Diese Bachelorarbeit beschäftigt sich mit den Unterschieden und Gemeinsamkeiten der Sozialen Arbeit zwischen Deutschland und China. Infolge der wirtschaftlichen Globalisierung hat sich die zwischennationale menschliche Beziehung transparenter und interkultureller als je zuvor verändert. Die Veränderung führt die Möglichkeit und Chance für einen intensiven internationalen Austausch und eine Kooperation auch im Bereich der Sozialen Arbeit herbei. Zeitgleich fanden zahlreiche soziale Probleme Zugang in die Gesellschaft. Dies impliziert die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit der Sozialen Arbeit im internationalen Austausch.
Geschichtlich ist Soziale Arbeit schon immer international, zumindest aber grenzüberschreitend angelegt. Seit der Eröffnung der Internationalen Konferenz für Wohlfahrtspflege und Sozialpolitik, die 1928 in Paris stattfand, wurde der erste Höhepunkt der Internalisierung der Sozialen Arbeit erreicht. Seitdem werden regelmäßige Zusammentreffen auf internationaler Ebene durchgeführt. Abgesehen von unterschiedlichen nationalen Interessen und politischen Rahmbedingungen sind alle SozialarbeiterInnen in dem Ziel vereint, Menschen unabhängig von Ihre Herkunft gleich und gerecht zu behandeln und Hilfe anzubieten. Das Ziel wird aber auf Grund der politisch-gesellschaftlich-kulturellen Anliegen staatlich unterschiedlich umgesetzt.
Hinsichtlich der gegenwärtigen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Rahmbedingungen scheint auf dem ersten Blick ein Vergleich der „Sozialen Arbeit“ in den beiden Ländern nur schwer möglich zu sein. Zu unterschiedlich der geschichtliche Gang dieser Staaten, zu unterschiedlich ihre politisch/sozialen Entwicklungen. Aber mit geschärftem Blick auf die historischen Entwicklungen, ihren Entstehungsbedingungen - und hier im Besonderen der Sozialen Arbeit in Deutschland und China - sollte es gelingen, neben den zu erwartenden Unterschieden auch Gemeinsamkeiten zu finden. Dies wird sicherlich in geeigneter Weise dazu beitragen, Zugang, Austausch und Kooperation zu qualifizieren.
Inhaltsverzeichnis
1.Einführung
2.Soziale Arbeit in Deutschland
2.1.Mittelalter und Neuzeit - von Nächstenliebe des Gottes zur Zwangsarbeit
2.1.1 Zusammenfassung
2.2 Industrialisierung - Umbruch zu moderner Sozialer Arbeit (1800-1871) ...
2.2.1 Zusammenfassung
2.3 Von Bismarcks bis zur Weimarer Republik (1871- 1933)
2.3.1 Zusammenfassung
2.4 Nationalsozialismus (1933-1945)
2.5 Die Jahre nach 1945
3. Soziale Arbeit in China
3.1 Ein kurzer Überblick auf die vorgeschichtlichen Entwicklungen der Sozialen Arbeit in China vor 1949
3.2 Konfuzianismus
3.1.1 Gemeinschaft vs. Individuum
3.1.2 Respekt vor der Hierarchie
3.1.3 Erziehbarkeit der Menschheit
3.1.4 Harmonie
3.1.5 Familien
3.1.6 Clan
3.3 Gesellschaftliche und wirtschaftliche Hintergründe von 1949 bis 1978
3.3.1 Anfang der sozialen Sicherung
3.3.2 Zusammenfassung
3.4 Gesellschaftliche und wirtschaftliche Reformen (1978- Anfang des 21. Jahrhunderts)
3.4.1 Reform der sozialen Sicherungssysteme
3.5 Gründung und Entwicklung der modernen Sozialen Arbeit
3.5.1 Sozialpolitik
3.5.2 Familiengesetze
3.5.3 Ausbildung der Sozialen Arbeit
3.5.4 Zusammenfassung
4. Gemeinsamkeiten und Unterschiede
4.1 Gemeinsamkeiten
4.1.1 Allgemeine Verständnisse der Sozialen Arbeit
4.1.2 Die gesamte Betrachtung der Entwicklung der Sozialen Arbeit
in Hinsicht auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen
4.2 Unterschiede
4.2.1 Das „Soziale“ und die „Gesellschaft“
4.2.2 Geografische und kulturelle Unterschiede
4.2.3 Menschenrechte
4.2.4 Verwaltung
4.2.5 Träger der Sozialen Arbeit
4.2.6 Ausbildung
5.Ist ein Dialog sinnvoll?
Literaturverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1.Einführung
Infolge der wirtschaftlichen Globalisierung hat sich die zwischennationale menschliche Beziehung transparenter und interkultureller als je zuvor verändert. Die Veränderung führt die Möglichkeit und Chance für einen intensiven internationalen Austausch und eine Kooperation auch im Bereich der Sozialen Arbeit herbei. Zeitgleich fanden zahlreiche soziale Probleme Zugang in die Gesellschaft. Dies impliziert die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit der Sozialen Arbeit im internationalen Austausch.
