Reagiert ein Lehrer etwa damit, dass er dem unaufmerksamen und störenden Schüler eine Extraaufgabe gibt, hat dieser möglicherweise sein Ziel erreicht und nun eine willkommene Alternative zum aus seiner Sicht langweiligen Unterricht bekommen, was einer Verstärkung für sein negatives Verhalten gleichkommt. Stellenweise reicht die bloße mündliche Ermahnung von SuS aus, sie in ihrem störenden Verhalten zu bestärken, da sie dadurch die Aufmerksamkeit bekommen haben, die sie sich gewünscht haben. Eine kurzfristige Möglichkeit dies zu umgehen ist Ignorieren. In entsprechenden Situationen verstärkt der jeweilige Schüler erfahrungsgemäß das störende Verhalten. An dieser Stelle ist es notwendig nicht einzuknicken, selbst Blickkontakt sollte vermieden werden, da der Schüler ansonsten die Aufmerksamkeit bekommt, die er in dieser Situation haben möchte. Das Ignorieren birgt jedoch die Gefahr, dass es als ein Tolerieren des störenden Verhaltens missverständen werden kann und dieses z.B. durch lachende Mitschüler verstärkt wird[23]. Hierbei empfehlen sich Mechanismen der Theorie des sozialen Lernens. Es ist ratsam, andere zu loben, die sich wie gewünscht verhalten. Dies löst den Wunsch aus, auch zu den Gelobten zu gehören. „Durch Ignorieren wird das Verhalten des Schülers langfristig abgebaut. Er weiß jedoch nicht, was er stattdessen tun soll. Möchte man die Veränderung stabilisieren und ihm den richtigen Weg weisen, braucht er eine Rückmeldung darüber, was das erwünschte Verhalten ist“[24]. Dies kann erfolgen, sobald er sein Störverhalten beendet hat und sich wie gewünscht verhält.

Für uniformierte Lehrer besteht die Gefahr, bei Regelverletzungen Druck ausüben. Moralisieren, Bloßstellen, Anmeckern oder scheinbar willkürliches Strafen führt jedoch zu Vermeidungsstrategien, bei SuS mit ADHS kann dies zu Bocken, noch unruhigerem Verhalten oder Aggression führen. Auch Angstgefühle durch Druck oder lautes Schimpfen haben negative Konsequenzen. Sie führen bei Träumern zu Angst vor Schule, in dessen Folge sie versuchen, noch weniger aufzufallen, wodurch sie potentiell gefährdet sind unterzugehen.

Zusammenfassend lässt ist festzustellen, dass sich auf Grundlage unmissverständlich formulierter Vereinbarungen eine Kombination aus Verstärkermaßnahmen und milden Sanktionen als effektivster Weg der Erziehung erwiesen hat. Honoriert wird hierbei die Bereitschaft, Störreize auszublenden und dem Unterricht zu folgen. Es kommt somit zu Konzentrationsübungen, die auf eine Verbesserung eben jener Fähigkeit abzielen und Selbstregulationsmechanismen ansprechen. Stellvertretend für dieses Vorgehen werden im Folgenden drei Systeme vorgestellt, die diese Aspekte beinhalten und im Unterricht effizient verwendet werden können.

3.2.1.1 Wenn- Dann- Pläne

Grundlage dieses Systems ist der Wunsch von SuS sich in einer bestimmten Weise zu verhalten und dem Problem, dies nicht umsetzen zu können – dieses Phänomen, die Diskrepanz zwischen Wollen und tatsächlichem Handeln, wird als Intention-Behavior-Gap bezeichnet. „Ein Wenn-Dann-Plan hat das Format „Und immer wenn die Situation X eintritt, dann führe ich Handlung Y durch“ – die Handlung Y ist eine zielführende Handlung, das heißt, sie führt zum Ziel Z“[25]. Zunächst wird hierbei gemeinsam mit dem Betroffenen ein konkretes und vor allem realistisches Ziel vereinbart. Anschließend wird gemeinsam nach Lösungen und Wegen gesucht, die Ziele zu erreichen. Dabei werden Handlungsmöglichkeiten vereinbart, die bei bestimmten Situationen durchgeführt werden, z.B. „immer wenn aus dem Fenster gucken möchte, dann schreibe ich eine Information, die der Lehrer gerade sagt, in mein Heft“. Das Vorgehen des Wenn-Dann-Planes ermöglicht es, Verhalten zu automatisieren. SuS haben somit eine plangemäße Hilfe, wie sie in bestimmten Situationen reagieren. Identifizieren sich SuS mit diesem System, etwa durch Mitbestimmung der Regeln, zeigen Kinder mit ADHS „eine verbesserte Inhibitionsleistung, einen verbesserten Aufgabenwechsel und ein verbessertes Arbeitsgedächtnis, wenn sie vor der Erledigung einer laborexperimentellen Aufgabe gebeten werden, einen relevanten Wenn-Dann-Plan zu bilden“[26].

