Unterschiede von Erzählung und Verwandlung bei Ovids "Metamorphosen" und Homers "Odyssee"


Hausarbeit, 2015

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Erzähler
2.1 Odysseus: der Held
2.2 Macareus: der Rückverwandelte

3. Metamorphose
3.1 Das passive Erleben
3.2 Die durchlebte Metamorphose

4. Rückverwandlung
4.1 Odysseus' Heldentat
4.2 Die erlebte Rückverwandlung

5. Schluss

Literaturverzeichnis.

1. Einleitung

Kann sich die Bedeutung einer Geschichte durch Wechsel des Erzählers ändern? Mit dieser Frage beschäftigt sich die nachfolgende Arbeit. Homers Odyssee[1] wurde etwa im 8. Jahrhundert vor Christus verfasst, Ovids Metamorphosen[2] zirka 800 Jahre später. Beide sind einflussreiche Werke, die auch heute immer noch rezipiert werden. Im vierzehnten Buch zitiert Ovid die Odyssee, indem er die Verwandlung Odysseus‘[3] Gefährten, nicht aus Odysseus‘ Perspektive, sondern aus Macareus‘ Sicht schildert. Insbesondere richtet sich die nachfolgende Analyse auf die Differenz der beiden subjektiven Perspektiven aus: Wie unterscheidet sich die Darstellung der Hauptcharaktere Odysseus, aber vor allem auch Kirke? Gibt es relevante inhaltliche Unterschiede, beziehungsweise Änderungen in den Darstellungen der Geschehnisse? Welche Bedeutung haben die Verwandlung, sowie die spätere Rückverwandlung an sich und in Bezug auf das ganze Werk?

Dabei liegt der Fokus auf den narrativen Elementen der Geschichte und erarbeitet so die unterschiedlichen Kerngedanken, die den beiden Erzählungen zugrunde liegen. Obwohl diese Arbeit auch den Zusammenhang zwischen den Verwandlungen und dem ganzen Werk sucht, fokussiert sie sich auf die Geschichte, von dem Erreichen der Gefährten auf Kirkes Gelände bis hin zum Verlassen von Kirkes Gestaden.

2. Erzähler

2.1 Odysseus: der Held

Odysseus Erzählerrolle ist sowohl intradiegetisch, als auch autodiegetisch.[4] Seine Erzählung, die er Alkinoos wiedergibt,[5] beginnt zu Anfang des neunten Gesangs und endet am Schluss des zwölften. Er gibt das Geschehen chronologisch und nachträglich wieder. Am Beispiel der Metamorphose kann belegt werden, dass die Geschichte zwangsläufig nachträglich erzählt werden muss. Odysseus ist bei der Verwandlung nicht anwesend, was in Kapitel „ 3.1 Das passive Erleben“ noch ausführlicher behandelt wird. Er erfährt selbst erst nach den Geschehnissen, was sich ereignet hat.

Die Odyssee handelt in erster Linie von seiner Rückreise. Sie birgt viele Hindernisse, die er mit seiner Listigkeit überwindet. Durch seine List und seine vorausschauende Art, war es ihm möglich nach Troja zu gelangen,[6] die Achäer im hölzernen Pferd zu schützen[7] und den Kyklopen - Polyphem - zu besiegen[8]. Seine Gefährten sind ihm sehr wichtig, er holt sie beispielsweise von den Lotos-Essern zurück.[9] Trotzdem hat er beim Kampf gegen die Kikonen,[10] im Land der Kyklopen[11] und bei den Lästrygonen viele Gefährten verloren.[12]