Geschichtlich ist Soziale Arbeit schon immer international, zumindest aber grenzüberschreitend angelegt. Seit der Eröffnung der Internationalen Konferenz für Wohlfahrtspflege und Sozialpolitik, die 1928 in Paris stattfand, wurde der erste Höhepunkt der Internalisierung der Sozialen Arbeit erreicht. Seitdem werden regelmäßige Zusammentreffen auf internationaler Ebene durchgeführt. Abgesehen von unterschiedlichen nationalen Interessen und politischen Rahmbedingungen sind alle SozialarbeiterInnen in dem Ziel vereint, Menschen unabhängig von Ihre Herkunft gleich und gerecht zu behandeln und Hilfe anzubieten. Das Ziel wird aber auf Grund der politisch-gesellschaftlich-kulturellen Anliegen staatlich unterschiedlich umgesetzt.
Um die Unterschiede, aber auch die Gemeinsamkeiten im Bereich der Sozialen Arbeit exemplarisch zu erläutern, habe ich ein Land aus Fernost und ein Land der westlichen Zuordnung ausgewählt - China und Deutschland.
Hinsichtlich der gegenwärtigen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Rahmbedingungen scheint auf dem ersten Blick ein Vergleich der „Sozialen Arbeit“ in den beiden Ländern nur schwer möglich zu sein. Zu unterschiedlich der geschichtliche Gang dieser Staaten, zu unterschiedlich ihre politisch/sozialen Entwicklungen. Aber mit geschärftem Blick auf die historischen Entwicklungen, ihren Entstehungsbedingungen - und hier im Besonderen der Sozialen Arbeit in Deutschland und China - sollte es gelingen, neben den zu erwartenden Unterschieden auch Gemeinsamkeiten zu finden. Dies wird sicherlich in geeigneter Weise dazu beitragen, Zugang, Austausch und Kooperation zu qualifizieren.
In der Fachpraxis findet die Kooperation zwischen den beiden Ländern eigentlich schon lange statt. Z.B. führt das Bischöfliche Hilfswerk Misereor in Aachen bereits seit Jahren über 100 Projekte in China durch und hat auch ein Master Projekt zwischen den Universitäten von Hongkong und Peking unterstützt.
Bevor wir näher auf das Thema eingehen, ist es sinnvoll, sich zuerst mit der Entwicklung der Sozialen Arbeit in beiden Ländern zu beschäftigen und sie sich näher zu führen. Der Begriff „Soziale Arbeit“ stammte ursprünglich aus den Westen. Die Entwicklung der Sozialen Arbeit in Deutschland hat eine wesentlich längere Geschichte als in China. Wenn man von der Sozialen Arbeit Chinas spricht, sollte man zuvor über die Entwicklung der Sozialen Arbeit in Deutschland grundständig informiert sein. Eine Darstellung der Geschichte ohne Rücksicht auf die jeweiligen politischen und sozialen Zustände ist insgesamt nur schwer vorstellbar. Von daher wird der Zustand der Gesellschaft im jeweiligen geschichtlichen Abschnitt ebenfalls kurz erläutert.
Danach widme ich mich im zweiten Teil dieser Arbeit der Entwicklung der Sozialen Arbeit Chinas.
Während Deutschland fest verbunden in der Tradition christlich-abendländischer Kultur steht und prinzipiell die ethische Werthaltungsgrundlage der Sozialen Arbeit daraus ableitet, ist die Wichtigkeit des Konfuzianismus für das Bilden der chinesischen - traditionellen Ethik kaum zu übersehen. Über tausende von Jahren hinweg beeinflusst sie nach wie vor sehr stark die ethische Identität in der chinesischen Gesellschaft.
Nach der ersten Blüte der Sozialen Arbeit in den 1920er Jahren folgte dann die Mao-Zeit (von 1949 -1976), in der die sozialen Probleme vor allem "robust"- massiv und kollektiv gelöst wurden. Als Konsequenz dieser politischen Periode wurde die erste Phase der Entwicklung Sozialer Arbeit im westlichen Verständnis und nach dessen Vorbild in den 1950er Jahren schließlich aus der chinesischen Geschichte getilgt. Stattdessen entstanden nun der politischen Zeit angepasste, spezifisch chinesisch - volksrepublikanisch geprägte nationale Versorgungssysteme. Infolge der ökonomischen Reformen, die von Deng Xiaoping seit 1979 eingeleitet wurden, entwickelte sich etwa zur Mitte der 80er Jahre hin eine neue, zweite Blütezeit der Sozialen Arbeit Chinas. Natürlich auch aufgrund der massiven wirtschaftlichen Entwicklung, eines gar die Weltwirtschaft antreibenden Booms, wird der quantitative und qualitative Ausbau der sozialen Arbeit in China rasch vorangetrieben. Wegen der geografischen Besonderheit eines extrem großen Staates wird es zukünftig ausschlaggebend sein, Soziale Arbeit in den ländlichen Gebieten, den Städten und spezifisch - regional fachlich zu nivellieren. Zurzeit existiert sie noch in sehr unterschiedlichen Formen und Praxisanwendungen.
Anschließend komme ich zur Zusammenfassung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Sozialen Arbeit in China und Deutschland. Zu guter Letzt stelle ich die Wege zur Kooperation heute und für die nahe Zukunft noch kurz dar.
2. Soziale Arbeit in Deutschland
eine historische Betrachtung
Nach der Erläuterung von Carola Kuhlmann “ beginnt Soziale Arbeit in dem Moment, in dem die Menschen diese Hilfsleistung als ihre Arbeit begreifen und ausgestalten, also nicht aus freundlichen, verwandtschaftlichen oder nachbarschaftlichen Gründen helfen. Soziale Arbeit ist eine organisierte Form der Hilfeleistung, in der sozial Arbeitende für die schwächeren Mitglieder einer Gemeinschaft sorgen.“ (C. Kulmann 2008, S.11)
Aufgrund dessen ist die Geschichte der Sozialen Arbeit in Deutschland zunächst zum Mittelalter zurückzuführen.
