Backpacker unterwegs: Mein Reise-Sabbatical. Asien, Indien und der Nahe Osten

Vietnam, Kambodscha, China, Nepal, Indien und Jordanien


2015-11-24, 127 Seiten (ca.)

PDF, ePUB und MOBI

Originalausgabe


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Die Idee, auf Weltreise zu gehen
Was ist ein Sabbatjahr?
Die Entscheidung
Die Planung
Als Herzkranker auf Weltreise?

Hanoi – Und der Plan ist, kein Plan zu haben

Road Trip North Vietnam – Ein paar Informationen vorab
Los geht‘s in Hanoi – Die Flucht vor dem Wirbelsturm Kai-Tak
Ab ins Reisfeld
Das Motorradwunder
Eintauchen bei Vietnamesen

Auf zu den Reisfeldern von Sa Pá
Sa Pá – Der Touristenkulturschock
Die Wanderung durch die Reisterrassen von Sa Pá
Hà Giang und die Berge bei Tam Son

Der Road Trip geht weiter – Verluste bei Mensch und Maschine
Auf zum Lake Ba Bể – Aber wie?
Besuch der Bản-Giốc-Wasserfälle
Mein Po ist im Arsch!
Ha Long Bay

Abschied aus Nordvietnam
Gesund und ohne Unfall zurück in Hanoi
Die letzten Tage in Hanoi

Lang Co – Tage des Sea Food
Ein Nachmittag in Hue
Hội An – (M)eine Perle in Vietnam
Es geht Richtung Süden – Nha Trang, sein Beach und seine Russen
Saigon – Mekong River – Củ Chi Tunnel

Kleiner Einwurf: Die Vietnamesen

Wenn der Urlaub ins Wasser fällt – Koh Rong

Unterwegs in Kambodscha – Phnom Penh, Killing Fields, S-21
Angkor – W(h)at
Kompong Pluk – Der geflutete Wald

Goodbye, South East Asia – Ich hab mich wohlgefühlt!

Auf Streifzug durch Hong Kong und Umgebung
Hong Kong – Alles etwas größer
Ein Hauch von Las Vegas – Macau, die Spielhölle der Chinesen

China – der erste Kontakt
Suzhou – Die Stadt der schönen Gärten
Shanghai – Moderne Stadt seit 1990
Nanjing – Zweitgrößte Stadt der Ostküste
Qingdao – Auf den Spuren deutscher Kolonialherrschaft in China

Nördliches China – Paläste, Mauern und Smog
Peking – Die Stadt der Überwachungskameras
Die große Mauer in Jinshanling
Datong – Die Grotten von Yungang
Pingyao – Die besterhaltene Stadtmauer in China im Braunkohledunst

Xi’an und die Provinz Sichuan – Buddahs, Schiffe und Pandas
Xi’an – Die Terrakotta-Armee
Leshan – Der größte Buddha der Welt
Yangtse – Eine chinesische Schifffahrt zum Drei-Schluchten-Staudamm
Chengdu – Die Gemütliche

Kleiner Einwurf: Die Chinesen
Der Konsum
Die Verkehrsmittel und worüber die deutsche Wirtschaft glücklich ist
Wie lange bleibt das Wachstum in China noch so hoch und was sind die Folgen in der Zukunft?
Der Chinese selbst

Namaste Nepal – Kathmandu, ein touristischer Albtraum
Eine kleine 2-Tages-Tour um Kathmandu herum
Auf der Flucht aus der Stadt ging es nach Pokhara
Der Nationalpark Chitwan

Ankunft in Indien – neues Land, neue Erfahrungen
Zugfahrt von Gorakhpur nach Varanasi
Varanasi – Die Stadt des letzten Ganges
Delhi – Rückschläge und Entscheidungen in der Hauptstadt

Mumbai – mein Sprungbrett in den Westen
Keine Erholung in Sicht
Kein Flieger für mich! Ich komme nicht raus aus Indien
Mumbai – Die Zweite

Jordanien – der letzte Stopp einer langen Reise
Amman – eine Hauptstadt ohne Flair und Sightseeings
Nachts halten mich meine Gedanken wach
Jerash – Eine Handelsstadt unter römischer Herrschaft
Amazing finish – Petra, die Felsenstadt
Wadi Rum – Auf den Spuren von Lawrence von Arabien
Dead Sea – Ein untergehen ist nicht möglich

Zurück Richtung Heimat
Es ist vorbei, mein Jahr
Die gute Luft der Heimat – Ein herzlicher Empfang

Bildnachweis

Die Idee, auf Weltreise zu gehen

„Wie kommst du bloß auf die Idee, eine Weltreise zu machen?“ Das war die häufigste Frage, die mir vor meiner Abreise gestellt wurde und um sie zu beantworten, muss ich etwas weiter ausholen als: „Ich bin heute Morgen aufgewacht und dachte, das sei eine coole Idee!“

Bis 2004 war ich schlichtweg ein Reisemuffel. Ich hatte kein Interesse am Reisen, da ich andere Pläne hatte, zum Beispiel eine Familie zu gründen. Aber in jenem Jahr wanderte mein bester Freund mit seiner damaligen Freundin nach Südafrika aus. Da ich ihn seit dem Kindergarten kannte und er wie ein Bruder für mich ist, wollte ich den Kontakt nicht abreißen lassen. So beschlossen ein Freund und ich, ihn in Johannesburg zu besuchen und fuhren im Anschluss mit einem Mietwagen drei Wochen durch das Land.

Während dieser Zeit machte ich meine ersten Erfahrungen mit Hostels und Backpackern. Diese Art des freien, unbeschwerten Reisens, der Kommunikation, einfach die Lockerheit der Backpacker, zog mich magisch an. In den folgenden Jahren flog ich immer, wenn mein Budget und meine Urlaubstage es erlaubten, zurück nach Südafrika und bereiste auch einige andere afrikanische Länder wie Mosambik, Zimbabwe, Swasiland, Namibia, Botswana, Sambia, Malawi und Tansania. Zuerst nur mit dem Koffer, dann folgten zwei geführte Overland-Touren, bis ich schließlich meinen ersten Versuch als Backpacker wagte.

Während all dieser Reisen traf ich immer wieder Backpacker, die deutlich länger als ich unterwegs waren. Die einen drei, die anderen sechs oder sogar zwölf Monate. Jedes Mal dachte ich: „Super, das möchte ich auch gerne machen – aber wie nur?“ Schließlich war ich zu diesem Zeitpunkt schon 35 Jahre alt, bei der Stadt Frankfurt als Beamter beschäftigt und hatte nur 30 Tage Urlaub im Jahr! Ein ehemaliger Kollege brachte mich auf die Idee, dass ich doch ein Sabbatjahr beantragen könnte und das war dann auch der Weg zur Erfüllung meines Traums: Ein Jahr um die Welt! Jedoch fingen mit dieser Lösung die Probleme erst richtig an.