Die Erzählung lässt sich in zwei Teile gliedern. Im ersten liegt das Hauptaugenmerk auf Eurylochos[13] und im zweiten auf Odysseus.[14] Da die Geschichte aus der Perspektive von Odysseus erzählt wird, ist seine Beziehung zu Kirke ersichtlich. Er bezeichnet Kirke als die Göttin mit den lieblichen Flechten, die mit schöner Stimme singt und feine, entzückende Werke schafft.[15] Der listige Odysseus trifft auf die listige Kirke.[16] Beide werden in der Odyssee als listig charakterisiert. Listig soll sie geplant haben Odysseus Manneskraft zu nehmen und ihn schwach zu machen, aber Odysseus kam ihr zuvor und ließ sie den großen Eid schwören.[17] Wenn er Hermes nicht getroffen hätte, der ihm Moly und den Hinweis auf den Eid gab, hätte Kirke ihn besiegt.[18] Obwohl Kirke die Gefährten verwandelt, wird sie nicht als schlechte Person beschrieben. Die Grausamkeit spielt, wenn überhaupt, nur eine kleine Rolle. Die Metamorphose und die Rückverwandlung werden in nur wenigen Zeilen zusammengefasst. Vielmehr wird Kirke gut dargestellt, da sie die Gefährten bei der Rückverwandlung größer, jünger und schöner macht.[19] Odysseus bleibt zudem freiwillig nach der zweiten Verwandlung, der Rückverwandlung, ein Jahr bei ihr,[20] was seine Zuneigung ihr gegenüber ausdrückt. Als er nach einem Jahr weiterziehen will, verhindert sie dies nicht. Im Gegenteil: Sie verrät ihm, wie er sicher weiterreisen kann.[21] Die Episode der Verwandlungen ist primär dazu da, Odysseus Rückreise zu erleichtern.[22] Die beiden werden als durchaus ebenbürtig beschrieben. Sie sind auf ihrem Gebiet stark - Odysseus mit dem Schwert, Kirke in der Magie - und beide sind listig. Ihre Macht demonstriert Kirke dadurch, dass sie Odysseus Gefährten in Schweine verwandelt. Odysseus demonstriert wiederum seine Macht, indem er Kirke dazu bringt, seine Gefährten zurück zu verwandeln. Die beiden wechseln sich zunächst mit ihrer Machtstellung ab. So geht es auch weiter, als Odysseus aufbrechen will. Er hat Kirke besiegt, also ist er derjenige, der die Macht hat. Doch er fleht Kirke auf Knien an, sie nach Hause zu entlassen.[23] Mit dieser Geste tritt er seine Macht an Kirke ab, indem er ihr die Möglichkeit gibt, ihn auf der Insel zu halten. Kirke will Odysseus jedoch nicht gegen seinen Willen auf der Insel halten[24] und sorgt für eine sichere Heimreise.[25] Diese Beziehung ist deswegen konträr zu Odysseus‘ Beziehung mit Kalypso, die ihn gegen seinen Willen festhält.[26] Bei ihr sehnt er sich auch stark nach seiner Heimat,[27] wobei er bei Kirke sogar noch ein Jahr verbringt. Nachdem Odysseus‘ Bitte akzeptiert wird, entwickelt sich eine Gleichstellung zwischen Kirke und Odysseus. Als sie sich erneut begegnen, gibt es keinen Machtkampf.[28]

2.2 Macareus: der Rückverwandelte

Macareus ist auch ein intradiegetischer Erzähler.[29] Seine Erzählung beginnt und endet im vierzehnten Buch. Er berichtet darin Achaemenides - der auch einst ein Gefährte Odysseus war - was geschehen ist, seitdem sie Achaemenides zurück ließen. Die Geschichte ist in chronologischer Abfolge und wird nachträglich erzählt. Ihm ist die Erzählung nur möglich, da er als Teil der Gefährten zurückverwandelt wurde und während der Verwandlung den Verstand behalten hatte.[30]

Die Verwandlung ist ein traumatisches Ereignis für Macareus, von der er mit Scham erzählt.[31] Nach der Rückverwandlung bleiben sie ein Jahr lang bei Kirke.[32] Als sich das Jahr dem Ende neigt, wollen die Gefährten weiterreisen.[33] Kirke warnt, dass es eine gefährliche Reise sein wird.[34] Macareus gesteht, dass er an diesem Punkt Angst bekam und deswegen lieber auf der Insel blieb.[35] Wäre das nicht der Fall gewesen, würde er die Geschichte jetzt auch nicht erzählen können.

Da die Geschichte durch Macareus vorgetragen wird, ist durch die Wortwahl auch die Beziehung zu Kirke ersichtlich. Bei der Verwandlung bezeichnet er sie als „[…] gräßliche Göttin […]“,[36] was die Grausamkeit der Verwandlung untermauert. Meistens nennt Macareus sie allerdings „Circe“,[37] aber er bezeichnet sie auch als Fürstin[38] oder Titanin.[39] Als Fürstin kann Kirke betitelt werden, da sie über die circaeischen Gestade herrscht.[40] In der Odyssee ist Kirke eine Göttin.[41] Bei Ovid wird Kirke, außer in Macareus‘ Erzählung, nie als Titanin bezeichnet. Die Titanen sind nicht den Göttern gleichzusetzen. Diese Bezeichnung ist somit ungeeignet, um Kirke zu beschreiben. Dieser Ausdruck referiert etwas anderes. Ein Titan ist auch jemand, der mächtig ist und sich durch außergewöhnlich große Leistungen auszeichnet.[42] Ihre Macht hat Kirke mit der Metamorphose unter Beweis gestellt. Nach Franz Bömer werden die Bösen in Ovids Werk noch böser.[43] Das äußert sich beispielsweise darin, dass Kirkes Magd Macareus eine andere Geschichte erzählt, in welcher Kirke einen Mann verwandelt, der sie abgewiesen hat.[44] Dies ist aber kein Einzelfall. Ähnliches hört er einerseits von anderen, jedoch wird er auch selbst Zeuge von solchen Geschehnissen.[45] Hier wird in Ovids Metamorphosen geschildert, wie mächtig Kirke ist und wie sie wahrscheinlich auch Odysseus behandelt hätte, wäre diesem nicht Hermes begegnet. Die Metamorphose benutzt Kirke hier, um sich an den Männern zu rächen, die sie nicht als Geliebte wollten.[46] Macareus sieht in Kirke ein mächtiges Wesen und bezeichnet sie deshalb als Titanin.