Später konnte infolge der sich verdichtenden Armut die soziale Hilfsarbeit in Form laienhafter Nächstliebe nicht mehr gewährleistet werden. Statt der rein privaten, freiwilligen Hilfe intervenierte der Staat in zunehmendem Maß gegen die um sich greifenden Armutsfolgen. Gleichermaßen stieg die Nachfrage nach wissenschaftlich ausgebildeten Fürsorgerinnen stetig an.
Darüber hinaus wurde diese Zeit von der Gründung des deutschen Reiches bis zur Weimarer Republik noch besonders tiefgreifend von den zahlreichen sozialen Bewegungen geprägt, u.a. durch die Arbeiterbewegung und Frauenbewegung. Ein wichtiger Faktor in der Geschichte der Sozialen Arbeit hängt in Deutschland jedoch eng mit der Initiative der bürgerlichen Frauenbewegung zusammen. Die moderne Soziale Arbeit beginnt allerdings erst im deutschen Reich in Verbindung mit der Entstehung des Sozialstaates.
2.1 Mittelalter und Neuzeit - von Nächstenliebe des Gottes zur Zwangsarbeit
Im Mittelalter hatten Landherren außer des traditionellen Familienverbands die Pflicht, ihren Bauern und Handwerkern über schlechte Zeiten zu helfen. Die wenigen, die ihre Herren verließen und möglicherweise in dieser Folge in Armut verfielen, wurden in der Öffentlichkeit als „ die Armen“ von der Gesellschaft angenommen. (vgl. R. Landwehr/R. Baron 1983,S.11)
Eine erste Auseinandersetzung der Armutsforschung begann bereits im Mittelalter zunächst in den kirchlichen Einrichtungen. Dort wurde Armut einerseits nach der der Almosenlehre des Thomas von Aquin (1225-1274) vom Christentum als gottgewollt impliziert. Weil eine wirtschaftswissenschaftliche Ursache der Armut zu diesem Zeitpunkt noch unbekannt war, interpretierte die katholische Lehre Armsein andererseits sogar als „ein Bußsakrament, das es anzustreben galt.“ “Somit war das Almosengeben ein Akt christlicher Nächstenliebe geworden.“(N. Belardi 1993 S. 21)
Unter diesem Motto entwickelten sich zugleich erste Hilfseinrichtungen, die meisten geführt durch Kirchen; zum späteren Zeitpunkt auch als kommunale Institutionen gegründet. Klöster, Spitäler und Findelhäuser, in denen Alte, Kranke und Waisenkinder versorgt wurden, fanden ein breites Betätigungsfeld. Sie gelten anschließend als Vorläufer der modernen sozialen Institutionen, die wir heute kennen. (vgl. C. Kuhlmann 2008, S.17).
Infolge der nachfolgenden verheerenden Auswirkung des 30 jährigen Krieges wie Seuchen und Hungersnöte, zogen stetig mehr arme Leute in die wohlhabenden Städte. Das Anwachsen der Armenpopulation in den Städten wurde in der Folge für die wirtschaftliche Entwicklung tendenziell zum großen Problem. (vgl. N. Belardi 1993, S. 27)
Ebenfalls problematisch breiteten sich in der Neuzeit noch die „falschen“ Bettler besonders in den Städten aus. Nach den Vorschlägen von Juan Luis Vives wurden die ,echten' und einheimischen Bettler deshalb „ von ehrenamtlichen Armenpflegern in einem Armenbuch registriert.“ “ Falsche und fremde Bettler wurden zur Strafe und als Abschreckung gebrandmarkt und verstümmelt“. (N. Belardi 1993, S.22)
Letztendlich hing das Verständnis von Armut nun nicht mehr mit der Barmherzigkeit oder der Hinwendung zum Nächsten zusammen, es wurde sondern als „menschliches Versagen“ (C. Kulmann, 2008, S.19) definiert. Besonders „ kritisierten noch Lutheraner und Calivinisten „die Faulheit der Armen Daraus ergab sich, dass Armut ein Zustand war, der Gott nicht gefiel und aus dem sich der Einzelne durch Fleiß und Sparsamkeit befreien sollte.“ (Ebd. S.23-24) Nach diesem Motto wurde „im Jahre 1673 in Nürnberg das erste deutsche Zuchthaus“ erbaut. (N. Berladi 1993, S.27) Die Insassen wurden anschließend nach den besonderen wirtschaftlichen Interessen der Landherren zur Arbeit gezwungen.
2.1.1 Zusammenfassung
In Bezug auf die Soziale Arbeit ist es dabei besonders wichtig zu erwähnen, dass Vives schon lange vorher in seinen Schriften auf die Wichtigkeit der Bildung hingewiesen und zugleich noch die besondere Verantwortung reicher Bürger und der Regierenden hervorhob.
