Zur Theorie und Praxis komparatistischer Kanonformation


Seminararbeit, 2015

26 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhalt

1. Über die (relative) Sinnhaftigkeit von Kanonformationen

2. Kriterien für das Herausbilden von Kanonformationen

3. „Canon Wars“

4. Der „Weltliteratur“ - Begriff in Kanonformationen

5. Nationalkanon vs. Kanon der Komparatistik

6. Gewinnorientierte Literaturlisten

7. Kanones der Zukunft

8. Literaturverzeichnis

Zur Theorie und Praxis komparatistischer Kanonformation

1. Über die (relative) Sinnhaftigkeit von Kanonformationen

Es ist schwierig, Kanondebatten streng wissenschaftlich und objektiv zu führen, denn Sie werden immer auch unter ideologischen und emotionalen Vorzeichen geführt. Sobald eine (Interessens)gruppe einen Kanon präsentiert, wird diese von anderen (Interessens)gruppen kritisiert, belächelt, negiert, da die eigenen Interessen nicht oder nur unzureichend repräsentiert werden.

Logically and pragmatically, the essential features of the phenomena involved in canons and their formation can be classified according to the opposition between inside and outside (belonging and not belonging) […].1

Auf ideologische Befindlichkeiten beruhende Argumente können sich allerdings von der notwendigen wissenschaftlichen Argumentation allzu weit entfernen, so dass die Diskussion schließlich in schiere Geschmacksurteile2 abfällt, die in der Wissenschaftlichkeit nur bedingt von Nutzen sind.

Those today who think literature should be chosen for what it says about women, or minorities, or other groups of ideology, have similar lofty goals […]. Forcing all discourse into an ideological grid is, simply put, intellectual censorship.3

Nicht selten wird dabei versucht, die Machtinteressen die hinter jeder Debatte stecken, zu vertuschen. „Wo zur Kanon-Begründing auf Kunstwert gesetzt werde, würden stets nur Machtinteressen verschleiert. […] Er sieht im Kanon nur das Instrument von Macht, nicht von Orientierung.“4

Gegensätze zwischen verschiedenen Interessensgruppen führten zu regelrechten “canon wars” in den 80er und 90er Jahren, auf die die Arbeit noch detailliert eingehen wird. Es sei vorerst lediglich angemerkt, dass der Konflikt beruhigt werden kann, wenn man Kanonformationen als dynamische Listen ansieht, deren Inhalt zeitlichen und räumlichen, und damit einhergehend, aber in geringerem Ausmaß, ästhetisch - thematischen Veränderungen unterliegt.

Es bedarf für Kanonformationen eines überzeugenden theoretischen Fundaments, damit sie als Kanones kanonisiert werden: Denn ein Kanon möchte idealerweise selbst als Kanon kanonosiert sein, die Formation also eine möglichst breite Akzeptanz (durch Forscher, Kritiker, Leser etc.) finden.

If the literary, and non-literary canon, is understood as a list of writing (and other matters) accepted to be of genuine and valid meaning and quality, corresponding to a general principle or to a set of criteria, then canonization means the admission to the list, authorization, and acceptance that something has canonical status.5

Es ist aber gerade dieser Umstand, nämlich der Wunsch nach der Kanonisierung des Kanons selbst, der Versuch einer wissenschaftlich - theoretischen Rechtfertigung und das Ansinnen nach allgemeiner Zustimmung über die Auswahl, die jede Kanonformation so problematisch und anfällig für Kritik macht.

It is relatively uncontroversial to observe that the literary canon is a publically recognized collection of works believed to have some kind of value, such as artistic merit. What is far more controversial, of course, is the idea that the canon is or could be justified.6

Die Einzelphilologien haben es, so scheint es zumindest, leichter, „ihren“ Kanon aufzustellen, da sie sich auf eine Sprache oder einen Kulturkreis konzentrieren und andere vernachlässigen bzw. ignorieren können. Bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden Literaturlisten fast ausschließlich von den Einzelphilologien publiziert; seither bemüht sich aber das komparatistische Fach, eigene Kanones zu präsentieren in dem Bemühen, die Diversität der Sprachen und Kulturen auszudrücken. Dies hieß und heißt vor allem, dass auch asiatische und afrikanische Literaturen und Sprachen Eingang in die Formation von Kanones fanden und vermehrt finden. Die Einzelphilologien haben seit der Jahrtausendwende: „[…] the necessity of placing the national literature into a wider context“7 erkannt; auch um den Eindruck zu vermeiden, dass “[…] literature has evolved and still evolves ex nihilo, by itself, apart from everything happening elsewhere.“8 Die Einsicht der Einzelphilologien, dass „ihre“ Literatur und Kultur auch von außerhalb beeinflusst wurde, geht im hohen Maße auch auf komparatistische Forschungsergebnisse und -bemühungen zurück. Dies führt dazu, dass die Literaturkanones der Nationalphilologien vermehrt Autoren und Werke außerhalb des eigenen Fachs berücksichtigen.

The globalization of world literature implies a model of studies fundamentally different from that implicit in great books or European-based world literature courses of half a century ago. Instead of a monolithic Great Tradition, or Great Conversation, we have a weaving together of various traditions and perspectives, both from ‘foreign’ culturs and from previously marginalized voices.9

Lange Zeit vernachlässigte Literaturen treten durch postkoloniale Studien zunehmend in den Fokus literarischer Kanones.

Mit dem […] Postkolonialismus stellt sich die Kanonfrage neu. Das gilt in erster Linie für den ‚westlichen Kanon‘ bzw. den bislang westlich dominierten Kanon der Weltliteratur, dessen Auswahlkriterien, Werke und Deutungskanones in postkolonialer Perspektive zu überprüfen sind und der, vor allem durch die Berücksichtigung von bislang vernachlässigten Literaturen, im Blick auf eine Neubestimmung von Weltliteratur umzubauen ist.10

Auch der Begriff der „Weltliteratur“ wird neu gedacht; weg von einem Eurozentrismus hin zu einem weitumfassenden, weltumfassenden Auslegungsversuch: „Das Konzept ‚Weltliteratur‘ operiert zu Zeiten der Globalisierung als ein Mechanismus, der nicht - westliche, nicht - anglophone Autoren und Werk ins Zentrum des globalen Interesses rückt.“11 Dieser Umstand gilt vor allem für die Auswahl akademischer Curricula, die den Studenten ein möglichst breites Themenschwerpunkt präsentieren soll(t)en, um die vielfältigen Interessen der Studenten zufrieden zu stellen.

[…] it is possible to imagine a sharply defined literary curriculum that (drawing on the good offices of Comparative Literature Departments) would introduce undergraduates to the books from the Western canon that have most influenced literature in English - the Iliad, the Odyssey, the Aeneid, Greek tragedy, the Bible […].12

„Weltliche“ oder säkulare Kanones, zu denen jene der Künste zählen, sind, ungleich religiöser Kanones, nicht normativ festgesetzt; d.h. sie lassen einen Interpretationsspielraum zu, können kritisiert und negiert werden. Diese Kritik ist sogar erwünscht, denn daran misst sich, in wie weit eine Formation verschiedenen Experten-, aber auch „Laienmeinungen“ standhält: […] as educators or critics we may whish to intervene in the existing canons and, […] to reconceive some oft he prevailing canons.“13 Die Textauswahl religiöser Kanones (der Begriff „Kanon“ ist ein ursprünglich religiöser) hingegen ist verbindlich und unanfechtbar, zumindest für gläubige Menschen. Die Selektion der Texte in der Bibel und der Ritus der Messe sind keine vagen Richtschnüre, an die sich Gläubige (Katholiken) halten können oder nicht, sondern normativ (im Katholizismus über die Jahrhunderte durch die Päpste) festgesetzte Texte und Abläufe.

„Wer die Messe nicht nach diesem ordo abhält, wer Texte vorträgt, die nicht im Lektionar stehen […] wer die Glaubensregel nicht so weitergibt, wie er sich empfangen hat, der ist Anathema und kein Mitglied der Gemeinde.“14

In der literarischen oder künstlerischen Kanonformation im Allgemeinen freilich fehlt diese autoritative Figur, die die kanonische Struktur unveränderbar normativ festlegen kann (wenngleich man immer wieder den Eindruck gewinnt, dass einige Kritiker und Experten diese Stellung für sich beanspruchen).

