Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Die Kriegsheimkehrer in der Opferrolle
2. Die Rückkehr nach Deutschland
2.1 Die Kriegsgefangenen und ihre psychischen Probleme
2.2 Die Rolle der Frau
2.3 Lubanski und die Schuldfrage
Fazit
Quellenverzeichnis/Literaturverzeichnis
Einleitung
Der Einsatz von Medien ist mittlerweile ein fester und wichtiger Bestandteil in der Unterrichtsgestaltung. Natürlich bildet dabei der Geschichtsunterricht keine Ausnahme. Aber gerade die Auswahl des passenden Mediums bereitet einer Lehrkraft oftmals größere Schwierigkeiten. Ein Klassiker im Geschichtsunterricht ist das Vorführen von Filmen. Doch auch hier kann man aufgrund der Vielzahl an Auswahlmöglichkeiten leicht in Schwierigkeiten geraten. Neben den klassischen Dokumentationen etablieren sich vor allem immer mehr historische Spielfilme auf dem Markt, die nach Meinung einiger Kritiker unter Umständen für den Einsatz im Unterricht in Frage kommen. In der folgenden Arbeit möchte ich mich mit einem dieser Filme genauer beschäftigen, und zwar mit einem Werk das zumindest viele Schüler wohl nicht zu den typischen Historienfilmen zählen würden. Das Wunder von Bern des deutschen Regisseurs Sönke Wortmann war einer der Kinoerfolge im Jahr 20031 Der Film erfuhr sehr viel Lob von Seiten der Öffentlichkeit. Einige Kinobesucher gingen sogar noch weiter: Cornelia Pieper, zum Zeitpunkt der Erstausstrahlung immerhin amtierende Generalsekretärin der FDP, forderte gar eine Pflichtaufnahme des Streifens in die Lehrpläne. Und Thomas Rachel, ihr Kollege und damaliger Bildungspolitischer Sprecher der CSU- Bundestagsfraktion, glaubt sogar der Film sei geeigneter also so manches Buch bei dem Versuch den Schülern Wissen über diese Zeit zu vermitteln.2 Rachel sieht also den Spielfilm offenkundig als sehr gelungenes Abbild der deutschen Nachkriegsgeschichte in den 50er Jahren. Da in dem Historiendrama mehrere Handlungsstränge miteinander verknüpft werden und ich den Rahmen der Seminararbeit nicht sprengen möchte, beschränke ich mich auf einen zentralen Aspekt, die Darstellung der Rückkehr in die Familie des deutschen Kriegsgefangenen Richard Lubanski Die Arbeit versucht herauszuarbeiten wie die Heimkehrer-Problematik im Film dargestellt wird. Als Hauptquelle dient deshalb der Film, bei dem man auf Grundlage der zahlreichen neuen Beiträge in der Forschung zahlreiche altgediente Motive erkennen und entlarven konnte. Der Aufbau meiner Arbeit stützt sich auf die These dass Sönke Wortmann sich auf Bilder, Denkmuster und Vorstellungen stützt, die in den 1950er Jahren in der Diskussion um die späten Kriegsheimkehrer nach Deutschland entwickelt worden sind. Ich werde deshalb anhand von ausgewählten Filmszenen aufzeigen dass sich Wortmann an genau diesen typisch altmodischen Denkmustern und Geschichtsbildern bedient.