Die Erziehungsfunktion der Zuchthäuser spielte in der Folgezeit eine sehr große Rolle für die Herausbildung eines pädagogischen Verständnisses für soziale Problemstellungen. Es wurde „verstanden als der Versuch, soziale Problemlagen durch Verhaltensanforderungen an Subjekte zu beseitigen.“ (N. Belardi 1993, S. 35)
Als Deutschland den Wandel zu Bürgertum und Bürgergesellschaft vollzog, war China immer noch feudalistisch geprägt und fern jeder Gedanken, aus der Dynastie heraus eine auf bürgerliche Emanzipation bedachte Gesellschaft zu entwickeln, weil in China aus Sicht der Herrschenden seinerzeit „ der Wert eines individuellen Lebens minimal„ war.
„ Haft und Umerziehung von Abweichlern ist eine Neuerung, die in China erst seit dem Kommunismus existiert.“ (N. Belardi 1993,S. 27). Das synonyme Wort von „Bürgerschaft“ - “Gongmin“ - hat sich erst nach 1980er Jahre in der chinesischen Sprache eingebürgert.
Im Gegensatz zu den gesellschaftlichen Lebensbedingungen, Einordnungen und Entwicklungen blieb die technologische Entwicklung in China jedoch bis zu diesem Zeitpunkt allerdings auf einem fast gleichen Niveau wie in Mitteleuropa. Das veränderte sich ab dem Jahre 1769 mit der Erfindung der Dampfmaschine durch James Watt. Daraus ergibt sich ein gewaltiges Auseinanderdriften der wirtschaftlichen Entwicklung im Westen und im Osten.
2.2 Industrialisierung - Umbruch zu moderner Sozialer Arbeit (1800- 1871)
Im 19. Jahrhundert hat Deutschland viele Wendepunkte sowohl in der Wirtschaft also auch in der Politik erlebt. In der Neuzeit entstand durch die wirtschaftliche Produktivität eine neue soziale Gruppe, die sich fast ausschließlich in den Städten etablierte: Das Bürgertum. Die Existenz dieser Gruppe hat für die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland eine enorme Rolle gespielt. „Denn Freiheit des Erwerbs und Handels war die Grundlage des wirtschaftlichen Aufstiegs des Bürgertums“. (N. Belardi 1993, S.23) Genau das war in einer feudalen Gesellschaft unerwünscht.
Infolge der von England ausgehenden industriellen Revolution, der Erfindung der Dampfmaschine und des mechanischen Webstuhls setzte im Deutschland des 19. Jahrhundert gleichfalls die Industrialisierung ein. Das wirtschaftliche Wachstum entwickelte sich im rapiden Ausmaß. Globale Märkte wurden geöffnet; der Austausch von Ideen, Haltungen und Meinungen aus verschiedenen Kulturen war nicht mehr aufzuhalten. Als Konsequenz wurden einerseits neue Perspektiven auf eine Neugestaltung des Lebens verbreitet, wofür wir sowohl in der jüngeren chinesischen als auch in der deutschen Geschichte eine Vielzahl an Hinweisen und Belegen finden. Andererseits führte die Veränderung verständlicherweise auch zu chaotisch anmutenden Orientierungsversuchen und neue soziale Problemstellungen in der Gesellschaft. Insbesondere für die damaligen Wohlfahrtsorganisationen in Deutschland stellte dies eine zunehmend große Herausforderung dar. So führte beispielsweise die an sich gewünschte Verbesserung der hygienischen Verhältnisse zu einem rapiden Bevölkerungsanstieg insbesondere in den Städten. Dies hatte wiederum weitgehend die Folge knapper werdenden Wohnraums in den ohnehin überfüllten städtischen Räumen.
Politisch eröffneten die Glorious Revolution von England (1688), die Unabhängigkeitserklärung der USA (1776) und die Deklaration der Menschenrechte in Frankreich (1789) den deutschen Bürgern weithin eine Vision für eine staatliche Neugestaltung unter den Bedingungen von Freiheit und Gleichheit. Demzufolge fanden als Reaktion auf die militärische Niederlage gegen Napoleon im Jahre 1806 eine Reihe Staats- und Verwaltungsreformen statt. Die Landbevölkerung wurde von ihren Landherren befreit. Die Stadtbürger durften sich erstmals direkt an der Gemeindeverwaltung beteiligen. (vgl. R.Landwehr/R.Baron 1983, S.14) Durch diese Reform wurde einerseits die feudale Gesellschaft zerbrochen, aber andererseits „verloren als Folge der ,Bauernbefreiung' viele Kleinbauern ihr Land, weil dieses nach dem Regulierungsedikt von 1811 nur durch Abtretung eines erheblichen Teils an den Gutsbesitzer endgültig in ihr Eigentum überging.“ (Ebd.)
Folglich wanderten sie massiv in die Städte ein, ohne dass gleich viele Arbeitsmöglichkeiten durch die damalige Industrie in den Städten angeboten wurden. So entstand schließlich „eine neue, aus den Bindungen der Ständegesellschaft herausfallende Armut, für die sich der aus England, … … stammende Terminus Pauperismus [strukturell bedingte, längerfristige Armut weiter Teile der Bevölkerung zur Zeit der Frühindustrialisierung] einbürgert.“(S. Hering/ R. Münchmeier 2000, S. 26)
1842 wurde das preußische Armenfürsorgegesetz verabschiedet. Aufgrund dessen trat später noch das Unterstützungswohnsitzgesetz von 1871 in Kraft, welches das Heimatrecht abgelöste. Mit dem Gesetz über den Unterstützungswohnsitz wurde im Deutschen Reich das Recht auf Unterstützung im Falle der Bedürftigkeit geregelt.
