Einleitung
Wer von Nikolaus von Kues spricht, meint damit oft in verkürzender Gleichsetzung seinen Gedanken des Zusammenfalls der Gegensätze (coincidentia oppositorum), der damit mitttlerweile zu einem Bonmot avanciert ist und zu vielen passenden und weniger passenden Gelegenheiten zitiert wird. Was genau sich aber hinter dem Denker des ausgehenden Mitttelalters verbirgt, ist meistens unbekannt – zumindest bei den weniger passenden Gelegenheiten. Nun will die vorliegende Arbeit in keinster Weise den Anspruch erheben, dieses Unverständnis ein für allemal zu beenden. Sie will vielmehr den einen oder anderen Gedanken zu einem der cusanischen Hauptwerke, der Docta ignorantia, und darin besonders zur cusanischen Christologie aufnehmen, ausführen und gegebenenfalls weiterführen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Abgeschlossenheit. Vieles des hier Geschriebenen basiert auf den Diskussionen innerhalb der einzelnen Seminarsitzungen, manches auf eigenen Überlegungen und manches auf der Lektüre von ausgewählter Sekundärliteratur, deren Verzeichnis genauso wenig wie die Arbeit selber Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Cusanus ist insofern Philosoph als er in seinen Überlegungen von der Erkenntnislehre ausgeht und danach fragt, wie die Erkenntnis Gottes möglich sein kann, wenn Gott doch der Unerkennbare ist. Inwiefern auch seine Christologie philosophisch ist, bzw. inwiefern Christologie philosophisch sein muss, ist Thema der folgenden Seiten. Dabei gehe ich von der These zur Christologie des Cusaners aus, wie sie E. CASSIRER formuliert hat: „In Wahrheit ist die Einführung und die spekulative Behandlung der Christus- Idee innerhalb der Schrift ,de docta ignorantia’ so wenig ein äußerer Annex, daß sie vielmehr die bewegende Kraft in Cusanus’ Denken erst vollständig zur Entfaltung und Äußerung bringt.“1
Nach einer ersten Erörterung der Grundthese der christologischen Durchdringung des cusanischen Denkens und einer knappen Einordnung der Kapitel 1-4 des dritten Bandes der Docta ignorantia in das Gesamtwerk werfe ich einen Blick auf die Bedeutung des maximum concretum et absolutum in seiner Mittlerfunktion zwischen maximum absolutum und maximum concretum. Daran schließt sich logisch die Zwei-Naturen-Lehre in der Tradition der Formulierung von Chalkedon an: Inwiefern ist Jesus Christus Mensch? Inwiefern muss er Mensch sein? Inwiefern ist er Gott – und als Gott Gott in seiner zweiten Person? Inwiefern spielt Gott als Gleichheit der Einheit hier eine Rolle?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Cusanisches Denken ist durch und durch christologisch
- Das ,,Maximum Absolutum“
- Das ,,Maximum Contractum“
- Das ,,Maximum Absolutum et Contractum“
- Das Maximum Absolutum et Contractum ist Jesus Christus in hypostastischer Union
- Ist cusanisches Denken durch und durch christologisch?
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der cusanischen Christologie und untersucht deren Bedeutung im Gesamtwerk des Nikolaus von Kues, insbesondere im dritten Band der Docta ignorantia. Die Arbeit analysiert die Rolle von Jesus Christus als Einheit von Schöpfer und Geschöpf im Rahmen der cusanischen Philosophie.
- Die zentrale Bedeutung der Christologie für das Denken des Cusanus
- Das Maximum Absolutum, Maximum Contractum und ihre Rolle in der cusanischen Christologie
- Die Inkarnation Christi als Vollendung der Schöpfung
- Die anthropologischen Aspekte der cusanischen Christologie
- Die Kritik an der Eingangsthese der christologischen Durchdringung des cusanischen Denkens
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Cusanisches Denken ist durch und durch christologisch: Dieser Abschnitt untersucht die zentrale Bedeutung der Christologie im Denken des Cusanus. Es wird auf die Thesen von E. Cassirer und R. Haubst eingegangen, die die Christologie als tragende Säule des cusanischen Denkens hervorheben.
- Kapitel 2: Das ,,Maximum Absolutum“: Dieser Abschnitt befasst sich mit dem Begriff des Maximum Absolutum, das als Gott, als unendliche Einheit und absolute Wirklichkeit verstanden wird.
- Kapitel 3: Das ,,Maximum Contractum“: Dieses Kapitel analysiert den Begriff des Maximum Contractum, der als das höchste und vollkommenste Wesen, das die Welt enthält, verstanden wird. Er repräsentiert die geordnete und konkrete Welt, die als Ergebnis der Gotteserkenntnis begriffen werden kann.
- Kapitel 4: Das ,,Maximum Absolutum et Contractum“: Dieser Abschnitt untersucht die Verbindung zwischen Maximum Absolutum und Maximum Contractum, die in Jesus Christus als Einheit von Schöpfer und Geschöpf verwirklicht wird.
- Kapitel 5: Das Maximum Absolutum et Contractum ist Jesus Christus in hypostastischer Union: Dieser Abschnitt befasst sich mit der Rolle von Jesus Christus als Maximum Absolutum et Contractum. Es wird die christologische Lehre von der Zwei-Naturen-Lehre in der Tradition von Chalkedon behandelt.
Schlüsselwörter
Schlüsselwörter dieser Arbeit sind Nikolaus von Kues, Docta ignorantia, Christologie, Maximum Absolutum, Maximum Contractum, Inkarnation, Schöpfung, Gott, Mensch, Zwei-Naturen-Lehre, Einheit, hypostastische Union.
- Arbeit zitieren
- Theresia Klein (Autor:in), 2004, Jesus Christus als Einheit von Schöpfer und Geschöpf. Eine Untersuchung der cusanischen Christologie in De docta ignorantia III Kapitel 1-4, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30963