Was ist ein Sabbatjahr?

Kurz und knapp: Ein Sabbatjahr – oder auch neudeutsch Sabbatical – ist eine Art Teilzeitarbeit oder Auszeit vom Job. In meinem Fall wählte ich folgende Variante: Ich erhielt für vier Jahre 75 Prozent meines Gehaltes und arbeitete davon drei Jahre Vollzeit. In den ersten drei Jahren sparte ich jeweils 25 Prozent an, die mir dann während meiner Freistellungsphase (Sabbatjahr) ausbezahlt wurden.

Das erste Gespräch mit meinem Abteilungsleiter verlief allerdings nicht besonders gut. Ich hatte das Gefühl, dass er mein Anliegen nicht ernst nahm und auch nicht verstehen konnte, warum ich das Sabbatjahr beantragte. Es erstaunte mich daher nicht sonderlich, dass er meinen ersten Antrag ablehnte. Im hessischen Beamtengesetz ist zwar ein Sabbatjahr vorgesehen, jedoch kann es aus „dienstlichen Gründen“ abgelehnt werden. Ein Jahr später beantragte ich es erneut und es sollte wiederum aus „dienstlichen Gründen“ abgelehnt werden. Mittlerweile hatte ich jedoch etwas mehr Informationen gesammelt und zum Glück den Abteilungsleiter der Personalstelle auf meiner Seite, somit wurde es letztendlich doch noch genehmigt. Leider beschlich mich danach das Gefühl, dass ich mich durch meinen Antrag in der Personalstelle unbeliebt gemacht hatte.

Ich merkte also ein Jahr zu spät, dass ein Staatsdiener immer ersetzbar ist und daher aus „dienstlichen Gründen“ so gut wie kein Antrag abgelehnt werden kann. Außerdem spart sich die Stadt als Dienstherr ja auch das Gehalt, also wenn das mal keine Win-Win-Situation ist!

Die Entscheidung

Jeder, der sich mit dem Thema Langzeitreisen auseinandersetzt, muss irgendwann die Entscheidung treffen, ob er seine Pläne auch wirklich in die Tat umsetzen will. Das ist im ersten Moment gar nicht so einfach, aber wer zumindest auf Zeit aus dem Hamsterrad des Arbeitsalltags heraus möchte, trägt die Entscheidung meist schon seit Jahren in sich. Er muss sich nur noch der gesellschaftlichen Zwänge entledigen; Materielles und die Vorstellungen anderer dürfen dabei keine Rolle mehr spielen, sonst klappt das nicht.

Ich habe von der Idee bis zu meiner Entscheidung etwa eineinhalb Monate gebraucht. Im Nachhinein betrachtet hatte ich diese Entscheidung aber schon vor Jahren in Afrika gefällt. Viele meiner Weltreisefreunde, die ich im Laufe der letzten Jahre kennengelernt hatte, haben ihren Job für ihren Traum gekündigt. Sie haben ihr Erspartes verbraten und kamen nach ihrer Reise mit der Sorge nach Hause, keinen neuen Job zu finden. Dieses Problem hatte ich nicht, aber dafür laufende Verbindlichkeiten, da ich später mal ein Eigenheim mein Eigen nennen wollte. So musste ich einen Finanzplan aufstellen, um herauszufinden, wie ich Reise und Haus langfristig finanzieren konnte. Für die Umsetzung hatte ich ja drei Jahre Zeit. Mein Erspartes wurde mit härteren Sparmaßnahmen weiter aufgestockt, um bei der Abreise genug Geld in meinen Taschen zu haben.

Die Planung

Mit der Planung könnte ich ein eigenes Buch füllen, aber zu diesem Thema gibt es bereits genug Literatur; auch das Internet hilft in der Regel bei der Reiseplanung weiter. Viele Reisende sind der Meinung, dass eine Langzeitreise mindestens ein Jahr vorbereitet werden muss. Das trifft vielleicht zu, falls jemand überhaupt keine Reiseerfahrung hat, alle anderen lernen von Reise zu Reise. Die Planung ist meiner Meinung nach kein Hexenwerk. Steht erst mal die Finanzierung, gilt es noch folgende sieben Punkte und Fragen zu berücksichtigen:

1. Reise ich alleine oder mit einem Partner?
2. Richtet eure Reiseroute nach der Wetterlage aus. Im Winter nach China oder zur Monsunzeit nach Südostasien zu reisen wäre unsinnig.
3. Wie überwinde ich die Ozeane? Mit einem Round-The-World-Ticket (RTW) oder mit Einzeltickets?
4. Wie sieht meine Packliste aus und wie groß muss und darf der Rucksack sein?
5. Brauche ich eine Auslandskrankenversicherung?
6. Benötige ich darüber hinaus noch eine Heimatbasis?
7. Wie versorge ich mich unterwegs mit Geld?

Zu 1.: 2004 traf ich in Südafrika den ersten deutschen Langzeitreisenden, der mit der Zeit ein guter Freund wurde. Er reiste alleine und erklärte mir, dass Freiheit und Unabhängigkeit eine Weltreise ausmachen würden. Heute kann ich seine Worte nur unterstreichen, denn alleine ist der Reisende fast nie, aber er ist frei und kann seine Entscheidungen von Minute zu Minute treffen. Zu zweit sollten nur Paare reisen. Kommen sie zusammen zurück, hält die Beziehung bestimmt ein Leben lang.

Meine Reise plante ich für mich alleine. Doch dann fragte mich eine junge Frau über ein Forum, ob sie mit mir reisen dürfe. Sie sei noch nie außerhalb Europas gewesen und würde sich so sicherer fühlen. Ich erklärte ihr – sie hieß Katja –, dass sie spätestens nach zwei Wochen den Dreh raus haben würde und alleine reisen könne. Und so kam es dann auch.

Zu 2.: Nachdem ich mir überlegt hatte, welche Länder ich bereisen wollte, stellte ich meine Route zusammen. Allerdings hatte ich einen Denkfehler gemacht, denn ich plante, Ende Dezember nach Osten zu starten, so wäre ich die meiste Zeit bei schlechtem Wetter gereist. Nach einem Tipp von Weltreise-Info stellte ich die Route so um, dass ich im Westen starten und so immer mit gutem Wetter reisen würde.

Zu 3.: Mit der Planung der Route stellte sich auch die Frage nach den richtigen Flugtickets. Einzeltickets haben einen großen Vorteil: Man ist mit ihnen flexibler, aber dafür kann es auch teurer sein als ein Round-The-World-Ticket. Also entschied ich mich für die zweite Variante. Unterwegs kaufte ich mir ab und zu noch ein Einzelticket dazu, falls es nötig war.