3.2.1.2 Punkteplan

Wiederum bilden auch bei diesen Modellen klare Verhaltensziele und Bedingungen die Grundlage. Als positive Konsequenz von Verhaltensweisen können SuS Punkte (in jüngeren Jahrgangsstufen auch in Form von Aufklebern oder Smileys) sammeln. Die bis zum Ende einer Woche gesammelten Punkte können anschließend gegen etwas Attraktives umgetauscht werden, z.B. im Sportunterricht die Erwärmungsübung bestimmen zu dürfen[27]. Aufgrund der Neigung, Belohnungen sofort zu erhalten, ist dieses System ist besonders attraktiv, wenn nicht zu viele Punkte gesammelt werden müssen und diese möglichst noch am selben Tag umgetauscht werden können. Hilfreich ist es weiterhin, wenn SuS die Wahl haben Punkte gleich gegen etwas Kleines zu tauschen oder sie zu sammeln um etwas noch Attraktiveres zu bekommen. Hierbei gelangen sie in einen Denkprozess, der ihre Vorausplanung anspricht und die Bereitschaft zu verzögerten Belohnungen verbessern kann.

3.2.1.3 Verstärkerentzugssystem

SuS bekommen in dieser Methode Vorschusspunkte, die als Folge unerwünschten Verhaltens entzogen werden können. Dies ist eine gute Möglichkeit im zeitknappen Unterrichtsgeschehen unmittelbare Konsequenzen für negatives Verhalten zu erteilen. Bis zum Ende einer festgelegten Zeitspanne übrig gebliebene Punkte können gegen eine Belohnung eingetauscht werden. Dieses System stellt „eine sehr gute Möglichkeit dar, Anreize und negative Konsequenzen so zu kombinieren, dass kurzfristig eine kleine Bestrafung entsteht, langfristig aber eine Belohnung in Aussicht gestellt bleibt“[28].

Die vorgestellten Verstärkungssysteme bieten die Chance, dass SuS auch bei unattraktiven Unterrichtsinhalten eine Bereitschaft zur Aufmerksamkeit entwickeln. Im Folgenden wird untersucht wie der Unterricht Rücksicht auf die Symptomatik der SuS mit ADHS nehmen kann und durch angepasste methodische und didaktische Maßnahmen Motivation für Lehrinhalte initiiert werden kann. Es stellt sich somit die Frage, wie Unterrichtsinhalte beschaffen sein müssen, um für SuS mit ADHS attraktiv zu sein und eine Konzentration auf die gewünschten Inhalte zu gewährleisten.

3.3. Unterrichtsgestaltung

Reformpädagogische Unterrichtsformen, denen die Idee des selbständigen und von Natur aus lernwilligen Kindes zugrunde liegt, führen in der Regel zu großen Problemen, da entsprechende Konzepte wie Wochenplan oder offener Unterricht ein hohes Maß an Selbstorganisation fordern, sich dies aber nur schwer mit der ADHS-Symptomatik vereinbaren lässt, die gerade diesen Ansprüchen nicht gerecht werden kann. Es kommt daher zu einer Aufmerksamkeitsverschiebung auf attraktivere Reize und einer geringen Aufmerksamkeitspanne für die eigentlichen Unterrichtsinhalte. Im Hinblick auf konkrete Unterrichtseinheiten berichten Lehrer, „dass die ADS-Kinder bei enger Führung, genauer Vorgabe der einzelnen am Tag zu erbringenden Arbeitsleistungen und sofortiger begleitender Kontrolle deutliche besser zurechtkommen. Kinder, die Schwierigkeiten haben, sich selbst zu strukturieren, das Arbeitspensum zu ordnen und die dazu neigen, sich zu verzetteln und abzudriften, können bei passender Führung und Begleitung immer häufiger den angestrebten Arbeitserfolg erleben“[29].

