Das psychologische Grundvertrauen und die theologische Tugend des Glaubens. Eine interdisziplinarische Untersuchung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Das Grundvertrauen in der Psychologie
1.1. Der Begriff des Vertrauens
1.2. Der Begriff des Grundvertrauens
1.3. Angst und Angststörungen als Mangel an Vertrauen

2. Die theologische Tugend des Glaubens
2.1. Der Begriff des Glaubens in der Theologiegeschichte
2.2. Der Glaube als theologische Tugend

3. Das Verhältnis zwischen Grundvertrauen und theologischem Glauben
3.1. Das Verhältnis zwischen Grundvertrauen und Gottvertrauen
3.2. Das Grundvertrauen als fides qua

4. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Einleitung

„Steh auf und geh! Dein Glaube hat dir geholfen.“ (Lk 17,19)

Glaube und Vertrauen stehen in dieser Arbeit im Fokus. Es geht dabei um das Grundvertrauen nach Erik H. Erikson und um die theologische Tugend des Glaubens nach Thomas von Aquin und der christlich-katholischen Tradition. Beide werden zunächst aus der Sicht der ihnen entsprechenden Wissenschaften untersucht und dargelegt: Das Grundvertrauen aus psychologischer und der Glaube aus theologischer Perspektive. So wird im Folgenden von einem interdisziplinarischen Ansatz, von der Theologie und der Psychologie, ausgegangen.

In Kapitel 1 werden nicht nur das Vertrauen im Allgemeinen und das Grundvertrauen im Besonderen erörtert, es soll ebenfalls die Angst als Antipode zum Vertrauen in den Blick genommen werden. Besonders fokussiert wird hierbei die generalisierte Angststörung in Gegenüberstellung zum Grundvertrauen. Vermittelnd wird dabei das Angstverständnis des Philosophen Martin Heidegger hinzugezogen.

Hinsichtlich des Glaubens wird in Kapitel 2 zunächst dessen Begriffsgeschichte innerhalb der Entwicklung der Theologie, unter besonderer Beachtung der Spannung zwischen fides qua und fides quae, skizziert. Diese traditionelle Unterscheidung innerhalb des Glaubens, der als Tugend verstanden wird, ist hilfreich, um einen adäquaten Anknüpfungspunkt für das psychologische Grundvertrauen zu finden.

Nachdem die beiden Grundbegriffe Grundvertrauen und Glauben geklärt wurden, soll in Kapitel 3 das Verhältnis zwischen beiden untersucht und eine Bestimmung dieses Verhältnisses versucht werden. Hier wird zweiteilig vorgegangen, indem zunächst unter Zuhilfenahme fundamentaltheologischer Begriffsklärungen das Verhältnis von Grund- und Gottvertrauen in den Blick genommen und die Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Vertrauensweisen herausgestellt werden. Es folgt zuletzt die Eröterung, inwieweit Grundvertrauen und fides qua miteinander korrespondierende Begriffe sein können und ob man hier die Schnittstelle des psychologischen, sowie des theologischen Begriffs begründet ausmachen kann.

In der abschließenden Zusammenfassung soll die Relevanz des psychologischen Grundvertrauens für die Theologie und die Relevanz des Glaubens für die Überwindung von Angst und Angststörungen in einem knappen Resümee herausgestellt werden.

1. Das Grundvertrauen in der Psychologie

1.1. Der Begriff des Vertrauens

Vertrauen ist zunächst als ein allgemeiner, vorwissenschaftlicher Grundbegriff bekannt, der im Alltag eine große Bedeutung hat und vielfach verwendet wird. Ein Jeder weiß im Grunde intuitiv, was mit dem Begriff gemeint ist. Im Folgenden geht es um die Bestimmung des Vertrauensbegriffs aus der Sicht der Psychologie. Psychologisch kann Vertrauen definiert werden, als „die Einstellung, einem anderen Menschen zu trauen und die Geneigtheit, ihn charakterlich für zuverlässig zu halten und ihm zu glauben“1

Hinsichtlich der Zuordnung des Vertrauens zu den unterschiedlichen Seelenkräften, lassen sich zwei Grundansätze unterscheiden: Bernd Lahno bezeichnet Vertrauen als „emotionale Einstellung“2, welche durch die Hauptmerkmale einer „teilnehmende[n], personale[n] Haltung“ und jenem der „Verbundenheit“3 charakterisiert wird. Im Gegensatz dazu steht eine in den Sozialwissenschaften verbreitete Bestimmung des Vertrauens, als „eine auf Information über die Handlungsanreize eines anderen Menschen zurückgehende rational begründete Erwartung“4. Eine emotionale und eine kognitive Bestimmung des Vertrauens müssen sich jedoch nicht gegenüber stehen, sondern können ineinandergreifen und das Vertrauen als eine sowohl durch das Denken als auch durch das Fühlen geprägte Haltung begreifen.