Zu 4.: Jetzt kommt die schlimmste aller Fragen: Wie groß darf der Rucksack sein? Ich nehme es vorweg, ich startete mit einem 35 + 5 Liter Rucksack plus einem Daypack. Mit dieser Größe kommt nicht jeder zurecht, aber vor Jahren merkte ich, dass ein 65 + 10 Liter Rucksack in einem völlig überfüllten Minitaxi in Südafrika keine gute Idee ist. Mit der Zeit lernte ich auch, was auf einer Reise wirklich wichtig ist, so dass ich zum Gepäck-Minimalisten wurde. Mein Rat: Nimm so wenig wie möglich mit, aber dennoch alles, was für dich wichtig ist!

Zu 5.: Bei der Wahl der Auslandskrankenversicherung ist neben dem Preis entscheidend, dass ein medizinisch sinnvoller Rücktransport angeboten wird.

Zu 6.: Die Heimatbasis sind vertrauenswürdige Menschen, die mit einer Vollmacht ausgestattet werden, mit der sie einen im Fall der Fälle vertreten, Gelder überweisen oder im schlimmsten Fall Entscheidungen für einen treffen können. Bei mir waren es meine Eltern.

Zu 7.: Das Geld kommt weltweit aus dem Automaten wie zu Hause der Strom aus der Steckdose. Beim Strom achten wir auf den Preis und so ist es auch bei der Wahl der Kreditkarte. Es gibt Banken, die Kreditkarten ausgeben, mit denen man weltweit keine Gebühren an Automaten zahlen muss. Als Backup-Karten sollten aber noch eine EC-Karte und eine Kreditkarte einer anderen Bank dabei sein, falls ein Automat die Hauptreisekreditkarte nicht akzeptiert. Mit diesen drei Karten gibt es weltweit immer Bares.

Jetzt könnt ihr euch noch über solche Sachen wie Kamera (DSLR oder Kompakt), Netbook und andere Gimmicks Gedanken machen. Hier zählt wieder mein Tipp: Haltet das Gepäck so klein und leicht wie möglich! Ich hatte ein MacBook Air und eine Kompakt-Digicam dabei.

Als Herzkranker auf Weltreise?

Die meisten Menschen machen sich um ihre Gesundheit kaum Gedanken und die erst, wenn es (fast) zu spät ist. Bei mir ist das anders: Im zarten Alter von einem Tag stellten die Ärzte bei mir eine Herzerkrankung fest. Den Schock für meine Eltern kann ich nur erahnen, aber an der Tatsache konnte leider niemand mehr etwas ändern.

Es ist nun auch nicht unbedingt typisch, dass ein behinderter Mensch wie ich auf eine Weltreise geht – aber warum denn eigentlich nicht? Ich habe in meinem Leben schon Menschen gesehen, denen es schlimmer geht als mir.

Ich möchte zu Beginn des Buches gerne erklären, wie meine Erkrankung aussieht: Im November 1971 wurde ein Loch in der Herzscheidewand (Septumdefekt), eine Verengung des Muskels unterhalb der Klappe (Muskelverdickung der rechten Herzkammer) und eine Verengung der Klappe der Lungenschlagader (Pulmonalstenose valvulär) erkannt. Die nennt der Kardiologe dann Fallot’sche Tetralogie. Durch die Verengung der Klappe der Lungenschlagader wird der Blutstrom behindert und das frische Blut nicht vollständig in den Kreislauf gepumpt, so dass die Belastung für das Herz höher wird.

Schon in meiner Kindheit war dadurch alles etwas anders als bei meinen Freunden. Es hieß immer „Nur keine Belastung!“ oder „Nur nicht anstrengen!“. Vom Schulsport wurde ich befreit, sollte nicht höher als 800 Meter über den Meeresspiegel klettern und am besten gar nichts mehr machen.

Mit neun Jahren wurde ich dann am offenen Herzen operiert, denn mit einer Korrektur am Herzen kann ein Jugendlicher oder Erwachsener ein weitgehend normales Leben in den ersten drei bis vier Jahrzehnten führen.

Das Loch konnte bei der Operation geschlossen werden, die Verengung der Klappe der Lungenschlagader aber blieb bestehen. Daher muss das Herz auch heute noch etwas mehr arbeiten als gewöhnlich. Leider hatte ich nach meiner OP auch noch Pech und bekam eine schlimme Entzündung von Herzinnenhaut und Herzmuskel (Endocarditis lenta). Das war direkt nach der Operation sehr kritisch und wiederholte sich im Laufe meines Lebens noch mehrfach.

Aber ich lernte mit dieser Beeinträchtigung zu leben – es blieb mir ja auch nichts anderes übrig. Meine Freunde und meine Familie unterstützten mich damals, das war enorm wichtig für mich. Ich lernte Schwimmen, Fahrradfahren, spielte Handball im Verein und erlebte mit meiner mir zur Verfügung stehenden Kondition ein sehr normales Kinderleben.

Mein persönliches Fazit: Es ist besser, ein Leben zu haben und es zu genießen, als nur aus dem Fenster zu gucken und davon zu träumen!

Hanoi – Und der Plan ist, kein Plan zu haben

Vor 72 Stunden saß ich noch im Hotel Lebua über den Dächern von Bangkok und da kam mir der Gedanke: „Was soll ich nur vier Wochen lang in Vietnam machen? Ein ganzer Monat! Mir reichen vielleicht auch zwei oder drei Wochen.“

Abends kam ich in Hanoi bei Mike an, meinem Couchsurfer für diese Nacht, und legte mich erst einmal schlafen. Am nächsten Tag kaufte ich eine Bahnkarte nach Sa Pá im Norden von Vietnam und erlebte die erste böse Überraschung. Statt eines schönen Betts im Nachtzug bekam ich nur noch einen Platz auf einer Holzbank in der dritten Klasse. Für einen Preis von umgerechnet circa sechs Euro auch nicht teuer.

Von Hanoi hatte ich bis dahin noch nichts gesehen. Ich lief durch das Old Quarter und gönnte mir ein Bierchen an der Bier-Ecke. Diese kleinen Lokale liegen in der Altstadt von Hanoi. Hier gibt es das lokale Bier „Bia Hoi“. Die Vietnamesen stehen dort oder sitzen auf der Straße auf kleinen Plastikstühlen. Ein Bier kostet circa 1 U$-Dollar und ist somit sehr günstig. Ab und an kommt die Polizei vorbei und möchte die Stühle konfiszieren. Dann stehen die Vietnamesen schnell auf und nehmen die Stühle in die Hand, bis die Polizei wieder gegangen ist. Dies ist ein lustiges Schauspiel, das man einmal erlebt haben sollte.

Für den nächsten Tag besorgte ich mir noch eine Karte für das Wasserpuppentheater und machte mich langsam auf den Heimweg. Übrigens war es sauheiß mit einer hohen Luftfeuchtigkeit. Das hatte ich auf meiner Reise bis dahin so noch nicht erlebt!

