Seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entwickelte sich in ganz Europa zunehmend ein ökonomisch-rationales Denken, das als Ziel eine Umgestaltung der Gesellschaft nach "vernünftigen" Grundsätzen postulierte.
Die auf naturwissenschaftlichen Entdeckungen und wissenschaftsphilosophischen Entwürfen des 17. Jahrhunderts fußende Denkrichtung der Aufklärung entfaltete eine Eigendynamik, die für das europäische Kulturverständnis nicht ohne Folgen bleiben sollte. Sie trieb einem vielschichtigen und wechselseitigen Lernprozess mit jeweils landesspezifischen Akzentuierungen und über unterschiedliche Wege doch auch Entwicklungen voran, die, von der Aufklärung als einer ursprünglich ökonomisch-rationellen Bewegung zwar offenbar nicht intendiert, in der Konsequenz aber zu ihrer Politisierung und auf lange Sicht schließlich zur Herausbildung jener bürgerlichen Gesellschaften führte, in denen wir heute noch leben.
Die »Politisierung« der Aufklärung im deutsprachigen Raum ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit, die Kants Definition von Aufklärung aufgrund der darin angelegten Suggestion, mittels Herausbildung der autonomen Vernunft jeglicher Fremdherrschaft entgegenwirken zu können, zum Anlass nimmt, um zu fragen, ob »die« Aufklärung als »Fortschritt« oder als schrittweise Etablierung einer neuen, möglicherweise dem Ideal »der« Aufklärung zuwiderlaufenden Herrschaft – wie dies bspw. Max Horkheimer und Theodor W. Adorno unter dem Eindruck des Nationalsozialismus in „Dialektik der Aufklärung“ (1944) behauptet hatten – zu werten ist.
Zur annähernden Klärung dieser Frage wird in einem ersten Schritt der Prozess der politischen Bewusstseinsbildung der Aufklärer darzustellen sein. Da Aufklärung nicht nur Selbstaufklärung, sondern aufgrund fehlender Bildung zumeist auch Aufklärung von anderen einschließt, werden nach einer kurzen Definition des Begriffes »Volk« in einem zweiten Schritt sowohl die theoretischen Konzeptionen als auch die Praxis »der« Volksaufklärung samt ihrer »Politisierung« sowie die sozialen Implikationen aufgeklärter Theorie und Praxis für »das Volk« zu betrachten sein, ehe in einem letzten Schritt der Versuch unternommen wird, die übergeordnete Fragestellung dieser Arbeit zu klären. Da die »Politisierung« von Aufklärung als Wegbereiterin für die moderne Bildungspolitik gelten, sie insofern auch als ein andauerndes Phänomen verstanden kann, sei dabei ein Blick in die Gegenwart gewährt.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- Einleitung
- Der Prozess der politischen Bewusstseinsbildung der »Aufklärer«
- Zur Naturrechtskonzeption der frühen »Aufklärung« und deren Umsetzung
- Von der Egalitär-diskursiven Assoziationspraxis zur »öffentlichen Meinung«
- Ursprünge »modernen« politischen Denkens: Die Umdeutung des säkularisierten Naturrechts
- Dass das Volk nur ja nicht zu klug werde! – Zur »Politisierung« der Volksaufklärung
- Zur Konzeption der Volksaufklärung in Theorie und Praxis
- Gründe für die »Politisierung« der Volksaufklärung und deren Praxis
- Soziale Implikationen aufgeklärter Theorie und Praxis für das »Volk« – Eine zusammenfassende Kritik an der Aufklärung
- Versuch der Beantwortung der zentralen Fragestellung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Die Seminararbeit untersucht die »Politisierung« der (Volks-)Aufklärung im 18. Jahrhundert und befasst sich mit der Frage, ob die Aufklärung als »Fortschritt« oder als schrittweise Etablierung einer neuen, dem Ideal der Aufklärung widersprechenden Qualität der Herrschaft anzusehen ist.
- Der Prozess der politischen Bewusstseinsbildung der »Aufklärer«
- Die Konzeption der Volksaufklärung in Theorie und Praxis
- Die »Politisierung« der Volksaufklärung
- Soziale Implikationen aufgeklärter Theorie und Praxis für das »Volk«
- Die Bewertung der Politisierung der Aufklärung als »Fortschritt« oder »Herrschaft«.
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Die Einleitung beleuchtet die vielschichtigen Bedeutungen des Begriffs »Aufklärung« und setzt den Fokus auf die Politisierung der Aufklärung im deutschsprachigen Raum. Kapitel 2 analysiert den Prozess der politischen Bewusstseinsbildung der »Aufklärer«, beginnend mit der Naturrechtskonzeption der frühen Aufklärung und ihrer Umsetzung, bis hin zur Herausbildung der »öffentlichen Meinung« und der Umdeutung des säkularisierten Naturrechts.
Kapitel 3 konzentriert sich auf die Volksaufklärung, ihre theoretischen Konzeptionen und ihre Praxis sowie die sozialen Implikationen für das »Volk«. Es werden insbesondere die Gründe und die Praxis der »Politisierung« der Volksaufklärung im Kontext der Französischen Revolution untersucht. Kapitel 4 versucht, die zentrale Fragestellung der Arbeit zu beantworten, indem es die Entwicklung der Aufklärung von einer ökonomisch-rationalen Bewegung zu einem politischen Instrument der Herrschaft untersucht.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die Seminararbeit befasst sich mit den zentralen Themen der deutschen Aufklärung, Naturrechtsdenken, Volksaufklärung, politische Bewusstseinsbildung, öffentliche Meinung, Politisierung, gesellschaftliche Veränderungen, soziale Implikationen, Französische Revolution und Herrschaft.
- Quote paper
- Jacqueline Hänig (Author), 2010, Die Politisierung der Volksaufkärung im 18. Jahrhundert, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/310072