1. Die Kriegsheimkehrer in der Opferrolle
Die nationalsozialistische Vergangenheit, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Frage nach individueller und kollektiver Schuld waren prägend für die Nachkriegszeit des zweiten Weltkriegs in Deutschland. Hinzu kam nach der Gründung der beiden deutschen Staaten im Jahre 1949 außerdem die Frage nach der nationalen Identität und dem kollektiven Selbstverständnis. Wahrscheinlich auch aus Selbstschutz gewann deshalb in Deutschland eine neue Sichtweise an großer Bedeutung. Weg von der bloßen Täterrolle, die Deutschland von Außen zugewiesen wurde, versuchte man die Leiden des deutschen Volkes in den Vordergrund zu stellen. Bombardements, der harte Überlebenskampf im Alltag der Nachkriegszeit und vor allem die lange Kriegsgefangenschaft von Familienmitgliedern rückte verstärkt in den Fokus.3 So fand eine Identifikation mit der Viktimisierung statt, ein Terminus, der die Form dieses selektiven Erinnerns sehr gut beschreibt. Dies zeigt außerdem dass eigenes Leid und Entbehrungen durchaus thematisiert wurden, und nicht wie oftmals behauptet der Krieg und die Nachkriegszeit in den 1950er Jahren oftmals verdrängt oder tabuisiert wurde.4 Dieses Klagen über die harte Zeit in Deutschland fand aber keinesfalls nur in privatem Rahmen statt, sondern wurde auch ganz öffentlich so propagiert - teilweise mit sogar sehr fragwürdigen Vergleichen. So nannte der CSU-Abgeordnete Eugen Gerstenmaier Deutschland ein Ghetto, in das die Deutschen zur Sühnung der Verbrechen versetzt wurden. Diesen Vergleich beziehungsweise Gleichsetzung von deutscher Nachkriegserfahrung und Holocaust formulierte er bei der Abschlussdebatte des deutschen Bundestages zum Wiedergutmachungsabkommen mit dem Staat Israel am 18.3.1953.5 Es herrschte also in der deutschen Bevölkerung durchaus die Meinung dass sie durch Kriegsheimkehrer und deren Berichte über die grausamen Erfahrungen das Leiden der Opfer des NS-Regimes nachvollziehen konnten.6 Doch sinnbildlich für die Kriegsgefangenen im Zuge des Zweiten Weltkriegs standen vor allem die Spätheimkehrer. Diese circa 60000 Gefangenen die trotz der Rückführungsvereinbarung der Sowjets, Briten, Franzosen und Amerikaner bis zum Ende des Jahres 1948 in der Sowjetunion festgehalten wurden, prägten das Bild des Kriegsheimkehrers in der frühen Bundesrepublik und von vielen späteren Generationen.7 Doch warum waren genau die Spätheimkehrer, wie die Filmfigur Richard Lubanski, typische Identifikationsfiguren für das Leid in Deutschland während der Nachkriegszeit? Nun, sie galten als Opfer von zwei unterschiedlichen totalitären Systemen. Erst mussten sie für Adolf Hitler in einen schier aussichtslosen Krieg ziehen und anschließend wurden sie unter katastrophalen Bedingungen von den Sowjets in Gefangenschaft gehalten.8 Die Rückkehrer nach Deutschland betonten selbstverständlich dass ihre Verurteilung und die ihrer Kameraden willkürlich abgelaufen ist.9 Sie galten also als Opfer totalitärer Willkür. Die Spätheimkehrer des Zweiten Weltkriegs wurden demnach mit einer bestimmten Erwartungshaltung ob ihrer vermutlich grausamen Zeit in Kriegsgefangenschaft verknüpft. Dass sie außerdem Schwierigkeiten hatten sich in ihren normalen Alltag zurück zu kämpfen ist freilich unbestritten. Genau diese Vorstellungen und Integrationsprobleme die das Bild des Heimkehrers aus Kriegsgefangenschaft bis weit über die 50er Jahre hinaus prägten, stellt Sönke Wortmann detailgetreu dar. Im nachfolgenden Teil werde ich an bestimmten Szenen zeigen, welche typischen Probleme der Heimkehrer Wortmann aufgreift, und wie er sie in dem Film zumindest unterschwellig darstellt.
