Helden und Heldinnen: Frauen und Männer des Sturm und Drang


Zwischenprüfungsarbeit, 2004

25 Seiten, Note: 2-


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Was ist der Sturm und Drang?
2.1 13 Aspekte des Sturm und Drang
2.2 Politisch-gesellschaftlicher Hintergrund
2.3 Entstehung: Das neue Menschenbild
2.4 Die Phasen der Sturm-Bewegung

3. Der männliche Sturm und Drang
3.1 Johann Wolfgang Goethe: Götz von Berlichingen (1773)
3.2 Friedrich Schiller: Die Räuber (1781)
3.3 Heinrich Leopold Wagner: Die Kindermörderin (1776)

5. Frauen im Sturm und Drang: Männerphantasien
5.1 Die brave Jungfrau
5.2 Die Mäzenin
5.3 Die verkannte Muse: Goethes Schwester
5.4 Die Verführte

6. Der weibliche Sturm und Drang
6.1 Biographie Christiane Karoline Schlegel (1739-1833)
6.2 Christiane Caroline Schlegel: Düval und Charmille (1778)
6.3 Biographie Johanne Sophie Albrecht (1757-1840)
6.4 Johanne Sophie Albrecht: Theresgen (1781)

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Sturm und Drang ist eine Strömung, die ausschließlich als Entwicklung der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts anzusehen ist. Namensgeber ist das gleichnamige Werk von Friedrich Maximilian Klinger (1752-1831).

Der Sturm[1] war 1770 etwas junges, aufbrausendes, etwas das keinen Kompromiss zuließ. Das emphatische Gefühl im ewigen Streit mit der Pflicht und der sprichwörtlich deutschen Disziplin. Vor allem aber war der Sturm männlich, zumindest könnte man dies annehmen, wenn man den Großteil der späteren Forschung über diese literarische Epoche betrachtet. Über die zweite Seite, die weibliche Version des Sturm, gibt es indes nur wenig zu hören und zu lesen. Frauen kommen aber auch in der männlichen Sturm-Literatur vor, meist in passiven Rollen. Andererseits schrieben Frauen auch über die Männer ihrer Zeit, und gewiss nicht bewundernd und unterwürfig. Andere Perspektiven ergeben andere Themen und andere Ideen. Im Folgenden werde ich also in mehreren Phasen beide Seiten zu ihrem Teil kommen lassen, die speziellen Intentionen der weiblichen/ männlichen Sturm-Autoren beleuchten und miteinander vergleichen.

2. Was ist der Sturm und Drang?

2.1 13 Aspekte des Sturm und Drang

Matthias Luserke hat in seinem Buch Sturm und Drang 13 Aspekte des Sturm erfasst, die ich im Folgenden verkürzt wiedergebe:[2]

1. Der Sturm ist die deutsche Literatur von 1770-80, die Avantgarde sein wollte. Dazu gehören die Bezeichnungen “Genie“, “Originaldichter“ usw.
2. Der Sturm setzt sich bewusst formal und inhaltlich von den Mustern der Literatur der Aufklärung ab.
3. Der Sturm sucht neue Themen (u.a. Kindsmord, Volkslieder, Shakespearianismus) oder hinterfragt alte Themen neu (Liebe, Standesunterschiede).
4. Der Sturm wurde im Geist der Aufklärung gebildet, und wendet diesen Geist kritisch gegen die eigene Gegenwart an.
5. Der Sturm sucht in der Vergangenheit, was er in der Gegenwart vermisst. Den (männlichen) Autoren geht es dabei oft um “Kraftgenies“ und “Kerls“, und um ungebändigte Sexualität statt überformter Empfindsamkeit. Es geht erstens um eigenständiges Handeln (des sog. “Selbsthelfers“), und zweitens auch um die Wirkungslosigkeit und tatsächliche Hilflosigkeit des Sturm.
6. Der Sturm beschreibt die Entdeckung des Individuellen als authentisches Erlebnis. Er schätzt die Freiheit des Einzelnen höher als die Pflichten des Subjekts.
7. Sturm ist Literatur die versucht, ihren gesellschaftlichen Standort jenseits der ständischen-hierarchischen Zuweisungen zu finden.
8. Der Sturm wehrt sich, ist kritisch, arrangiert sich nicht.
9. Technik: Der Sturm setzt sich über Regelbindungen hinweg. Es wird mit Auslassungen, Ellipsen und Verknappung gearbeitet, um die unverfälschte Sprache der Leidenschaft realistisch umzusetzen.
10. Der Sturm ignoriert literarische Gattungsgrenzen.
11. Der Sturm fordert nicht nur die Selbstbestimmung des Menschen, sondern beschreibt sie auch, und führt dabei Ideale der Aufklärung, bzw. ihr Scheitern konsequent vor Augen.
12. Der Sturm ist der erste Versuch, sich ein Scheitern der Aufklärung vorzustellen, und vergleicht dabei die Ideale der Aufklärung mit der (damaligen) Realität.
13. Der Sturm ist eine Rebellion innerhalb der Familie, gegen die Fremdbestimmung. Radikalste und revolutionäre Themen: Vatermord, Brudermord, Kindsmord.