Die nachfolgende Revolution des Jahres1848 und die „ liberalistische Phase“ forderten den Staat zu neuen, weitergehenden sozialpolitischen Überlegungen.
„1808 wurden in der preußischen Städteordnung 'Armenkommissionen' vorgeschrieben“. (C. Kuhlmann, 2008, S.53) Diese wurde 1853 durch das Elberfelder System abgelöst. „das noch weitergehend mit ehrenamtlichen Kräften arbeitete. Es bringt eine Individualisierung und Systematisierung der Armenarbeit mit sich.“(N. Belardi, 1993, S.35) Schließlich wurde es wegen des Mangels an befähigten Ehrenamtlichen ab 1905 „ zunehmend durch das 'Straßburger System' der kommunalen Armenfürsorge mit hauptberuflichen, städtischen Beamten abgelöst. (Ebd. S. 36) Es war durch die Professionalisierung und die Zentralisierung eine Weiterentwicklung des Elberfelder Systems.
Darüber hinaus fand die Auseinandersetzung über die Erklärung von Armut sowohl auf wissenschaftlicher als auch kirchlicher Ebene statt. Die Schwerpunk der Theorie des Schweizer Pädagogen und Sozialreformers Johann Heinrich Pestalozzi und seines Schülers Friedrich Fröbel lag dabei in der Erziehung und Bildung vom armutsgeprägter Menschen. Ihm ging es um ganzheitliche Volksbildung zur Stärkung der Menschen für das selbständige und kooperative Wirken in einem demokratischen Gemeinwesen. Fröbel hat z.B. „ein erstes didaktisches Konzept für Kindergärten“ entwickelt. (C. Kuhlmann 2008, S.51) Ab 1874 wurde im Pestalozzi-Fröbelhaus in Berlin „eine sozialpädagogische Ausbildungsstätte für Kindergärtnerinnen eingerichtet“. (Ebd. S.52)
Die Armenfürsorge in der katholischen und in der evangelischen Kirchen unterschied sich im Ausgangspunkt für soziale Initiativen. „Aus der Sicht der katholischen Kirche kann es für die Liebestätigkeit keine anderen Motive geben als ausschließlich die der christlichen Nächstenliebe“ (S. Hering/ R. Münchmeier 2000,S. 33) und lehnte weiterhin die staatliche Intervention ab. „ So sind die katholischen Ordensschwestern die ersten Personen in Deutschland überhaupt, die im Bereich der Armen-und Krankenpflege eine Ausbildung erhalten und diese Tätigkeit berufsmäßig ausüben.“ (Ebd.) 1897 wurde der „Caritas-Verband“ in Freiburg begründet. (Ebd.)
Die evangelische Kirche sieht hingegen ihren Schwerpunkt auf der Gemeinde, sie war bereit für eine Zusammenarbeit mit dem Staat.
So wurde in den 40er Jahren nach der „Inneren Mission“ von der Johann H. Wichern das „Rauen Haus“ im Hamburg gegründet. (Ebd.)
Neben den zahlreichen kirchlichen Initiativen und sozialen Einrichtungen gab es noch viele aktive freie Vereine, dazu zählte z.B. der 'Frauenverein zur Unterstützung der Armenpflege', der als erste Organisation in Deutschland auf Basis der pädagogischen Wissenschaft nicht nur Kindergärten eingerichtet, sondern auch die Kindergärtnerinnen dazu ausgebildet hat. Dadurch wurden „erste Ansätze zu einer professionellen Praxis im sozialen Feld„ geschafft. (Ebd. S.34)
2.2.1 Zusammenfassung
In den Jahren vor 1871 befand sich Deutschland in einer Umbruchsituation. Während die alten Hilfestrukturen nur noch unzureichend funktionierten, wurden aufgrund der verschärften sozialen Situation neuen Erklärungen und neuen Hilfestrukturen zu Armut und Armutsfolgen entwickelt. Gegenüber der kommunalen Wohlfahrtspflege in der Neuzeit charakterisierten sich die freie Liebestätigkeit der Kirchen und Vereine ab diesem Zeitpunkt deutlich auseinander.
Während die Bürger in Deutschland für ihre Rechte und ein demokratischen Staat kämpften, befanden sich die Chinesen zur gleichen Zeitpunkt immer noch unter dem absoluten Herrschen des Kaisers. Bürgertum, Recht, Demokratie sind weiterhin unbekannt für die chinesischen Einwohner.
2.3 Von Bismarcks bis zur Weimarer Republik (1871- 1933)
Beginn der modernen Sozialen Arbeit
Die Zeit von der Gründung des deutschen Reiches bis zur Weimarer Republik wurde tiefgreifend von der Vielzahl der sozialen Bewegungen geprägt, v.a. durch die Arbeiterbewegung und Frauenbewegung. „Ohne diese sozialen Bewegungen wären weder Arbeitsschutz und Sozialgesetzgebung noch die Gleichberechtigung der Geschlechter denkbar gewesen. (vgl. S.Hering/ R. Münchmeier 2000, S. 22) Durch die zahlreichen Bewegungen ist es gelungen, zu einem sozialpolitischen Verständnis und „durch sozialpolitische Maßnahmen zu einer Befriedungsstrategie gegenüber der Arbeitsklasse zu gelangen“. (ebd. S.39)
Gleichermaßen trug die Frauenbewegung dazu bei, den Frauen nicht nur eine bessere Lebensbedingung zu schaffen, sondern im Wesentlichen ebenfalls zum Durchbruch des sozialen Frauenberufs als Erwerbsberuf zu gelangen. Ein wichtiger Faktor in der Geschichte der Sozialen Arbeit hängt in Deutschland jedoch eng mit der Initiative der bürgerlichen Frauenbewegung zusammen. Die moderne Soziale Arbeit beginnt allerdings erst im deutschen Reich in Verbindung mit der Entstehung des Sozialstaates.