Es erscheint ratsam, die Methodentypen einzugrenzen. Einzelarbeit ist besonders in jüngeren Klassenstufen in der Regel effizienter als Gruppenarbeit, da Wechsel der Sozialform, Veränderungen und neue Reize bedeuten, die wiederum zu Ablenkungen führen. SuS mit ADHS arbeiten konzentrierter, wenn die einzelnen Unterrichtsphasen immer gleich chronologisch ablaufen, wobei alle Übergänge ankündigt werden sollten um Überraschungen und damit Unruhe vorzubeugen - vertraute Übungen versprechen konzentrierteres Arbeiten.

Situatives Interesse für Unterrichtsinhalte zu initiieren gelingt in der Regel jedoch durch neue, ungewohnte Reize, die Abwechslung bedeuten. Aufgrund der speziellen ADHS-Problematik ergeben sich jedoch gerade hier Probleme. Betroffene profitieren eher von der beschriebenen, vertrauten Umgebungen. Situatives Interesse kann für sie dennoch etwa durch besonders unerwartete Informationen zu Persönlichkeiten im Geschichtsunterricht und dem Bezug des Themas zur eigenen Lebenswelt erzielt werden[30]. Ein sinnvoller Weg ist die Berücksichtigung, dass SuS mit ADHS Informationen durch verschiedene Reizkanäle unterschiedlich gut aufnehmen. Akustische Signale können nur vergleichsweise schwer behalten werden. Besonders Frontalunterricht wird aus diesem Grund aus monoton und unattraktiv empfunden. Daher ist es ratsam, akustische Informationen mit visuellen zu verknüpfen. Dies wird als aufregender empfunden, was wiederum die Attraktivität und Aufmerksamkeit steigert.

Aufgrund der begrenzten Aufnahmefähigkeiten von SuS mit ADHS empfiehlt es sich, Lerninhalte in kleinere aufzuspalten und diese aufeinander aufzubauen. Dadurch wird verhindert, dass SuS durch eine Flut von Informationen und Reizen überfordert werden. Schließlich führen als zu anspruchsvoll empfundene Aufgaben bei SuS mit ADHS schnell zu Ablehnung und damit zu einer Aufmerksamkeitsverschiebung und einer Beschäftigungen mit anderen Dingen. Des Weiteren könnten bei kleinschrittigen Aufgaben schneller Erfolge vermittelt werden, was dem Bedürfnis nach schneller Belohnung Rechnung trägt und motiviert. Für mündliche Aufgabenstellungen ist es absolut ratsam, diese präzise und verständlich zu formulieren, da hierbei wiederum viele Informationen auf einmal in eine Verbindung gebracht werden müssen. Die Aufgabenziele sollten daher noch einmal langsam wiederholt und verdeutlicht werden. Schreibaufgaben sind für SuS mit AHDS besonders unattraktiv. „Der Schreibprozess selbst benötigt umfangreiche Kapazitäten im Arbeitsspeicher, der sowieso schon sehr begrenzt ist“[31]. Somit sollten alternative Übungsphasen angeboten werden, in denen Lerninhalte z.B. mithilfe von Lernkärtchen wiederholt werden können. Bei der Bearbeitung der Aufgaben sollten Betroffene begleitet und unterstützt werden, sie benötigen in vielen Fällen vielfältige Unterstützung.

Die vorgestellten Anpassungsmöglichkeiten des Unterrichts an die spezielle ADHS-Symptomatik eröffnet weiterhin eine gute Grundlage für Leistungsverbesserungen Betroffener.