The word ‚canon‘ is a religious term and in the context of Catholicism the power to canonize is relegated to the pope. […] No one single authority wielded power of judgment over the choice of the literary saints just as the highest powered publicists cannot control what literary works will survive […]. Unlike the religious practice, no literary pope or conclave of cardinals can act on the literary canon.15

Wie ist nun die Frage nach der Sinnhaftigkeit weltlicher, literarischer Kanones zu beantworten oder wenigstens etwas zu klären? Ein möglicher Erklärungsversuch ist, dass die Frage nach dem Sinn immer im Hinblick darauf zu beantworten ist, wer (sei es eine Institution, ein Verlag, eine Person etc.) die Liste publik macht. Die Frage ist also final nicht beantwortbar, die Antwort also immer relativ.

He [Wendell Harris; Anm.] points out that the uses and connotations of the term ‚canon‘ continue to be various and that clarification is essential before debate can begin. Thus he proposes to distinguish the ‘official’ canon (books generally accord cultural importance in a society) from the ‘critical’ and ‘curricular’ canons - respectively the works that scholars and critics write about and that teachers and professors teach.16

(Akademische) Curricula, die von Kanonformationen unterschieden werden sollten, da sie mehr noch als Kanones „[…] auf der Grundlage gegenwärtiger politischer, ethischer und praktischer Bedürfnisse ausgewählt werden […]“17 z.B. haben in erster Linie den Sinn, dass sie Schüler und Studenten mit Literatur konfrontieren. „What remains as a role for the teaching of literature is simply to expose students to literature […].”18

In den letzten Jahrzehnten sprachen sich Philologen und Komparatisten vermehrt dafür aus, dass verschiedene universitäre Institute ihre akademischen Curricula jeweils an die einzelnen Forschungsschwerpunkte der Institute richten sollen. Gerade komparatistische Institute sollten möglichst vielfältige Curricula weltweit vorzeigen können, die das jeweilige Kerngebiet des Instituts ausdrücken.

If I argue for an ideal of cosmopoltanism, it does not mean, of course, that all canon of world literature designed by Comparative Literature departments should be the same all over the world, but only that each Comparative Literature department, from its own point of view, establish a reading list (preferably more than one) that should be guided, among other things, by the notion that human nature is one, despite differences of language, nationality, race, religion, gender or culture.19

Ein hauptsächlich ökonomisches Ziel verfolgen Kanones (bzw. Literaturlisten), die Verlage (z.B. dtv) oder Zeitschriften (Die Zeit) und Zeitungen (Süddeutsche Zeitung) publizieren. Die „Bibliothek“ der „Süddeutschen Zeitung“ zum Beispiel, für die von 2004 bis 2005 jeden Samstag 100 mal jeweils ein von der Feuilletonredaktion ausgewähltes Werk aus dem 20. Jahrhundert erschien, war ein kommerzieller Erfolg. Der einheitliche Look und der günstige Preis bei Bestellung der Gesamtreihe kamen bei den Lesern gut an. Mittlerweile wurde die Reihe um bedeutende Kinderbücher, Kriminalromane und andere erweitert.

Hinter der Frage nach der Sinnhaftigkeit von Kanondebatten steht also die (relative) Antwort, dass Kanonformationen vor allem Machtansprüche zwischen verschiedenen sozialen und ideologischen Gruppen (hinsichtlich der Lektüremacht) geltend machen wollen.20 Es geht letztendlich immer um die Frage, welche literarischen Texte es vor allem „Wert“ sind, gelesen zu werden.

[…] Kanones sind auch als Bedingungen von Wertungen bedeutsam. Insofern es sich dabei um Wertungen während des Lektüreprozesses handelt, stellen Kanones folglich eine nicht zu unterschätzende ‚Lektüremacht‘ dar - eine Lektüremacht, deren Einfluss bis hinein in den Bereich individuellen und kollektiven ‚Wohlgefallens‘ an literarischen Texten spürbar wird.21

2. Kriterien für das Herausbilden von Kanonformationen

Klären wir zunächst jenen Begriff des Kanons, der auf die Literatur (beziehungsweise auf die Künste allgemein) zutrifft: „A canon can be defined as a selection of well-known texts, which are considered valuable, are used in education, and serve as a framework of reference for literary critics.”22 Das wichtigste Kriterium, in einem Kanon aufgenommen zu werden, ist wohl die Qualität des Textes und seine Beständigkeit, die sie idealerweise über Jahrhunderte hinweg beweisen konnte und weiterhin kann. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die produktive Rezeption des Textes und Autors durch andere Autoren mit ihren Texten, die nicht selten mit ebendieser Rezeption beabsichtigen, dass die geistige Größe eines meist verstorbenen Künstlers auf die eigenen künstlerischen Fähigkeiten abstrahlt. Dies gilt vor allem für die Rezeption fremdsprachiger Texte und fremder Kulturen; als Beispiel sei Goethes produktive Rezeption des persischen Dichters Hafis genannt, die ihn zu seinem „West - östlichen Diwan“ inspirierte.

‚Produktive Rezeption‘ oder genauer: ‚produktive poetische Rezeption’ ist dabei ein Sammelbegriff für verschiedene literarische Techniken der Verarbeitung von Literatur in Literatur. Er bezeichnet Phänomene der Intertextualität in einem weiten Sinn, seien sie markiert oder unmakiert, kritisch oder affirmativ, diskursiv oder poetisch.23

Empirische Untersuchungen in der Kanonforschung sind (noch?) Mangelware. „Mit welchen Methoden und auf welcher Materialbasis sich ein Kanon rekonstruieren und beschreiben lässt, ist ein von der Forschung noch wenig reflektiertes Problem.“24 Kanonformationen sind das Hervorheben und unweigerliche gleichzeitige Zurücksetzen von Autoren und Werken. Mit jeder Kanonformation möchten Menschen auf Autoren und ihre Werke aufmerksam machen, die in ihren Augen wichtig erscheinen. Gerade dies ist der problematische, aber gleichzeitig spannende und zu Diskussionen einladende Faktor, den Kanonformationen hervorrufen. Ein empirisch unerschütterliches Kriterium, ein festes theoretisches Fundament, welche Autoren und Werke als wichtigste in einem Kanon zu nennen sind, gibt es und kann es nicht geben, da die Formation(nen) dynamischen historischen und gesellschaftlichen, in geringerem Ausmaß ästhetischen Veränderungen unterliegen. „Therefore the canon does not exist […].“25 Ein Kanon von Literaturwissenschaftlern, so wissenschaftlich begründet dieser auch zu erscheinen vermag, kann Autoren wie Rabelais, Milton oder Firdousi beinhalten, der Großteils des literarisch interessierten Publikums wird sich aber für eine von einem z.B. Verlag (mit vorrangig ökonomischen Interessen) postulierte „Bestenliste“ von Autoren wie Umberto Eco, Ian McEwan oder gar Rosamunde Pilcher entscheiden. „Es gibt hier also möglicherweise ein interessantes Spannungsverhältnis zwischen den Kanon - Texten, die gelesen werden sollen (postulierter Kanon), und denen, die tatsächlich gelesen werden (aktiver Kanon).“26 Es stellt sich nun die Frage, nach welchen Kriterien, Kanones zustande kommen (können). Verkürzt kann behauptet werden, dass der akademische Betrieb sich auf vier Hauptkategorien geeinigt hat, mit denen sich Kanones begründen lassen:

1) the moral (such study makes us better people);
2) the practical (such study makes us more literate and more job- qualified or gives us ‘cultural capital’ with which to acquire status);
3) the aesthetic (the understanding of beauty elevates us spiritually though it may have no practical effects);
4) the cultural (the reading of our own literature enables us to understand our culture and the reading oft he literature of other traditions enables us to be more culturally aware and more tolerant).27

Entscheidend, zumindest für die breitere Verbreitung von Kanones, ist außerdem die Relevanz der kanonisierten Texte. Das heißt, man sollte immer im Blick haben, welches Publikum man mit einem literarischen Kanon erreichen möchte: Ein akademisches oder ein „bloß“ literaturinteressiertes Publikum. Damit sich ein Kanon aber durchsetzen kann, spielt noch ein Kriterium praktischer Art eine entscheidende Rolle: Die schiere materielle Verfügbarkeit jener Texte, die gelistet werden (in Bibliotheken, im Buchhandel etc.).