Am Abend ging ich zum Couchsurfer-Meeting und ab diesem Zeitpunkt haben sich alle meine Reisepläne total geändert! Eine Französin – Albane – fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, mit ihr zusammen durch den Norden von Vietnam mit dem Motorrad nach Sa Pá und zur Ha Long Bay zu fahren. Ich dachte: „Warum nicht? Ist mal was anderes. Und die Natur dort soll wunderschön sein.“ So verabredeten wir uns für den nächsten Nachmittag, um zum einzigen Motorradverleih in Hanoi zu gehen.

In Vietnam ist es allerdings so, dass internationale Führerscheine nicht anerkannt werden. Jedoch werden Touristen im Norden (und wohl auch im Süden) nicht kontrolliert, da die Polizisten kein Englisch sprechen. Somit war es auch unwichtig, dass ich gar keinen Motorradführerschein habe!

Nach dem Meeting saß ich dann das erste Mal auf einem Motorrad mit Schaltung und suchte den Weg zum Wasserpuppentheater. Der Tank war leer, es war bereits dunkel und die Maschine blieb einfach stehen. Ein netter Vietnamese, der kein Englisch sprach, fragte mich, ob er helfen kann. Nach einer kurzen Erklärung kam er mit einem guten Liter Benzin zurück. Ich bezahlte ihn und weiter ging‘s. Als ich beim Wasserpuppentheater ankam, war die Vorstellung gerade zu Ende. Pech gehabt! Übrigens, der Verkehr war der Wahnsinn. In Indonesien war es nicht halb so chaotisch, aber ich fand dennoch heim.

Bevor ich mich mit Albane traf, hatte ich noch eine Verabredung mit einer netten Couchsurferin namens Hương aus Hanoi zum Mittagessen und auf einem Kaffee. Es ist immer etwas anderes, wenn ich das Vergnügen haben darf, mit Einheimischen unterwegs zu sein. Hương nahm mich mit in kleine Straßenlokale und erklärte mir, dass eine Suppe nicht gleich eine Suppe ist. Das kulinarische Highlight war aber für mich Bún chả (gegrilltes Schweinefleisch mit Reisnudeln), das nicht nur für mich die leckerste Suppe von allen ist. Nebenbei erzählte mir Hương noch, dass es alleine in Hanoi noch über 200 verschiedene Nudelarten gäbe – verrückt! Nach dem leckeren Essen gingen wir zu dem kleinen künstlichen See „Hồ Thiền Quang“ in der Nähe des Hauptbahnhofes, um dort unseren Kaffee zu trinken.

Der vietnamesische Kaffee mit der süßen Kondensmilch ist einfach lecker – und stark. Um den See herum saßen vietnamesische Männer, tranken Kaffee und rauchten wie die Weltmeister. Sie unterhielten sich, aber dabei schien die Unterhaltung nicht nur den Männern wichtig zu sein. Sie alle brachten ihre Singvögel mit und hängten die Käfige auf eine Art Wäscheleine. Sollte einer der Vögel nicht mehr singen, also sich mit seinen Nachbarvogel unterhalten, wird er liebevoll umgehängt. So zwitscherten die Vögel und die Männer im Schatten um die Wette und ich genoss die ausstrahlende Ruhe.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Zwitschern am See Hồ Thiền Quang in Hanoi

Hương fragte mich, ob ich zusammen mit ihr und vielleicht ein paar Freunden in zwei Wochen in den Süden von Vietnam fahren möchte. Na klar will ich! Und so verabredeten wir uns für den Freitag in zwei Wochen. Ich gab ihr noch Geld, damit sie mir ein Busticket kaufen konnte.

Am nächsten Tag sollte es dann losgehen und ich hoffte, dass ich nach meiner Rückkehr noch ein wenig Zeit habe würde, um Hanoi zu besichtigen.

Es ist schön, ohne Pläne zu reisen. Es kam, wie es kommen sollte und innerhalb von 48 Stunden hatte sich mein Reiseplan total geändert. Schon waren vier Wochen viel zu kurz!

Road Trip North Vietnam – Ein paar Informationen vorab

Als ich Albane in Hanoi kennenlernte, schwirrte ihr schon eine ungefähre Reiseroute im Kopf herum. Sie hatte bereits Informationen zu ein paar Sehenswürdigkeiten eingeholt und war schon gut vorbereitet. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, was mich in Nordvietnam erwarten würde, denn außer dem Ort Sa Pá kannte ich nichts. Albane hatte noch kurz vor der Abfahrt einen guten Vietnamatlas gekauft, der auch kleinere Straßen abseits der Hauptrouten beinhaltete.

Es ist schwer, die genaue Route zu beschreiben, da die Wege und Straßen dort keine Straßennamen haben und wir auch eher nur auf Nebenstraßen unterwegs waren. Mittlerweile lebt Albane in Vietnam und damit ich unsere Route für dieses Buch kurz beschreiben kann, haben wir zwei via Skype die Strecke nochmals besprochen und sind dabei zu dem folgenden Ergebnis gekommen. Die Route sah ungefähr so aus:

Hanoi Railway Station => Hòa Bình => Mai Chau => Mộc Châu => Sa Pa => Lào Cai => Hà Giang => Ba Be National Park => Cao Bằng => Halong Bay => Hanoi Railway Station

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Roadtrip durch Nordvietnam (© 2015 MapQuest „Map data © OpenStreetMap and contributors, ODdL“)

Los geht‘s in Hanoi – Die Flucht vor dem Wirbelsturm Kai-Tak

Am Hauptbahnhof von Hanoi ging es los, da dies ein perfekter Treffpunkt war. Das Wetter sollte sich ändern. Der Taifun Kai-Tak sollte heute auf Hanoi treffen. Wir wollten dem Wirbelsturm zuvorkommen und machten uns Richtung Westen auf.

Die ersten Kilometer raus aus Hanoi mussten wir uns noch mit vielen LKWs und Autos teilen, aber die Straßen waren recht gut ausgebaut. Vom Taifun bemerkten wir glücklicher Weise noch nicht viel, scheinbar war er etwas langsamer als vorhergesagt.

Albane wollte keine Hauptstraßen fahren, da sie erstens den Verkehr umgehen und zweitens mehr von Land und Leuten sehen wollte. So reise auch ich am liebsten. Der Nachteil dabei ist jedoch, dass die Straßen keine richtigen Straßen mehr sind, sondern eher Schlaglochpisten und nur mit ein wenig Glück auch asphaltiert. Am späten Nachmittag holte uns der Regen dann doch noch ein.