3.4 Mehr Aufmerksamkeit durch gute Leistungen

SuS mit ADHS sind motivierter und damit aufmerksamer, wenn sie gut in etwas sind. Sie müssen Erfolge erleben, die anschließend auf ihre Anstrengung zurückgeführt werden – durch Erfolgserlebnisse steigt auch die Attraktivität bei entsprechenden Unterrichtsinhalten konzentriert zu arbeiten. Da intrinsische Motivation aus benannten Gründen nicht vorausgesetzt werden kann, sollten wiederum mithilfe externer Anreize Impulse für eine Bereitschaft zu lernen gesetzt werden. Hierfür ist eine deutliche Kooperation mit den Eltern gefragt. Geschieht das gewünschte Verhalten, der Schüler strengt sich an, wird dies unabhängig von den Noten durch Eltern und Lehrer honoriert und somit unmittelbar durch diese positiven Konsequenzen verstärkt.

„Werden Ads-Kinder unmittelbar und regelmäßig verstärkt, steigt ihre Leistung deutlich.“[32]. Auch kleine Fortschritte sollten hierbei stets vom Lehrer benannt und gelobt werden. Jederzeit sollte speziell die Anstrengung gewürdigt und als Grund schulischer Erfolgserlebnisse benannt werden um entsprechendes Verhalten zu stärken. Zusätzlich ist ein Nachteilsausgleich bei den Noten möglich.

4. Diskussion

Die vorgestellten Möglichkeiten bieten aus meiner Sicht sinnvolle Ansätze Aufmerksamkeitsverschiebungen zu vermeiden und auf Berücksichtigung der ADHS-Symptomatik Motivation für Unterrichtsinhalte zu initiieren, bzw. auf Grundlage der Verstärkungssysteme Selbstregulationsprozesse anzuregen. Sie bieten weiterhin den Vorteil, dass sie nicht nur für SuS mit ADHS geeignet sind, sondern Effekte bei allen SuS ermöglichen. Dennoch sei bedacht, dass hierbei Konsequenz und das Zusammenspiel zwischen Eltern und Lehrer effektive Erfolge ermöglicht. Aus meiner Sicht sinnvoll scheint aber ebenfalls die Zusammenarbeit der einzelnen Lehrer, so dass SuS mit AHDS weiter an Orientierung dadurch gewinnen, dass sie in allen Unterrichtsfächern die gleichen Vereinbarungen erwarten. Störreize durch die Umstellung von Fach zu Fach werden so vermieden. Durch ein gemeinsames hinsichtlich der Verstärkungssysteme wird das gewünschte Verhalten effektiv gefördert.

In Bezug auf diese Modelle sei darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um externe Motivationsmaßnahmen handelt. Die starke Lenkung und Kontrolle durch den Lehrer wiederspricht hierbei scheinbar dem Ideal einer Erziehung zur Selbstständigkeit. Diese wird jedoch durch im Sinne einer Verbesserung der Selbstregulation forciert. Hierfür bedarf es der Bereitstellung von Handlungsmöglichkeiten durch den Lehrer, um eine Identifizierung der SuS mit den Regeln und damit einen Einstellungswechsel zu initiieren. Das gemeinsame Vereinbaren der Regeln ist hierbei der erste Schritt und führt in der Regel bereits zu einer stärkeren Identifizierung. Die vereinbarten Handlungskonsequenzen sollten die SuS jederzeit vor Augen haben. Sie entscheiden mit ihrem Verhalten in entsprechenden Situationen, ob sie die negativen oder positiven Konsequenzen wählen – sie haben Handlungsmöglichkeiten. Diese Freiheit des Handelns ist elementar, da sie das psychologische Bedürfnis nach Selbstbestimmung anspricht, wodurch intrinsische Motivation für eine Handlung erst entstehen kann. Den gegenteiligen Effekt hätten als Druck wahrgenommene Maßnahmen, wie bloße Vorschriften. Autonome Entscheidungen hingegen, die möglichst durch Verstärkermechanismen (Anreize, Lob) des Lehrer dahingehend beeinflusst werden, dass die vom Lehrer gewünschte Alternative gewählt wird, sind die Grundlage dafür, dass den Handlungen zugrundeliegende Normvorstellungen in das Selbstkonzept integriert werden, wodurch eine Verhaltensregulation entstehen kann, die zu vermehrter Konzentrationsanstrengung führen kann. Dies ist allerdings ein langer Prozess, der eine hohe Bewusstseinsstufe der Betroffenen erfordert. Dennoch plädiere ich dafür, jenes Ziel in der Schule zu verfolgen, um ein bloßes Umgehen der Aufmerksamkeitsdefizite zu vermeiden. Ich halte es für sinnvoll, die schulischen Herausforderungen nicht auszuklammern, sondern SuS mit ADHS mit diesen unter besonderer Berücksichtigung ihrer Symptomatik zu konfrontieren und dabei zu unterstützen um die Notwendigkeit einer Anpassung und Verbesserung der Aufmerksamkeitsdefizite erst zu initiieren. Hierbei sollten positive Entwicklungen jederzeit anerkennend zum Ausdruck gebracht werden und diese auf interne Ursachen zurückgeführt werden. Dem Schüler sollte klar gemacht werden, dass er sein Verhalten durch z.B. Selbstdisziplin verbessert hat, wodurch Gefühle wie Stolz geweckt werden, die wiederum die intrinsische Motivation steigern, sich in entsprechender Weise zu verhalten.