Was den Gegenstand des Vertrauens angeht, so kann man zunächst die individuelle und selbstbezügliche Dimension, gefasst unter den Begriff des Selbstvertrauens, ausmachen. Selbstvertrauen ist „eine lebenswichtige Charaktereigenschaft“5, da es grundlegend für die individuellen Erlebnisweisen und auch für das Eingehen zwischenmenschlicher Beziehungen ist. In letzteren zeigt sich die soziale Dimension des Vertrauens, da es in allen Beziehungsgebilden eine Rolle spielt. Aufgrund dessen kann Vertrauen gar als „eine wesentliche Grundlage des gesellschaftlichen Zusammenlebens“6 angesehen werden. Insbesondere ist es ein notwendiger Faktor in „Familie, Ehe, Freundschaft, Liebe“7 sowie in einem Arzt-Patienten-Verhältnis und nicht minder in den abstrakteren sozialen Bereichen, wie im Berufsleben, in der Wirtschaft oder in der Politik.8 Man kann die Gegenstandsbereiche des Vertrauens noch allgemeiner fassen, als „Vertrauen zu Dingen, zu Menschen, zu Gruppen, in Institutionen oder zu Gott“9. Bezieht sich das Vertrauen nicht auf einen konkreten Gegenstand / eine konkrete Person und sprengt es auch den Rahmen der Gegenstandsbereiche in Form einer basalen Grundhaltung eines Menschen, spricht man gemäß dem dänischen Psychologen Erik H. Erikson von einem „ Ur- oder Grundvertrauen [Hervorhebung nicht im Original]“10, um das es im nächsten Kapitel gehen soll.

Aus phänomenologischer Sicht, lässt sich Vertrauen am ehesten im Kontrast zum Gegensatz des Misstrauens11 erkennen. Erst wenn das Vertrauen fehlt, wenn es dem Misstrauen weicht, erkennt man erst seine grundlegende Funktion.12 Zuvor bleibt es meist unthematisch und vorbewusst.

1.2. Der Begriff des Grundvertrauens

Das von dem Psychologen Erik H. Erikson stammende Konzept des basic trust wird „üblicherweise und etwas missverständlich mit ,Urvertrauen‘ übersetzt“13, sodass im Folgenden ausschließlich der Begriff Grundvertrauen als adäquate Übersetzung des englischen basic trust verwendet wird. Das Grundvertrauen wird bei Erikson zum einen als ein Vertrauen in die Welt und die Menschen, zum anderen auch religiös als Gottvertrauen verstanden und beides voneinander unterschieden. Ersteres zeichnet sich „durch ein Gefühl des inneren Ausgleichs, der Geborgenheit, und das Bewusstsein, im Einklang (…) mit der Welt zu stehen“14, aus. Die Relevanz des Gottvertrauens ergibt sich daraus, dass für Erikson die Religion „diejenige kulturelle und traditionshaltige Institution“15 sei, von der er sagt, dass sie ,,eng mit den Fragen des Vertrauens verbunden“16 sei.

Dieses Grundvertrauen wird in einer intakten Mutter-Kind-Beziehung, welche wiederum in einer bestimmten sozialen und weltanschaulichen Situation eingebettet ist,17 erworben und ist somit nicht angeboren. Damit legt die Mutter ihrem Kind den Grund für „das Gefühl, sich mit seinen Bedürfnissen auf die Umwelt verlassen zu dürfen, und das Gefühl, selbst ein verlässlicher Teil dieser Welt zu sein.“18 Da diese Grundlegung nicht immer gelingt, ist das Leben des Menschen von Beginn an „durch den Konflikt von Grundvertrauen versus Grundmisstrauen bestimmt“.19 Auf jeder der acht von Erikson unterschiedenen Entwicklungsstufen des Menschen tritt dieser Grundkonflikt durch einen je stufenspezifischen Konflikt20 und somit in verschiedenen Formen auf. Das Grundvertrauen muss deshalb bereits im Säuglingsalter durch die Mutter vermittelt und sich durch den Säugling in einer frühen Form von Selbstvertrauen zu eigen gemacht werden, damit in den Grundkonflikten späterer Lebenslagen aus dem Grundvertrauen gezehrt werden und dadurch ihre Bewältigung gelingen kann.