[...]


[1] Homer: Odyssee. Übersetzt von Roland Hampe. Stuttgart: Reclam, 1980.

[2] Publius Ovidius Naso: Metamorphosen. Epos in 15 Büchern. Stuttgart: Reclam, 2001.

[3] Odysseus wird in Ovids Metamorphosen Ulixes genannt. In dieser Arbeit wird er weiterhin Odysseus genannt.

[4] Nach Gérard Genette.

[5] Vgl. Homer: Odyssee. 1980, S.134, Z.2-4.

[6] Vgl. Ebd.: S.54, Z.244-251.

[7] Vgl. Ebd.: S.55, Z.282-288.

[8] Vgl. Ebd.: S.145-147, Z.344-399.

[9] Vgl. Ebd.: S.137, Z.98-99.

[10] Vgl. Ebd.: S.136, Z.60-61.

[11] Vgl. Ebd.: S.143, Z.288-290; S.144, Z.310-311; S.145, Z.342-343.

[12] Vgl. Ebd.: S.157, Z.131-134.

[13] In der Odyssee wird sein Name sowohl als Eurýlochos, als auch als Eurylochos geschrieben. Wann welche Schreibweise benutzt wird, ist leider nicht ersichtlich. Einfachheitshalber wird für diese Arbeit die Schreibweise Eurylochos benutzt.

[14] Vgl. De Jong, Irene J. F.: A Narratological Commentary on the Odyssey. Cambridge: Cambridge University Press, 2001, S.257.

[15] Vgl. Homer: Odyssee. 1980, S.160, Z.220-223.

[16] Vgl. Ebd.: S.135, Z.31.

[17] Vgl. Ebd.: S.164, Z.339-344.

[18] Vgl. Ebd.: S.162, Z.277-306.

[19] Vgl. Ebd.: S.166, Z.395-396.

[20] Vgl. Ebd.: S.166, Z.406.

[21] Vgl. Ebd.: S.169, Z.488-495.

[22] Vgl. Saïd, Suzanne: Homer and the Odyssey. Oxford: Oxford University Press, 2011, S.173.

[23] Vgl. Homer: Odyssee. 1980, S.169, Z.481.

[24] Vgl. Ebd.: S.169, Z.489-490.

[25] Vgl. Ebd.: S.194, Z.37-S.197, Z.141.

[26] Vgl. Ebd.: S.74, Z.14-15.

[27] Vgl. Ebd.: S.78, Z.149-157.

[28] Vgl. Ebd.: S.191, Z.16-S.197, Z.143.

[29] Nach Gérard Genette.

[30] Vgl. Homer: Odyssee. 1980, S.161, Z.240.

[31] Vgl. Ovid: Metamorphosen. 2001, S.455, Z.279.

[32] Vgl. Ebd.: S.456, Z.308.

[33] Vgl. Homer: Odyssee. 1980, S.168, Z.471-474.

[34] Vgl. Ovid: Metamorphosen. 2001, S.461, Z.438-439.

[35] Vgl. Ebd.: S.461, Z.440.

[36] Ebd.: S.455, Z.278.

[37] Ebd.: S.454, Z.253; S.455, Z.290; S.455, Z.294; S.456, Z.312. Kirke wird in Ovids Metamorphosen Circe genannt. Diese Arbeit bleibt weiterhin bei der Schreibweise Kirke.

[38] Vgl. Ebd.: S.454, Z.271.

[39] Vgl. Ebd.: S.461, Z.439.

[40] Vgl. Ebd.: S.453, Z.245-S.454, Z.261.

[41] Vgl. Homer: Odyssee. 1980, S.160, Z.220.

[42] Vgl. http://www.duden.de/rechtschreibung/Titan_Sagengestalt_Held_Gigant (Stand: 05.08.15).

[43] Vgl. Bömer, Franz: Metamorphosen. Buch XIV-XV. Heidelberg: Carl Winter, 1986, S.12.

[44] Vgl. Ovid: Metamorphosen. 2001, S.456, Z.310-S.459, Z.389.

[45] Vgl. Ebd.: S.461, Z.435-436.

[46] Vgl. Ebd.: S.459, Z.382-389.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Unterschiede von Erzählung und Verwandlung bei Ovids "Metamorphosen" und Homers "Odyssee"
Hochschule
Universität Augsburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
15
Katalognummer
V310229
ISBN (eBook)
9783668086944
ISBN (Buch)
9783668086951
Dateigröße
435 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
1.Semester
Schlagworte
unterschiede, erzählung, verwandlung, ovids, metamorphosen, homers, odyssee
Arbeit zitieren
Nathalia Rölli (Autor:in), 2015, Unterschiede von Erzählung und Verwandlung bei Ovids "Metamorphosen" und Homers "Odyssee", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/310229

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