Es gibt keinen endgültigen, objektiven theoretischen Leitfaden, nach dem ein Kanon zu bilden ist. Zu unterschiedlich sind die mit der Kanonbildung unweigerlich verbundenen Interessen und Machtansprüche (sowie wirtschaftlichen Ambitionen). „Selektive Verfahren des Ein- und Ausgrenzens, die das notwendige Resultat einer jeden Kanonisierung bestimmen, sind grundsätzlich als von Interesse geleitete, diskursive Handlungen […].“28 Als Beispiel sei das bewusste Ausgrenzen von (westlichen) literarischen Traditionen und Sprachen durch die zahlreichen Traditionen und Sprachen z.B. Afrikas erwähnt, die von einigen Postkolonialisten bemüht wird. Die ausgrenzende Kritik (manifestiert durch einen „Gegenkanon“ von peripheren Texten im literarischen Feld) soll den gewalttätigen europäischen Kolonialismus und Imperialismus, allerdings auch die oft vergessene oder ignorierte islamische Invasion Afrikas anprangern. Diese „Gegenkanones“ (seien sie ethnisch-, klassen- oder geschlechtsspezifischer Natur29 ) möchten als ernstzunehmende alternativen zu konservativen „westlichen“ Kanones eines Harold Bloom ernstgenommen und als „[…] Etablierung einer bisher ausgegrenzten Nation, Bevölkerungsgruppe, Lehr- oder Forschungsgemeinschaft und Gewinn für eine neue, weil andere auctoritas […]“30 wahrgenommen werden. Die Gegenkanones sollen periphere Literaturen in den Fokus der Betrachtung rücken, die durch Kolonialmächte z.B. in der Vergangenheit unterdrückt wurden und zu einer selbstbewussten Identität führen. „Der nationalliterarische Kanon solle […] der (Wieder-)Aneignung der eigenen Geschichte und Lebenswelt der Schriftliteratur dienen […].“31 Die Kriterien für das Herausbilden eines Kanons sind also unweigerlich den Zielsetzungen und Machtinteressen desselben unterworfen.

3. „Canon Wars“

Seit den 1950ern, mit dem Aufkommen des New Criticism, waren zunächst amerikanische, später dann auch europäische (hierbei vor allem englische und französische) Literaturwissenschaftler darum bemüht, philologische Kriterien nicht als vorrangige Maßstäbe für die Qualität eines Textes zu betrachten, sondern linguistisch - ästhetische Kriterien als entscheidende Qualitätsmerkmale in den Vordergrund zu stellen. „The new critics privileged the close of poetry above the Great Books approach to literature, thus replacing moral and social criteria for the canon with internal and aesthetic ones.”32

Der Text sollte also von seiner Geschichtlichkeit und seiner moralischen Funktion befreit sowie als autonome (in Bezug auf historische Ereignisse) Materialisation des schöpferischen Geistes gelesen und untersucht werden. Als kritische Antwort auf die geistige Strömung des New Criticism entwickelte sich ab Ende der 1970er der New Historicism, der die historische Umgebung des Autors und Textes in den Mittelpunkt der literaturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Autoren und Texten stellte. Aufbauend auf der marxistischen Literaturtheorie rückt der New Historicism das Wissen um die Geschichtlichkeit eines Textes erneut in den Fokus der Debatten. Die Autonomie des Textes wird verneint oder zumindest relativiert und die wissenschaftliche Beurteilung seiner ästhetischen Kriterien tritt in den Hintergrund (ohne ganz aufgegeben zu werden).

Die Auseinandersetzung33 zwischen diesen zwei wissenschaftlichen Zugängen zur Literatur und Kultur hatte auch Auswirkungen auf Kanondebatten, denn die Vertreter bevorzugten jeweils andere Literaturen. Durch postkoloniale Studienergebnisse schließlich wurden Kanondebatten noch hitziger diskutiert, denn die Postcolonial Studies (und später dann auch die Vertreter des Cultural Materialism und der Gender Studies) kamen zu dem Schluss, dass Kanones vor allem ‚westliche‘, ‚patriarchale‘ Kanones‘ seien, die außereuropäische und - amerikanische Literaturen sowie Autorinnen nicht oder in keinem adäquaten Umfang berücksichtigten. Für Postkoloniale Denker (mit Edward Said als wohl bedeutendsten Vertreter) drücken westliche Kanones auch einen imperialistischen Führungsanspruch aus, indem sie den (i.e. Goethes) Weltliteraturbegriff in erster Linie mit westlicher Literatur in Zusammenhang bringen. Kanonbildung wird also als Mittel dazu gebraucht, Machtansprüche geltend zu machen und/oder zu rechtfertigen. „Daher wäre die Frage, was eigentlich postkolonial an postkolonialen Studien ist, dahingehend zu beantworten, dass die Untersuchung von Machtbeziehungen als solche sicherlich zu den unverzichtbaren Elementen gehört […].“34 Dabei soll immer der Umstand mitberücksichtigt werden, dass auch Postkoloniale Denker eben diese Machtstrukturen in ihrem Interesse ändern wollen. Die Postkolonialen Studien haben neue Perspektiven in der Auseinandersetzung mit Kanonformationen eingeführt; einige Wissenschaftler gehen gar davon aus, dass Kanonbildung heutzutage „ein genuin postkoloniales Projekt“35 sei.

Es sind auch weltpolitische und (globale) gesellschaftliche Krisen, die Kanondebatten auslösen können; sie sind also auch immer historisch bestimmt. „Jeder Versuch, einen Kanon zu öffnen oder einen neuen zu konstituieren […] setzt eine Interpretation des historischen Augenblicks voraus, eine Interpretation der Krise, in der diese neue Kanonisierung erfolgt.“36

Als Beispiele seien die traumatischen Folgen des Apartheits - Regimes genannt, die von den südafrikanischen Literaturnobelpreisträgern Nadies Gordimer („Burgers Daughter“) und Coetzee („Disgrace“) behandelt wurden. Das Werk beider Autoren wird in beinahe jedem neuen (postkolonialen) Kanon erwähnt.37 Als ein anderes Beispiel sei das Werk von Autoren genannt, die in der Emigration (in erster Linie in englischsprachigen Ländern) anfingen zu schreiben und ihre nicht selten traumatischen Erlebnisse verarbeiteten. Deren Werk findet durch die wachsende Emigration aus ehemaligen europäischen Kolonien in Afrika und aus dem Nahen und Mittleren Osten eine immer größere Lesergemeinschaft, die sich mit den (traumatisierten) Charakteren in den Werken identifizieren können; allerdings schätzen auch bereits „heimische“ Leser diese Literatur aus Faszination gegenüber dem ‚Fremden‘ und ‚Anderssein‘. In der literaturwissenschaftlichen Forschung werden diese Werke mittlerweile, das heißt seit den 1990er Jahren, aufmerksam beobachtet.

Autoren mit kolonialem oder postkolonialem ‚Migrationshintergrund‘ sind integraler Teil des literarischen Lebens in Frankreich, Großbritannien oder den USA geworden, und Werke von Mongo Beti, Ousmane Sembène, Chinua Achebe, Wole Soyinka, Hanif Kureishi, Zadie Smith u.v.a.m. sind spätestens seit den 1990er Jahren selbstverständlicher Gegenstand des Literaturunterrichts in Schule und Hochschule wie auch der literaturwissenschaftlichen Forschung.38

Emigrierte Autoren bringen eine gewisse „Fremdheit“ in die Literatur ihrer „neuen Heimat“ und solange diese „Fremdheit“ nicht allzu sehr überstrapaziert wird, das heißt solange sie mit der „neuen Heimat“ vermischt wird, wird sie von Lesern und Kritiker ihrer „neuen Heimat“ wohlwollend aufgenommen.

Literature by migrant writers brings a certain strangeness to something familiar. ‘Strangeness’ has a long history as a positive term in literary criticism, being connected with the idea of gaining access to new and different layers - of the mind, of the world or of different experiences of reality. […] There seems to be a limit to the degree of strangeness that can function in a literary work, and literary history shows that there must something that mixes the with the familiar, regardless of whether that distance is of historic or cultural nature.39

Diese Entwicklung40 führt zu weiteren Kanondebatten, da konservative(re) Literaturwissenschaftler sich weiter auf konventionelle, lange verstorbene Autoren berufen möchten. Zugespitzt gesagt: So literarisch wertvoll und zeitgemäß die Prosa eines Coetzee für Postkolonialisten auch sein mag, kommt es für Konservative nicht an das literarische Niveau der Werke eines Charles Dickens heran, deren Qualität mehr als ein Jahrhundert danach noch offensichtlich ist.