[...]


[1] Der Ausdruck „Schülerinnen und Schüler“ wird im Folgenden durch die Abkürzung SuS verwendet.

[2] Lauth & Naumann: ADHS in der Schule, S. 32.

[3] Vgl. Neuhaus: ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, S.31.

[4] Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation, dessen Definition des Störungsbildes vergleichsweise eng gefasst ist. Folglich ist, bei Orientierung an diesem System, die Zahl der Betroffenen bei der Diagnose geringer als bei einer Diagnose mithilfe der Orientierung an DSM-IV. Vgl. Neuhaus: ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, S. 30.

[5] Klassifikationssystem für psychische Störungen der American Psychiatric Association.

[6] Vgl. ebd., S.80.

[7] Lauth & Naumann: ADHS in der Schule, S. 24.

[8] Ebd., S. 23.

[9] Neuhaus: ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, S. 39.

[10] Born & Oehler: "Gemeinsam wachsen" - der Elternratgeber ADHS, S. 29.

[11] Vgl. Mietzel: Operante Konditionierung, S. 160.

[12] Neuhaus: ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, S. 76.

[13] Born & Oehler: "Gemeinsam wachsen" - der Elternratgeber ADHS, S.33.

[14] Ebd., S.32.

[15] Lauth & Naumann: ADHS in der Schule, S. 24.

[16] Born & Oehler: Lernen mit ADS-Kindern, S. 55.

[17] Mietzel: Klassische Konditionierung, S. 140.

[18] Born & Oehler: "Gemeinsam wachsen" - der Elternratgeber ADHS, S. 69

[19] Born & Oehler: "Gemeinsam wachsen" - der Elternratgeber ADHS S. 79.

[20] Ebd., S. 80-81.

[21] Vgl. Ebd., S.123.

[22] Gawrilow, Guderjahn & Gold: Störungsfreier Unterricht trotz ADHS, S. 44.

[23] Vgl. Mietzel: Operante Konditionierung, S. 163.

[24] Hoberg: Schulratgeber ADHS, S. 169.

[25] Gawrilow, Guderjahn & Gold: Störungsfreier Unterricht trotz ADHS, S. 50.

[26] Ebd., S. 58.

[28] Hoberg; Schulratgeber ADHS, S. 194.

[29] Born & Oehler: Lernen mit ADS-Kindern, S. 74.

[30] Vgl. Mietzel: Aktivierung situativen Interesses, S. 384-388.

[31] Born & Oehler: Lernen mit ADS-Kindern, S.55.

[32] Ebd., S. 67.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
ADHS-Schüler im Unterricht. Strategien der Konzentrationsförderung
Hochschule
Philipps-Universität Marburg
Note
2,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
19
Katalognummer
V309413
ISBN (eBook)
9783668077867
ISBN (Buch)
9783668077874
Dateigröße
508 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ADHS, Konzentrationsförderung, Schule, Lehrer
Arbeit zitieren
Dennis Wibran (Autor:in), 2014, ADHS-Schüler im Unterricht. Strategien der Konzentrationsförderung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/309413

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