Die Frühzeit des deutschen Kaiserreichs wurde insbesondere von jener Doppelstruktur der sozialen Sicherung geprägt, welche sowohl Versicherung als auch Sozialarbeit beinhaltet. Daneben kooperierten die private Hilfstätigkeit und staatliche Sozialpolitik miteinander nach dem Subsidiaritätsprinzip (vgl. C. Kuhlmann 2008, S.59). Das hat sich bis heute gehalten.
In ungeahnter Weise gerieten darauffolgend immer mehr Zivilpersonen in einem verheerenden Krieg, den Deutschland schließlich verlor. Unbeabsichtigt hat der Krieg zur Vereinheitlichung der sozialen Organisationen beigetragen. Viele freie Wohlfahrtsorganisationen wurden kommunal, halbstaatlich oder staatlich institutionalisiert. Die finanzielle Verantwortung wurde auch vom Staat übernommen.
Ebenfalls unbeabsichtigt hat der Krieg in seiner Folgewirkung zur Entwicklung der Verberuflichung der Sozialen Arbeit beigetragen. Den Frauen gelang es, sich aus dem konventionellen Gepräge zu emanzipieren und die Sozialarbeit als Erwerbsfrauenberuf zu etablieren. Mit der Errichtung des Nationalen Frauendienstes konnten die Frauen zum Teil bis in die Spitzenpositionen vordringen. In der männergeleiteten Gesellschaft wurden ihre Spielräume jedoch stark begrenzt. Dafür stieg der Bedarf nach den ausgebildeten Fürsorgerinnen in bemerkenswerter Anzahl. Als besonders schwer zu gestalten galten dabei bis zuletzt die Versuche, „die Anleihen aus den verschiedenen Disziplinen zu einer eigenständigen ‘Ausbildungswissenschaft’ bzw. einer Fürsorgewissenschaft zusammenzufassen“. (vgl. S. Hering/ R. Münchmeier 2000, S.93) Darüber hinaus zeichnet sich die Entwicklung während des Ersten Weltkriegs „sowohl durch eine weitere Differenzierung der Handlungsfelder und gleichzeitig durch Tendenzen ihrer Bündelung in der Familienfürsorge aus.“ (ebd. S.98) Die meisten neugeschaffenen Bereiche wurden sogar bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs beibehalten. (ebd.)
Nach dem Krieg stieg die Arbeitslosigkeit rapide an. Einerseits verloren viele Frauen wegen der Rückkehr der Männer aus dem Krieg ihre Arbeitsplätze, was weitergehend die schon schlechte Lebenssituation Arbeiterfrauen verschärfte. Anderseits, um die Kriegsopfer zu versorgen, nahm der Bedarf an Hilfekräften zu. Es gab bis zum Ersten Weltkrieg nur relativ wenig Erwerbsarbeit im Bereich der Wohlfahrtspflege, die von Frauen ausgeführt wurde, häufiger war vollzeitliche ehrenamtliche und unbezahlte Wohltätigkeit. Aber ohne die Hilfe der Frauen schien die soziale Hilfe seinerzeit gar nicht leistbar. Die Ausbildung der sozialen Helferinnen zunächst gedrängt, damit die Mädchen und Frauen stärker und schneller in die Öffentlichkeit und das öffentliche Berufsleben einbezogen werden. Gleichzeitig konnte die Lösung von Frauenfragen und sozialen Problemen besser verknüpft werden. So hat sich die Soziale Arbeit letztlich zum Erwerbsberuf gewandelt.
In der Weimarer Republik „ setzte sich nicht nur der Begriff ,Sozialpolitik' gegenüber dem der ,Arbeitspolitik' durch, manche Akteure sprachen jetzt auch schon vom ,Sozialstaat'. Neben vielen Verbesserungen bei den Gesetzen aus der Kaiserzeit gab es auch strukturelle Weiterentwicklungen.“ (M. Bellermann 2011, S.58) Vor allem schlossen sich viele freie Verbände gegenüber den kommunalen Wohlfahrtsorganisationen zusammen, um einen größeren Verband zu schaffen.
Infolge der intensiven Beschäftigung mit spezifischen Problemen differenzierten sich die Handlungsfelder zunehmend stärker aus.
Der Bedarf an professioneller Sozialer Arbeit nahm stetig zu. Im Jahre 1908 wurde die erste Frauenschule unter der Leitung von Alice Salomon in Berlin eröffnet. Somit schafften die Frauen über die hauptberuflichen Tätigkeiten der Sozialen Arbeit den Sprung bis zur Akademisierung.
2.3.1 Zusammenfassung
Während Deutschland im 19. Jahrhundert langsam in die Reihe der Industriestaaten rückte, ging die wirtschaftliche Entwicklung in China infolge mehrerer Jahrhunderte der Kaiserzeit mit weitgehender gesellschaftlicher Stagnation im Vergleich dazu rapide zurück.