2. Die Rückkehr nach Deutschland
Als im Zuge der Moskaureise von Kanzler Adenauer im Herbst 1955 die Rückführung der letzten deutschen Kriegsgefangenen begann, konnte sich diesen Impressionen aufgrund der eindringlichen Berichterstattung kaum jemand entziehen10. Die aufwühlenden Bilder der Heimkehrer, die uns noch heute in den Kopf steigen entstanden in Friedland11. Die ehemaligen Soldaten wurden zu „Ikonen der Heimkehr“12, die fortan die Vorstellungen über Heimkehr und Kriegsgefangenschaft bestimmen sollten. Und mit einer ganz ähnlichen Darstellung der Ankunft der Kriegsheimkehrer werden wir auch in Das Wunder von Bern konfrontiert. Sönke Wortmann zeigt Frames die unschwer einen hohen Wiedererkennungswert mit der Ankunft in Friedland aufweisen. Er überträgt somit gewissermaßen den historischen Ankunftsort im Lager Friedland auf den Bahnhof Essen-Katernberg, an dem der Familienvater Richard Lubanski ankommt. Auch in dem Spielfilm bekommt man Männer zu sehen, die in freudiger Erregung oder mit Tränen der Rührung in den Augen Blumensträuße ihrer Angehörigen überreicht bekommen. Eine gute Adaption der realen Ankunftsbilder gelingt ihm auch dadurch, dass er die wartenden Frauen in Szene setzt, die teilweise noch Schilder oder Plakate mit Bildern ihrer Vermissten Familienmitglieder oder Lebenspartner in der Hand halten.13 Und noch ein weiteres kleines Detail in dieser Szene des Spielfilms weist deutliche Parallelen zu den realen Szenen aus Friedland auf. Bei der Einfahrt nach Essen ertönt der Klang der Glocke des Zuges.14 In Friedland erklang nämlich seit dem 2.12.1949 bei der Ankunft eines Zuges mit Heimkehrern die Glocke der evangelischen Lagerkirche.
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1 http://www.chartsurfer.de/film/kinocharts-deutschland/charts-2003.html (aufgerufen am 27.07.2015).
2 http://www.welt.de/print-welt/article268572/Der-Kanzler-hat-geweint.html (aufgerufen am 27.07.2015).
3 Wolfrum, Edgar: Die Suche nach „dem Ende der Nachkriegszeit“͘ Krieg und NS-Diktatur in öffentlichen Geschichtsbildern der „alten“ Bundesrepublik. In: Christoph Cornelißen, Lutz Klinkhammer und Wolfgang Schwentker (Hrsg.): Erinnerungskulturen. Deutschland, Italien, Japan seit 1945. Frankfurt a. M. 2003, S. 190- 193.
4 Goltermann, Svenja: Kriegsheimkehrer in der westdeutschen Gesellschaft. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 36/37 (2009), S. 34-36.
5 Moeller, Robert: Deutsche Opfer, Opfer der Deutschen. Kriegsgefangene, Vertriebene, NS-Verfolgte: Opferausgleich als Identitätspolitik. In: Klaus Naumann (Hrsg.): Nachkrieg in Deutschland. Hamburg 2001, S. 43- 45.
6 Moeller: Deutsche Opfer, S. 32-34.
7 Schütz, Erhard: Von Lageropfern und Helden auf der Flucht. Kriegsgefangenschaft Deutscher - Popularisierungsmuster in der Bundesrepublik. In: Wolfgang Hardwig und Erhard Schütz (Hrsg.): Geschichte für Leser. Populäre Geschichtsschreibung in Deutschland im 20. Jahrhundert. Stuttgart 2005, S.181-185.
8 Biess, Frank: Homecomings. Returning POWs and the Legacies of Defeat in Postwar Germany. Princeton 2006. S.68-69.
9 Moeller: Deutsche Opfer, S.49.
10 Stolle, Michael: Das Wunder von Friedland. Die Heimkehr der letzten deutschen Kriegsgefangenen und das Radio. In: Rundfunk und Geschichte. 03/04 (2005), S. 20-30. Online einsehbar: http://rundfunkundgeschichte.de/assets/RuG_2005_3-4.pdf (zuletzt aufgerufen am 28.07.15).
11 Hier wird Bezug genommen auf den entsprechen Beitrag in der Dokumentation 60xDeutschland über das Jahr 1955. http://www.60xdeutschland.de/die-10000 zuletzt aufgerufen am 28-kehren-heim/ (.07.15).
12 Schütz: Von Lageropfern und Helden, S. 187.
13 Vgl. Wortmann, Sönke: Das Wunder von Bern, DVD, 118min, Senator Entertaiment 2004 [2003] , Min 11,50- 13,34.
14 Vgl. Wunder von Bern, 11,55.