2.2 Politisch-gesellschaftlicher Hintergrund

Um 1765 sind in fast ganz Europa absolutistische Herrscher an der Macht. Mit Beendigung der österreichischen Erbfolgekriege 1763 erhält Preußen Schlesien und wird so zur Großmacht[3]. Deutschland ist in viele kleine Fürstentümer unterteilt, in denen die Fürsten mit fast uneingeschränkter Macht regieren. Kritische Bemerkungen gegen die Ordnung werden hart bestraft.

Das 18. Jahrhundert ist als eine Epochenwende und als Beginn der modernen Zeit bezeichnet worden. Im inneren der Staaten hemmten starre Standesschranken zwischen Adel, Bürgern und Bauern die soziale und wirtschaftliche Entwicklung. In jener Zeit entwickelten sich neue ökonomische Kräfte und es bildeten sich neue soziale Klassen heraus: der Industriekapitalismus und das handeltreibende Bürgertum. Dies führte langsam zur Auflösung der alten Ständegesellschaft und zur Bildung der bürgerlich-egalitären Gesellschaft, die nicht mehr gewillt war, die politische und kulturelle Vorherrschaft des Adels als gottgegeben und unveränderlich hinzunehmen.
Diese Veränderungen griffen auf das kulturelle und somit auch auf das literarische Leben über. An die Stelle der höfischen trat eine neue Literatur, die die Leitgedanken der Aufklärung (Vernunft, Rationalität, Gleichheit und Humanität) zu verbreiten suchte.

Der Sturm entsteht in dieser Zeit der sozialen und kulturellen Umbrüche. Nach Luserke wächst die Buchproduktion von 1763 bis 1805 im Vergleich zum Zeitraum von 1721-1763 um das zehnfache. Der Anteil belletristischer Literatur wächst von 5,8 % 1740 auf 21,5 % im Jahr 1800. Beinah jedem war nun der Weg zum Lesen freigemacht. Außerdem wechselte man von der intensiven Wiederholungslektüre zum einmaligen Lesen immer neuer Bücher, was zu einem breiteren Angebot an Büchern führte.[4]

2.3 Entstehung: Das neue Menschenbild

Der Sturm und Drang entstand als Gegenmodell zur Aufklärung. Johann Georg Hamann (1730-1788) stellte sich gegen den Kant'schen Rationalismus[5].

Die Bewegung richtete sich gegen die Engstirnigkeit und Einseitigkeit der Aufklärer und bemängelte die erstarrten Konventionen und die künstliche Gesellschaftsordnung mit ihren klar voneinander abgetrennten Ständen.

Nicht mehr die rationale Denkweise der Vernunft sollte dominieren, sondern die Emotionen, die Sinnlichkeit und die Spontaneität des Einzelnen, des Individuums waren gefragt. Seine Gefühle offen zu zeigen war keine Unschicklichkeit mehr.

Das Genie hat die Vollkommenheit der Natur, und somit das Göttliche. Und da sich das Göttliche in der Natur offenbart (Pantheismus[6] ), wird es durch den Menschen sichtbar.

Der von Rousseau geprägte Satz ,,Zurück zur Natur" gewann zunehmend an Bedeutung.