Nach dem Ende der Kaiserzeit hat das Sozialwerk Bismarcks den Begründer der chinesischen republikanischen Bewegung, Sun Yat-sen inspiriert. Bismarcks „Modernisierungsvorstellungen bezogen sich auf die Verknüpfung von technologischer Innovation und sozialer Abfederung, mit dem Ziel systemüberwindender Reformen“,(N. Belardi 1993, S.35) während das Konzept von Bismarck dabei durchaus ein konservatives war, „ - er übertrug die... patriarchalische Fürsorge für Alte und Kranke lediglich auf die kapitalistische Produktionsweise... - war die Einführung der Sozialversicherung vor allem der Versuch, die sozialen Ursachen für die politischen Radikalisierung der arbeitenden Schichten gering zu halten.“(C. Kuhlmann 2008, S. 62)
Anschließend wurden im zweiten Weltkrieg fast alle bis dahin geschafften Fortschritte in der Sozialen Arbeit vernachlässigt und missbraucht. Die Entwicklung Sozialer Arbeit der Zeit vor 1933 in China wurde jäh unterbrochen und inexistent.
2.4 Nationalsozialismus (1933-1945)
Ein Sonderfall auf dem Weg zur modernen Sozialen Arbeit
Die Ära der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland wurde eine Zeit lang als „Unterbrechung“ der Sozialen Arbeit erklärt. Tatsächlich gingen mit ihr aber ein radikaler Umbruch und eine Umlenkung wissenschaftlich gesicherter Erkenntnisse in politisch ideologisch gelenkte Interessen einher. Rassenwahn, Segregation und Selektierung menschlichen Lebens in wertvolles und unwertes Leben bis hin zur Euthanasie, staatlicher Anspruch auf priorisierende Werteentwicklung und einheitliche, systemideologische Prägung besonders auch mit Blick auf die jungen Menschen, die Abkehr von der Lehre differenzierter Sichtweisen, von demokratischen Grundhaltungen und subsidiären Strukturen bedeutete das Leugnen jeder erarbeiteten fachlichen Entwicklung und zeigt die Unsinnigkeit vom Begriff Sozialarbeit für diesen Zeitraum auf.
Infolge des offenbar unbegrenzten Anstiegs der Arbeitslosigkeit, der einhergehenden politischen Hetze, verbunden mit Straßenterror und mit Schuldzuweisungen, das Bespiel der ausschließlich nationalen Karte vor dem Hintergrund der nichtverwundenen und nicht akzeptierten Niederlage im 1. Weltkrieg und die zeitgleich weitreichende Verelendung der breiten Masse der Bevölkerung durch den gänzlichen Zusammenbruch der ökonomischen Lage, gelang der NSDAP im Jahr 1933 die Machtübername. Die danach folgenden 12 Jahre werden als „eine Sonderstellung“ in der deutschen Geschichte interpretiert. Nicht nur weil die Nationalsozialisten in einer kurzen Zeit die politische Situation in Deutschland und später auch in Europa radikal verändert haben, sondern weil sie bis heute eine Frage für die Weltleute hinterlassen, wie eine industrielle Vernichtung bestimmter Bevölkerungsgruppen in einem zivilisierten, aufgeklärten Land überhaupt möglich war. (vgl. C. Kuhlmann 2013, S.89) und wie die bereits vor 1933 ausgebildeten SozialarbeiterInnen zu Mittätern der Volkspflege wurden.
Jene Gruppe, die erstmals im Wohlfahrtsstaat der Weimarer Republik als „Hilfebedürftig“ definiert wurden, unterschied sich nun nach sozialrassistischen, medizinischen Deutungsmustern eines entwickelten Werteschemas im Nationalsozialismus. Auch die Protagonisten in der Sozialen Arbeit unterwarfen sich in weiten Teilen den Selektionstheorien und Ansprüchen der Gewaltherrscher. In der Tat folgte man der Einteilung in „Brauchbare“ (mit Hilfeanspruch), „minderwertig Unbrauchbare“ [sie wurden u.U. "der weiteren Behandlung" zugeführt] und „bösartige“ (kriminell oder in der Nazilesart asozial) Menschen. Sie wurden den Polizeisystemen zugeführt oder sofern krank („unheilbar“, „geistig behindert“, „unerziehbar“) der Medizin überlassen.“ (ebd. S.105)
An der Umsetzung dieser Deutungsmuster waren Professionelle der Sozialen Arbeit auch direkt in vielfältigen Formen beteiligt. Bemerkenswert ist es aber auch, dass die bereits vor 1933 ausgebildeten Fürsorgerinnen und SozialpädagogikerInnen in der großen Mehrzahl das neue Konzept der ausgrenzenden Volkspflege mitgetragen haben. (vgl. C. Kuhlmann 2010 S. 92)
So fand unter Charlotte Dietrich, die Nachfolgerin von Alice Salomon als Leiterin der Frauenschule in Berlin, eine Hinwendung zur Volkspädagogik statt. Sie vollzog bald eine Wendung vom individuellen Fürsorgeansatz zum Allgemeingut des Volks, indem sie soziale Hilfe schließlich auf die „Wertvolle und Brauchbare“ bezog.
Im Bereich der Ausbildung zur Sozialen Arbeit nahmen die Nationalsozialisten über Staatsprüfungen direkten Einfluss auf die Lehrplangestaltung der Volkspflegeschulen. (vgl. ebd.)