Eine Leidenschaft zum Motorradfahren hatte ich eigentlich noch nie. Mit 16 hatte ich als Sozius einen Unfall und seitdem hege ich keine große Begeisterung für diese Art der Fortbewegung. Auch würde ich mich eher als Schönwetterfahrer bezeichnen und nun – Regen! Die Straße wurde rutschig, ich hatte kein Vertrauen in meine alte Maschine und der Abend brach herein. Albane merkte auch, dass wir an diesen Abend nicht mehr weit kommen würden.

Ab ins Reisfeld

In Vietnam gibt es auf dem Land ab 19 Uhr nicht mehr viel zu essen, so steuerten wir eine Garküche an und stärkten uns erst mal mit einer leckeren Suppe. Der Regen ließ langsam nach und wir wollten uns in das nächste Guesthouse (auf Vietnamesisch = nhà trọ) einquartieren.

Von der Straße bog plötzlich ein Feldweg ab und Albane meinte, dass dort eine Unterkunft wäre, zumindest das Schild „nhà trọ“ war ersichtlich. Wir bogen ab und ich konnte mir aussuchen, ob ich links oder rechts in der tiefen Furche des ausgefahren Feldweges fahren wollte. Die Furche bestand nur noch aus Wasser und Schlamm. Links und rechts neben dem Feldweg begannen die Reisfelder, die circa einen Meter tiefer lagen.

Plötzlich ging alles recht schnell. Kupplung drücken, statt Gas nachzulassen wohl eher Gas gegeben, vor Schreck die Kupplung etwas kommen lassen, der Lenker war nicht mehr zu kontrollieren und das Hinterrad trieb mich durch den Schlamm bis der Motor vom Reisfeld ersoffen wurde. „Scheiße, keinen ganzen Tag gefahren und schon ist die Motorradtour am Ende!“, schoss es mir durch den Kopf. Wie hab ich es nur geschafft, dass das Motorrad noch stand und ich mit der schweren Maschine nicht im Reisfeld umgefallen bin? Ein Glück, dadurch waren meine Rucksäcke trocken geblieben. Allerdings nutzten mir meine wasserdichten Halbschuhe nichts mehr, denn 50cm unter Wasser liefen sie komplett voll.

Albane merkte zuerst gar nicht, dass ich nicht mehr auf dem Feldweg war. Meine Rufe hörte sie nicht mehr. So stand ich einige Minuten im Reisfeld, hielt krampfhaft das Motorrad fest und wartete. Albane erreichte das Ende des Feldweges, bemerkte meine tollkühne Fahrtechnik und lachte erstmal, bevor sie Hilfe von der Unterkunft holte.

Die Maschine war richtig schwer. Nur zu fünft brachten wir sie zurück auf den Feldweg, aber jeder Versuch, sie wieder in Gang zu setzen, war vergebens. So schoben wir sie zum Guesthouse, um erstmal eine Dusche zu nehmen. Viel war nicht los an diesem Platz der Erde und so war ich die lustige Abendunterhaltung.

Das Motorradwunder

Die Sonne lachte morgens durch das Fenster und nach dem Kaffee ging ich, um mir das Malheur bei Tageslicht anzusehen. Sauber war die Maschine schon. Der Reinigungsservice war ohne zu fragen schon von den netten Vietnamesen übernommen word#en. Ich steckte den Schlüssel rein, drehte um und – nichts! Ok, so hab ich mir das gedacht.

Das Gute an so einer alten Maschine ist aber, dass sie einen Kick-Start hat. So trat ich dann zehn Minuten darauf rum und gab immer schön kräftig Gas. Ein Vietnamese gab mir dann zu verstehen, dass das nichts wird und ich die Maschine jetzt noch zusätzlich mit Sprit abgesoffen habe. Somit wurde nur noch der Kick-Start getreten, was das Zeug hielt, und nach fünf Minuten sprang meine „alte Lady“ wieder an. Nun wurde das Gas aufgedreht, der Motor heulte auf und wurde mit Benzin gefüllt. Aus dem Auspuff kamen noch locker drei Liter Wasser raus – Sie lebte!

Getraut hatte ich meiner „alten Lady“ nicht und das sollte jetzt nicht besser werden. Wir bedankten uns bei der Familie für ihre Hilfe und fuhren los. Keine 40 Kilometer später schlingerte meine Maschine und ich konnte sie bei Tempo 60 gerade noch so halten, bis ich sie zum Stehen brachte. Nach einem skeptischen Blick stellte ich fest – mein erster platter Reifen! Zum Glück passierte das Ganze rund 500 Meter vor einem kleinen Ort, so dass ich nicht weit zu schieben hatte, bis ein Mechaniker gefunden wurde. Der hintere Reifen war schnell geflickt.

So langsam merkten wir, dass wir mit unserer ungeplanten Route ziemliches Glück hatten. Abgedeckte Häuser zeugten von dem Wirbelsturm. In Hanoi und der Umgebung gab es sogar 27 Tote zu beklagen. Die Pfützen wurden größer und an manchen Stellen war die Straße von Erdrutschen bedeckt. Einige Straßen wurden zum See und das Durchqueren der Fluten eine Herausforderung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Durchquerung der kleinen Seen, die sich auf den Straßen bildeten

Das Fahren machte bei dieser Witterung nicht so viel Spaß, da unter jeder Pfütze ein riesiges Schlagloch sein konnte und ein Sturz möglichst vermieden werden sollte. Ein billiger Regenponcho brachte nur bedingt Linderung gegen den Regen und zu guter Letzt machte meine „Alte Lady“ Zicken. Nachdem mein Vorderrad beim Bremsen völlig blockierte, war ich froh, als wir am späten Nachmittag in der kleinen Stadt Mộc Châu ankamen. Eine Unterkunft war schnell gefunden und ein paar Meter weiter gab es auch wieder eine kleine Werkstatt.

Schnell machten sich die zwei Mechaniker an die Arbeit. Das Vorderrad wurde ausgebaut und die Trommelbremse zerlegt. Ich befürchtete schon Schlimmes, aber mit etwas Schmirgelpapier reinigten sie die Bremse von innen und bauten alles wieder zusammen. Eine kurze Probefahrt – und meine „Alte Lady“ schnurrte und bremste wieder.

Eintauchen bei Vietnamesen

Weiter ging es auf kleinen Straßen, die immer schlechter wurden. Dafür wurde die Landschaft im Gegensatz zu den Straßenverhältnissen immer besser. Auch nach gut acht Monaten Weltreise konnte ich nicht genug kriegen von dem leuchtenden Grün und der wechselnden Landschaft. Da ich ja erst wenige Tage vorher mit dem Motorradfahren angefangen hatte, waren meine Fahrkünste nicht besonders. Ich merkte, dass mich dies viel Kraft kostete. Physisch und psychisch strengten mich die täglichen acht bis zehn Stunden Fahrt sehr an. Das merkte ich allerdings erst abends, wenn ich todmüde einschlief.

