Unser heutiges Verständnis von Originalität ist das Ergebnis einer Entwicklung der letzten beiden Jahrhunderte. Unter dem Begriff „Original“ verstehen wir heute gemeinhin den Gegensatz einer Kopie oder Nachahmung. „Original“ (aus dem lateinischen „origo“:
‚Ursprung‘, ‚Quelle‘, ‚Stamm‘) bedeutet „im Hinblick auf Beschaffenheit, Ursprung oder Herkunft echt und unverfälscht, nicht imitiert [oder] nachgemacht – in seiner Art eigenständig
und schöpferisch, [und] im Hinblick auf die Umstände ursprünglich [und] unmittelbar“.
Das Kopieren und Nachahmen von Kunstwerken hat in der Kunstgeschichte allerdings eine lange Tradition. Bereits zur Zeit der Römer war es üblich, Werke antiker Meister zu imitieren.
Vom Mittelalter bis zur Renaissance setzten sich diese Praktiken weiter fort. Auch im Rahmen der akademischen Ausbildung wurden häufig berühmte Künstler kopiert, um auf
diese Weise das Handwerk zu perfektionieren und unterschiedliche Techniken und Stile zu erlernen. In den meisten Fällen jedoch verbarg sich dahinter keine betrügerische Absicht, weshalb in diesem Zusammenhang nicht von Fälschungen gesprochen werden kann. Nur wenn die Absicht erkennbar wird, eine möglichst getreue Kopie zu schaffen, kann von einem Täuschungsversuch, also einem betrügerischen Hintergedanken bei der Erschaffung des Werkes, ausgegangen werden. Tatsächlich um eine Fälschung handelt es sich aber erst dann, wenn die Kopie als das originale Werk ausgegeben wird, insofern dies unentdeckt bleibt und nicht kommuniziert wird.
Bereits im Mittelalter gab es zahlreiche Fälle von Urkundenfälschung, die allerdings nur strafrechtlich verfolgt wurden, wenn ein Bürger durch den Betrug zu größerem Schaden kam. Kunstfälschungen dagegen existierten nicht, zumal sich zu dieser Zeit auch unser heutiges Künstlerverständnis noch nicht etabliert hatte. Künstler galten als Handwerker, die zusammen mit ihren Schülern und Assistenten in ihren Werkstätten Auftragsarbeiten für die staatliche oder religiöse Obrigkeit anfertigten. Die schöpferische Idee und letzte Feinarbeiten stammten in der Regel vom Werkstattmeister selbst, unter dessen Namen das Kunstwerk schließlich auch die Werkstatt verließ. Große Teile des Werkes konnten dabei jedoch von Schülern und Gehilfen ausgeführt worden sein, ohne dass dadurch dessen Wert geschmälert wurde. [...]
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- 1. Original und Fälschung
- 1.1. Historischer Wandel des Original-Begriffes und die Geburtsstunde der Fälschung
- 1.2. Original und Fälschung - Und das was dazwischen liegt
- 1.3. Formen der Fälschung
- 2. Der gefälschte Mond von Galileo Galilei
- 2.1. Ein Sensationsfund im Jahr 2005
- 2.2. Horst Bredekamps Forschungsergebnisse: „Galilei der Künstler“
- 2.2.1. Drei Serien von Mondzeichnungen
- 2.2.2. Der Sidereus Nuncius ML
- 2.2.3. Titelblatt
- 2.2.4. Die Zeichnungen
- 2.3. Der Sidereus Nuncius ML - Eine Fälschung
- 2.3.1. Der Skeptiker Nick Wilding
- 2.3.2. Marino Massimo De Caro - Der Fälscher
- 2.3.3. Die Herstellung des Sidereus Nuncius ML
- 2.4. Pressestimmen und die Reaktion der Forscher
- 3. Das Phänomen der Fälschung und der Kunstmarkt
- 3.1. Die Rolle des internationalen Kunsthandels
- 3.2. Methoden der Fälschungserkennung
- 3.2.1. Stilkritische Analyse - Expertisen
- 3.2.2. Restauratorische Untersuchungen
- 3.2.3. Naturwissenschaftliche Verfahren
- 3.2.4. Provenienzforschung
- 4. Fazit und mögliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Kunstfälschungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Die Bachelorarbeit befasst sich mit der Thematik der Kunstfälschung und ihrer Erkennung. Ziel ist es, den historischen Wandel des Original-Begriffes aufzuzeigen, das Phänomen der Fälschung in den Kontext des internationalen Kunstmarktes zu stellen und die Rolle von Experten bei der Fälschungserkennung zu beleuchten.
- Die Entwicklung des Original-Begriffes im Kontext der Kunstgeschichte
- Die Bedeutung des internationalen Kunstmarktes für das Phänomen der Fälschung
- Die Rolle von Experten und wissenschaftlichen Methoden bei der Fälschungserkennung
- Das Beispiel des Sidereus Nuncius ML als Fallstudie für eine Fälschung
- Mögliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Kunstfälschungen
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Das erste Kapitel beleuchtet den historischen Wandel des Original-Begriffes in der Kunstgeschichte und die Entstehung des Phänomens der Fälschung. Es wird gezeigt, dass der Begriff „Original" erst im Laufe der letzten Jahrhunderte entstanden ist und ein komplexes Verständnis von Authentizität, schöpferischem Geist und handwerklicher Qualität beinhaltet. Das zweite Kapitel befasst sich mit der Fälschung des Sidereus Nuncius ML, einem astronomischen Werk von Galileo Galilei. Die Entdeckung der Fälschung und die Forschungsergebnisse von Horst Bredekamp werden ausführlich dargestellt. Die Rolle des Fälschers Marino Massimo De Caro und die Reaktion der Forscher auf die Entdeckung werden analysiert. Das dritte Kapitel untersucht die Bedeutung des internationalen Kunstmarktes für die Fälschung und die verschiedenen Methoden der Fälschungserkennung, die von stilkritischen Analysen bis hin zu naturwissenschaftlichen Verfahren reichen.
Schlüsselwörter (Keywords)
Kunstfälschung, Original, Fälschungserkennung, Kunstmarkt, Experten, Sidereus Nuncius ML, Galileo Galilei, Horst Bredekamp, Marino Massimo De Caro, Provenienzforschung, Stilkritik, Restaurierung, Naturwissenschaftliche Verfahren
- Arbeit zitieren
- Sophia Reinhard (Autor:in), 2015, Sidereus Nuncius ML Kunstfälschungen und Fälschungserkennung. Die Rolle der Experten und der internationale Kunstmarkt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/310454