2.5 Die Jahre nach 1945
Restauration und Reform der Sozialen Arbeit
Nach dem Krieg wurde Deutschland zunehmend von den vier Besatzungsmächten USA, England, Sowjetunion und Frankreich in Ost- und Westzonen zerrissen. Bis zur Wiedervereinigung im Jahr 1989 entwickelte sich die Soziale Arbeit analog den unterschiedlichen Staatstheorien/Ideologien in zwei vollkommen unterschiedliche Richtungen. Wie in China wurden in der sowjetischen Besatzungszone und später in der DDR soziale Probleme nicht als ökonomisch verursacht verstanden. In beiden Ländern wurde die öffentliche Erziehung verstaatlicht. Die gesamte Gesellschaft sollte die Hilfe für Schwächere tragen, die Berufsgruppe Soziale Arbeit wurde dabei nicht gebraucht.
In Westdeutschland setzten Engländer und Amerikaner auf das Kennenlernen westlichen Demokratieverständnisses und seiner Werte. Junge Sozialfachkräfte wurden nach England und Amerika eingeladen. Von hier brachten sie die Inhalte vieler Theoretiedebatten nach Deutschland, neben der Gruppenarbeit wurden auch die Inhalte der Einzelfallhilfe und der gemeinwesenorientierten Arbeit nach Deutschland importiert. (vgl. C. Kuhlmann 2013 S. 108) In der praktischen Ausrichtung haben die aus dem nationalsozialistischen System gewechselten und übernommenen ehemaligen Volkspfleger in den neuen sozialen Einrichtungen die konservativen Denkmuster vielfach nicht abgelegt und nach altem Kerngedanken praktiziert. (vgl. ebd.) Die Bedeutung der freien sozialen Träger für die Soziale Arbeit wurde weitgehend vernachlässigt.
Eine eigentlich notwendige Debatte in der Nachkriegszeit über die Systemanpassung der Profession und ihrer Vertreter wurde jedoch von der nachfolgenden Generation nur verhalten geführt. Die Gründe hierfür mögen vielfältig sein; vor dem Hintergrund einer revolutionär fortschrittlichen Verfassung für die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer wertegebenden Haltung und allen sich daraus ergebenden Distanzierungen zum totalitären Gesellschaftsverständnis ist dies aus heutiger Sicht eher unverständlich. Bis in 1980er Jahre hinein wurde die direkte oder indirekte Mitverantwortung im Bereich der „Volkspflege“ kaum veröffentlicht und thematisiert.
Infolge weltweiter kriegerischer Auseinandersetzungen - auch vor dem Hintergrund atomwaffenmächtiger Systemblöcke - entwickelte sich vornehmlich in der westlichen Welt radikaler Widerstand, der von jungen Menschen Ende der 60er Jahre bis Mitte der 70er Jahre auf die Straße getragen wurde. Die Protestbewegung richtete sich neben den Anti-Kriegshaltungen gegen ausschließliche Konsumorientierung und führte den Ruf nach „internationaler sozialer Gerechtigkeit“ im Wort. In der Nachbetrachtung haben die 68er Protestbewegungen die europäischen Industriegesellschaften in ihren Grundfesten erschüttert. Soziale Fragen fanden den Weg zum Mittelpunkt gesellschaftlicher Diskussionen. Die „Heimkampagne“ mit ihrem Schlachtruf: Holt die Kinder aus den Heimen sei hier nur beispielhaft genannt. Auch die gesellschaftlich breiter angelegte Suche nach alternativen, sinnstiftenden Lebensformen unter dem Vorzeichen der Kapitalismuskritik findet hier ihren Anfang. In den folgenden 20 Jahren entwickelten sich allmählich viele aktive und vielfältige soziale Bewegungen. Hinter diesen Bewegungen stand nicht nur die Idee der Reform von Politik und Gesellschaft, sondern darüberhinaus die Veränderung und Entstehung neuer theoretischer Einsichten. Die Bedeutung der freien sozialen Träger für die Soziale Arbeit wurde stärker anerkannt. Weil das verharren in veralteten Deutungsmustern der Sozialen Arbeit das Image dieser Berufsgruppe deutlich wahrnehmbar beschädigte, konnte neues Vertrauen nur durch eine fachlich hoch qualifizierte Neuausrichtung, z.B. Fachhochschulstudiengänge/Hochschulabschlüsse erworben werden.
In den kommenden Jahren wurde Deutschland unter der Prämisse eines zu formenden demokratischen Deutschlands und der damit einhergehenden starken Reformbedürfnisse und Reformnotwendigkeiten mit dem Aufbau einer rechtsstaatlich verpflichteten Sozialverwaltung, der Formulierung einer rechtsanspruchsbegründenden Sozialgesetzgebung und der breiten Beteiligung Freier und Privater Träger unter subsidiärer Vorrangstellung [z.B. in der Jugendhilfe] begonnen und im Laufe der nächsten Jahrzehnte stetig qualifiziert. Der Prozess ist zu keiner Zeit abgeschlossen und wird unter Beteiligung aller gesellschaftlichen und fachpolitischen relevanten Gruppen in Permanenz fortgesetzt.
Heute ist es der Sozialen Arbeit weitgehend gelungen, sich zu dem komplexen System zu entwickeln, dass es braucht, um wirklich fachliche Antworten auf soziale Herausforderungen geben zu können, d.h., es ist heute in der Lage, Not wirklich zu lindern und Not zu wenden.
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- Arbeit zitieren
- Yaqun Zhang (Autor:in), 2015, Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Sozialen Arbeit zwischen Deutschland und China, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/309681
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