Am Ende des dritten Tages erreichten wir kurz vor Dunkelheit ein kleines Dorf. Das Schild „Nhà Trọ“ an der Lehmstraße wies uns auf eine Unterkunft hin. Albane sollte nachsehen, ob der Preis stimmte und es einigermaßen sauber war. Ich wartete bei den Motorrädern, damit wir die Rucksäcke nicht abschnallen mussten. Ernüchtert kam sie zurück und meinte nur, dass es wie im Schweinestall stinken würde und sie sich lieber weiter umschauen wollte. Nach fünf Minuten kam sie zurück und meinte: „Wir haben ein Bett und das auch noch kostenlos.“ Der junge Lehrer des Dorfes lud uns ein, bei ihm zu wohnen. Seine Frau kümmerte sich um das Kind und er schwang schon die Kochlöffel, als wir ein riesiges Doppelbett bezogen. Nach einer kurzen Dusche fanden wir uns zusammen zum Abendessen auf dem Boden der Küche wieder. Erst dachte ich, dass die Unterhaltung sicher lustig werden würde, aber er war Englischlehrer und somit glücklich, mit uns Smalltalk zu führen. Seine Frau sprach auch Englisch und so wurde es ein schöner Abend. Unser Gastgeber war glücklich, dass mal ein Mann mit im Hause war, da er so mit mir ein paar Bierchen trinken konnte. Dann kam noch der Bienenschnaps dazu und die Glückseligkeit in seinem Gesicht war deutlich zu sehen.

Auf zu den Reisfeldern von Sa Pá

Eine wunderbare Tagestour lag vor uns. Albanes Straßenkarte zeigte Nebenstraßen an, die diesen Namen nicht tragen dürften. Und so kam es, wie es kommen musste: Albane, die wirklich jeden Stein überfahren wollte, hatte einen Platten. So schlimm ist das ja eigentlich nicht, aber leider passierte es an einer Stelle, die sehr ungünstig lag. 30 Kilometer vor und hinter uns keine Stadt. Mitten in den Bergen standen wir nun. Das sind die Situationen, die zeigen, warum solch eine Tour nur zu zweit funktionieren kann. Für mich hieß es jetzt: Hilfe holen. Da sich mein Vietnamesisch in Grenzen hielt, wurde der platte Reifen samt Scooter fotografiert, um wenigsten anhand des Bildes erklären zu können, was passiert war. Dank sei den Digitalkameras mit Bildschirm!

So fuhr ich weiter und hoffte, dass ich schon bald durch ein Dorf mit einem Mechaniker kommen würde. Leider weit gefehlt. Nach zehn Kilometern traf ich endlich auf den ersten Vietnamesen, der eine kleine Art von Garküche hatte. Es war mehr ein Aussichtspunkt für Touristen, die aus dem 20 Kilometer entfernten Sa Pá vorbei schauten. Ich machte ihm auf dem Foto klar, was ich wollte. Und er hatte auch eine Lösung für mich. Einen neuen Schlauch wollte er mir verkaufen. Schlauch wäre schon mal super, aber erstens hatte ich kein Werkzeug und zweitens keine Ahnung, wie ich das Hinterrad aus-, geschweige denn wieder einbauen sollte.

Auf meinen Vorschlag, mit mir zusammen den Schlauch zu wechseln, ging er nicht ein, da er niemanden hatte, der dann auf seine kleine Garküche aufgepasst hätte. Ein gutes Argument, aber wie immer im Leben rief er einen Freund an, der ihn vertreten sollte. Nach 40 Minuten kam dieser auch und wir brachen auf zu Albane. Mit seiner Hilfe war der Schlauch schnell gewechselt und das Ganze hat sogar kaum was gekostet – wir mussten praktisch nur den Schlauch bezahlen. Er fuhr schnell wieder zurück zu seiner Garküche, während wir den Berg eher langsamer hinauffuhren. Nach zehn Minuten trafen wir unseren Helfer wieder. Er stand da und kam nicht mehr weiter. Zum Glück kein Platter, sondern kein Benzin! Nichts leichter als das, meinte er und zapfte bei mir am Motorrad Benzin ab. War ja selbstverständlich und zum Glück war mein Tank schon etwas größer. Zusammen erreichten wir dann seine Garküche. Zum Dank kehrten wir noch bei ihm ein. Stickyrice und eine Art Wachtel gab es vom Grill, dazu noch eine Cola und gratis die schöne Aussicht. Die letzten 20 Kilometer nach Sa Pá waren dann nur noch ein Kinderspiel.

Sa Pá – Der Touristenkulturschock

Bei der Ankunft in Sa Pá bin ich fast 750 Kilometer unfallfrei durch ein authentisches Vietnam gekommen. Hier kam ich mir ein wenig vor wie auf der Khoan San Road in Bangkok. Ok, ganz so schlimm war es nicht, aber mich wunderte es schon, dass mir sogar Apfelwein angepriesen wurde.

Ein billiges Hotel war schnell gefunden und es gab sogar WIFI. Daran ist messbar, dass viele Touristen hierher kommen. Während ich kurzerhand das WIFI ausnutzte, machte sich Albane auf die Suche nach einem Lokal, dass von Einheimischen besucht wird. Wir verabredeten uns dann für eine Stunde später am Marktplatz.

Als ich Albane traf, hatte sie schon Hunger und ein super Lokal ausfindig gemacht. Als wir das Lokal betraten, waren wir die einzigen Ausländer. Die circa 50 anwesenden Vietnamesen nahmen uns erstmal gar nicht wahr, da scheinbar eine Feier stattfand. Wir bestellten Getränke und als diese vom Kellner gebracht wurden, auch das Essen. Jetzt wurden wir erst richtig bemerkt. Das Essen wurde von den Feiernden einfach abbestellt und wir wurden zum Feiern eingeladen. Albane saß sofort bei den Frauen. Ich hatte schneller ein Glas Schnaps in der Hand als einen Stuhl unterm Hintern und fand mich bei den Herren wieder.

Bevor ich die Schälchen mit allerlei vietnamesischem Essen bekam, musste ich noch drei Schnäpse trinken. Ein paar der Männer konnten gebrochen Englisch und als ich erklärte, dass ich aus Deutschland kam, bekam ich gleich noch ein paar Schnäpse ausgegeben. Zwei Minuten später stand dann der Mann vor mir, der die Rechnung bezahlte. Er sprach mich auf Deutsch an und erzählte mir, dass er vor dreißig Jahren in Leipzig studiert hatte. Heute feierte er hier mit seinen Mitarbeitern und war ganz aus dem Häuschen, dass er wieder Deutsch reden konnte. Ich verstand nur jedes dritte Wort, das konnte aber auch an seinem Schnapskonsum liegen.