Diese Debatten können in jeweils beide Richtungen ausgeglichen werden, wenn man sich auf Kants Ästhetik einigt oder sie zumindest als Richtschnur nimmt, die er in seiner „Kritik der Urteilskraft“ ausführt. Danach sind ästhetische Urteile (oder Geschmacksurteile) nicht logisch (und somit nicht wissenschaftlich) beweisbar, trotzdem möchten sie allgemein bestätigt werden. Sie erheben den Anspruch einer von einem Subjekt ausgehenden Allgemeinheit.

Hier ist nun zu sehen, dass in dem Urteile des Geschmacks nichts postuliert wird, als eine solche allgemeine Stimme, in Ansehung des Wohlgefallens ohne Vermittlung der Begriffe; mithin die Möglichkeit eines ästhetischen Urteils, welches zugleich als für jedermann gültig betrachtet werden könne. Das Geschmacksurteil selber postuliert nicht jedermanns Einstimmung (denn das kann nur ein logisch allgemeines, weil es Gründe anführen kann, tun); es sinnet nur jedermann diese Einstimmung an, als einen Fall der Regel […].41

Auf Kanones oder auf „Canon Wars“ angewendet bedeutet dies, dass ästhetische Urteile, unerheblich ob sie von Experten oder von einem interessierten Laien gefällt werden, letztendlich rein subjektive Geschmacksurteile sind. Ästhetische Geschmacksurteile werden immer a posteriori gefällt, da für Kant die Erkenntnisfähigkeit immer vom individuellen Urteilenden abhängt (ungleich des objektiven, a priori zustande kommenden Vernunftbegriffs). Die Problematik ästhetischer Urteile, die mit Machtansprüchen verbunden sind, besteht darin, dass sie sich über Kants Idee des „interesselosen Wohlgefallens“ erheben wollen; das heißt, dass mit Interesse verbundene Urteile keine rein ästhetischen Urteile sind, da sie voreingenommen (hinsichtlich der Machtansprüche) gefällt werden.

Ein jeder muß eingestehen, daß dasjenige Urteil über Schönheit, worin sich das mindeste Interesse mengt, sehr parteilich und kein reines Geschmacksurteil sei. Man muß nicht im mindesten für die Existenz der Sache eingenommen, sondern in diesem Betracht ganz gleichgültig sein, um in Sachen des Geschmacks den Richter zu spielen.42

Voreingenommene Urteile werden also parteiisch gefällt. Sie sind historisiert und übertheorisiert, um dem subjektiven „ästhetischen“ Urteil den Anschein einer Wissenschaftlichkeit und Objektivität zu verleihen, die sie nie erfüllen kann. Es sollten daher stets bei ästhetischen Urteilen, zumindest nach Kant, persönliche Befindlichkeiten bezüglich Faszination und der Wunsch nach benteuer in dem postkolonialen Interesse mit͘ (Vgl͘ Göttsche: „Deutsche Literatur afrikanischer Diaspora“)͘ des Urteils außer Acht gelassen werden und der Gegenstand der Betrachtung, das „Schöne“, vorurteilsfrei (bei Kant „interesselos“) betrachtet und beurteilt werden.

Most of our choices are made without deliberation. Others we take more seriously because our interests are at stake. […] The more we theorize about the issue, the more clear is that our theories themselves are part of the problem. The more we historize the issue, the more we sink into seemingly incomparable examples that multiply and perplex.43

4. Der „Weltliteratur“ - Begriff in Kanonformationen

Goethes wirkungsmächtiger „Weltliteratur“ - Begriff, den er selbst nie zufriedenstellend erläuterte44, wurde seit dessen Entwurf vielfältig debattiert. Mit Sicherheit kann gesagt werden, dass Goethe nicht nur westliche Literaturen mit dem Begriff meinte; der Auslöser für seine intensive Auseinandersetzung mit „fremden“ Literaturen war ja schließlich die Lektüre des „Diwan“ des persischen Dichters Hafis; trotzdem hat man oftmals den Eindruck, dass Literaturwissenschaftler Goethes „Weltliteratur - Begriff in erster Linie mit westlichen Literaturen gleichsetzen.

Nachdenken über Weltliteratur heißt, im Sinne der ‚interkulturellen Poetik‘ Goethes, Fremdes und Eigenes ‚in einen nicht - hierarchisierten Dialog‘ bringen, mit Alterität umgehen lernen, mit europäischer und auch mit außereuropäischer - entgegen dem oberflächlichen Anschein, dass Goethe Weltliteratur mit europäischer Literatur gleichsetzte, als habe er nicht intensivstes Interesse an persischer, arabischer, indischer, chinesischer Literatur unter Beweis gestellt.45

Die Auseinandersetzung mit fremden Literaturen soll dazu führen, Differenzen anzuerkennen, das Gemeinsame festzustellen, um dadurch letztendlich das Eigene besser zu verstehen. „Es heißt, Literatur als eine Bühne zu verstehen, die kulturelle und andere Differenzen so inszeniert, dass es dabei sowohl Fremdheit anzuerkennen, als auch Verwandtschaft zu entdecken gibt; modern ausgedrückt: für otherness offen zu sein, ohne ‚Othering‘ zu betreiben.“46 Durch die von den Postkolonialen Studien in Gang gesetzte „‘Dekanonisierung der Elitekulturen‘ zugunsten von ‚Popular Culture‘“47 rufen elitär - konservative (westliche) Kanones meist einen Gegen - Kanon hervor, um bisherigen literarischen Dominanzen entgegenzuwirken. Diese Gegen - Kanones werden von Interessengruppen publiziert, um die Eigeninteressen zu befriedigen. „All architects of the canon select their material in reaction against their predessecors.“48 Es fällt aber auf, dass gerade konservative und elitäre Kanones weiterhin die wirkungsmächtigsten bleiben, da sie mit stetiger Kontinuität Reaktionen auslösen. Kein Kanon der letzten Jahrzehnte zum Beispiel hat derartig viel Kritik und Gegenreaktionen evoziert wie Harold Blooms konservativer „Western Canon“ (den Bloom als kritische Reaktion auf die literarischen Vorstellungen der Vertreter des New Criticism, allen voran T. S. Elliot verfasste: „Bloom’s position is in contradiction with the legacy of the New Criticism […].“49 ). Die eurozentrische Auswahl in Blooms „The Western Canon“ wurde und wird oft kritisiert. „The fundamental weakness of The Western Canon resides in Bloom’s outmoded approach to history: his chronological, linear, and eurocentric concept of progress fails to do justice to the heterogeneity and discontinuity of culures.“50 Allerdings muss zu Blooms Verteidigung gesagt werden, dass er im Titel explizit erwähnt, dass es sich bei seiner Auswahl eben um westliche (das heißt europäisch - amerikanische) Literaturtraditionen handelt, nicht um Weltliteratur im Sinne einer tatsächlich weltumspannenden Auswahl. Dass für ihn Shakespeares Werke unerreichte Höhepunkte der Literatur sind („[…] Shakespeare, who wrote both the best prose and the best poetry in the Western tradition […].“51, soll nicht verwundern,. Genauso gut kann ein Germanist diesen Anspruch für Goethes Werke behaupten oder ein Italianist für Dante: Alle haben aus ihrem jeweiligen Standpunkt aus recht.

Es scheint, dass in den letzten Jahrzehnten ästhetische Kriterien für die Auswahl des Kanons an Bedeutung verloren haben; dieser Bedeutungsverlust wird durch politisch - ideologische Kriterien aufgewogen, da sie durch die Globalisierung und der damit einhergehenden Politisierung der Welt an Relevanz gewinnen. Hierzu Bloom:

I myself would want to argue […] that aesthetic choice has always guided every secular aspect of canon formation, but that is a difficult argument to maintain at this time when the defense of the literary canon, like the assault against it, has become so heavily politicized. Ideological defences of the Western Canon are as pernicious in regard aesthetic values as the onsloughts of attackers who seek to destroy the Canon or “open it up”, as they proclaim.52

Vereinfacht kann behauptet werden, dass der Begriff der Weltliteratur auf zweierlei Art begriffen wird: Einerseits elitär und einschränkend, aber universal geltend im Sinne einer Auswahl von Literatur, die als die beste, innovativste und einflussreichste. Andererseits wird dieser Begriff weitumfassend interpretiert (wie z. B. von David Damrosch in „What is World Literature“); das heißt, ein Werk ist bereits „Weltliteratur“, sobald es außerhalb der eigenen Sprache oder des Kulturkreises rezipiert wird und dynamisch zirkuliert. Übersetzungen spielen hierbei freilich eine tragende Rolle. Ein allgemein und global gültiges ästhetisches, inhaltliches und ideologisches Urteil über den Wert des Werkes wird dabei verneint oder zumindest relativiert. „A universalistic interpreter of culture may view literature as an international canon of great works of everlasting aesthetic value, whereas a relativist will emphasize the mutability of artistic value.”53