Der Erwerb des Grundvertrauens beruht demnach auf einer möglichst unbeeinträchtigten Form von Wechselseitigkeit zwischen Mutter und Kind. Dabei kann dies jedoch nur in dem Maße gelingen, in dem die Mutter „ihre Fähigkeit des Spendens entwickelt und koordiniert.“21 Der erfolgreiche Erwerb des Grundvertrauens im Säuglingsalter ist „für Erikson die entscheidende Voraussetzung dafür, dass die weiteren Entwicklungsphasen fruchtbar“22 sein werden und ihre je eigenen Konflikte bewältigt werden können. Dieser frühe Erwerb des Grundvertrauens zeigt sich beispielsweise dadurch, dass der Säugling „die Mutter ohne ungebührende Angst oder Wut aus dem Blickfeld“23 lassen kann. Für den Erwerb des Grundvertrauens ist nach Erikson grundlegend, dass das Kind das „»Nehmen«, nicht im Sinne des Sich-Beschaffens, sondern in dem des Gegeben-Bekommens und Annehmens“24, lernt. Erikson fasst sein daraus resultierendes Vertrauensverständnis in seinem Werk Identität und Lebenszyklus wie folgt zusammen: ,,Mit »Vertrauen« meine ich das, was man im allgemeinen[sic!] als ein Gefühl des Sich-verlassen-Dürfens kennt, und zwar in bezug[sic!] auf die Glaubwürdigkeit anderer wie die Zuverlässigkeit seiner selbst.“25 Es ist derart wichtig, was Erikson im Umgang mit seinen Patienten erkannte, dass er es als den „Eckstein der gesunden Persönlichkeit“26 bezeichnete. Von daher ist verständlich, dass das Fehlen dieses Grundvertrauens, im Sinne eines Grundmisstrauens, von Erikson als folgenreich eingeschätzt wird. Ein Rückzug in sich selbst, aufgrund von Uneinigkeit mit sich selbst und anderen, wird durch das Grundmisstrauen begünstigt. Noch folgenreicher ist die Entstehung „psychotische[r] Zustände“27, welche zur Verweigerung von Nahrung und Zuspruch sowie zur Vernachlässigung jedweder menschlichen Beziehung, führen kann28. Doch ein früh erworbenes Grundvertrauen ist kein lebenslang bleibender Besitz, denn es erfordert gerade in den Konflikten der späteren Lebensphasen, dass man sich immer wieder dazu anstrengt, „weiterhin zu vertrauen, sobald widrige Erfahrungen gegen es [das Vertrauen, Anm. d. Verf.] spricht.“29

[...]


1 Tisch, W., Art. Vertrauen, in: Arnold, Wilhelm, Eysenck, Hans Jürgen, Meili, Richard (Hg.), Lexikon der Psychologie. Dritter Band, 1972, 1980, 2489f.

2 Lahno, Bernd, Der Begriff des Vertrauens, 2002, 13.

3 Ebd.

4 Ebd., 14.

5 Arnold, W., Art. Selbstvertrauen, in: Arnold, Wilhelm, Eysenck, Hans Jürgen, Meili, Richard (Hg.), Lexikon der Psychologie, 2031.

6 Lahno, Bernd, Der Begriff des Vertrauens, 9.

7 Tisch W., Vertrauen, 2490.

8 Vgl. ebd.

9 Lahno, Der Begriff des Vertrauens, 12.

10 Welz, Claudia, Vertrauen und Versuchung, 2010, 70.

11 Ebd., 235.

12 Ebd., 70.

13 Lahno, Der Begriff des Vertrauens, 323.

14 Ebd., 324.

15 Fraas, Hans-Jürgen, Erikson und die Religion, in: Schwab, Ulrich (Hg.), Erikson und die Religion. Beiträge zur Rezeption der Theorie Erik H. Eriksons in der Gegenwart, 2007, 9.

16 Erikson, Erik H., Identität und Lebenszyklus, erste Auflage 1973, 74.

17 Vgl. Fraas, Erikson und die Religion, 11.

18 Lahno, Der Begriff des Vertrauens, 324.

19 Welz, Vertrauen und Versuchung, 70.

20 Vgl. ebd., 70.

21 Ebd.

22 Lahno, Der Begriff des Vertrauens, 325.

23 Ebd., 71.

24 Erikson, Identität und Lebenszyklus, 65.

25 Erikson, Identität und Lebenszyklus, 62.

26 Ebd., 63.

27 Ebd.

28 Vgl. ebd.

29 Welz, Vertrauen und Versuchung, 72.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Das psychologische Grundvertrauen und die theologische Tugend des Glaubens. Eine interdisziplinarische Untersuchung
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Katholisch-Theologische Fakultät)
Veranstaltung
Seminar Christliche Anthropologie und Ethik
Note
1,7
Autor
Jahr
2013
Seiten
17
Katalognummer
V310797
ISBN (eBook)
9783668094796
ISBN (Buch)
9783668094802
Dateigröße
416 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Glauben, Glaube, Vertrauen, Grundvertrauen, Erik H. Erikson, Thomas von Aquin, Angst
Arbeit zitieren
Lars Schäfers (Autor:in), 2013, Das psychologische Grundvertrauen und die theologische Tugend des Glaubens. Eine interdisziplinarische Untersuchung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/310797

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