Johann Gottfried Herder (1744-1803), ein Freund und Schüler Hamanns, lehnte außerdem den aufklärerischen Fortschrittsglauben aus Kulturpessimismus ab und bevorzugte volkstümliche und leidenschaftliche Erlebnisdichtung; kehrte also zurück zu den dichterischen Wurzeln und zur urtümlichen Naturverbundenheit. (Friedrich Gottlieb Klopstock -einer der Urväter des Sturm- suchte diese u.a. in germanischen Schlachtengesängen).

2.4 Die Phasen der Sturm und Drang-Bewegung

1. Phase: Die Begegnung 1770 zwischen Herder und Johann Wolfgang Goethe (1749-1832) in Straßburg. Das Treffen des erfolgreichen Dichters Goethe mit dem bedeutendsten Theoretiker des Sturm weitet sich zu einem Kreis von Intellektuellen aus[7].

Die Zentren dieser Gruppenbildung sind die Straßburger Gesellschaft um Herder, Goethe, Klinger und Salzmann; der Göttinger Hainbund (u.a. Hölty, Miller, Stolberg, Voss und Klopstock - nach dessen Ode Der Hügel und der Hain[8] die Gruppe benannt wurde- selbst); und der zweite Kreis um Goethe und Merck in Frankfurt. Man gab sich gegenseitig Klopstocksche Bardennamen und pries Freiheit, Ehre und Vaterland.

Breite Publikumsschichten erreichte der Sturm und Drang erst durch Goethe in den Jahren 1773/74 und die großen Erfolge Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand (1773) und Die Leiden des jungen Werthers (1774).

2. Phase: 1776, auch als Dramenjahr bezeichnet. Es wurden einige der wichtigsten Werke der Zeit, u.a. Klingers Die Zwillinge, Lenz' Die Soldaten und Wagners Die Kindermörderin veröffentlicht.

Darauf folgt die Auflösung der Stürmer und Dränger-Gruppe.

3. Phase: Die dritte und letzte Phase des Sturm beginnt in den frühen achtziger Jahren, in denen Friedrich Schillers Jugenddramen Die Räuber (1781), Die Verschwörung des Fiesco zu Genua (1783) und Kabale und Liebe (1784) publiziert werden.

[...]


[1] Anm.d.Verf.: Ich werde im weiteren Verlauf für “Sturm und Drang“ nur noch die Abkürzung “Sturm“ verwenden.

[2] Vgl. Luserke, Matthias: Sturm und Drang. Autoren - Texte - Themen. Stuttgart: Reclam, 1999. S. 10-14.

[3] Vgl. Venske, Sophie: Frauenfiguren in der Literatur der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/7256.html (16.09.2004).

[4] Vgl. Luserke: Sturm und Drang, S. 14-15.

[5] Vgl. Rothmann, Kurt: Kleine Geschichte der deutschen Literatur. Stuttgart: Reclam, 2003. S. 90-93.

[6] Pantheismus (gr.): Allgottglaube (Gott u. Welt sind eins).

[7] Vgl. ebd., S. 93-104.

[8] Ebd., S. 93. ,,Des Hügels Quell ertönet von Zeus,/ Von Wodan, der Quell des Hains./ Weck’ ich aus dem alten Untergange Götter/ Zu Gemälden des fabelhaften Liedes auf; […]“ "Teutoniens Hain" und die alten germanischen Götter werden von Klopstock griechischen Göttern vorgezogen.

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Details

Titel
Helden und Heldinnen: Frauen und Männer des Sturm und Drang
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Seminar für Deutsche Literatur und Sprache)
Veranstaltung
FLS 2: Zwischen Wanderbühne und höfischem Nationaltheater. Theatergeschichte und Dramenliteratur im Kulturwandel des 18. Jahrhunderts
Note
2-
Autor
Jahr
2004
Seiten
25
Katalognummer
V31081
ISBN (eBook)
9783638321914
Dateigröße
595 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Helden, Heldinnen, Frauen, Männer, Sturm, Drang, Zwischen, Wanderbühne, Nationaltheater, Theatergeschichte, Dramenliteratur, Kulturwandel, Jahrhunderts, Thema Sturm und Drang
Arbeit zitieren
Ralf Klossek (Autor:in), 2004, Helden und Heldinnen: Frauen und Männer des Sturm und Drang, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31081

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