Vielleicht ist es möglich, dass man einen Kompromiss findet und sich irgendwo in der Mitte trifft. Das soll heißen, dass man ästhetische, inhaltliche und ideologische Charakteristika, die weltweit unterschiedlich bewertet werden, relativiert und es dem jeweiligen Kultur- oder Sprachkreis überlässt, jene Auswahl zu treffen, welche Werke und Autoren als jeweils wichtigste erachtet werden; diese überschneidet sich oft nicht mit jener Auswahl, die von außen getroffen wird. So wird zum Beispiel im deutschen Sprachraum meist Hafis (auch durch Goethes produktiver Rezeption) als bedeutendster persischer Dichter angesehen. Allerdings ist die Eigenwahrnehmung der Iraner und Iranistiker, wer der bedeutendste persischsprachige Dichter ist, eine andere: Nämlich Firdousi54 mit seinem epochalen Meisterwerk „Schahname“ („Das Buch der Könige“ oder als „Firdousis Königsbuch“ von Friedrich Rückert übertragen). Würde man die Auswahl auf einen einzigen Autor je Sprache oder Kulturkreis beschränken (und von den so oft propagierten, populistischen „magischen“ Nummern wie 10, 50 oder 1001 Autoren oder Werke absehen), so gebe es wohl eine große Zustimmung unter Philologen. Die meisten Anglisten werden mit Sicherheit Shakespeare als bedeutendsten englischsprachigen, Germanisten Goethe als bedeutendsten deutschsprachigen oder Gräzisten Homer als bedeutendsten (alt)griechischen Schriftsteller ansehen. Es wäre daher manchmal angebracht, zumindest wenn man von einer weltliterarischen Kanonformation spricht, die Auswahl der als wichtigsten angesehen Büchern den Einzelphilologien zu überlassen, um die Liste schließlich unter komparatistischen Gesichtspunkten zu erforschen (und womöglich zu hinterfragen).

5. Nationalkanon vs. Kanon der Komparatistik

Kanones der Komparatistik sind im Unterschied zu jenen der Einzelphilologien erwartungsgemäß vielfältiger in ihrer Sprachauswahl und weltoffener, allerdings (noch?) sehr eurozentriert. Dieser Eurozentrismus fällt umso deutlicher auf, je kürzer die Kanones ausfallen55. „[…] Comparative Literature and world literature together provide us with a special perspective on the canonical issue […] that their unique vantage point is owing preciseley to this ambivalence and openness to difference […].“56

Kanones der Nationalphilologien haben einen identitätsstiftenden Charakter; so wie Texte im Allgemeinen, hierbei vor allem historische, einen Nationalcharakter imaginieren. Als Beispiel seien die Werke Alexander Puschkins erwähnt, die für einige Russen eine beinahe sakrale Bedeutung haben. Außerhalb Russlands bzw. in Übersetzungen werden seine Schriften allerdings kaum gelesen und internationalen Kanones wird sein Name selten erwähnt, da Dostojewski, Tolstoi oder Tschechow durch ihre Werke in einem weltliterarischen Sinn weitaus mehr geleistet haben. (Konservative) Kanones Nationalphilologien möchten durch das Erkennen lassen von Eigenheiten und spezifischer Charakteristika kultureller und sprachlicher Natur auch ein Zusammengehörigkeitsgefühl auslösen und sich damit von anderen Kulturen und Sprachen abgrenzen. „The rise of the national canons represented a movement towards shared consciousness.“57 Gerade dieser Umstand macht Kanonformationen dieser Art aber so heikel: Sie öffnet Tür und Tor für Manipulationen und Täuschungen; dann nämlich, wenn sie sich qualitativ - hierarchisch präsentieren im Sinne eines Überlegenheitsanspruches gegenüber dem „Anderen“ oder „Fremden“. Absolute Machtansprüche erlauben es dabei, alles Periphere als minderwertig zu betrachten und zu beseitigen, während alles Orthodoxe institutionalisiert wird.

[…] the role played by canons is full of ambiguity: on the one one, they are indispensable to education; on the other hand, they can have a disastrous effect on culture because they can be manipulated. […] Consequently, those with political power could decide to what extent a text met the criteria of orthodoxy. There is no reason to believe that such party tyranny cannot happen in the future.58

Es scheint, dass es für Komparatisten unmöglich ist, einen weltliterarischen Kanon aufzustellen, der tatsächlich die Diversität der Kulturen weltweit mitberücksichtigt. Zu gewaltig wäre die Textmasse, an der ein einzelner, sei jener noch so belesen, verzweifeln müsste. Selbst wenn man sich wie Bloom auf einen „Western Canon“ beschränkt, wirkt das Vorhaben unmöglich. „[…] which demostrates that Bloom is, as would be any person taking on the job of making so comprehensive a list, uninformed about the finer distinctions of many literatures.“59 Eine weitere Schwierigkeit in komparatistischen oder weltliterarischen Kanones liegt darin, dass sie weitaus dynamischeren Veränderungen unterliegen als nationalphilologische Kanones, die vor allem im asiatischen Raum weitaus statischer sind als im westlichen.

In den letzten Jahren erfuhr der weltliterarische Kanon eine deutliche Definitionsveränderung weg von einer Listung der als Meisterwerke betrachteten Werke hin zu einer offeneren Deutung: Praktisch jedes literarische Werk kann (für Postkolonialisten) Weltliteratur sein, sofern sie außerhalb der eigenen Kultur und Sprache gelesen und rezipiert wird. Translationen spielen hierbei freilich eine zentrale Rolle. In neuerer Zeit wenden sich Komparatisten vermehrt den literarischen Produktionen an der Peripherie hin, da gerade diese die immer wichtiger werdenden Themen von Gender- und Identifikationsfragen (meist von Minderheiten) behandeln, während ästhetische Aspekte als Qualitätsmerkmale in den Hintergrund treten. Diese von den Postkolonialen Studien angeregte Entwicklung weg vom Zentrum des literarischen Felds hin zur Peripherie wird allerdings nicht von allen Seiten wohlwollend akzeptiert. Es wird kritisiert, dass dabei der Fokus zu sehr auf Minderheitsgesellschaften gelegt wird während die Bedürfnisse der Mehrheitsgesellschaft vernachlässigt werden.

Die Herausforderung postkolonialer Kritik […] - und das gilt sowohl für die Sozialwissenschaften als auch für die Literaturwissenschaft -, besteht daher meiner Ansicht nach in der Frage, wie eine herrschaftskritische und postkoloniale Perspektive entwickelt werden kann, ohne sie auf dem aufzubauen, was Hans Magnus Enzensberger im deutschen Kontext eine „Diskriminierung der Mehrheit genannt hat […].60

Es ist der „Doppelte Standard“, der in postkolonialen Kanones kritisiert wird: Das Eigene, das beherrscht wird, wird nicht oder unzureichend kritisiert, da sich die Kritik lediglich auf das Andere, das beherrschende, richtet. Während das „Anderssein“, die Minderheit, vor Kritik geifet zu sein schein, ist das „Gleichsein“, die Mehrheitsgesellschaft, überbordenden Vorwürfen ausgesetzt. „Dort [bei den Postkolonialen Studien, Anm.] hat sich im Gegenteil analog zu den Denkgeboten und Denkverboten vieler postkolonialistischer Zugänge inzwischen hinterrücks eine Regelpoetik herausgebildet, die sich in ihrer Normativität kaum von der früher ‚Vorbilder‘ [i.d. westliche Literatur- und Kulturtraditionen, Anm.] unterscheidet.“61 Das Infrage stellen des Tradierten und Herkömmlichen (und damit ist die westliche Literatur- und Kulturgeschichte gemeint) gilt beinahe als Garant dafür, in postkolonialen Kanones vertreten zu sein.

Der Fokus der Aufmerksamkeit liegt zunehmend auf außereuropäischen Literaturen […]. Die herkömmliche literarische Orientierung (die in Wahrheit eine Okzidentierung war) ist längst nicht mehr anwendbar […]. Oft stellen die Romane und Erzählungen der Migranten die Normen, Werte und literarischen Traditionen des bisher dominierenden Westens systematisch infrage.62

Nicht Pluralität und schon gar nicht ästhetische Kriterien sind in jüngerer Zeit maßgeblich dafür, in einem postkolonialen, komparatistischen Kanon vertreten zu sein, sondern ideologisch - historische und gesellschaftlich - politische. Es hat den Anschein, dass sich die Bedingungen, um in einem postkolonial - komparatistischen Kanon aufgenommen zu werden, sich in eine normative („regelpoetische“) Richtung entwickeln. Ironisch ist dabei, dass sich die theoretischen Fundamente der Postkolonialen Studien an europäischen und amerikanischen Instituten, also den so kritisierten ehemaligen Kolonialisten und Imperialisten, entwickelten.

Der entscheidende Punkt ist aber nicht die Frage, ob man nur Lektürempfehlungen oder gar Kanonvorschläge machen möchte oder eine postkoloniale Revision des […] Kanons anstrebt oder diesen gleich in einen postkolonialen Kanon der Weltliteratur aufhebt. Entscheidend ist vielemehr die textanalytisch und hermeneutisch angemessene Einbeziehung postkolonialer in literarische Kritik. Denn ohne Erörterung des literarischen Werts bleibt jedes Votum in Richtung Kanon bodenlos.63

6. Gewinnorientierte Literaturlisten

Bereits 1978 begann die Wochenzeitung „Die Zeit“ in ihrem Feuilletonteil mit einer Essaysammlung unter dem Titel „Zeit - Bibliothek der 100 Bücher“. Autoren und Kritiker (unter ihnen Rudolf Augstein, Golo Mann oder Heinrich Böll) wählten ein Werk und begründeten jeweils in einem Aufsatz ihre Wahl. Die Auswahl wurde nicht auf rein literarische Werke beschränkt; so finden sich darunter auch philosophische Arbeiten von Kant oder Kierkegaard. Die Serie war ein Erfolg und eine Buchausgabe der gesammelten Essays erschien 1980 im Suhrkamp Verlag. Fünf Jahre später wurde erneut eine Reihe gestartet, diesmal betitelt „Zeit - Bibliothek der 100 Sachbücher“ mit hauptsächlich philosophischen, naturwissenschaftlichen und soziologischen Werken und erneut erschienen durch den Erfolg die gesammelten Essays als Buchausgabe bei Suhrkamp. Von 2003 bis 2005 wurde ein Lesekanon für Schüler vorgestellt. Auch die Süddeutsche Zeitung hat in jüngerer Zeit im Eigenverlag und in einem ansprechenden, einheitlichen Look Lektüreempfehlungen herausgegeben, wie z.B. die „SZ - Edition Kriminalromane“ oder die aktuellste S“Z - eBibliothek“ für E - Reader, die mit „Lese.Freude.Weltliteratur“ beworben wird.

Ähnliche Listen wurden auch in anderen Ländern publiziert: So zum Beispiel die im Jahr 1999 von der französischen Zeitung Le Monde veröffentlichte „Les cent livres du siècle“. Dabei wurden 200 Titel vorgeschlagen und 17 000 Menschen befragt, welche Bücher aus der vorgeschlagenen Liste in ihrem Gedächtnis geblieben sind. Auch die BBC erstellte mittels Abstimmung, an der 750 000 Menschen teilnahmen, eine Literaturliste. Selbstverständlich sind bei derlei Abstimmungen nicht eine Listung jener von der Fachwelt als literarische Meisterwerke anerkannten Werke der Literaturgeschichte und schon gar nicht eine diverser Sprachen berücksichtigende Auswahl zu erwarten. In der BBC Liste finden sich fast ausschließlich englischsprachige Werke (von den 100 Titeln sind lediglich acht anderssprachig; Patrick Süskinds „Das Parfum“ ist der einzig deutschsprachige Titel). Weiters waren, nicht verwunderlich, sämtliche Titel über eines längere eine Zeit auf unterschiedlichen Bestsellerlisten vertreten; so finden sich auch literarischer Werke von fragwürdiger Qualität eines Coelho oder einer Rosamunde Pilcher darunter. Allen drei Listen ist gemeinsam, dass in ihnen kein einziger afrikanischer oder asiatischer Autor vertreten ist. Auch Marcel Reich - Ranickis fünfteilige Sammlung64 an Empfehlungen zur deutschen Literaturgeschichte, die unter dem etwas anmaßenden Titel „Der Kanon“ erschien, ist eine in erster Linie an eine möglichst große Lesergemeinschaft gerichtete, nach hauptsächlich ökonomischen, aber auch nach (Lektüre-)macht strebenden Aspekten erschienene Liste, die Reich - Ranicki intensiv medial bewarb.

Die für Komparatisten, vor allem für postkolonial ausgerichtete, unter vorrangig ökonomischen Erwägungen herausgegebene Literaturliste im deutschsprachigen Raum ist wohl die im Eigenverlag der Süddeutschen Zeitung vorgestellte 20 bändige „Bibliothek der Metropolen“. Es ist eine Auswahl an Büchern, in denen der städtische Handlungsort jeweils eine zentrale Rolle spielt. Diese Edition überdeckt sich mit ihrer Auswahl am ehesten mit postkolonialen Vorstellungen eines Kanons, wie sie zum Beispiel Sigrid Löffler in „Die neue Weltliteratur“ propagiert. So schreiben einige Autoren nicht in ihrer Muttersprache (z.B. Chinua Achebe oder Suketa Mehta), sondern sie sind Sprachwechsler, die nun in der Sprache ihrer einstigen Kolonialherren schreiben. „Diese Autoren (i.e. postkoloniale, Anm.] schreiben eine Literatur mit Akzent. Die Kolonialsprache wird in der Neuaneignung verändert und angepasst, sogar in eine neue Sprache umgestaltet - kreolisiert.“65

Die Publikumswirksamkeit und die positive ökonomische Bilanz solcher Listen zeigen, dass literaturinteressierte Menschen („Laien“) an literarischer Kanonbildung durchaus interessiert sind. Nicht nur das: Sie möchten auch, falls die Gelegenheit dazu geboten wird, den Kanon selbst beeinflussen, indem sie jeweils ein ästhetisches Urteil abgeben. Kants Ästhetik sieht dabei vor, dass ästhetische Geschmacksurteile, die für ihn nicht logisch oder auf Vernunft basieren und daher nicht beweisbar sind, zwar subjektiv sind, dennoch aber allgemeinen Zuspruch beanspruchen. Hierzu schreibt er in seiner „Kritik der Urteilskraft“:

Zuerst muss man sich davon völlig überzeugen: dass man durch das Geschmacksurteil (über das Schöne) das Wohlgefallen an einem Gegenstande j e d e r m a n n ansinne […] und dass dieser Anspruch auf Allgemeingültigkeit so wesentlich zu einem Urteil gehöre, wodurch wir etwas für schön erkären […].66

7. Kanones der Zukunft

Es ist festzustellen, dass sich die Auswahl der Kanones eindeutig in eine weltoffenere Richtung entwickelt. Dies gilt nicht nur für weltliterarische, komparatistische Kanones, sondern auch für jene der Einzelphilologien, die immer häufiger Literaten mit postkolonialem Hintergrund erwähnen. Das heißt Autoren, die in der oder durch die Emigration erst anfingen zu schreiben. Gerade die Literatur aus der Emigration wird als eine risikofreudige, zeitgemäße und innovative Art des Schreibens beobachtet, die die Probleme einer globalisierten Welt behandelt. Die Unbestimmbarkeit hin in eine literarisch oder gar historisch - gesellschaftliche Richtung (Hybridität) wird mehrheitlich positiv gesehen, da gerade der Konflikt einer größtmöglichen Zwiespältigkeit zwischen zwei Kulturen in einem Autor in der globalisierten Welt als spannend empfunden wird. Literarische Themen über Zugehörigkeitsgefühle oder das Andersseins gewinnen an Bedeutung, da sie die rege Veränderbarkeit einer immer schnelllebigeren Welt thematisieren. Diese in die Globalisierung weisende, als neue Weltliteratur bezeichnete Form des Schreibens wird vor allem in der Englischsprachigen Welt, und hierbei vor allem in den USA, aufmerksam von den Lesern, aber auch in der Fachwelt, wahrgenommen.

Die neue Weltliteratur ist eine dynamische, rasant wachsende, postethnische und transnationale Literatur, eine Literatur ohne festen Wohnsitz, geschrieben von Migranten, Pendlern zwischen den Kulturen, Transitreisenden in einer Welt in Bewegung […].67

Das bisher Periphere im literarischen Feld rückt dabei immer mehr ins Zentrum, während das bisher Zentrale, über Jahrzehnte und Jahrhundert anerkannte Werke, an den Rand rückt (bzw. gerückt wird). Gerade Autoren, die mit den (westlichen) Literaturtraditionen brechen und die ein globales, diverses Lesepublikum vor Augen haben, rücken in den Fokus des Interesses. Der Zwiespalt über die Identität eines Autors zwischen zwei Kulturen (dem ehemalig beherrschten und herrschendem) gilt als ein Hauptthema dieser Literatur.

Diese Hybridität - eigentlich ein Kampfbegriff gegen die kolonialherrliche Gewonheit, die Welt von sich aus als Zentrum zu denken - erwies sich als Motor der kulturellen Expansion und trug dazu bei, das eurozentrische Hierarchie und Machtdenken, das auch die Literatur beherrscht hatte, aus den Angeln zu heben.68

Es ist dies ein teilweise bewusstes Schreiben gegen die westliche Literaturtradition (sofern man von einer einheitlichen westlichen Literatur überhaupt sprechen kann). Gerade dieses bewusste Gegenschreiben gegen die westliche Tradition beweist aber, wie wirkungsmächtig die europäische, und seit den 1920ern auch die amerikanische, Tradition des Schreibens noch sind; und das Brisante: Postkoloniale Autoren schreiben meist in jener Sprache, deren Kultur sie kritisieren. Zwar gab und gibt es immer wieder Versuche, in der eigenen (Minderheiten)- Sprache zu schreiben, allerdings werden diese Werke, sofern sie nicht in die großen Sprachen übersetzt werden, kaum gelesen und rezipiert. Dies musste zum Beispiel der kenianische Schriftsteller Ngugi wa Thiong`o feststellen, nachdem er versucht hatte in seiner Muttersprache Kikuyu zu schreiben, allerdings dann kaum gelesen wurde. Daher übersetzte er selbst seine Werke ins Englische und schreibt seitdem gleich auf Englisch. Der literarische Erfolg folgte bald.

Nicht selten gewinnt man den Eindruck, dass in der postkolonialen Literatur die Identität nicht durch das Eigene bestimmt wird, sondern lediglich durch die Abgrenzung des Anderen. Während westliche Denkmuster, durch den Wunsch nach einer utopisch pluralistischen Welt, immer selbstkritischer werden und die fatalen Fehler der Vergangenheit anerkennen und aufarbeiten, richtet sich die Kritik von Postkolonialisten stets nach außen, indessen die eigenen (theoretisch - ideologischen) Fehlentwicklungen kleingeredet werden. „Always seeking the ideal, Western culture has tended to be self - analytic, and, by extension, self - critical.”69 Bedenklich ist außerdem, dass ästhetische Kriterien in der Qualitätsdefinition in den postmodernen Theorien vernachlässigt wurden, während ideologisch - gesellschaftliche Kriterien allzu sehr als Qualitätsmerkmale aufgefasst werden.

Postmodern critics […] tend to see literature as a manifestation of the struggle among races, genders, and classes. Literature for them then becomes the validation and exaltation of their culture or group over another; and literature, which in the past has been seen as a unifying force, is now distorted to foreground divisiveness rather than diversity.70

Es wäre für die komparatistische Disziplin wünschenswert, dass ästhetische literarische Kriterien als Qualitätsmerkmal (wieder) an Bedeutung gewinnen. Diese sind historisch nachhaltiger als ideologisch - gesellschaftliche, die gewissermaßen an eine Gegenwart gebunden sind.71

Es ist natürlich schwierig, um nicht zu sagen unmöglich, die Formation von zukünftigen Kanones vorherzusehen, vor allem wenn es um das Vertreten zeitgenössischer Autoren geht. Werden die feministischen Themen in den Werken von Elfriede Jelinek oder die Fragen der postkolonialen Identität, die Chinua Achebe in seinen Büchern behandelt, in 50 Jahren mit gleicher Intensität gelesen und rezipiert wie heute? Oder ergeht ihren Werken das gleiche Schicksal wie jenen Klopstocks72, der zu den wichtigsten Autoren seiner Zeit gezählt wurde, heute allerdings, überspitzt gesagt, lediglich von Germanisten gelesen wird, da seine literarisch - ästhetischen Vorstellungen zwar in seiner Zeit bewundert wurden, die Jahrhunderte aber, ungleich den Werken z.B. Kleist, der zu Lebzeiten kaum gelesen wurde, nicht überdauern konnten.

Diese Arbeit geht daher davon aus, dass die Kanonisierung von Autoren erst Jahrzehnte nach deren Tod bestimmt werden kann, da die Zeit und nachfolgende Generationen letztendlich darüber entscheiden, ob gegenwärtige Autoren tatsächlich Jahrzehnte und Jahrhunderte überdauernde Meisterwerke schufen. Man kann die sichere Behauptung machen, dass Homer, Shakespeare und Goethe auch in 50 oder 100 Jahren begeistert gelesen werden, da die thematischen, vor allem aber die ästhetischen Qualität ihrer Werk zu viele Jahrhunderte überdauert haben, um relativiert oder gar vergessen zu werden. Von den Werken zeitgenössischer Autoren, so sehr sie heute auch gepriesen und kanonisiert werden, kann dies (noch) nicht behauptet werden. Die simple Conclusio dieser Arbeit ist es, dass letztendlich in erster Linie die ästhetischen Qualitäten von Texten, und nicht die ideologischen, über deren „Nachleben“ entscheiden und damit darüber, ob sie in einem zukünftigen literarischen Kanon vertreten sind.

Literaturverzeichnis

Primärliteratur

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Sekundärliteratur

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Artikel

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[...]


1 Dimić, Milan V͘: „Why Study Canonization“͘ In: Canadian Review of Comparative Literature. March-June. 1993. S. 175.

2 Bei Kant haben ästhetische Geschmacksurteile eine rein subjektive Allgemeingültigkeit; dazu weiter unten näheres.

3 Smoot, Jeanne J͘: “Multiculturalism, Censorship, and the Postmodern ssault on the Canon: Classical nswers to Contemporary Dilemmas. In: The Comparatist. Vol. 24. Mai 2000. S. 34.

4 Mecklenburg, Norbert: „‘Kanon’ und ‘Weltliteratur’ auf interkulturellem und postkolonialem Prüfstand. In: Postkolonialismus und Kanon. Hg. Uerlings, Herbert und Patrut, Iulia - Karin. Aisthesis Verlag. Bielefeld. 2012. S. 123.

5 Dimić͘ S͘ 175͘

6 Livingston, Paisley: „Justifying the Canon“͘ In: The Search for a New Alphabet. Literary Studies in a Changing World. John Benjamin Publishing. Amsterdam. 1996. S 145.

7 Unt, Marja: “The National Literary Canon in the Field of Tension Between esthetic and Ideological Principles͘ The Estonian Case with Indications to the Comparatives Perspectives”͘ In: Interlitteraria. 2013. S. 87ff.

8 Ebd. S. 88.

9 Witt, Mary nn Frese: „Issues of the Canon: Introduction”. In: The Comparatist. Vol. 24. Mai 2000. S. 7.

10 Uerlings, Herbert: „Postkolonialismus und Kanon͘“ . In: Postkolonialismus und Kanon. Hg. Uerlings, Herbert und Patrut, Iulia - Karin. Aisthesis Verlag. Bielefeld. 2012. S. 41.

11 Schoene, Berthold: „Weltliteratur und kosmopolitische Literatur͘ In: Handbuch Kanon und Wertung. Theorien, Instanzen Geschichte. Hg. Rippl, Gabriele und Winko, Simone. J. B. Metzler. Stuttgart. 2013. S. 357.

12 Harris, Wendell V͘: „ ligning Curricular Canons with Academic Programs. In: The Comparatist. Vol. 24. Mai. 2000. S. 23ff.

13 Fokkema, Douwe: “Comparative Literature and the Problem of Canon Formation”͘ In: Canadian Review of Comparative Literature. March. 1996. S. 57.

14 Cancik, Hubert: “Kanon, Ritus, Ritual - Religionsgeschichtliche Anmerkungen zu einem literaturwissenschaftlichen Diskurs͘“ In: Kanon und Theorie͘ Universitätsverlag C͘ Winter͘ Heidelberg͘ 1997͘ S. 3.

15 Balakian, nna: „Canon Harassment“͘ In: Canadian Review of Comparative Literature. März - Juni 1993. S.202ff.

16 Witt: S. 5ff.

17 Brinker-Gabler, Gisela: „Vom nationalen Kanon zur postnationalen Konstellation͘ In: Kanon - Macht - Kultur. Hg. Heydebrand, Renate. J.B. Metzler. Stuttgart. 1998. S. 79.

18 Harris: S. 22.

19 Fokkema: S. 64ff

20 Die dabei immer deutlicher mit ökonomischen Interessen einhergehen.

21 Worthmann, Friederike: „Literarische Kanones als Lektüremacht. Systematische Überlegungen zum Verhältnis von Kanon(isierung) und Wert(ung)“͘ In: Kanon - Macht - Kultur. Hg. Heydebrand, Renate. J.B. Metzler. Stuttgart. 1998. S. 29.

22 Fokkema: S. 57.

23 Lamping, Dieter und Zipfel, Franz: „Was sollen Komparatisten lesen“͘ Erich Schmidt Verlag͘ Berlin͘ 2005͘ S͘ 9͘

24 nz, Thomas: „Einführung“͘ In: Kanon - Macht - Kultur. Hg. Heydebrand, Renate. J.B. Metzler. Stuttgart. 1998. S. 5.

25 Rosendahl Thomsen, Mads: „Mapping World Literature͘ International Canonization and Transnational Literatures͘” Continuum. London 2008. S. 158.

26 Zymner, Rüdiger: „ nspielung und Kanon“͘ In: Kanon - Macht - Kultur. Hg. Heydebrand, Renate. J.B. Metzler. Stuttgart. 1998. S. 38.

27 Witt, Mary nne Frese: „ re the Canon Wars Over?: Rethinking Great Books”. In: The Comparatist. Vol. 24. Mai 2000. S. 58.

28 Wägenbaur, Thomas: „‘Gegen - Welt - Literatur‘ - Der Beitrag des Dekonstruktivismus zur gegenwärtigen Veränderung des komparatistischen Kanons“͘ In: Kanon und Theorie͘ Universitätsverlag C͘ Winter͘ Heidelberg͘ 1997. S. 112.

29 Vgl. ebd. S. 116.

30 Ebd. S. 116.

31 Lüsebrink, Hans - Jürgen: „Zentrum und Peripherie͘ Kulturhegemonie und Kanonwandel in (post-)kolonialen frankophonen Kulturen Afrikas und merikas“͘ In: Kanon - Macht - Kultur. Hg. Heydebrand, Renate. J.B. Metzler. Stuttgart. 1998. S. 239.

32 Witt. S. 58.

33 Die 1980er und 90er Jahre waren von massiven politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen geprägt; dies drückte sich auch in dem Hervortreten zahlreicher neuer literarischer Theorien und Terminologien aus, die auf diese Entwicklungen zu antworten versuchten. Diese Arbeit möchte sich aber auf die zwei theoretischen Hauptströmungen der Zeit, New Criticism und New Historicism, konzentrieren.

34 lbrecht, Monika: „Doppelter Standard und postkoloniale Regelpoetik͘ Eine kritische Revision Postkolonialer Studien. In: Postkolonialismus und Kanon. Hg. Uerlings, Herbert und Patrut, Iulia - Karin. Aisthesis Verlag. Bielefeld. 2012. S. 71.

35 Uerlings. S. 42.

36 Brinker-Gabler: S. 90ff.

37 Vgl͘ hierzu u͘a͘ Sigrid Löfflers „Die neue Weltliteratur“͘

38 Göttsche, Dirk: “Deutsche Literatur afrikanischer Diaspora und die Frage postkolonialer Kanonrevision. In: Postkolonialismus und Kanon. Hg. Uerlings, Herbert und Patrut, Iulia - Karin. Aisthesis Verlag. Bielefeld. 2012. S. 327.

39 Rosendahl Thomsen: S. 99.

40 Die deutschsprachige Literatur aus der Emigration von Autoren aus ehemaligen (deutschen) Kolonien in Afrika hat sich noch nicht durchsetzt. Das Afrikabild im deutschsprachigen Raum wird weiterhin von deutschen, schweizerischen oder österreichischen Erfahrungen in Afrika bestimmt, daher schwingt immer exotische

41 Kant, Immanuel: „Kritik der Urteilskraft“͘ Hg͘ Weischedel, Wilhelm. Suhrkamp. Frankfurt am Main. 2009. S. 130.

42 Ebd. S. 117.

43 Miner, Earl: „Canons and Comparatists“͘ In: The Search for a New Alphabet. Literary Studies in a Changing World. John Benjamin Publishing. Amsterdam. 1996. S. 154ff.

44 Dies macht allerdings die Debatten so spannend.

45 Mecklenburg: S. 116.

46 Ebd. S. 116.

47 Ebs. S. 124.

48 Szegedy-Masczák, Mihály: “Literary Canons: National and International”͘ kadémiai Kiadó͘ Budapest. 2001. S. 41.

49 Ebd. S. 41.

50 Ebd. S. 47.

51 Bloom, Harold: „The Western Canon“͘ Riverhead Books. New York. 1995. S. 9.

52 Ebd. S. 21.

53 Szegedy-Masczák: S. 59.

54 Es ist sehr überraschend und beinahe fahrlässig, dass Lamping in seiner Leseliste „Was sollen Komparatisten lesen?“ (die wiederum auf die Leseliste des komparatistischen Instituts in Mainz aufbaut) Firdousi nicht erwähnt wird (vgl. S. 59ff.). Für literarisch gebildete Perser hat das Werk einen ähnlichen Stellenwert wie die „Divina Commedia“ Dantes für die Italiener͘

55 Vgl͘ z͘B͘ die „20 Unversichtbaren“ in Lampings „Was sollen Komparatisten lesen?“, die ausschließlich europäische und einen amerikanischen Autoren beinhaltet.

56 Lawall, Sarah: “Canones, Contexts, and Perdagogoy: The Place of World Literature͘ In: The Comparatist͘ Vol͘ 24. Mai. 2000. S. 40.

57 Szegedy-Masczák: S. 49.

58 Ebd. S. 31.

59 Rosendahl Thomsen: S. 19.

60 Albrecht: S. 73.

61 Ebd. S. 89.

62 Löffler, Sigrid: „Die neue Weltliteratur und ihre großen Erzähler“͘ C͘H͘ Beck͘ München͘ 2014͘ S. 14.

63 Uerlings, Herbert und Patrut, Iulia-Karin: „Postkolonialismus als Provokation für die Literaturwissenschaft ͘ Eine Einleitung“͘ In: Postkolonialismus und Kanon͘ Hg͘ Uerlings, Herbert und Patrut, Iulia - Karin. Aisthesis Verlag. Bielefeld. 2012. S. 18.

64 1. Romane, 2002; 2. Erzählungen 2003; 3. Dramen, 2004; 4. Gedichte, 2005; 5. Essays, 2006. 20

65 Löffler: S. 15.

66 Kant: S. 189.

67 Löffler: S. 15.

68 Ebd. S. 8.

69 Smoot: S. 31.

70 Smoot: S. 31ff.

71 Selbstverständlich sind auch ästhetische Kriterien immer Moden unterworfen, allerdings haben empirische Untersuchungen der evolutionären Ästhetik in den letzten Jahren gezeigt, dass die menschliche Wahrnehmung des Schönen und Hässlichen über symbolische Abstraktionen vollzogen wird, die sich über Jahrtausende kaum verändert haben. Was ein antiker Grieche vor 2500 Jahren als schön empfand, wird von einem modernen Menschen ebenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit als schön empfunden. Diese Analogie kann bei ideologischen Problemstellungen nicht gemacht werden; daher sind ideologische Kriterien weitaus eher einem Relativismus ausgesetzt als ästhetische.

72 Klopstock hat selbst versucht sein eigenes Werk, letztendlich vergebens, zu kanonisieren. Vgl. hierzu „Gelungene und mißlungene Kanonisierung: Dante Commedia und Klopstocks Messias“ von Matías Martínez͘ In „Kanon Macht Kultur“ (Hg͘ Heydebrand)͘

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Zur Theorie und Praxis komparatistischer Kanonformation
Hochschule
Universität Wien  (Vergleichende Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Kanon, Erbe, Weltdokumentenerbe
Note
2
Autor
Jahr
2015
Seiten
26
Katalognummer
V310862
ISBN (eBook)
9783668095137
ISBN (Buch)
9783668095144
Dateigröße
803 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kanon, Literaturkanon, Komparatistik
Arbeit zitieren
Siawasch Aeenechi (Autor:in), 2015, Zur Theorie und Praxis komparatistischer Kanonformation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/310862

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