Nachdem wir gesättigt waren, zogen uns unsere Gastgeber auf die Tanzfläche, die durch Beiseiteschieben der Tische entstand. Auf die Frage, ob ich mit Albane verheiratet sei, wurde ein Nein nicht gewertet. Die Hochzeit hätte ihretwegen sofort vollzogen werden sollen. Zum Glück wurde die Musik auf ein unerträgliches Maß aufgedreht und bei komischen Technoklängen konnte keiner mehr sein eigenes Wort verstehen. So tanzten hier 20 Vietnamesen völlig willenlos zu Technoklängen und zwei Europäer konnten sich dessen auch nicht entziehen. Plötzlich, es war genau 21 oder 22 Uhr, wurde die Musik mitten im Lied ausgeschaltet und die „besoffene Gesellschaft“ verabschiedete sich und verließ das Lokal. Wir standen da und wussten gar nicht, was los war. Scheinbar gibt es wohl so eine Art „Sperrstunde“. Vor der Tür bedankte sich dann der Chef noch für unseren Besuch. Er hofft bestimmt noch heute, dass wir zwei heiraten werden.

Die Wanderung durch die Reisterrassen von Sa Pá

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Reisfelder von Sa Pá

Das circa 1600 m über NN liegende Sa Pá ist berühmt für seine wunderschönen Reisterrassen. Schon früh erkannten die Franzosen das angenehme Klima dort. Auch damals wurde dieser Ort zu Erholung genutzt. Albane und ich wollten eine kleine Bergtour unternehmen. Zwar nicht den höchsten Berg von Vietnam, den Fan Si Pan (3143m), aber etwas Bewegung nach dem vielen Sitzen auf dem Motorrad. Als wir in Sa Pá ankamen, buchten wir eine Tour für den nächsten Tag. Nach dem Frühstück warteten wir, dass uns jemand im Hotel abholte, leider kam keiner. Erst nach einer Stunde Verspätung stand ein Guide mit 15 Leuten vor unserem Hotel. Verdutzt schauten wir uns an, da wir dachten mit dem Auto abgeholt zu werden.

Die Tour war dann eher ein gemütlicher Spaziergang durch die angrenzenden Reisterrassen als die von uns gewünschte Wanderung. Der Sparziergang war recht nett, allerdings folgten uns auf Schritt und Tritt ein paar H’Mong-Frauen, die in ihren Trachten nett anzusehen waren. Erst dachte ich, dass diese zum Programm gehörten. Aber weit gefehlt, sie liefen einfach mit bis zum nächsten Dorf und wollten Souvenirs verkaufen. Dort wurden sie dann durch die H’Mong-Frauen des Ortes ersetzt. Scheinbar gibt es wohl Gebietsgrenzen zum Souvenirverkauf.

Nach vier Stunden waren wir zurück im Hotel. Wir hatten zwar noch eine Nacht gebucht, aber noch nicht bezahlt. So fragten wir, ob wir sofort auschecken konnten. Ein kurzes ja und schon saßen wir wieder auf unseren Motorrädern und verließen den Touristenort.

Hà Giang und die Berge bei Tam Son

Während der schönen Fahrt durch die Berge dachte ich oft an das Buch von Heinz Helfgen „Ich radle um die Welt (Band 2)“, wo er diese Landschaft mit der „grünen Hölle von Indochina“ beschreibt. Es ist einfach wunderschön, dieses Grün, diese Berge. Der Weg führte uns hoch in den Norden. Die Grenze zu China war nicht mehr allzu weit und die Berglandschaft verzückte uns. Da es in Sa Pá mit dem Wandern nicht geklappt hatte, sollte Hà Giang dafür herhalten.

Wir erreichten Hà Giang kurz nach 17 Uhr und da wir keine Ahnung hatten, wo man eine Wanderung unternehmen konnte, machten wir uns auf, eine Art Tourismusbüro zu finden. Das Unterfangen hört sich leichter an als gedacht, da niemand Englisch sprach. Selbst in etwas größeren Hotels verstand uns niemand. Da wir auch überhaupt nichts in dieser Richtung finden konnten, sahen wir unsere Wanderung dahin schwinden.

Albane sah plötzlich einen „Ausländer“ und meinte euphorisch: „Den können wir fragen!“ Wir liefen zu ihm hin. Er saß bei einigen Vietnamesen auf der Straße und hackte Brennholz. Wir gesellten uns dazu und wurden sofort zum Tee eingeladen. John, ein Amerikaner, wartete auf seinen Bus nach Hanoi und hatte einen Lonely Planet dabei. Es stand eine Telefonnummer drin, die uns Hoffnung machte.

Die Runde war lustig. Wenige englisch- und mehrere vietnamesisch-sprechende Leute unterhielten sich mit Händen und Füßen. Bald schon wurde der Tee gegen Schlangenschnaps ausgetauscht und jeder durfte mal Holzhacken. Vor dem ersten Schlangenschnaps ist besser als vor dem zweiten. Denn wer vorher weiß, wie ekelhaft dieser schmeckt, wird vielleicht freundlich ablehnen. Durch meine Unwissenheit kam ich dann in den Hochgenuss mehrere dieser Schnäpse.

Auf dem Weg nach Hause riefen wir die Nummer aus dem Lonely Planet an und eine Frau meldete sich. Sie war kurz später bei uns im Hotel und meinte alles regeln zu können. Wir machten einen Preis für ein Guide aus, der kein Englisch sprach und uns am nächsten Morgen abholen und den Weg zeigen sollte.

Pünktlich standen nur wir am nächsten Morgen um 7 Uhr vor unserem Hotel. Von unserem Guide war keine Spur zu sehen. Nach 30 Minuten riefen wir bei der Frau an und 20 Minuten später kam ein Mann. Da er uns nicht verstand, fuhren wir ihm einfach hinterher. Nach zweieinhalb Stunden Fahrt kam uns das Ganz dann doch komisch vor und wir ahnten, dass der Guide weniger Ahnung hatte als wir selbst. Wir stoppten und fingen an, ihn auf Englisch zu befragen. Er jedoch machte sich nicht viel draus und drückte uns sein Telefon in die Hand. Die Frau von gestern war wieder dran und wir teilten ihr mit, dass der Ausflug anders abgesprochen war und wir jetzt auf die Hilfe des Super-Guides verzichten würden. Sie wollte dennoch den ausgemachten Betrag. Wir jedoch gaben dem Guide ein Drittel des ausgemachten Betrags und fuhren davon.

Wir fuhren einfach weiter. Wunderschöne Berglandschaften von Tam Son eröffneten sich vor uns. Wir kauften Obst und etwas Brot für den Lunch, den wir gemütlich am Ufer eines Flusses genossen. Gegen Nachmittag waren wir wieder zurück in Hà Giang.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Berge bei Tam Son

Da aus unserer Wanderung wieder nichts geworden war, wollten wir die Stadt zu Fuß erkunden. Weit kamen wir jedoch nicht. Nach circa 500 Metern winkten mich zwei Polizisten zu sich. Diese saßen bequem in einem Straßenlokal und baten mich, mich zu Ihnen zu setzen. Bevor ich richtig saß, standen Biere auf dem Tisch. Albane wollte erst nicht, dass ich mich zu ihnen setze, aber ich meinte zu ihr: „Warum nicht? Vielleicht sieht man sich nochmal im Leben und dann ist es immer von Vorteil, mit den Polizisten einen getrunken zu haben.“ Das Argument zog, jedoch trank sie nicht mit. Eine Kommunikation bis auf ein vietnamesisches „Prost“ kam nicht zu Stande, aber es wurde viel gelacht.

Innerhalb einer knappen Viertelstunde leerte jeder von uns dreien sechs bis sieben Flaschen Bier (0,5l). Albane gab ich zu verstehen, dass ich das nicht mehr lange durchhalte würde und wir weiter müssten. So verabschiedeten wir uns. Ich wollte die Biere noch bezahlen, jedoch durfte ich das nicht. Die Polizisten luden mich ein, aber leider durfte ich kein Foto mit ihnen machen. Schade.

Weiter ging es und nach ein paar Metern stand Albane in einem Schulhof und spielte Volleyball mit den Jungs und Mädels. Es war einfach toll, von den Leuten angehalten zu werden, obwohl es außer den Händen keine Verständigungsmöglichkeiten gab. Aber alle hatten immer einen Mordsspaß! Ich schaute dem Treiben nur zu, da ich nach den vielen Bieren dem Ball nicht mehr hätte folgen können. Nach einer Dreiviertelstunde trieb uns der Hunger weiter. Wir zogen durch die Stadt, die nicht viel zu bieten hatte, und kehrten dann in einer kleinen Garküche ein.

Der Road Trip geht weiter – Verluste bei Mensch und Maschine

Unsere nächste Etappe sollte gar nicht so anstrengend werden. Von Hà Giang wollten wir gemütlich zum Lake Ba Bê fahren. Laut Albanes Karte sollte die Strecke ungefähr 120 Kilometer betragen und nach den Erfahrungen der letzten Tage in einem halben Tag machbar sein. Ich nehme es schon einmal vorweg: Machbar wurde zu unmöglich! Aber alles nach einander.

Morgens nach dem Frühstück stiegen wir um 8.30 Uhr auf die Motorräder und freuten uns, dass unsere Fahrt nicht allzu lange sein würde. Gegen Mittag wollten wir den Lake Ba Bê erreicht haben, um diesen dann gemütlich mit einem Boot zu erkunden. Die Straße aus Hà Giang raus war ungewöhnlich gut und die ersten Kilometer rissen wir sozusagen „auf einer Arschbacke“ ab. Nichts Böses ahnend wurde die Straße immer schlechter und uns holten die Hinterlassenschaften des Taifun Kai-Tak ein.

Aus heiterem Himmel versperrte ein Erdrutsch die komplette Fahrbahn. Wir hielten an und dachten erst: „Nichts geht mehr!“ Weit gefehlt, denn wo ein Vietnamese mit seinem Motorrad weiter will, gibt es schnell einen Weg. Neben der Straße ging es steil abwärts. Am Rand hatten die fleißigen Motorradfahrer schon einen dünnen Pfad eingefahren. Wir stellten die Motorräder ab und begutachteten den Pfad erst einmal zu Fuß. Der Lehm war festgefahren, aber sehr glitschig vom Wasser – es sollte auch für uns funktionieren. Albane wollte als Erste fahren und so holte ich schnell noch meine Kamera raus, um ein Foto zu machen.

Zehn Sekunden später, als sie um die Kurve war, hörte ich sie dann schreien. Ich rannte zu ihr und sah sie samt Scooter umgekippt zum Berghang hin liegend. Ich zog sie und das Motarrad wieder hoch und sah erst dann, dass sie sich ihren Unterschenkel am heißen Auspuff total verbrannt hatte. Ich schob ihren Scooter jetzt noch ein paar Meter weiter auf den Weg und sie humpelte hinterher. Erst jetzt sah sie ihren Unterschenkel an und bemerkte die Schmerzen.

Zum Glück hatte ich einen guten kleinen Verbandskasten mit, der jetzt, nach dem ich ihn über die halbe Welt mitgeschleppt hatte, zum Einsatz kam. So verband ich ihr erst einmal den Unterschenkel, damit kein weiterer Dreck auf die Brandwunde kam. Anschließend holte ich mein Motorrad und merkte erst dann, wie glitschig der Pfad war.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erdrutsch in Nordvietnam, kurz bevor Albane sich verletzte

Nach einer kleinen Pause fuhren wir weiter und nach zwei, drei Kilometer wandelte sich der Weg zur Katastrophe. Die Katastrophe lag darin, dass der Weg nur noch aus circa 20x20 cm großen Steinen bestand, die kreuz und quer verteilt waren und dabei noch weit aus der Erde ragten. Hinzu kam noch das Gefälle von bestimmt zehn bis zwölf Prozent. Eine Tortur für die Finger, die Kupplung und die Bremse! Eine gefühlte Ewigkeit und genauer gesagt 10 Kilometer später kamen wir auf eine Abzweigung und wir konnten diesen Großschotterweg in eine normale Straße eintauschen.

Auf den nächsten Kilometern kehrte die Hoffnung langsam zurück, da wir laut Karte wussten, dass uns diese Straße ans Ziel führen würde. Doch 13 Kilometer nach der Buckelpiste wartete schon das nächste Unheil auf uns. Ich sagte schon, dass die Straße uns an Ziel bringen würde, aber nur dann, wenn sie schon fertig gestellt gewesen wäre!

Wir standen an einer Kreuzung und ein paar Männer meinten, dass wir nur über die noch nicht fertig gebaute Straße zum Ziel kämen. Der andere Weg wäre aufgrund der Auswirkungen des Taifuns nicht passierbar. Als wir dann den Weg der nicht fertigen Straße einschlugen, lachten sie uns noch netterweise aus, denn sie wussten, was auf uns zukommen sollte.

[...]

Ende der Leseprobe aus 127 Seiten

Details

Titel
Backpacker unterwegs: Mein Reise-Sabbatical. Asien, Indien und der Nahe Osten
Untertitel
Vietnam, Kambodscha, China, Nepal, Indien und Jordanien
Autor
Seiten
127
Erscheinungsform
Originalausgabe
ISBN (eBook)
9783668094666
ISBN (Buch)
9783668094819
Dateigröße
5149 KB
Sprache
Deutsch

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Backpacker unterwegs: Mein Reise-Sabbatical. Asien, Indien und der Nahe Osten



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden